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Archiv "Der Krieg der Väter gegen die Kinder fand nicht statt" (29.05.1985)

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Der Ärztetag hat die friedliche Invasion der Medizinstudenten gut überstanden. Man redete miteinander und suchte einan- der zu verstehen. Vorurteile auf beiden Seiten konnten abge- baut, wenn auch nicht beseitigt werden. Der Krieg der Väter gegen die Kinder, den ein Delegierter schon ausbrechen sah, fand nicht statt, jedenfalls nicht 1985 in Lübeck. Die Väter sind den Kindern, soweit ihnen das möglich war, entgegen gekommen. Die erste Bewährungsprobe kommt schon bald

— dann, wenn innerärztlich und in Bonn über die Qualifika- tion des niedergelassenen Kassenarztes verhandelt wird. Der Ärztetag hat sich in dieser Frage nicht festlegen wollen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Der Krieg der Väter gegen die Kinder fand nicht statt Der 88. Deutsche Ärztetag vom 14. bis

zum 18. Mai 1985 in Lübeck-Travemünde

E

inen Tag vor Beginn des Ärz- tetages, auf einer Veranstal- tung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hatte der Vertreter des Bundesarbeitsmi- nisteriums noch einmal die Hoff- nung geäußert, die Ärzteschaft werde mit überzeugender Mehr- heit ihre Vorstellungen für die künftige Qualifikation des nie- dergelassenen Arztes, speziell des Kassenarztes, präsentieren.

Ministerialdirektor Jung, der zu- ständige Mann aus dem Arbeits- ministerium, spielte damit auch auf jenen Dissens an, der sich bei der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen über das so- genannte Hausarztmodell ge- zeigt hatte.

Der 88. Deutsche Ärztetag erfüll- te die aus Bonn übermittelten Hoffnungen nicht; er bot aber auch nicht das Schauspiel ei- ner zerstrittenen Ärzteversamm- lung. Der Streit konnte vermie-

den werden, weil das eigent- liche Problem ausgespart wurde und weil wohl hinter den Kulis- sen bereits nach Lösungen für die „Hausarztqualifikation" — oder wie immer der Begriff schließlich lauten wird —gesucht wird. Auf dem Ärztetag war vom Hausarzt expressis verbis kaum die Rede, aber viele hatten ihn im Sinn. Die Beschlüsse des Ärztetages verbauen weder den Befürwortern noch den Geg- nern einer bestimmten Form der Qualifikation den Weg. Der Ärz- tetag hat allerdings vorsichtig ei- nige Weichen gestellt.

Die Beratungen und Beschlüsse um Nachwuchsprobleme, Zulas- sung zur Kassenpraxis, Weiter- bildung in den Gebieten und be- sonders zur Allgemeinmedizin wurden aufgehängt an der „Pra- xisphase". Diese soll 1987 ein- geführt werden. Das entspre- chende Gesetz, eine Novelle der

Bundesärzteordnung, ist bereits verabschiedet. Mit ihr wird der Arzt im Praktikum geschaffen, der nach sechs Jahren Medizin- studium mit einer befristeten Er- laubnis unter Aufsicht ärztlich tätig werden darf. Die Praxis- phase soll bis 1991 auf 18 Mona- te befristet sein, danach 24 Mo- nate dauern. Im Anschluß an diese AiP-Zeit wird die uneinge- schränkte Approbation erteilt.

Wie die AiP-Zeit gefüllt werden soll, das wird eine Neufassung der Approbationsordnung, die zur Zeit in Bonn in Arbeit ist, festlegen. Die Strukturierung der Praxisphase ist Sache der Bundesregierung, federführend des Bundesgesundheitsmini- sters, und des Bundesrates.

Der Ärztetag hat dazu jetzt eine Wunschvorstellung geäußert.

Die Delegierten haben sich mehrheitlich für eine grobe Strukturierung — Mindestzeiten im nichtoperativen und operati- ven Bereich — ausgesprochen.

Höchstens sechs Monate dürf- ten in Ausbildungsstätten ohne unmittelbare therapeutische Be- treuung von Patienten abgelei- stet werden. So der Wunsch an das Bundesgesundheitsministe- rium. Dieses hat bisher eine Strukturierung nur vorsichtig befürwortet; es war skeptisch, ob sich eine Vorgabe von Min- destzeiten angesichts des sich versteifenden Stellenmarktes würde realisieren lassen. Solche Skepsis kam zwar auch auf dem Ärztetag hoch. Doch die Befür-

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 22 vom 29. Mai 1985 (17) 1665

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztetag: Thema Praxisphase

worter der Grobstrukturierung behielten die Oberhand. Ein Grund dafür dürfte sein, daß die Befürworter am Ende der AiP- Zeit tatsächlich den praxisfähi- gen Arzt sehen wollen. Sie wol- len damit allen Kritikern, die arg- wöhnen, ein AiP könne die ge- samte Zeit in einem theoreti- schen Institut verbringen und sich danach womöglich nieder- lassen wollen, den Wind aus den Segeln nehmen. Eine struktu- rierte Praxisphase bietet immer- hin eine gewisse Garantie, daß alle nachrückenden Ärzte ein Minimum an Praxiserfahrung besitzen.

