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Archiv "Krankheitstage: Blanker Unfug" (24.06.2005)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 25⏐⏐24. Juni 2005 AA1773

S E I T E E I N S

Arzneimittelverordnungen

Hase und Igel

Krankheitstage

Blanker Unfug D

rei Milliarden Euro werden für

Medikamente ausgegeben, die den Patienten nicht besser helfen als preisgünstige.“ So rüffelte Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) jüngst Ärztinnen und Ärzte.

Das Zitat gibt Prof. em. Dr. Gisela C. Fischer Recht, Allgemeinärztin und Mitglied im Sachverständigen- rat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Sie verglich Mitte Juni auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes Managed Care Ärztinnen und Ärzte mit dem ge- hetzten Hasen aus dem Märchen vom Hasen und vom Igel. So sehr sich die Ärzte bemühten, ihren Pa- tienten Medikamente sachgerecht und wirtschaftlich zu verordnen, stets heiße es: Das reicht noch nicht!

Dabei hat der Sachverständigenrat die Arzneimittelausgaben in seinem jüngsten Gutachten als „unauffällig“

im internationalen Vergleich bewer- tet. Fischer lobte zudem, dass sich die Qualität der Versorgung in den letz- ten Jahren objektiv verbessert hat,

und erwähnte Pharmakotherapiezir- kel sowie dezentral erstellte Leitlini- en. Sie verlangt aber vor allem von der Expertenschar, sich bei der Bewer- tung von Verordnungen nicht an stati- stischen Idealwerten zu orientieren, sondern an der realen, oft komplexen Entscheidungssituation vor Ort.

Wenn Krankheit A, dann Medi- kament B – so simpel geht es nur auf Vortragsfolien zu. In Wirklichkeit, erinnerte Fischer, müssten gerade Hausärzte häufig entscheiden, wel- che von mehreren Krankheiten ei- nes Patienten vordringlich behan- delt werden sollen oder mit welchen Medikamenten ein Patient über- haupt zurechtkommen werde. „Stu- dien, die für alte, multimorbide Men- schen den Nutzen von bestimmten Medikamenten nachweisen, gibt es nicht“, betonte sie. So bleibt eben oft nur die Entscheidung im Einzelfall.

Für falsch hält es Fischer weiterhin, sich grundsätzlich für einen gemein- samen Entscheidungsprozess von Arzt und Patient einzusetzen, dann

aber das pragmatische Ergebnis als schlechte Arzneimitteltherapie zu be- schimpfen. Und sie verlangte, das in- tensive Gespräch auf der Suche nach der optimalen Therapie angemessen zu honorieren. Die Information De- menzkranker beispielsweise sei im Rahmen des normalen Sprechstun- denablaufs nicht zu bewältigen.

Die Sachverständige fordert von ihren Kollegen allerdings auch eini- ges. Angesichts der nach wie vor schlechten Compliance hält sie es für vertretbar, Ärzte nicht nur für ei- ne sachgerechte Medikation in die Pflicht zu nehmen, sondern auch für eine sachgerechte Einnahme durch ihre Patienten. Dazu müssten sie al- lerdings noch viel intensiver mit ihren Patienten reden und bereit sein, ihnen gegenüber geschlossener aufzutreten. Doch daran hapert es.

Dass Ärzte nämlich als gleichwerti- ge Partner agieren, hält Fischer eher für Theorie. Es gebe in Wirklichkeit immer noch ein stark empfundenes Bedeutungsgefälle. Sabine Rieser

W

er hat noch nicht, wer will noch mal? Auf Otto Kentzler, den Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), trifft beides zu. Als gäbe es nicht schon genug unsinnige Vorschläge zum Abbau der sozialen Sicherung in diesem Lande, trat Kentzler am vergangenen Wochenende mit einer Idee an die Öffentlichkeit, der man eigentlich nur mit einem verständnis- losen Kopfschütteln begegnen kann.

Der Handwerker-Präsident möchte, dass Krankheitstage mit dem Ur- laubsanspruch verrechnet werden.

Alles zum Wohle des Standortes Deutschland, versteht sich. Die Re- aktionen der Gewerkschaften und

Parteien waren eindeutig. Zu Recht, denn bei den ohnehin schwierigen Diskussionen um notwendige Refor- men der Sozialversicherungssysteme sollte man eines nicht tun: das Augen- maß verlieren.

Kentzler ist offenbar entgangen, dass der Krankenstand hierzulande auf einem historischen Tiefstand ist.

Die Fehlzeiten wegen Krankheit sind auf 13 Kalendertage gesunken. Im Jahr 1990 gab es noch durchschnitt- lich 25 Arbeitsunfähigkeitstage. Nun hat zwar kürzlich jemand die Natio- nalhymne in „Einigkeit und Recht auf Freizeit“ umgedichtet – von ei- nem Volk der „Blaumacher“ kann aber weiß Gott keine Rede sein. Zu

sehr drückt die hohe Arbeitslosigkeit und die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.

Viele kranke Menschen – vor al- lem die chronisch Kranken – fühlen sich heute schon durch die Zuzahlun- gen im Gesundheitswesen arg bela- stet. Ihre Krankheitstage dann auch noch zulasten des Erholungsurlaubs zu verbuchen, erscheint vielen als Zumutung – als ein Rückfall in die Zeiten vor Bismarck.

Wenn Otto Kentzler die Deutschen zu längeren Arbeitszeiten auffordern will, dann soll er dies tun. Er stünde damit nicht allein. Krankheiten als Vehikel dafür zu benutzen ist hinge- gen unverfroren. Josef Maus

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