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Archiv "Wartezimmer- Umfrage: Einäugiger Ansatz" (23.02.1978)

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Die Information:

Bericht und Meinung

senschaftsrat (fast) dasselbe wie diejenigen, die von „Ärzte- schwemme" und „Überproduk- tion" (übrigens auch nur in Anfüh- rungszeichen) reden. Nämlich:

• Der Wissenschaftsrat ist der Auffassung, daß das Verhältnis von Studienanfängern zu Betten bereits jetzt „jenen Wert erreicht, den der Wissenschaftsrat in den Medizinerempfehlungen 1976 [die zudem noch von ziemlicher Ex- pansionsfreude des Wissen- schaftsrates zeugten; die Redak- tion] zur vollen Ausschöpfung der Ausbildungskapazität unter opti- malen organisatorischen Bedin- gungen für erreichbar gehalten hat". Vollends problematisch ist auch nach Meinung des Wissen- schaftsrates die praxisnahe Aus- bildung am Krankenbett — Ziel der Approbationsordnung von 1970 — geworden. Hier könne nur eine weitgehende Kooperation mit au- ßeruniversitären Krankenhäusern noch Abhilfe schaffen.

4)

Beängstigend gestiegen sind die Investitionskosten für die Klini- ken. Hier liegt auch der eigentliche Anlaß für die jüngsten Empfehlun- gen des Wissenschaftsrates. Ke- wenig erklärte in einem Pressege- spräch ganz unverblümt, man är- gere sich in den Hochschulen dar- über, daß die mittlerweile nur spärlich fließenden Gelder zum großen Teil in die medizinischen Fachbereiche flössen und für die anderen Fächer damit zuwenig übrigbleibe. Weiss veranschau- lichte diese Aussage mit dem Hin- weis, pro Bett müßten heute an einer Hochschulklinik zwischen 400 000 und 800 000 DM an Inve- stitionskosten aufgebracht wer- den. Außerdem resultierten aus den Investitionen hohe (und bis- lang offenbar nicht zuverlässig vorher berechenbare) Folgeko- sten.

O Die Betten für Ausbildungs- zwecke lassen sich nicht beliebig vermehren: Das für die Ausbil- dung geeignete „Patientengut" an Hochschulkliniken ist begrenzt, die somit verbleibenden Patienten

dürfen nicht über Gebühr belastet werden.

• Besondere Probleme sieht auch der Wissenschaftsrat in der Weiterbildung. Weiss sprach vor der Presse gar von „katastropha- len Schwierigkeiten". Auch wer keine Weiterbildung zum „Arzt für ..." anstrebt, kann — so der Wissenschaftsrat — „auf kollegiale Kooperation und Anleitung in den ersten Phasen der Berufsaus- übung" nicht verzichten. Damit stelle sich die schwierige Frage, wie künftig — zumal im Zeichen eines notwendigen Abbaus des

„Bettenberges" — für eine doppelt so hohe Zahl von Berufsanfängern

— die notwendigen Weiterbil- dungspositionen bereitgestellt werden könnten. Dazu müßten in wesentlich stärkerem Maße als bisher auch in den Praxen nieder- gelassene Ärzte als Weiterbilder gewonnen werden. Kewenig und Weiss, die diesen Vorschlag vor der Presse sehr unterstützten, wußten freilich nicht so recht, wie das in größerem Umfang praktisch zu bewerkstelligen ist. Patentre- zepte hat der Wissenschaftsrat, wenn man nicht seine Empfehlung auf Einfrieren der Kapazitäten als solches nimmt, ohnehin nicht an- zubieten. Aber wer hat das schon?

Der Wissenschaftsrat wolle zu- nächst einmal auf „diese sehr schwer wiegenden Probleme" hin- weisen, hieß es. Er hat vor, einge- hende Gespräche auch mit den

Selbstverwaltungsorganisationen der Ärzteschaft zu führen.

