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Problemreich und konfliktgeladen: Lokale Demokratie in Deutschland fünf Jahre nach der Vereinigung

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Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

FS III 96-203

Problemreich und konfliktgeladen:

Lokale Demokratie in Deutschland fünf Jahre nach der Vereinigung

Thomas R. Cusack und

Bernhard Weßels

Berlin, Juni 1996

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, D 10785 Berlin,

Telefon (030) 25 49 1-0

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Schwierigkeiten, die die lokalen Eliten als bedeutsam ansehen. Gleichzeitig erachten die lokalen Eliten ihre Handlungsmöglichkeiten und Macht in wichtigen Problembereichen als zu gering, um mit den Problemen fertig zu werden. Darüber hinaus erschwert das breite Spektrum von Spannungen und Konflikten in den Gemeinden Problemlösungen in einem Ausmaß, wie es in keinem anderen Land, für das vergleichbare Studien zur Verfügung stehen, von den lokalen Eliten berichtet wird. Dennoch sehen die deutschen lokalen Eliten ihre politischen Maßnahmen in zentralen Problembereichen als erheblich erfolgreicher an, als ihre Kollegen in anderen Ländern, allerdings nicht in den Bereichen der Finanzkraft und der wirtschaftlichen Entwicklungen in den Gemeinden.

Unter den Bürgern in diesen Gemeinden ist die Zufriedenheit mit den Leistungen der kommunalen Regierungsinstitutionen sowohl in den neuen als auch den alten Bundesländern im Durchschnitt recht hoch. Jedoch sind die Unterschiede zwischen den Gemeinden bezogen auf die Zufriedenheit der Bürger in beiden Regionen beträchtlich. In einigen Gemeinden ist nur eine kleine Minderheit der Bürger der Meinung, die Leistungen der Regierungsinstitutionen seien zufriedenstellend, während in anderen Gemeinden dies nahezu alle Bürger meinen. Es konnte gezeigt werden, daß ein beträchtlicher Teil dieser Unterschiede auf institutionelle Unterschiede kommunaler Institutionen und auf das unterschiedliche Ausmaß sozialen Kapitals in den Kommunen zurückgeführt werden kann.

Die Ergebnisse verweisen damit auf die Stimmigkeit des theoretischen gewählten theoretischen Bezugsrahmens und auf die Notwendigkeit, sowohl politisch-kulturelle als auch institutioneile Faktoren bei der Analyse der Performanz lokaler Regierungen zu berücksichtigen.

Zusammengefaßt zeigen die Ergebnisse, daß Konfliktminimierung, mehr Vertrauen und straffere Entscheidungsstrukturen wichtige Faktoren für erfolgreiche kommunale Politik sind.

Abstract

The problem agenda of local governments in Germany appears to be especially crowded and filled with difficulties that local elites see as important. At the same time, many of the more severe problems on this agenda are policy areas where elites report that there is insufficient power and autonomy on the part of local government to cope with these problems. Furthermore, the exceptionally high levels of conflicts and divisions within the local communities exacerbate this situation. Local elites report, here more than in any of the other countries examined in this study, that these conflicts and divisions hamper policy making and community development.

Nevertheless German local elites report far more successful policy actions in quite a number of areas than do their colleagues in other countries, though admittedly not in such areas as local government finances and the economic conditions prevailing within their communities.

Among the citizens of these communities satisfaction with the performance of local government in both East and West is generally high. However, there is a great deal of variation across the communities in both these regions with respect to the level of satisfaction and in some communities there are only very small minorities that rank the performance of their local government as being satisfactory, while in other communities one finds nearly universal satisfaction with the performance of these governments. We have been able to show here that part of this variation rests on institutional differences that mark these local governments as well as the stock of social capital that exists within the local elite political culture.

These results demonstrate the utility of simultaneously employing what have been described as complementary theoretical perspectives on governmental performance, viz., the "endogenous,"

which emphasizes the internal characteristics of institutions, and the "ecological," which highlights the cultural environment of institutions. A lean institutional form and a cultural environment marked by minimal conflict and high trust afford local governments the opportunity to perform

successfully. '

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1. Einleitung...1

2. Hintergrund der Studie, Umfragedesign und Stichproben...4

3. Probleme von Städten und Gemeinden... 8

3.1. Die drei wichtigsten Probleme in der Wahrnehmung der Eliten... 8

3.2. Die drei wichtigsten Probleme: Ein Vergleich von Eliten und Bürgern... ... 11

3.3. Gemeindeprobleme und ihre Bedeutung...14

3.4. Gemeindeprobleme und ihre Bedeutung im internationalen Vergleich... 17

3.5. Gemeindeprobleme: Zusammenfassung ... 18

4. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit lokaler Regierungen... ...19

4.1. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit lokaler Regierungen in Deutschland...20

4.2. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit der Gemeinderegierungen im internationalen Vergleich... 23

4.3. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit lokaler Regierungen: Zusammenfassung... 27

5. Spannungen und Konflikte in den Kommunen... 27

5.1. Die Behinderung von Problemlösungen durch Konflikte...28

5.2. Die Stärke von Konflikten in deutschen Kommunen... 30

5.3. Die Stärke kommunaler Konflikte im internationalen Vergleich... 31

5.4. Konflikte und die Beeinträchtigung der Entwicklung der Gemeinden...34

5.4.1. Konflikte und Gemeindeentwicklung in Deutschland...34

5.4.2. Konflikte und Gemeindeentwicklung im internationalen Vergleich...35

6. Politisches Handeln und politische Effektivität... 36

6.1. Politisches Handeln und politischer Erfolg nach Problembereichen in deutschen Kommunen...36

6.2. Politische Maßnahmen und politischer Erfolg im internationalen Vergleich...38

6.3. Politische Maßnahmen und politischer Erfolg: Zusammenfassung... 38

7. Performanz von Gemeinderegierungen aus der Sicht von Eliten und Bürgern ... 40

7.1. Politisches Interesse und politisches Vertrauen in den Kommunen... 41

7.2. Die Zufriedenheit der Bürger mit der Performanz der politischen Institutionen in den Gemeinden... 43

7.3. Leistungszufriedenheit und Vertrauen in Kommunalpolitiker... 44

7.4. Die Leistungszufriedenheit der Bürger und die Rolle des sozialen Kapitals und der Art der Gemeindeinstitutionen... 46

8. Zusammenfassung... 49

Literatur.... ... 51

Anhang: ...53

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Dieser Bericht präsentiert einige Ergebnisse einer Studie über kommunales Regieren in den neuen und alten Bundesländern Deutschlands, die im vorigen Jahr (1995) durchgeführt wurde. Kommunales Regieren hat im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik einen besonderen Stellenwert. Die Gemeinden verfügen nach dem Grundgesetz grundsätzlich über das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Im Rahmen der Gesetzgebung und des Kompetenzübergangs an die Länder und den Bund ist dieser Universalitätsanspruch auf Selbstregelungskompetenz zwar relativ stark eingeschränkt. Dennoch sind die Kommunen nach wie vor im Sinne der subsidiären Organisation im föderalen Deutschland für eine Reihe von Leistungen verantwortlich, die für das Funktionieren eines Gemeinwesens und für die in ihm lebenden Bürger von zentraler Bedeutung sind. Die Kommunen sind verantwortlich für Kindergärten, Grund- und Hauptschulen, Sozialstationen, Sportplätze, Energieversorgung, Abwasserbeseitigung, Städtebau, Industrie- und Gewerbeansiedlung, Grünanlagen bis hin zum Sozialhilfevollzug und der Obdachlosenunterbringung, um nur einige Beispiele zu nennen. Vielleicht häufiger als mit anderen Verwaltungsorganen und staatlichen Leistungsinstitutionen hat der Bürger mit denen seiner Stadt oder Gemeinde zu tun. Die Möglichkeiten und Probleme lokalen Regierens sind also von zentraler Bedeutung für die Bürger und das Funktionieren der Demokratie insgesamt. Vor diesem Hintergrund soll danach gefragt werden, wie es um die Problemhaushalte der Gemeinden bestellt ist, über welche Handlungsmöglichkeiten lokale Eliten zur Lösung von Problemen verfügen und wie es insgesamt um die Leistungsfähigkeit der Kommunen bestellt ist. Fünf Jahre nach der Vereinigung liegt es nahe, daß dem Vergleich ostdeutscher und westdeutscher Kommunen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Darüber hinaus können wir im Rahmen dieser Studie aber auch die deutsche Situation der Städte und Gemeinden mit der in anderen westlichen und osteuropäischen Ländern vergleichen. Hierdurch ergibt sich ein weiterer Bezugsrahmen, um die Situation in den deutschen Kommunen zu beurteilen und zu bewerten.

Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der politischen Performanz kommunaler Regierungen. Unter Performanz verstehen wir allgemein die Leistungsfähigkeit politischer Systeme. Der Maßstab für die Performanz oder Leistungsfähigkeit kann unterschiedlicher Art sein. Sie kann sich z.B. daran messen, wie Politik, objektiv gesehen, mit politischen Problemen fertig wird, z.B. inwieweit es ihr gelingt, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Sie läßt sich aber auch an subjektiven Kriterien festmachen: z.B. daran, wie die Leistungsfähigkeit durch die Akteure (z.B. Politiker) oder Betroffenen (Bürger) beurteilt wird, wie zufrieden sie im Allgemeinen mit den politischen Institutionen sind und welches

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Vertrauen sie ihnen schenken. Neben der Analyse der Performanz politischer Systeme steht ihre Erklärung im Zentrum des Forschungsinteresses, also die Frage, welche Faktoren die Performanz politischer Systeme beeinflussen. Dabei richtet sich das Augenmerk insbesondere auf den Einfluß institutioneller und politisch-kultureller Faktoren auf die politische Performanz. Bezogen auf die institutioneilen Faktoren fragen wir z.B. danach, in welcher Weise die Strukturen des Parteien- und Regierungssystems sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken; bezogen auf die politisch-kulturellen Faktoren, welchen Einfluß z.B. das Ausmaß an politischem Konflikt in der Kommune, das Ausmaß politischer Beteiligung der Bürger oder die Stärke des Vertrauens in Akteure und Institutionen auf die Leistungsfähigkeit politischer Systeme haben.

Die weithin wahrgenommenen neueren Arbeiten von Putnam (1993) über die Quellen erfolgreichen lokalen Regierens in Italien dienen dabei als ein erster Bezugspunkt unserer Studie. Putnams Arbeiten konzentrieren sich auf den Beitrag, den soziales Kapital, also der Charakter und die Dichte sozialer Beziehungen in einem Gemeinwesen und andere Aspekte politischer Kultur für die Performanz lokaler Regierungen leisten.1 Darüber hinaus erachten wir eine weitere Dimension für die Performanz von politischen Systemen als relevant. Wir bezweifeln nicht die Rolle, die politische Kultur und soziales Kapital in diesem Zusammenhang spielen, gehen aber davon aus, daß über die von Putnam berücksichtigten Faktoren hinaus jede Theorie von Regierungsperformanz auch institutionelle Charakteristika mit einbeziehen muß. Auch diese institutionalistische Perspektive hat eine zentrale Bedeutung für das Studium der Politik, nicht zuletzt deshalb, weil sie ihre Erklärungskraft für Variationen in der Performanz von Systemen bereits in einer größeren Zahl von Analysen unter Beweis gestellt hat (siehe z.B. North 1990;

Weaver und Rockman 1-993). Darüber hinaus bekräftigt auch die Diskussion in Deutschland über die beste Form und die optimale Größe lokaler Regierungen die Notwendigkeit, institutioneile Faktoren mit zu berücksichtigen (Derlien et al. 1976;

Gunlicks 1976; Schimanke 1989, Wagener 1980). Der theoretische Bezugsrahmen dieser Studie berücksichtigt beide Dimensionen - die politisch-kulturelle und die institionelle - bei der Erklärung politischer Performanz. Er ist in Abbildung 1 dargestellt. Neben diesen beiden Dimensionen bestimmen desweiteren die sozio-ökonomischen Bedingungen der Kommune, z.B. ihr Problembestand oder die in der Sozialstruktur angelegten sozio- ökonomischen oder sozio-kulturellen Konflikte die Handlungsfähigkeit und damit die Performanz kommunaler Regierung. Diese kann sich z.B. bemessen an der Leistungsbeurteilung der Bürger oder auch anhand objektiver Leistungskriterien.

1 Seine Rolle für die Systemperformanz ist sogar breiter und bezieht sich auch auf die ökonomische Sphäre, wie Fukyama dargelegt hat. (Fukyama 1995).

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Abb. 1

Ein Analyserahmen für die Performanz Komm unaler Regierung

Historischer Hintergrund der Kommune

Sozio-ökonomische Bedingungen der Kommune

Bestand an Sozialkapital

Pol., Okön. Soz. Hintergrund lokaler Eliten

Parteibindungen innerhalb lokaler Eliten

i

Exogene Subjektive

Faktoren Bewertung

der Bürger

j

Objektive _____ Exogene Beurteilungs- Faktoren kriterien

Die deutsche Studie basiert empirisch zum einen auf zwei auf diese Fragestellung ausgerichtete Umfragen, die wir in einer Reihe von Städten und Gemeinden in beiden Regionen Deutschlands 1995 durchgeführt haben. Die eine Umfrage wurde bei lokalen Eliten in knapp 80 Städten und Gemeinden durchgeführt, die andere bei Bürgern in 30 von den 80 Kommunen, in denen auch lokale Eliten befragt wurden. Zum anderen steht eine Datensammlung über die objektiven politisch-strukturellen, sozialen und wirtschaftlichen Merkmale zur Verfügung. Dadurch, daß diese Studie in Koordination mit dem internationalen Forschungsprogramm „Democracy and Local Governance“ durchgeführt wird, können die Ergebnisse der Befragung deutscher lokalen Eliten zudem verglichen werden mit den Ergebnissen aus Umfragen in sieben anderen Ländern Mittel- und Osteuropas, Westeuropas und Nordamerikas.

Im folgenden Abschnitt geben wir einige Informationen über den Hintergrund der Studie. Danach wenden wir uns inhaltlichen Fragen zu. Dabei geht es zunächst um die von lokalen Eliten und Bürgern in den Kommunen wahrgenommenen Problemen (Abschnitt 3). Vor diesem Hintergrund wird in Abschnitt 4 danach gefragt, in welchen Problembereichen lokale Eliten Verantwortung beanspruchen und in welchem Verhältnis

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Verantwortung und wahrgenommene politische Handlungsfähigkeit der Kommunen stehen. Es geht hier also vor allem um die Frage, inwieweit in der Wahrnehmung der lokalen Eliten institutionell die Voraussetzungen für erfolgreiche Problemlösungen gegeben sind oder sich ein institutionelles Dilemma durch ein Auseinanderfallen von Verantwortung und Zuständigkeit ergibt. Im fünften Abschnitt steht die Frage im Vordergrund, inwieweit in der Wahrnehmung lokaler Eliten politisch-kulturelle Bedingungen politische Handlungsmöglichkeiten begrenzen. Genauer geht es um die Frage, inwieweit lokale Eliten kommunale Politik durch Konflikte behindert sehen. Vor dem Hintergrund von wahrgenommener Problemagenda, dem Verhältnis von Zuständigkeit und Handlungsmöglichkeiten und politische Maßnahmen behindernde Konflikte wenden wir uns dann der Frage zu, wie die Eliten ihre politischen Aktivitäten, ihren Erfolg und Mißerfolg beurteilen (6. Abschnitt). Wo dafür Vergleichsdaten zur Verfügung stehen, werden die Ergebnisse über die deutschen lokalen Eliten in einem ersten Schritt mit denen der Bürger ihrer Gemeinden verglichen und in einem zweiten Schritt mit den Ergebnissen über lokale Eliten in anderen westlichen und osteuropäischen Ländern. Darauffolgend wird ein zentraler Teil des vorgestellten Analyserahmens für die Erklärung der Performanz kommunaler Regierungen empirisch auf seine Stichhaltigkeit getestet (Abschnitt 7). Als zentrales Performanzkriterium steht dabei die Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen der kommunalen politischen Institutionen im Vordergrund. Es geht insbesondere um die Frage, welchen Beitrag institutionelle und politisch-kulturelle Rahmenbedingungen in den Kommunen zum Erfolg oder Mißerfolg kommunaler Regierungen leisten.

