Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 11|
19. März 2010 A 467 ARZNEIMITTELAUSGABENSparpläne gewinnen an Kontur
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat erstmals in Eckpunkten dargestellt, wie er Einsparungen bei den Medikamentenausgaben verwirklichen will.
Die Pharmaindustrie kann aufatmen – es hätte sie härter treffen können.
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er Bundesgesundheitsminister fand markige Worte: „Ich ha- be immer gesagt, dass ich hart an die Pharmaindustrie und deren Preise herangehen werde. Das mache ich jetzt.“ Der Ankündigung von Philipp Rösler in der „Bild“ vom 10. März folgte jetzt ein knappes Eckpunkte- papier, das die Pharmaunternehmen jedoch kaum das Fürchten lehren wird. Denn zwei ihrer wichtigsten Standortvorteile bleiben zunächst bestehen: Neue Medikamente dürfen auch künftig unmittelbar nach ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung zulasten der Krankenkassen verord- net werden. Außerdem können die Hersteller die Preise für ihre Präpara- te weiterhin frei bestimmen – zumin- dest bei der Markteinführung.Im Fokus sind Innovationen
Die Sparpläne aus dem Bundesmi- nisterium für Gesundheit (BMG) haben vor allem innovative Arznei- mittel im Blick, die noch unter Pa- tentschutz stehen und in der Regel teuer sind. Ihr Anteil an den Arznei- mittelausgaben von insgesamt circa 30 Milliarden Euro jährlich beläuft sich auf immerhin 37 Prozent. Das Ministerium will nun den Unter- nehmen vorschreiben, dass sie möglichst schon zur Markteinfüh- rung eines neuen Präparats ein Dos- sier zum Nutzen einreichen, auf dessen Grundlage der Gemeinsame Bundesausschuss feststellt, für wel- che Patienten und Erkrankungen ein Zusatznutzen besteht, ob es Ver- gleichsprodukte gibt oder ob das neue Medikament ein „Solist“ ist.Für solche echten Innovationen sol- len Hersteller und Kassen über ei- nen angemessenen Preis verhan- deln. Kommt innerhalb eines Jahres kein Vertrag zustande, nimmt das Institut für Qualität und Wirtschaft- lichkeit im Gesundheitswesen eine
Kosten-Nutzen-Bewertung vor, an deren Ende ein Höchstpreis steht.
Auch bei den Analogpräparaten kommt nach den Plänen des BMG grundsätzlich eine Verhandlungs - lösung infrage. Die Verträge sollen aber im Gegensatz zu den umstritte- nen Rabattverträgen im Generikaseg- ment „mehrdimensional“ sein. Das heißt, es geht nicht allein um Preis- abschläge. Die Frage der Erstattung kann beispielsweise an die Wirkung des Präparats oder dessen Beitrag zur Versorgungsqualität geknüpft sein.
Alternativ dazu können Analogprä- parate wie bisher der Festbetrags- regelung unterworfen werden.
Röslers Pläne decken sich zum Teil mit Vorschlägen der Pharma- verbände, die diese dem Minister Mitte Februar unterbreitet hatten.
Sowohl der Verband forschender Arzneimittelhersteller als auch der Bundesverband der Pharmazeuti- schen Industrie hatten sich dort für Direktverträge zwischen Arznei- mittelherstellern und Krankenkas- sen für patentgeschützte Arzneimit- tel ausgesprochen. Auf heftigen Wi- derstand der Industrie stößt jedoch Röslers Vorhaben, durch ein Preis- moratorium und einen erhöhten Herstellerrabatt bereits kurzfristig
Einsparungen zu erzielen. Doch Rösler kann auch mit Zustimmung rechnen. Sollten die Wirtschaftlich- keitsprüfungen bei den ärztlichen Verordnungen und die Bonus-Ma- lus-Regelung wie angekündigt auf den Prüfstand kommen, ist ihm der Beifall der Ärzte gewiss. „Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf“, erklärte dazu Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung. Man sei jetzt auf die Details gespannt.
Selten einige Koalition
Fast schon überraschend ist, dass diesmal auch die Koalitionspartner hinter den Plänen des Ministers ste- hen. Die Gesundheitsexperten der CDU/CSU-Fraktion kündigten am 12. März nach einer Klausurtagung an, zusammen mit Rösler möglichst noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf auf den Weg zu brin- gen. Die Gruppe hatte ein eigenes Papier zu den Perspektiven für den Arzneimittelmarkt vorgelegt. Es setzt ebenfalls auf Direktverträge zwischen Pharmaunternehmen und Krankenkassen sowie ein Preismo- ratorium und einen erhöhten Her-
stellerrabatt. ■
Heike Korzilius Knifflige Aufgabe: Sind Preis- verhandlungen die Lösung?
Philipp Rösler will die Arznei- mittelausgaben dauerhaft in den Griff bekommen.
Foto: ddp