(I)

Das rapide Ansteigen der Stu- dienanfängerzahlen in der Medizin kann nicht ohne Rückwirkung auf die Bedingungen der Berufsaus- übung und auf die Einkommens- möglichkeiten von Ärzten, insbe- sondere auch in der Phase des Be- rufseintritts, bleiben. Oder um es mit Kewenig zu sagen: „Auch das Medizinstudium bietet nur noch eine Chance, aber nicht die Si- cherheit eines später besonders hohen Verdienstes. Die Mediziner müssen genauso mit geringeren Erwartungen rechnen wie alle an- deren Hochschulabsolventen." NJ

Wartezimmer- Umfrage:

Einäugiger Ansatz

Stiftung Warentest in Berlin testet nicht nur — wie das Publikum mei- nen könnte — Zahnpasta und Pla- stikpuppen, sondern, verstärkt, auch Dienstleistungen. Die dafür erforderlichen Vorgehensweisen müssen jedoch unterschiedlich sein, um zu objektiven Ergebnis- sen zu gelangen. Problematisch wäre es beispielsweise, nur die Pa- tienten zu befragen, ob die medizi- nischen Dienstleistungen wirt- schaftlich und zweckmäßig wären, oder nur Schüler zu befragen, ob der Lehrer gut sei und ihnen das Richtige beibringe. Objektive Er- gebnisse können so gar nicht er- zielt werden. Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versor- gung, Köln, hat bislang vergeblich versucht, Stiftung Warentest auf dem Pfad zur Objektivität beim Test von medizinischen Dienstlei- stungen zu begleiten. Diesmal ging es um „Wartezeiten" in der Arztpraxis.

Warten kostet Zeit. Zeit ist Geld.

Volkswirtschaftlich gesehen geht es darum, die Wartezeit der Pa- tienten zu vermindern. Das verrin- gert Produktionsausfall und ver- längert Freizeit.

Den volkswirtschaftlichen Kosten der Krankheit müssen indirekte Kosten wie Wartezeit, aber auch Wegezeit, Transportkosten zuge- rechnet werden.

Betriebswirtschaftlich sind Warte- zeiten ebenfalls Kostenfaktoren.

Hierbei geht es um rationelle Ab- läufe in der Arztpraxis.

Unter sozialmedizinischen Ge- sichtspunkten kann eine Wartezeit im Wartezimmer nicht ausschließ- lich negativ bewertet werden. War- ten kann Ruhe bringen und Rück- besinnung auf sich selbst, auf sein Verhalten, seine Gefühle, seine Ar- DER KOMMENTAR

Wissenschaftsrat

406 Heft 8 vom 23. Februar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

beitssituation, seine Gesundheits- probleme. Rückbesinnung in Ru- he kann ein Weg sein zur Selbster- kenntnis über gesundheitsbeein- trächtigende Faktoren. Selbster- kenntnis ist ein wichtiges Mittel, die Selbstverantwortung des Pa- tienten für seine Gesundheit zu aktivieren. Thure von Uexküll be- tont "die Tatsache, daß Krankheit dem Kranken und nicht dem Arzt oder einer Bürokratie gehört". Auch objektiv ist für Arzt und Pa- tienten eine andere Behandlungs- situation gegeben, wenn der Pa- tient zumindest einige Zeit "abge- schaltet" hat. Über derartige so- zialmedizinische Effekte des War- tens wurde bislang nur wenig nachgedacht.

Schließlich müssen noch psycho- logische Gesichtspunkte erwähnt werden. Dafür ist es hilfreich, zu- mindest drei Gruppen von Patien- ten zu unterscheiden:

.,.. alleinstehende, nicht mehr be- rufstätige oder kontaktarme Personen,

.,.. Personen, die nicht unter Zeit- und Leistungsdruck stehen und .,.. Personen, die unter Zeit- oder Leistungsdruck stehen.

Für ältere, nicht mehr berufstätige oder alleinstehende Personen

AI\JATOL

kann der Aufenthalt im Wartezim- mer des Arztes eine willkommene Gelegenheit sein, neue Kontakte mit anderen Personen zu knüpfen.