2. Hintergrund der Studie, Umfragedesign und Stichproben

Die deutsche Studie über „Lokale Demokratie“ ist Teil des internationalen Forschungsprogramms "Democracy and Local Governance". Im Rahmen dieses Forschungsprogramms führt ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern aufeinander abgestimmte Umfragen lokaler Eliten in einer größeren Zahl von Ländern durch. Das internationale Forschungsprogramm geht zurück auf eine Vier-Länder-Studie über Werte lokaler Eliten, die in den 60er Jahren durchgeführt wurde (Jacob 1971). Die schwedische Forschergruppe war besonders aktiv und hat seit Ende der 60er Jahre eine ganze Reihe Studien lokaler Eliten durchgeführt. Ähnliche Projekte gab es für einige Zeit in den Niederlanden und den Vereinigten Staaten (Eldersveld et al. 1994). Eine große Welle von Studien wurde Anfang der 90er Jahre in Osteuropa, den ehemaligen Republiken der Sowjetunion sowie in Österreich und der Schweiz durchgeführt (Jacob et al. 1994;

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Teune 1995). 1995 wurde eine neue Serie von Umfragen in Osteuropa, den ehemaligen sowjetischen Republiken, in Ostasien und Westeuropa (Deutschland, Großbritannien, Spanien, Finnland, Niederlande) durchgeführt. Die zentrale Forschungsfrage des internationalen Forschungsprogramms richtet sich wie die der deutschen Studie auf die Bedingungen und die Leistungsfähigkeit der Demokratie auf lokaler Ebene.

Neben der Umfrage unter kommunalen Eliten wurde für die deutsche Studie eine weitere Umfrage unter den Bürgern einer Teilstichprobe der Kommunen, in denen lokale Eliten befragt wurden, durchgeführt und eine Datensammlung über objektive Merkmale der Kommunen angelegt. Bei den beiden Umfragen ging es insbesondere um Problemwahrnehmungen, politische Werte, das Engagement im öffentlichen Leben der Kommunen und die Beurteilung der Performanz verschiedener Institutionen lokaler Regierungen. Die Datensammlung objektiver Merkmale der Kommunen erfaßt relevante soziale, ökonomische und politische Daten sowie Informationen, die die politisch­

institutionelle Struktur der Kommunen charakterisieren. Damit stehen drei empirischen Datenquellen (Elitenbefragung, Bürgerbefragung und Strukturdaten der Kommunen) für die Analyse der Rolle politischer Kultur und institutioneller Strukturen für die Performanz lokaler Regierungen zur Verfügung.

Die Befragung lokaler Eliten wurde als schriftliche Umfrage im Frühling 1995 initiiert und im August 1995 beendet2. Sie wurde in Kooperation mit Hellmut Wollmann, Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, durchgeführt.

Die Umfrage unter den Bürgern in 30 Gemeinden wurde durch das kommerzielle Umfrageinstitut FORSA per Telefon im Dezember 1995 durchgeführt.

Die Stichprobe der Gemeinden basiert auf einem Design, das der Stichprobenstrategie des internationalen Forschungsprogramms entspricht. Das heißt, es wurden nur Städte und Gemeinden mit in das Gemeinde-Sample aufgenommen, deren Einwohnerzahl zwischen 25.000 und 250.000 liegt. In Westdeutschland gibt es 357 solcher lokalen Regierungseinheiten. In Ostdeutschland ist die Zahl der Städte und Gemeinden dieser Größe erheblich kleiner, nämlich 80. Eine Zufallsstichprobentechnik wurde für jede Region genutzt, um die Kommunen auszuwählen. Ziel war es, 40 Städte und Gemeinden in jeder Region auszuwählen und in diesen Kommunen die Elitenbefragungen durchzuführen. Weil die lokalen Autoritäten in drei Gemeinden in den neuen Bundesländern nicht bereit waren, mit uns zu kooperieren, konnten für die neuen Bundesländer nur 37 Städte und Gemeinden in die Stichprobe einbezogen werden. In

2 Ein vollständige Beschreibung über die Durchführung der Umfrage kann dem abteilungsinternen technischen Bericht entnommen werden (Cusack 1995).

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beiden Regionen wurde eine relativ gute Verteilung der Kommunen auf die jeweiligen Bundesländer erreicht.3

Nachdem die Städte und Gemeinden, die in die Studie aufgenommen werden, festgelegt waren, war die Personenstichprobe zu bestimmen. Hierzu mußten Informationen über die Identität der Elitengruppierung dieser Städte und Gemeinden beschafft werden. Als Zielgruppen wurden fünf Kategorien politischer und administrativer Eliten festgelegt: 1) gewählte Wahlbeamte der Stadt- und Gemeinderegierungen (Oberbürgermeister, Bürgermeister, Stadtdirektoren, Beigeordnete, Dezernenten), 2) lokale Parteivorstände, 3) Fraktionsvorsitzende in den Stadt- und Gemeindeparlamenten, 4) Mitglieder der Stadt- und Gemeindeparlamente und 5) Amtsleiter. Mit Hilfe der kommerziellen Umfragefirma FORSA konnte der größte Teil der notwendigen Informationen (z.B. Name, Adresse, politische Partei) zur Identität der Eliten durch lokale Kontaktpersonen beigebracht werden. Weitere Informationen, die notwendig waren, um die Datenbasis zu komplettieren, wurden durch ein Forscherteam am Wissenschaftszentrum Berlin gesammelt.

Ziel war es, mindestens zehn individuelle Antworten aus jeder Gemeinde zu erhalten. In der Annahme, daß die Antwortrate zu unserer schriftlichen Befragung ungefähr 33 Prozent betragen würde, wurde unsere Stichprobe jeweils auf 30 Personen pro Stadt und Gemeinde festgelegt. Insgesamt enthielt unser Stichprobenplan 5.085 Individuen (im Durchschnitt 72 in jeder Stadt in den alten Bundesländer bzw. 64 in jeder Stadt in den neuen Bundesländern). Aus diesem Kreis von ca. 5000 Personen waren dann die jeweils 30 Personen pro Gemeinde zu bestimmen, insgesamt also 2310.

Zur Konstruktion der Personenstichprobe benutzten wir eine komplex geschichtete Zufallsauswahl. Unsere Zielgrößen für jede der oben genannten Gruppen wurde wie folgt festgelegt: 1) bis zu vier (Ober-)Bürgermeister, Stadtdirektoren, Beigeordnete oder Dezernenten einer Kommune, 2) maximal fünf Personen lokaler Parteivorstände, 3) maximal fünf Fraktionsvorsitzende aus jeder der Gemeinde- bzw. Stadtparlamenten, 4) mindestens zehn andere Mitglieder der Gemeinde- und Stadtparlamente und 5) bis zu sechs Amtsleiter. Wenn das Maximum einer Kategorie nicht erreicht werden konnte, weil die Anzahl der Personen in einer Kommune, die in dieser Kategorie zuzurechnen waren, kleiner als die festgelegte Maximalzahl war, wurde entsprechend die Anzahl der zu Befragenden in Kategorie 4 (andere Mitglieder des Stadt- oder Gemeindeparlaments)

3 Durch das Deutsche Datenschutzgesetz sind wir gehalten, die Namen der Gemeinden nicht zu nennen.

Dies ist insbesondere wichtig in bezug auf die Elitenbefragung. Es wäre eine relativ einfache Aufgabe, eine Reihe von Individuen zu identifizieren, die an der Umfrage teilgenommen haben, wenn solche Informationen zugänglich wären. Darüber hinaus verbietet unsere Verbundenheit mit denjenigen, die freiwillig an dieser Studie teilgenommen haben, mit dem Versprechen, daß ihre Identitäten geschützt bleiben, die Gemeinden zu nennen.