Der Ärztetag hat außerdem die AiP-Zeit, so nah es rechtlich überhaupt möglich ist, an die Weiterbildungszeit herange- rückt. Abschnitte ärztlicher Tä- tigkeit, die als Arzt im Praktikum unter Einhaltung der Bestim- mungen der Weiterbildungsord- nung abgeleistet wurden, sollen nämlich auf die Weiterbildung in einem Gebiet, Teilgebiet oder Bereich anrechnungsfähig sein.

Ja, er hat sogar konstatiert, daß sich die Weiterbildungszeit um diese Zeiten „verkürzt". Damit wollte der Ärztetag Klarheit für die Medizinstudenten schaffen, die der AiP-Zeit mit großem Mißtrauen gegenüberstehen und in ihr ein Selektionsinstru- ment wittern. Nach dem Wunsch der Delegiertenmehrheit soll die AiP-Zeit keine zusätzliche Hürde vor der ärztlichen Tätigkeit sein (und wo doch, dann will man sie jedenfalls niedrig halten).

Der Ärztetag ist in dieser Frage also dem Nachwuchs entgegen- gekommen. Und ein weiterer Beschluß im Sinne des Nach- wuchses: Es gehöre zu den kol- legialen Pflichten eines jeden Arztes, im Rahmen seiner Mög- lichkeiten an der Ausbildung und an der Weiterbildung von Ärzten mitzuwirken. Der Arzte- tag appellierte an die Ärzte in freier Praxis, das Ihre dazu zu tun, daß alle Ärzte die notwendi- ge Berufserfahrung mit einer

Assistententätigkeit erwerben können. Unklar bleibt nach den Diskussionen des Ärztetages freilich, ob dieser Appell ledig- lich die förmlichen (Weiterbil- dungs-)Assistenten begünstigt oder auch den AiP. Hier gehen die Auffassungen auseinander.

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, daß zu den Initiatoren der beiden letztgenannten Be- schlüsse das KBV-Vorstandsmit- glied Dr. Ernst-Eberhard Wein- hold gehört. Weinhold ist einer der beredten Befürworter des sogenannten Hausarztmodells der Kassenärztlichen Bundesve- reinigung. Man darf daher davon ausgehen, daß die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages auch mit den Hausarztvorstellungen, wie sie Weinhold vertritt, kom- patibel sind. Das heißt also, daß die AiP-Zeit, wenn sie wirklich nach den Beschlüssen des Ärz- tetages realisiert werden sollte, in das Hausarztmodell paßt. Ei- ne Frage bleibt nach wie vor dem Ärztetag offen: Wie lange muß ein Arzt nach der AiP-Zeit zusätzlich kassenärztliche Vor- bereitungszeit ableisten, wenn er sich als Kassenarzt niederlas- sen will (und eine Nebenfrage ist außerdem, welche AiP-Zeit gemeint ist — die volle ab 1991 oder auch schon die 18 Monate der Übergangszeit).

Es ist nicht Aufgabe

des Deutschen Ärztetages, Gegensätze bloßzulegen Diese Gretchenfrage hatte im Grunde genommen der ein- gangs zitierte Vertreter des Bun- desarbeitsministeriums beant- wortet haben wollen; und die Antwort ist der Ärztetag eben schuldig geblieben. Er konnte wohl nicht anders. Dr. Karsten Vilmar jedenfalls hat auf Vorhal- tungen, weshalb der Ärztetag keine klare Aussage getroffen habe, geantwortet: Aufgabe des Ärztetages sei es, Gemeinsam- keiten herauszuarbeiten und nicht Gegensätze bloßzulegen.

Wem hätte eine knappe Abstim- mung zugunsten oder gegen ein bestimmtes Modell letztendlich schon genützt? Der Bundesar- beitsminister hätte nicht die von ihm gewünschte klare, von einer großen Mehrheit getragene Mei- nungsäußerung bekommen. Die Unterlegenen hätten gewiß kei- ne Ruhe gegeben, und die Sie- ger hätten sich eines knappen Sieges auf Dauer nicht erfreuen können.

Wie wird es nun weitergehen?

Die detaillierten Verhandlungen über die kassenärztliche Qualifi- kation werden von den Vorstän- den der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung fortgesetzt wer- den müssen und wo nicht unter- einander, dann mit Bundesre- gierung und Parlament. Und dort werden auch die Verbände ihre Fäden knüpfen. Gute Zeiten für Lobby-isten!

Was den „Hausarzt" betrifft, so hatte sich der Vorstand der Bundesärztekammer schon vor dem Ärztetag mit großer Mehr- heit auf ein Modell — AiP-Zeit plus ein zusätzliches halbes Jahr kassenärztlicher Vorberei- tungszeit — geeinigt (Näheres in Heft 18). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertritt wei- terhin ihr Hausarztmodell; KBV- Vorsitzender Professor Dr. Sieg- fried Häußler hatte noch in Tra- vemünde von drei Jahren Vorbe- reitungszeit (unter Anrechnung der AiP-Phase) gesprochen; die Vertreterversammlung der KBV hat in einer einschlägigen Ent- schließung freilich auf die Nen- nung einer Frist verzichtet. Ver- handlungsspielraum scheint demnach vorhanden zu sein.

Sollte man sich innerärztlich nicht einigen und dem Bundes- arbeitsminister nicht mit einem gemeinsamen Vorschlag kom- men, dann muß der halt allein entscheiden. Entscheiden muß er sowieso. Und kritisiert wird er, egal, wie er sich entscheidet, während andere sich die Hände in Unschuld waschen. NJ

1666 (18) Heft 22 vom 29. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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