Allein das Gespräch, und sei es nur über die eigene Krankheit, gibt erfahrungsgemäß vielen Men- schen Auftrieb. Patienten, die am Arbeitsplatz oder in der Schule keinem besonderen Leistungs- oder Zeitdruck ausgesetzt sind oder dieses nicht empfinden, könnten eine längere Wartezeit durchaus begrüßen. Der Berufstä- tige freut sich, daß er nicht zu ar- beiten braucht, der Schüler ist froh, bestimmten Unterrichtsstun- den fernbleiben zu können. Die Patienten, die einem ständigen

"StreB" ausgesetzt sind, erleben vielleicht jede Wartezeit - und sei sie noch so kurz- als zu lang. Das Warten kann für diese Personen wiederum StreB bedeuten.

Das Krankheitsbild des Patienten kann ebenfalls auf die Wartezeit- empfindung Einfluß nehmen. War- ten unter Schmerzen verlängert die Wartezeit psychologisch.

Ebenso ist es durchaus möglich, daß derselbe Patient die gleiche Wartezeit, z. B. beim Zahnarzt, an- ders erlebt als bei einem Augen- arzt. Auch kann die Wartezimmer- Atmosphäre auf die einzelnen Pa- tienten psychologisch unter- schiedlich wirken. Wartezeiten nur unter wirtschaftlichen Gesichts-

Die Information:

Bericht und Meinung

punkten zu beurteilen geht am Kern der Sache vorbei. Es müssen auch Sozialmedizinische und psy- chologische Aspekte berücksich- tigt werden.

Eine Studie über Wartezeiten und Wartezimmerservice, wie sie jetzt von der Stiftung Warentest, Berlin, präsentiert wurde, die auf einer mündlichen Befragung einer Be- völkerungsstichprobe beruht, ver- zerrt die Ergebnisse. Eine solche Studie ist weder wissenschaftlich haltbar noch objektiv. Patienten- struktur und Bevölkerungsstruktur entsprechen sich ja nicht. Warte- zeit und Wartezimmerservice nur durch Befragungen beurteilen zu lassen ist mehr als unbefriedi- gend.

Das Zentralinstitut hatte angebo- ten, das Thema gemeinsam mit Stiftung Warentest und Gewerk- schaft zu untersuchen. Subjektive und objektive Messungen von Zeit und Kosten und Nutzen sollten ge- meinsam durchgeführt werden, um dadurch praktikable Empfeh- lungen für optimale Wartezeiten und sinnvollen Wartezimmerser- vice formulieren zu können. Fol- gende Fragestellungen sollten be- antwortet werden:

1. Wie lang sind Wartezeiten ob- jektiv in unterschiedlichen Praxen und bei unterschiedlichen Bestell-

systemen?

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DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 8 vom 23. Februar 1978 407

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

2. Welche Wartezeit ist sozialme- dizinisch optimal?

3. Wie erleben unterschiedliche Patientengruppen die Wartezeit?

4. Wie beurteilen Patienten und Ärzte verschiedene Bestellsy- steme?

5. Durch welche Bestellsysteme können unnötige Wartezeiten re- duziert werden?

6. Wie beurteilen Patienten die Wartezimmerausstattung und ihre Atmosphäre?

7. Gibt es eine unter sozial medizi- nischen, gesundheitserzieheri- schen und psychologischen Ge- sichtspunkten optimale Wartezim- merausstattung?

8. Welche konkreten Empfehlun- gen können für Bestellsysteme formuliert werden?

...,. Objektive Ergebnisse sind nur zu erwarten, wenn zunächst ein- mal die Wartezeit genau definiert wird und die definierte Wartezeit in den Wartezimmern repräsen- tativer Arztpraxen gemessen wird. Bei der Wahl der Arztpraxen müs- sen die Fachgruppen mit aus- schließlich primärärztlicher, pri- mär- und sekundärärztlicher so- wie überwiegend sekundärärztli- cher Versorgung Berücksichti- gung finden. Ebenso müssen die verschiedenen Bestellsysteme ty- pisiert werden und die verschiede- nen typisierten Bestellsysteme in den einzelnen Fachgruppen reprä- sentativ vertreten sein.

...,. Schließlich wäre die Wartezeit unter den genannten Gesichts- punkten volkswirtschaftlich, be- triebswirtschaftlich, sozialmedizi- nisch und psychologisch subjektiv und soweit wie möglich objektiv zu messen.