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erhöht. Bezogen auf die Kategorien 2, 3 und 4 wurde die Selektion so durchgeführt, daß die Stichprobe dem Parteienprofil der jeweiligen Kommune entspricht. Bezogen auf die Kategorie der Amtsleiter wurden sechs Politikbereiche definiert, die insgesamt 15 spezifische Zuständigkeiten einschließen. Angestrebt wurde, für jeden Politikbereich einen Amtsleiter auszuwählen. Die definierten Politikbereiche sind Recht und innere Ordnung, zentrale und administrative Funktionen, Finanzen, Wirtschaft, und Soziales bzw.

Wohlfahrt.

Der Fragebogen wurde Ende Mai 1995 versandt. Der Befragungszeitraum endete im August. Die Rücklaufquote gültiger Fragebögen liegt bei 53,3 Prozent (1.231 von 2.310 Fragebögen). Sie ist in den alten Bundesländern etwas höher als in den neuen. Über die fünf Zielgruppen hinweg ist die Rücklaufquote in etwa gleich. Die Parteizusammensetzung der zurückgekommenen Fragebögen weist ebenfalls keine Verzerrungen in bezug auf die Stichprobe und den Stichprobenplan auf. Unsere Zielvorgabe, mindestens 10 beantwortete Fragebögen pro Kommune zurückzuerhalten, wurde mit einer Ausnahme in allen 77 Städten und Gemeinden erreicht.

Auf Basis dieser Umfrage wurde ein erster Bericht zum politischen, sozialen, Bildungs­

und ökonomischen Hintergrund der Eliten sowie über ihre Beziehungen zu ihren Gemeinden sowie ihre Rollenorientierungen verfaßt (Cusack 1996).

Hinsichtlich der zweiten geplanten Datenbasis, einer Umfrage unter den Bürgern der Kommunen in denen auch lokale Eliten befragt wurden, gaben begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen die Art und den Umfang vor. Limitierungen ergaben sich zum einen bezogen auf den Umfang des Fragenprogramms, zum zweiten in bezug auf die Zahl der zu Befragenden. Um eine hinreichende empirische Basis zu haben, sollten mindestens 80 Bürgerbefragungen pro Gemeinde realisiert werden. Da maximal 2400 Interviews finanzierbar waren, mußte die Anzahl der Gemeinden auf jeweils 15 in Ost- und Westdeutschland eingegrenzt werden. Damit ergab sich die Notwendigkeit, aus den 40 Gemeinden in Westdeutschland und den 37 in Ostdeutschland, in denen lokale Eliten befragt wurden, jeweils 15 auszuwählen. Die Auswahl wurde anhand politisch-kultureller Merkmale der Gemeinden, die anhand weiterer Analysen der Umfrage unter kommunalen Eliten bestimmt wurden sowie anhand institutioneller Merkmale der Gemeinden vorgenommen. Die Umfrage wurde per Telefon durch das Umfrageinstitut FORSA durchgeführt. Insgesamt wurden 2.400 Telefoninterviews unter Bürgern aus 30 Gemeinden (die Hälfte in Ostdeutschland, die andere Hälfte in Westdeutschland) im Dezember 1995 erfolgreich durchgeführt. Die Daten der deutschen Eliten- und Bevölkerungsumfragen und einige andere nationale Umfragen des internationalen Projekts dienen als empirische Basis des Berichts.

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3. Probleme von Städten und Gemeinden

Auf jeder Ebene eines politischen Systems treten Probleme auf, die das Handeln der Regierenden erfordern. In diesem Abschnitt geben wir einen Überblick über die Probleme, die lokale Eliten in unserer Studie auf der Problemagenda ihrer Gemeinden sehen.4 Diese Ergebnisse werden durch einen Vergleich mit der Problemwahrnehmung der Bürger in den Kommunen ergänzt. Darüber hinaus werden wir die Problemwahrnehmung deutscher lokaler Eliten mit denen lokaler Eliten in einigen etablierten westlichen und einigen neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa vergleichen.

3.1. Die drei wichtigsten Probleme in der Wahrnehmung der Eliten

Der erste Teil des Fragebogens der Elitenstudie konzentriert sich auf die Frage nach der Problemagenda in den Kommunen. Die Befragten wurden zum einen ohne weitere Vorgaben gebeten, die drei wichtigsten Probleme ihrer Gemeinden zu benennen (offene Frage). Zum anderen wurde anhand einer von uns vorgegebenen Liste von potentiellen Problembereichen abgefragt, welche Bedeutung diese Probleme in der Kommune haben.

Wenden wir uns zunächst den Antworten auf die offene Frage nach den drei wichtigsten Problemen zu.

Die gestellte Frage erbrachte eine Vielzahl unterschiedlicher Antworten. Dennoch konnten sie mit Hilfe eines Kodierschemas kategorisiert werden, das auf der Liste der geschlossenen Frage zu den Problemen aufbaut und um einige Kategorien ergänzt wurde.

Trotz der resultierenden Vielzahl von Kategorien ist es offensichtlich, daß lediglich eine begrenzte Anzahl von Problemen von einem größeren Teil der Befragten genannt wurde.

Die Verteilung der kategorisierten Antworten auf die offene Frage nach den drei wichtigsten Problemen in der Kommune sind in Tabelle 1 wiedergegeben.

Diese Tabelle prozentuiert nicht auf den Anteil der Befragten, die ein Problem genannt haben, sondern auf den Anteil der insgesamt genannten Probleme. Jeder Befragte konnte bis zu drei Problemen nennen. Alle Problemnennungen wurden generellen Problemkategorien zugerechnet. Hieraus ergab sich eine Gesamtsumme von genannten Problemen, die, wenn jeder Befragte drei Probleme in drei unterschiedlichen Bereichen genannt hätte, der dreifachen Zahl der Befragten entsprechen würde. In einigen Fällen haben Befragte jedoch mehrere Probleme genannt, die alle in eine der generellen

4 Die jährlich durchgeführte Umfrage des DIFU in deutschen Städten und Gemeinden ist eine informative Quelle über die wichtigsten Probleme von Gemeinden (s. z.B. Schmidt-Eichstädt 1991 und Bretschneider 1994).

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Problemkategorien fallen (z.B. als erstes Problem Arbeitslosigkeit, als zweites fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten). Andere haben nur ein oder zwei Probleme genannt. Damit entspricht die Anzahl der Problemnennungen nicht dem Dreifachen der Befragten. Die Prozentuierung auf die Problemnennungen insgesamt kompliziert die Interpretation, gibt aber unserer Meinung nach besser Auskunft über die Problemagenda der Gemeinden, als es eine auf der Anzahl der Befragten basierende Prozentuierung erlauben würde.

