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Archiv "Patientenverfügung: Aus der Urologie" (06.03.2009)

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A460 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 10⏐⏐6. März 2009

B R I E F E

PATIENTENVERFÜGUNG

Pro und Kontra zur Frage, ob eine ge- setzliche Regelung sinnvoll ist (DÄ 5/2009: „Gesetzliche Regelung von Pati- entenverfügungen“

von Eva Richter-Kuhlmann und Gisela Klinkhammer).

Aus der Urologie

. . . Ich bezweifle den Sinn einer Pati- entenverfügung. Grundsätzlich wäre es schön, wenn man eine Grundlage für grenzwertige Entscheidungen hät- te, wenn der Betroffene sich selbst nicht mehr äußern kann. Die Patien- tenverfügung ist dazu aber nicht tauglich. Ich muss dies am Beispiel erläutern. In der Urologie gibt es im- mer wieder einmal eine Krankheitssi- tuation, wo ein maligner Tumor durch retroperitonäales Wachstum oder Metastasen beide Harnleiter ver- legt und durch Harnstau zur Urämie führt, die unbehandelt tödlich endet.

Der Patient erlebt dann das fort- schreitende Wachstum, die zuneh- mende Metastasierung des Tumors nicht mehr, er trübt ein und entschläft – im Vergleich zum Tod durch einen metastasierten Tumor ein sanfter Tod.

Nun gibt es die Möglichkeit, durch Einlage eines Harnleiterkatheters ei- ne der Nieren zu entlasten, die Urä- mie abzuwenden und ein Weiterleben zu ermöglichen, bis der Tumortod (mit Metastasenschmerz und Tumor- kachexie) eintritt. Das ist die klassi- sche „Verlängerung“ nach dem Sprachgebrauch im Volksmund, die allenthalben von der Bevölkerung in den Diskussionen abgelehnt wird. Ich habe in achtundzwanzig Jahren Uro- logie zahlreiche solche Situationen erlebt, und oft wurde den Betroffenen

zur Wahl gestellt, diesen Weg zu ge- hen oder den Harnweg zu entlasten.

Jedes Mal entschied sich der Patient für die Nierenentlastung, sodass ich sagen kann, dass es die Entscheidung gegen eine „Verlängerung“ in der Wirklichkeit nicht gibt, obwohl ja al- le allenthalben in gesunden Tagen sich so lauthals gegen sie ausspre- chen. Nun zurück zur Patientenverfü- gung: Wie muss ein Schriftstück aus- sehen, das uns in die Lage versetzt, für den bewusstlosen Patienten im Grenzbereich eine Entscheidung zu fällen, die er bei vollem Bewusstsein selbst nicht zu fällen in der Lage ist?!

Dr. Gottlob Flier,Schulkoppel 18, 24976 Handewitt

Mit Risiken und Nebenwirkungen

Die inhaltlichen Argumente des

„Kontra“ einer gesetzlichen Rege- lung von Frau Klinkhammer in Über- einstimmung mit der Position des BÄK-Präsidenten Prof. Hoppe mö- gen zum Teil nachvollziehbar sein.

Allein dem Hauptargument, die Rechtslage sei klar, und eine gesetzli- che Regelung vermehre die Rechts- unsicherheit, kann angesichts der ak- tuellen deutschen Gerichtspraxis ganz und gar nicht gefolgt werden.

Zum einen existiert gar keine

„Rechts“lage zur Patientenverfü- gung, sondern eine „Rechtspre- chungs“lage („Richterrecht“), deren Inkonsistenzen selbst dem „Insider“

Rätsel aufgeben, wenn man beispiels- weise die BGH-Zivilsenatsentschei- dung von 2005 (Az.: XII ZR 177/03) betrachtet, die eine Sondenernährung des Wachkomapatienten Peter K. ge- gen dessen Willen zwar richtigerwei- se als Körperverletzung bezeichnet – aber am Ende des Urteils vermerkt, man wisse nicht, ob diese Position der einzufordernden Unterlassung

strafrechtlich haltbar sei. Zum ande- ren zeigen doch aktuelle bizarre Ver- fahren vor Vormundschafts-, Zivil- und Strafgerichten, dass der vom BÄK-Präsidenten sehr zu Recht be- klagte miserable Informationsstand über die Rechtsprechungslage (siehe entsprechende empirische Untersu- chungen) leider vor vielen Staatsan- wälten und Gerichten nicht halt- macht. Da führt die „Beihilfe“ eines neurologischen Chefarztes beim Ab- stellen eines Beatmungsgeräts bei infauster Erkrankung und klarem mutmaßlichem Willen zur Anklage wegen „Beihilfe zum Totschlag“

(Az.: 21 Ks 5/07) durch eine übereif- rige Staatsanwaltschaft beim Landge- richt Magdeburg, und der Chefarzt ist erst mal seinen Posten los. Ich habe mittlerweile einen gefüllten Akten- ordner mit solchen zum Teil abstru- sen Vorgängen zulasten jener Ärzte, die die klugen und ausgewogenen Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung befolgen und er- schreckt realisieren müssen, dass dies leider von enormen juristischen „Ri- siken und Nebenwirkungen“ beglei- tet ist. Als bedauerliche Konsequenz dieser Unsicherheit im Alltag wird von einigen Ärzten schon wieder der Grundsatz „am sichersten immer ma- ximal therapieren“ zum Schaden der Patienten propagiert. Auch wenn eine gesetzliche Regelung nicht alle „Voll- zugsprobleme“ der Vorsorgeinstru- mente lösen können wird, so besitzt sie jedenfalls Gesetzeskraft, die vom mangelhaft informierten Justiz- und Medizinpersonal nicht mehr so ein- fach ignoriert und konterkariert wer- den kann. Mehr Rechtsunsicherheit als im Moment ist kaum vorstellbar.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Frank Erbguth, Klinik für Neurologie, Klinikum Nürnberg Süd, Breslauer Straße 201, 90471 Nürnberg

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