Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage der Rechtswirksamkeit einer Pa- tientenverfügung beschäftigt.
Im zugrunde liegenden Fall wird der Betroffene seit No- vember 2000 nach einem Myocardinfarkt, bei dem er ei- nen hypoxischen Gehirnscha- den im Sinne eines apalli- schen Syndroms erlitt, über ei- ne PEG-Sonde ernährt. Eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich. Auf Anregung der Klinik bestellte das Amts- gericht den Sohn zu seinem Betreuer.
Sohn verlangte Einstellung der Ernährung
Im April 2002 beantragte der Sohn beim Amtsgericht die Einstellung der Ernährung des Vaters, da eine Besserung seines Zustands nicht zu er- warten sei. Diese Entschei- dung entspricht dem früher geäußerten Wunsch des Va- ters. Er hatte verfügt, dass er im Fall einer irreversiblen Be- wusstlosigkeit keine Intensiv- behandlung und eine Einstel- lung der Ernährung wünsche.
Umstritten war bislang, ob in einem solchen Fall die Ein- willigung des Betreuers in den Abbruch einer Ernäh- rung analog § 1904 Bürgerli- ches Gesetzbuch (BGB) der vormundschaftlichen Geneh- migung bedarf.
Der BGH hat zunächst zur Rechtswirksamkeit einer Pa- tientenverfügung festgestellt:
Ist ein Patient einwilligungs- unfähig und hat sein Grund- leiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnah- men unterbleiben, wenn dies seinem zuvor – etwa in Form einer Patientenverfügung – geäußerten Willen entspricht.
Dies folge aus der Würde des Menschen, die es gebietet, ein in einwilligungsfähigem Zu- stand ausgeübtes Selbstbe- stimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn der Betroffene zu eigenver-
antwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist.
Ist allerdings für den ein- willigungsunfähigen Patien- ten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der Pati- entenwille allein einen Ein- griff in seine persönliche Inte- grität nicht länger zu recht- fertigen. Mit der Bestellung des Betreuers sei die rechtli- che Handlungsfähigkeit des Betroffenen wieder herge- stellt; Arzt und Pflegeperso- nal könnten deshalb nicht mehr unmittelbar auf den Willen des Patienten „durch- greifen“.
Für das Betreuungsrecht gilt daher eine Besonderheit:
Soweit die behandelnden Ärz- te eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung anbieten, ist eine Einwilli- gung des Betreuers als ge- setzlicher Vertreter des ein- willigungsunfähigen Patien- ten erforderlich. Ein Unter- lassen, erst recht eine Verwei- gerung der Einwilligung in die angebotene Behandlung wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirk- sam. Es habe das Verhal- ten des Betreuers auf seine Rechtmäßigkeit hin zu über- prüfen.
Früherer Wille eines Patienten ist zu würdigen
Das Gericht hat aber keine ei- gene Entscheidung zu treffen, sondern der des Betreuers ge- gen eine Behandlung zuzu- stimmen, wenn feststeht, dass die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die angebotene Behandlung dem früher erklärten Willen des Betroffenen widerspricht.
Die Zuständigkeit des Vor- mundschaftsgerichts ergibt sich nicht aus § 1904 BGB analog, sondern aus einem unabweis- baren Bedürfnis des Betreu- ungsrechts. (BGH, Beschluss vom 17. März 2003, Az.: VII
ZB 2/03) Be
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 28–2914. Juli 2003 AA1957
Patientenverfügung
Vormundschaftsgericht muss Betreuerentscheidung prüfen.
Rechtsreport