Tabelle 1: Häufig auftretende Probleme aus der Sicht der Eliten:

Die drei wichtigsten Probleme in den Gemeinden

NBL ABL Differenz

NBL-ABL

Arbeitslosigkeit 16.5 7.6 8.9

Armut 0.4 0.6 -0.2

Wirtschaftliche Entwicklung 13.4 6.6 6.9

Stadtplanung, Stadtentwicklung 6.4 5.1 1.3

Altlasten 1.3 0.2 1.1

Konversion 0.4 1.4 -1.0

Eigentumsfragen 1.6 0.4 1.2

Wohnungen 6.2 5.3 0.9

Umwelt 1.1 3.0 -1.9

Müll, Wasser, Abwasserproblematik 4.1 4.9 -0.8

Soziale Dienste/Wohlfahrt 1.0 1.1 0.0

Qualität des Bildungsangebotes 1.8 3.5 -1.8

Freizeit und Kultur 2.1 0.7 1.5

Gesundheitsversorgung 0.0 0.2 -0.2

Jugendpolitik 1.6 0.8 0.8

Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur 4.6 3.0 1.6

Kommunale Finanzkraft 19.8 25.4 -5.6

Kosten der kommunalen Verwaltung 1.6 2.0 -0.4

Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung 2.9 4.9 -2.0

Kontrolle der kommunalen Verwaltung 0.3 0.7 -0.4

ÖPNV 0.2 3.2 -2.9

Verkehr und Parkplatzproblematik 6.0 12.7 -6.7

Öffentliche Sicherheit 1.6 0.5 1.1

Politische Konflikt innerhalb der Kommunen 1.0 1.1 0.0

Bürgerbeteiligung 0.8 1.3 -0.5

Beziehungen zwischen Regierungsebenen 2.4 0.9 1.5

Verhältnis von Deutschen und Ausländem 0.0 0.3 -0.3

Zuwanderung von Ausländem/Asylbewerbern 0.0 1.6 -1.6

Vermischtes 0.8 1.2

NBL: Neue Bundesländer

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Die Problemkategorien lassen sich wiederum generelleren Problembereichen zuordnen, und zwar der wirtschaftlichen Situation in den Gemeinden (z.B. Arbeitslosigkeit, Stadtplanung, Eigentumsfragen), dem Umweltproblem, den sozialen Diensten und Leistungen in den Kommunen (z.B. Gesundheitsversorgung, Jugendpolitik), den Problemen der kommunalen Verwaltung allgemein (z.B. Finanzkraft, Kosten, Leistungsfähigkeit), Verkehrsproblemen, öffentlicher Sicherheit, politischen Fragen der Gemeindepolitik (z. B. Konflikte in der Gemeinde, Bürgerbeteiligung), und dem Ausländerproblem.

Wie Tabelle 1 entnommen werden kann, ist das am häufigsten genannte Problemfeld die Finanzkrafi der Kommunen5. In Westdeutschland wird dieses Problem zweimal so häufig genannt wie das nächstwichtigste. Im Gegensatz dazu wird die finanzielle Situation der Kommunen in Ostdeutschland nur ein wenig häufiger genannt als das dort besonders gravierende Problem Arbeitslosigkeit. Insgesamt ist der Bereich Probleme der kommunalen Verwaltung allgemein für lokale Eliten von besonderer Wichtigkeit. Auf die entsprechenden vier Kategorien Finanzkraft, Kosten, Effizienz sowie Kontrolle der kommunalen Verwaltung entfallen zusammengenommen in Westdeutschland ein Drittel und in Ostdeutschland fast ein Viertel aller Antworten.

Im engen Zusammenhang dazu steht - sowohl inhaltlich als auch von der Wichtigkeit auf der Problemagenda lokaler Eliten in Ost- und Westdeutschland - die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in den Gemeinden. Dieser Problembereich wird insbesondere in Ostdeutschland häufig genannt. Die wichtigste der sieben Kategorien, die auf die wirtschaftliche Situation abstellen, ist Arbeitslosigkeit. In Ostdeutschland weist ein Anteil von 16% der hierauf entfallenden Nennungen auf Arbeitsmarktprobleme als eines der drei wichtigsten Problemfelder hin. Diese Problemsicht ist nicht ganz so verbreitet in Westdeutschland, aber auch hier entfallen 7,6% der Antworten auf diese Kategorie. Die Kategorie 'Wirtschaftliche Entwicklung' ist mit 13,4% aller Nennungen in Ostdeutschland und 6,6% aller Nennungen in Westdeutschland beinahe genauso wichtig. Ebenfalls sehr häufig in diesem generellen Problemfeld genannt werden Wohnungen mit 6,2% in Ost- und 5,3% aller Antworten in Westdeutschland. Zusammengenommen entfallen etwas mehr als 46% aller Antworten in Ostdeutschland auf das generelle Problemfeld Wirtschaftliche Probleme der Gemeinde, in Westdeutschland sind es etwas mehr als 27% der Antworten.

Umwelt rangiert in den beiden Regionen Deutschland nicht unter den sehr wichtigen Problemen. Nur 1,1% der Antworten in Ostdeutschland und 3% in Westdeutschland entfallen auf diese Kategorien. Das damit im engen Zusammenhang stehende Problem

5 Ergebnisse einer aktuellen DIFU-UMfrage (Bretschneider 1994) zu den Problemen der Städte- und Gemeindeentwicklung korrespondieren mit diesem Ergebnis. Während Nahverkehrsprobleme die Problemagenda in früheren Jahren anführte (z.B. Schmidt-Eichstädt 1991), spielt die Haushaltskonsolidierung insbesondere in westlichen Gemeinden in jüngster Zeit eine wichtigere Rolle.

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Müllentsorgung wird häufiger genannt, und zwar von 4,1% der Befragten in Ostdeutschland und 4,9% in Westdeutschland. Angemerkt werden muß, daß dieses Problem häufig im Zusammenhang gesehen wird mit dem Problem der Gebühren, die für die Leistungen der Kommunen erhoben werden. Insgesamt wurden von den Befragten sechs Kategorien öffentlicher Leistungen, die in unterschiedlichem Ausmaß in die Verantwortung der Kommunen fallen, als Problem benannt. Diese reichen von Sozialleistungen und Wohlfahrt bis zur Verbesserung der lokalen Infrastruktur. Aber keines dieser Probleme wird von einem größeren Teil der Befragten genannt.

Der generelle Problembereich Verkehr hingegen steht auf der Agenda lokaler Eliten relativ weit oben. Dies ist insbesondere der Fall für Verkehr und Parkprobleme in den Kommunen - ein Problem, das mit 13% aller Antworten in Westdeutschland besonders prominent ist. In Ostdeutschland entfallen 6% der Antworten auf diese Kategorie. Weit weniger häufig wird öffentlicher Nahverkehr als Problem in beiden Gebieten genannt.

Öffentliche Sicherheit rangiert ebenfalls in keiner der Regionen besonders hoch. Dasselbe gilt für verschiedene rein politische Probleme oder den generellen Problembereich Ausländer in der Gemeinde.

3.2. Die drei wichtigsten Probleme: Ein Vergleich von Eliten und Bürgern

In unserer Bevölkerungsumfrage, die in 30 der 77 Städte und Gemeinden durchgeführt wurde, in denen auch die Elitenbefragung stattfand, wurde den Bürgern die gleiche Frage gestellt, wie den kommunalen Eliten: "Was sind die drei wichtigsten Probleme hier in Ihrer Gemeinde?" Tabelle 2 präsentiert die Verteilung der Antworten der Bürger auf diese Frage im Vergleich zu den Antworten der Eliten derselben Gemeinde. In keiner Region, weder in Ost- noch in Westdeutschland, kann eine vollständig gleiche Verteilung bezogen auf die Zusammensetzung der Problemagenda von Eliten und Bürgern gefunden werden.

Es gibt Übereinstimmungen hinsichtlich einiger Problembereiche, aber ebenso große Unterschiede in anderen.

Der generelle Problembereich Wirtschaftliche Situation wird sowohl von Eliten als auch den Bürgern in beiden Gebieten Und insbesondere in Ostdeutschland genannt. Insgesamt entfallen etwa 49% der Antworten der Bürger in Ostdeutschland auf den Bereich Wirtschaftliche Situation, während es 46% bei den Eliten sind, aber es existieren Unterschiede in bezug auf Häufigkeit, mit der spezifische Probleme dieses Bereichs genannt werden. So nennen Bürger zu 26,5% Arbeitslosigkeit, während es lediglich 14,9%

der Eliten sind. Umgekehrt nennen Bürger die ökonomische Entwicklung zu 5,6%, während der Anteil der Nennungen unter den Eliten zweimal so hoch ist. In

(15)

Westdeutschland entfallen die Antworten insgesamt weniger häufig auf den Bereich Wirtschaftliche Situation (etwa 28% der Antworten sowohl bei Bürgern als auch bei Eliten), aber auch hier treten mit Ostdeutschland vergleichbare Unterschiede zwischen Bürgern und Eliten in der Nennung spezifischer wirtschaftlicher Probleme auf.

