HEILBERUFE UND POLITIK
Harmonie in Dur und Moll
Mit dem Vorwurf der Opposition, er betreibe Klientelpolitik,
versucht Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), bei den Heilberufen zu punkten. Von denen aber bekommt er nicht nur Lob zu hören.
D
en runden Tisch im Gesund- heitswesen gab es schon mal.Elf Jahre später begrüßte nun Her- bert Pfennig, Vorstandssprecher der Deutschen Apotheker- und Ärzte- bank (Apobank), im kreisrunden Saal der Tonhalle in Düsseldorf Vertreter der akademischen Heilbe- rufe zum „Gesundheitspolitischen Jahresauftakt“. Eine Gelegenheit für den Bundesgesundheitsminister, in dem Konzerthaus die Tonlage für die kommenden Monate vorzuge- ben. Wie stets vor solchem Audito- rium dankte Daniel Bahr den im Gesundheitswesen Tätigen, insbe- sondere den vielen Freiberuflern, die mit ihrer täglichen Arbeit eine medizinische Versorgung auf höch - stem Niveau ermöglichten. Bahrs politische Botschaften lauteten: Die Sparbeschlüsse von 2010 waren notwendig, auch wenn die Kran- kenkassen heute im Geld schwim- men. Die Gesundheitspolitik der Regierung ist aus freiheitlichen Grundsätzen abgeleitet. Und das bisher Erreichte ist besser als oft dargestellt.
Sparmaßnahmen befristet
Zur Verlässlichkeit der Gesundheits- politk gehört nach Bahrs Worten, dass die Sparmaßnahmen wie be- schlossen auf 2011 und 2012 be- grenzt bleiben. Darüber hinaus wirkten die Strukturveränderungen, beispielsweise die frühe Nutzenbe- wertung neuer Arzneimittel und die Preisverhandlungen zwischen Her- stellern und Kassen. „Erstmals seit den Zeiten eines Gesundheitsminis- ters Seehofer ist es uns gelungen, dass die Kassen für die ambulante Versorgung mehr Geld ausgeben als für Arzneimittel.“ Mit der spezial- fachärztlichen Versorgung habe die Koalition einen ersten Schritt ge- wagt zur Verzahnung des ambulan-ten mit dem stationären Sektor. „Wir verzichten da ganz bewusst auf neue Regulierungen und Mengenbegren- zungen.“ Die wohnortnahe Versor- gung durch niedergelassene Haus- und Fachärzte, durch Zahnärzte, durch Apotheker, die freie Arztwahl, die freie Wahl des Krankenhauses, die Therapiefreiheit, die freie Wahl der Krankenversicherung – das sind für den Freien Demokraten Grund- sätze, an denen er nicht rütteln will.
Deshalb habe man im Versorgungs- strukturgesetz die Mengenabstaffe- lung beim Honorar für junge Ärzte, die sich in der Fläche niederlassen, aufgehoben. „Mich regt es auf, wenn die Gewährleistung einer leis- tungsgerechten Vergütung als Sub- vention bezeichnet wird“, stellte Bahr heraus. Der Oppositionskritik, er betreibe Klientelpolitik, hielt er entgegen: „Auch die Patienten ha- ben ein Interesse daran, von Men- schen versorgt zu werden, die Freu- de an ihrem Beruf haben.“ Starker
Beifall – aber mitreißen konnte Bahr die Zuhörer nicht.
Für Bahr ist Gesundheitspolitik auch, aber nicht nur Sozialpolitik.
Er sprach ausdrücklich von „Ge- sundheitswirtschaft“, die als größ- ter Arbeitgeber in Deutschland wohnortnah Ausbildungs- und Ar- beitsplätze schaffe und deren mit- telständisch-freiberufliche Struktur erhalten bleiben müsse. Bahr mahn- te aber eine Modernisierung an:
Nicht nur Angestellten in großen Zentren müsse es möglich sein, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Auf die geänderten Ansprüche der nachrückenden Ärztegeneration verwies auch Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärzt - lichen Bundesvereinigung. „Der klassische niedergelassene Arzt in einer Einzelpraxis, der zehn bis 14 Stunden am Tag arbeitet, ist nicht mehr das Modell der Zukunft“, hob Müller hervor. Viele junge Ärztin- nen und Ärzte möchten lieber an - gestellt tätig sein und neben dem Beruf auch ein Privatleben haben.
Gegen eine Niederlassung würden leider häufig auch die finanziellen Risiken ins Feld geführt. Dieser Herausforderung müssten sich Poli- tik, Standesvertreter, aber auch die Apobank stellen.
Apotheker hoffen auf Anreize
Das Versorgungsstrukturgesetz und den konstruktiven Dialog mit dem Ministerium würdigten die Vertreter der Heilberufe. Aber sie stimmten auch Molltöne an: „Ein ausgespro- chenes Lob von mir erwarten Sie gar nicht“, meinte Heinz-Günter Wolf, Präsident der Bundesvereini- gung Deutscher Apothekerverbände, an Bahr gewandt. Wolf erinnerte daran , dass der Rabatt, den die Apo- theken den Krankenkassen gewäh- ren, für 2011 und 2012 von 1,75 auf 2,05 Euro pro Packung erhöht wor- den sei. Zudem habe der Großhan- del seinen Sparbeitrag von ebenfalls 200 Millionen Euro auch noch den Apotheken aufgebürdet. Nach der Stärkung der Landarztpraxen „brau- chen wir jetzt noch den richtigen Anreiz für junge Apotheker, damit die Landapotheker Nachfolger fin- den“, forderte Wolf.▄
Heinz Stüwe Gesundheitsmi-
nister Daniel Bahr vor Vertretern der Heilberufe: Die Ge- währleistung einer leistungsgerechten Vergütung ist keine Subvention.
Foto: Apobank
P O L I T I K
A 404 Deutsches Ärzteblatt