Nur ein solcher Ansatz wäre nicht einäugig wie der von Stiftung Wa- rentest verwendete. Mit einem Au- ge sieht man ja nicht räumlich; man erkennt bloß Plattheiten. Das geht am Kern des Problems vor-

bei. Ho/Swt

Persilschein zur Vorlage bei derASG

Die "Arbeitsgemeinschaft der So- zialdemokraten im Gesundheits- wesen (ASG)" stört sich an der Be- richterstattung über die bisherige Reaktion auf die "Gesundheitspo- litischen Leitsätze der SPD" (Heft 3/78, Seite 1 00). Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT versuche "den Ein- druck zu vermitteln, als relativier- ten Mitglieder des Bundesvorstan- des der ASG in Presseartikeln die Aussagen und programmatischen Forderungen der in Harnburg be- schlossenen Gesundheitspoliti- schen Leitsätze der SPD", erklärt ASG-Vorsitzender Dr. med. Fritz Cremer im Pressedienst seiner Arbeitsgemeinschaft.

Irritiert hat Cremer vor allem der Hinweis im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT, daß Wolfgang Mudra (ASG-Vorstandsmitglied und im Hauptberuf Referent im Wirt- schafts- und Sozialwissenschaftli- chen Institut des DGB) das neue Gesundheitsprogramm der SPD in einem Artikel als "Angebot", das noch der "Diskussion und Konkre- tisierung" bedürfe, bezeichnet hatte. Wenn es Wolfgang Mudra nützt, dann sei ihm gerne beschei- nigt, daß er in seinem erwähnten Artikel die SPD-Leitsätze außer- dem auch des längeren beschrie- ben hat. Und wenn die ASG es so lieber sieht, dann wollen wir auch gerne zur Kenntnis nehmen, daß die ASG mit den "Leitsätzen" eben kein Diskussionsangebot unter- breitet hat, sondern hiermit ein po- litisch feststehendes Datum ge- setzt haben will. Ob aber nicht der ASG ganz im Sinne von Mudra weit eher damit gedient ist, wenn über das neue Programm über- haupt diskutiert wird, nachdem der SPD-Parteitag dazu keine Zeit hatte?

Die ASG wehrt sich übrigens des- halb, weil das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT den Zweck verfolge,

"durch Verbreiten von Unsicher- heit die programmatische Grund-

408 Heft 8 vom 23. Februar 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Übereinstimmung zwischen DGB OTV und Ortskrankenkassen z~

zerstören, um daraus für die ärztli- che Standespolitik Nutzen zu ziehen"!

Wenn auch diese "programmati- sche Grundübereinstimmung"

zwischen den Verfassern der SPD- Leitsätze und den Gewerkschaften niemand überraschen kann, so verdient es immerhin festgehalten z_u werden, daß auch die paritä- tisch von den Arbeitgebern mitfi- nanzierten Ortskrankenkassen mit einem SPD/DGB-Gesundheitspro- gramm programmatisch in Grund- übereinstimmung stehen sollen, das auch die Ortskrankenkassen in ihrer bisherigen Form in Frage

stellt. NJ

ZITAT _ _ _ _ _ _ _ _

Entspannungskomplex

.. Das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT, Flaggschiff der ärzt- lichen Kampfpresse, berich- tet auch nach lnkrafttreten des Kostendämpfu ngsgeset- zes im alten Stil weiter, als wäre nichts geschehen. Die

,kalten Krieger' der Redak-

tion benötigen halt Buhmän- ner und Feinde, um damit die eigene Existenzberechti- gung um so besser unter Be- weis zu stellen ... Die Ent- spannung, wenn man dieses Wort einmal benutzen darf, wird sich auch hier ihren Weg bahnen.. . Wer dies nicht sieht, wird irgendwann einmal das Schicksal jener vorsintflutlichen Urwelttiere teilen, unter deren Bild der Verfasser einmal die treffen- de Bemerkung fand, ,ausge- storben, weil mehr Panzer als Hirn'."

Altred Schmidt, Leiter der Abteilung "Sozialpolitik"

beim DGB-Bundesvorstand und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen (BdO), in .. Soziale Sicherheit"

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