Tabelle 2: Häufig auitretende Probleme aus der Sicht der Bürger und Eliten:

Ein Vergleich

(basierend auf einer Stichprobe von 30 Gemeinden)

NBL ABL

Bürger Eliten Differenz Bürger -

Eliten

Bürger Eliten Differenz Bürger -

Eliten

Arbeitslosigkeit 26.5 14.9 11.7 12.5 8.3 4.2

Armut 0.5 0.0 0.5 0.7 1.0 -0.3

Wirtschaftliche Entwicklung 5.6 12.7 -7.1 3.2 6.5 -3.3

Stadtplanung, Stadtentwicklung 5.7 7.5 -1.8 5.9 6.5 -0.6

Altlasten- 0.0 1.7 -1.7 0.0 0.2 -0.2

Konversion 0.0 0.0 0.0 0.0 0.3 -0.3

Eigentumsfragen 0.0 1.8 -1.8 0.0 0.3 -0.3

Wohnungen 10.9 7.5 3.3 6.0 4.9 1.1

Umwelt 4.2 1.8 2.4 5.8 3.3 2.5

Müll, Wasser, Abwasserproblematik

3.5 4.4 -0.9 6.9 5.2 1.7

Soziale Dienste/Wohlfahrt 0.0 1.1 -1.1 0.0 5.1 -5.1

Qualität des Bildungsangebotes 3.7 1.5 2.2 9.0 2.4 6.6

Freizeit und Kultur 2.1 1.8 0.3 2.5 1.1 1.3

Gesundheitsversorgung 0.3 0.0 0.3 0.2 0.3 -0.2

Jugendpolitik 5.0- 1.8 3.2 3.1 0.3 2.8

Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur

1.2 3.7 -2.5 0.6 1.5 -0.9

Kommunale Finanzkraft 2.0 19.3 -17.3 6.5 25.1 -18.6

Kosten der kommunalen Verwaltung

0.0 1.7 -1.7 0.0 2.0 -2.0

Kontrolle der kommunalen Verwaltung

0.0 0.5 -0.5 0.0 0.8 -0.8

Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung

0.7 3.3 -2.6 0.5 4.6 -4.1

ÖPNV 0.0 0.0 0.0 0.0 2.6 -2.6

Verkehr und

Parkplatzproblematik

15.9 6.1 9.9 24.0 10.6 13.4

Öffentliche Sicherheit 7.3 1.1 6.2 3.2 0.5 2.7

Politische Konflikt innerhalb der Kommunen

1.1 1.7 -0.5 1.7 1.3 0.4

Bürgerbeteiligung 0.2 0.5 -0.3 0.3 1.3 -1.1

Beziehungen zwischen Regierungsebenen

0.9 2.9 -2.0 0.3 1.1 -0.8

Verhältnis von Deutschen und Ausländem

0.3 0.0 0.3 0.8 0.3 0.4

Zuwanderung von

Ausländem/Asylbewerbem

0.4 0.0 0.4 3.7 1.0 2.7

Vermischtes 2.0 0.7 1.3 2.8 1.5 1.4

NBL: Neue Bundesländer ABL: Alte Bundesländer

(16)

Ein genereller Problembereich, in dessen Beurteilung sich Bürger und Eliten unterscheiden, bezieht sich auf die Probleme der kommunalen Verwaltung allgemein.

Während dies ein wichtiger Problembereich für die Eliten sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland ist, wird er nur von wenigen Bürgern genannt.

So entfallen z.B. in Ostdeutschland etwa 19% aller Antworten der Eliten auf das Problem der Finanzkapazität lokaler Regierungen, aber nur 2% der Antworten der Bürger.

Auch in Westdeutschland ist dies bei weitem das am häufigsten von Eliten genannte Problem. 25% aller Antworten in westdeutschen Kommunen entfallen auf dieses Problem, während es nur 6,5% der Antworten der Bürger sind. Andere spezifische Probleme in diesem generellen Problemfeld werden von den kommunalen Eliten ebenfalls häufig genannt, während sie von nur wenigen Bürgern als Problem wahrgenommen werden.

Ein weiterer Problembereich, hinsichtlich dessen Wahrnehmung sich Eliten und Bürger deutlich unterscheiden, ist der Bereich Verkehr in den Gemeinden. Verkehr und Parken als Problem führt unter den Bürgern die Liste aller Probleme an. Es wird zweimal so häufig genannt wie das Problem Arbeitslosigkeit, das am zweithäufigsten genannt wird. Von den Eliten wird Verkehrs- und Parkplatzproblemen weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt.

Ein vergleichbarer Unterschied zwischen Bürgern und Eliten zeigt sich in Ostdeutschland, obwohl Arbeitslosigkeit hier weit häufiger genannt wird. Öffentliche Sicherheit und Erziehung sind zwei weitere Problem, wo Bürger und Eliten sich deutlich unterscheiden,

bezogen auf öffentliche Sicherheit in Ostdeutschland, bezogen auf Erziehung in Westdeutschland. In Westdeutschland entfallen auf Erziehung 9% aller Antworten der Bürger, während es nur 3% bei den Eliten sind. Eine ähnliche Asymmetrie zeigt sich in Ostdeutschland bezogen auf das Problem öffentlicher Sicherheit. Mehr als 7% der Antworten der Bürger entfallen auf dieses Problem, aber lediglich 1% der Nennungen der Eliten.

In den 30 Kommunen, wo die Problemwahrnehmungen der lokalen Eliten mit denen der Bürger verglichen werden können, zeigen sich also durchaus unterschiedliche Dringlichkeiten. Aus diesen Ergebnissen kann aber nicht auf die geringe Responsivität und Reaktionsbereitschaft der lokalen Eliten gegenüber den Bürgern ihrer Städte und Gemeinden geschlossen werden. In der Asymmetrie drückt sich eher aus, daß die lokalen Eliten ’Leistungsproduzenten’ sind und sich auch üm die Bedingungen der Leistungsproduktion kümmern müssen, während die Bürger als ‘Leistungsempfänger’ eine andere Perspektive einnehmen. Während kommunale Eliten klar ihre eingeschränkten Handlungsspielräume im Auge haben, wenn sie dem Problem kommunaler Finanzkraft und der wirtschaftlichen Entwicklung eine sehr hohe Dringlichkeit zusprechen, spielen diese Probleme bei den Bürgern eine eher untergeordnete Rolle. Demgegenüber nennen sie weit häufiger Arbeitslosigkeit als eines der drei wichtigsten Probleme, und sie sehen in

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noch stärkerem Maße als die kommunalen Eliten in Verkehr und Parkplätzen ein Problem.

Das verweist deutlich auf die eher system- und politikbezogene Perspektive der Problemwahrnehmung durch lokale Eliten einerseits und eher lebensweltliche Problemwahrnehmungen der Bürger andererseits.

Gleichwohl bleibt die Frage zu stellen, wie zufrieden die Bürger mit den Leistungen ihrer kommunalen Regierungen und Verwaltungen sind. Dieser Frage werden wir weiter unten im Abschnitt 7 nachgehen. Wenden wir uns jedoch zunächst der Frage zu, welche Bedeutung die wichtigen Probleme für die lokalen Eliten im Einzelnen haben.

3.3. Gemeindeprobleme und ihre Bedeutung

Wie angemerkt, wurden zusätzlich zu der offenen Frage nach den Problemen, mit denen Städte und Gemeinden konfrontiert sind, anhand einer Liste von potentiellen Problemen nicht nur danach gefragt, ob sie jeweils als Problem anzusehen sind, sondern auch danach, welche Bedeutung diesem Problem beigemessen wird. Konkret wurde danach gefragt, ob es ein kleines oder ein großes Problem in der Kommune darstellt. 17 potentielle Probleme oder Problembereiche wurden durch die Liste vorgegeben. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 präsentiert. Die Antworten auf die Frage zeigen deutlich, daß es kaum einen Bereich gibt, der von Eliten nicht als Problem angesehen wird. Im Durchschnitt erachten 82% der Eliten in Ostdeutschland jeden der 17 Bereiche als Problem. Der vergleichbare Durchschnitt liegt in Westdeutschland bei 71%. Sechs dieser Kategorien werden in Ostdeutschland von einer zum Teil überragenden Mehrheit der Eliten sogar als großes Problem angesehen. Hierzu zählen Arbeitslosigkeit, aber auch 95% ökonomische Entwicklung (85%), Wohnraum (etwas mehr als 50%), Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur (68%), die Finanzkraft der Gemeinde (92%) und die Kosten der Gemeindeverwaltung (beinahe 78%). Darüber hinaus sehen 46% der Eliten in Ostdeutschland öffentliche Sicherheit als großes Problem ihrer Gemeinde an. In Westdeutschland werden vier der Politikbereiche, die in Ostdeutschland von einer Mehrheit als großes Problem angesehen werden, ebenfalls von einer Mehrheit der Befragten als großes Problem beurteilt: Arbeitslosigkeit (55%), ökonomische Entwicklung (beinahe 44%), die Finanzkapazität der Gemeinde (beinahe 83%) und die Kosten der lokalen Verwaltung (66%). Ein ähnliches Problemprofil ergibt sich, wenn die Problemliste auf Gemeindebasis für jede Region untersucht wird (siehe Tabelle 4). In dieser Tabelle wurde der Anteil der Städte und Gemeinden in der Region berechnet (nicht der Anteil der Personen), in der eine Mehrheit der Befragten in einer Kommune diese Kategorie als ein

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großes Problem ansieht. Arbeitslosigkeit wird in jeder Kommune in Ostdeutschland als großes Problem angesehen und in drei von fünf Kommunen in Westdeutschland..

Tabelle 3: Bedeutung von Problembereichen in der Sicht kommunaler Eliten NBL

% ist Problem

% ist großes Problem

ABL

% ist Problem

% ist großes Problem

Differenz NBL-ABL

% ist großes Problem

Arbeitslosigkeit 99.6 95.0 59.7 55.1 39.9

Armut 90.7 25.7 86.1 21.1 4.6

Wirtschaftliche Entwicklung 98.1 88.3 63.4 53.6 34.7

Wohnungen 89.6 50.3 75.1 35.8 14.5

Umweltverschmutung 92.5 32.8 87.0 27.3 5.5

Soziale Dienste/Wohlfahrt 63.1 9.3 69.1 15.3 -6.0

Qualität des Bildungsangebotes 60.1 9.2 54.9 4.0 5.2

Freizeit und Kultur 86.7 30.0 61.3 4.6 25.4

Gesundheitsversorgung 36.2 2.4 34.3 0.5 1.9

Verbesserung der öffentlichen 98.7 68.4 65.9 35.6 32.8

Infrastruktur

Öffentliche Sicherheit 95.0 46.0 64.8 15.8 30.2

Kommunale Finanzkraft 99.6 92.0 90.2 82.6 9.4

Kosten der kommunalen 99.4 77.8 87.8 66.2 11.6

Verwaltung

Leistungsfähigkeit der 88.0 34.9 85.5 32.4 2.5

kommunalen Verwaltung

Kontrolle der kommunalen 83.4 31.5 81.3 29.4 2.1

Verwaltung

Verhältnis von Deutschen und 65.8 9.9 62.8 6.9 3.0

Ausländem

Zuwanderung von 54.0 5.8 71.6 23.4 -17.6

Ausländerh/Asylbewerbem

Mittelwert 82.4 41.7 70.6 30.0

NBL: Neue Bundesländer ABL: Alte Bundesländer

Die Wirtschaftliche Entwicklung stellt ein großes Problem in fast allen Kommunen in Ostdeutschland dar und in mehr als der Hälfte der Städte und Gemeinden in Westdeutschland. In mehr als 85% der Städte und Gemeinden in Ostdeutschland wird die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur von der Mehrheit als ein großes Problem

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angesehen, in Westdeutschland gilt dies nur für ein Viertel der Gemeinden. In allen Gemeinden in Ostdeutschland und in fast allen in Westdeutschland sieht eine Mehrheit die finanzielle Kapazität der Gemeinderegierung als großes Problem an. Die Kosten der Gemeindeverwaltung werden ebenfalls in der Mehrheit der Gemeinden in beiden Gebieten als großes Problem angesehen (in etwa 95% der Gemeinden in Ostdeutschland und mehr als drei Viertel der Gemeinden in Westdeutschland). Öffentliche Sicherheit hingegen wird in Westdeutschland in keiner Kommune von einer Mehrheit als großes Problem angesehen, aber in etwa der Hälfte der Städte und Gemeinden in Ostdeutschland.

Tabelle 4: Prozentualer Anteil der Gemeinden, in denen mindestens 50% der Eliten die Bereiche als ein großes Problem betrachten

NBL ABL Differenz

NBL-ABL

Arbeitslosigkeit 100.0 60.0 40.0

Armut 8.1 5.0 3.1

Wirtschaftliche Entwicklung 97.3 52.5 44.8

Wohnungen 54.1 20.0 34.1

Umweltverschmutzung 18.9 12.5 6.4

Soziale Dienste/Wohlfahrt 0.0 0.0 0.0

Freizeit und Kultur 18.9 0.0 18.9

Qualität des Bildungsangebotes 0.0 0.0 0.0

Gesundheitsversorgung 0.0 0.0 0.0

Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur 86.5 25.0 61.5

Kommunale Finanzkraft 100.0 95.0 5.0

Kosten der kommunalen Verwaltung 94.6 77.5 17.1

Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung 21.6 22.5 -0.9

Kontrolle der kommunalen Verwaltung 10.8 15.0 -4.2

Öffentliche Sicherheit 45.9 0.0 45.9

Verhältnis von Deutschen und Ausländem 0.0 0.0 0.0

Zuwanderung von Ausländem/Asylbewerbem 0.0 10.0 -10.0

Mittelwert 38.6 23.2

NBL: Neue Bundesländer ABL: Alte Bundesländer

(20)

3.4.. Gemeindeprobleme und ihre Bedeutung im internationalen Vergleich

In welcher Weise korrespondieren die von den Eliten wahrgenommenen Problemagenden in den beiden deutschen Regionen mit denen lokaler Eliten in anderen Ländern? Generell läßt sichfesthalten, daß deutsche lokale Eliten sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland größere Herausforderungen sehen als ihre Kollegen in den meisten anderen Nationen (siehe Abbildung 2 und Tabelle 5 im Anhang).

Abb.2

Bereiche als großes Problem genannt in % (14 Problemfelder im Durchschnitt)

Die Intensität des Problemdrucks auf lokale Eliten:

Ein internationaler Vergleich

20

- Neue Bundesllnder f l

Polen ■

- Schweiz 9

A he Bundeslinder 9

~~ S low akei 9

U S A ■

Tsch. Rep. ■ Österreich ■

!

Schweden ■

1 1 „n...

Bereiche als Problem genannt in % (14 Problemfelder im Durchschnitt)

Hierzu wurden die Informationen aus Tabelle 3 in Abbildung 2 zusammengefaßt und mit den Daten aus anderen Nationen, die im Zusammenhang mit dem internationalen Programm erfaßt wurden, kombiniert (Tschechische Republik, Polen, Slowakei in Osteuropa und Österreich, Schweden, Schweiz und die USA als westliche Länder). Diese Abbildung präsentiert Daten über die 14 Problemkategorien, die sowohl in Deutschland als auch in den anderen Ländern abgefragt wurden (drei der deutschen Kategorien sind nicht in den anderen nationalen Studien enthalten: Finanzkraft der Kommunen, Effizienz und Kontrolle der lokalen Verwaltung.6) In Abbildung 2 repräsentieren die Werte auf der

6 Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den nationalen Fragebögen bezieht sich auf das Problem Beziehung der Deutschen zu Ausländern. Für dieses Problem wurden aus den internationalen Befragungen diejenigen ausgewählt, die in ihrem nationalen Kontext das Entsprechende messen. (Ein Beispiel hierfür ist die Beziehung zwischen den Rassen in der amerikanischen Studie.)

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waagerechten Achse den mittleren Anteil zu dem die 14 Problemkategorien in jeder Nation als Problem - gleich ob großes oder kleines - angesehen wurden, während die Werte auf der senkrechten Achse die durchschnittlichen Prozentsätze über alle 14 Kategorien hinweg wiedergeben, mit denen diese Kategorie als großes Problem angesehen wird.

Der östliche Teil Deutschlands läßt sich am besten mit Ländern wie Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik vergleichen, da hier wie dort Transformationsprobleme eine wesentliche Randbedingung lokaler Politik sind. In diesem Vergleich sehen wir, daß lediglich in einem der drei Länder, nämlich in Polen, die lokalen Eliten in einem vergleichbaren Umfang Probleme wahrnehmen wie die Eliten in Ostdeutschland.

Vergleicht man westdeutsche Eliten mit denen der vier westlichen Länder, sehen wir, daß nur in einem von diesen, nämlich in der Schweiz, lokale Eliten im stärkeren Maße Probleme nennen als in Westdeutschland. Während die generelle Problemwahrnehmung lokaler Eliten in den USA zu der westdeutschen vergleichbar ist, ergeben sich klare Unterschiede in der Einschätzung der Bedeutung der Probleme. Im Gegensatz zu Deutschland werden sie in den USA weitaus weniger häufig als großes Problem angesehen. Schwedische und österreichische lokale Eliten sehen weit weniger Probleme und ein geringerer Anteil als in Deutschland von ihnen qualifiziert sie als große Probleme.

3.5. Gemeindeprobleme: Zusammenfassung

Deutsche lokale Eliten in beiden Regionen geben an, daß sie in einem großen Umfang mit wichtigen Problemen in ihren Gemeinden konfrontiert sind. Trotz der Problemvielfalt sind einige Probleme von besonderer Bedeutung. Diese beziehen sich hauptsächlich auf ökonomische Schwierigkeiten, insbesondere Arbeitslosigkeit und ökonomische Entwicklung in den Gemeinden sowie das Problem der Gemeindefinanzen. Während Bürger ökonomische Probleme ebenfalls hoch in ihrer Problemagenda ansiedeln, sehen sie weit weniger Probleme in der finanziellen Situation der Gemeinden. Ihre Problem Wahrnehmung zeigt hingegen die für sie größere Wichtigkeit von Verkehrs- und Parkproblemen in den Gemeinden. In nahezu allen Bereichen lokaler Politik sehen lokale Eliten in Ost- und Westdeutschland Probleme. Mehr noch, die meisten Bereiche stellen sich für sie nicht nur als Problem, sondern als großes Problem dar. Das trifft insbesondere auf Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Entwicklung, die Finanzkapazität der Gemeinde und die Kosten der lokalen Verwaltung zu. In Ostdeutschland werden zusätzlich Wohnraum und die öffentliche Sicherheit als große Probleme angesehen. Der Vergleich mit den lokalen Eliten in anderen Ländern zeigt, daß sowohl die lokalen Führungsgruppen in Ost-

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als auch in Westdeutschland quantitativ vergleichsweise viele Probleme sehen und qualitativ von ihnen stärker als anderswo als große Probleme angesehen werden.

Die Erklärung dieses im internationalen Vergleich besonders stark wahrgenommenen Problemdrucks kann kaum objektiver Natur sein. Zwar ist die wirtschaftliche Situation in Deutschland derzeit nicht die beste und beschränkt die politischen Möglichkeiten. Objektiv gehört Deutschland aber immer noch zu den reichsten Nationen der Welt und die objektiven Probleme dürften im Vergleich zu denen der Transformationsgesellschaften eher gering sein. Es können also nur relative Aspekte als Erklärung angeführt werden.

Zum einen können sich diese auf den Vergleich der derzeitigen Situation mit Erwartungen oder Erfahrungen in der Vergangenheit beziehen. Am plausibelsten erscheint in diesem Zusammenhang, daß in beiden Teilen Deutschlands eine Erwartungsenttäuschung, allerdings mit unterschiedlichem Hintergrund, ursächlich ist: in Ostdeutschland könnte die Vereinigungseuphorie Maßstab von Erwartungen gewesen sein, die faktisch nicht einzulösen waren, in Westdeutschland mag die Gewöhnung an eine auch im internationalen Vergleich relativ unproblematische wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte Erwartungshorizonte erzeugt haben, die nur wenig zu der schwierigen derzeitigen Situation passen. Zum anderen kann aber die Bedeutungszuweisung zu Problemen deshalb so stark ausfallen, weil verschiedene Bedingungen ihre Bearbeitung stark einschränken. Hierzu sollen im folgenden das Verhältnis von Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten einerseits, und Konflikte in Problemfeldern andererseits betrachtet werden.

4. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit lokaler Regierungen

Lokale Regierungen haben bezogen auf Politikfelder in verschiedenen Nationen höchst unterschiedliche Zuständigkeiten (Norton 1994; Page und Goldsmith 1987; Baldersheim 1996). In einigen Ländern haben sie weitreichende formale Zuständigkeiten, während sie in anderen Ländern entweder in den meisten Politikfeldern keine Zuständigkeiten haben oder als nicht-autonome Agenturen höherer Regierungsebenen handeln. Entsprechend unterschiedliche Zuständigkeiten beanspruchen lokale Eliten in ihren Kommunen (Eidersveld et al. 1994). Deutschland hat ein relativ kompliziertes föderales System mit einer komplexen Struktur der Machtverteilung (Scharpf 1988; Norton 1994). Dennoch haben Gemeinderegierungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ viel Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten. Das heißt jedoch nicht notwendigerweise, daß die Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten von den lokalen Eliten auch als hinreichend angesehen werden. Denn den im internationalen

(23)

Vergleich relativ weitreichenden Zuständigkeiten der deutschen Kommunen stehen auch beachtliche Probleme gegenüber. Beides, Handlungsmöglichkeiten auf der einen, Zuständigkeiten auf der anderen Seite, müssen also zueinander in Bezug gesetzt werden.

Wenn die Zuständigkeiten die Handlungsmöglichkeiten überschreiten, kann eine Problemsituation durchaus als prekär wahrgenommen werden. In der Konfrontation mit einer beachtlichen Fülle kommunaler Aufgaben und Probleme verändert sich unter Umständen auch die Einschätzung des Handlungsrahmens.

4.1. Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeit lokaler Regierungen in Deutschland

Wie beurteilen deutsche lokale Eliten die Situation? Meinen sie, daß ihre Handlungsmöglichkeiten weitreichend oder eher begrenzt sind, und, wichtiger noch, meinen sie, daß sie ausreichend für die anstehenden Aufgaben sind? Bezogen auf die 17 Problembereiche, die im letzten Abschnitt behandelt wurden, wurde zum einen danach gefragt, welche Regierungsebene die primäre Zuständigkeit für jeden der 17 Bereiche haben sollten (anzumerken ist, daß auch nach Nicht-Regierungsorganisationen gefragt wurde und nach der Verantwortung der Bürger selbst). Zum anderen wurde bezogen auf die Problembereiche gefragt, ob die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinderegierung als ausreichend für die Behandlung der Probleme angesehen werden. Die Ergebnisse auf diese Fragen sind in Tabelle 6 zusammengefaßt.

Die Ähnlichkeit in den Antworten zwischen den lokalen Eliten in den neuen und alten Bundesländern auf diese Frage ist groß. Für 12 von 17 Problembereichen wird von der Mehrzahl der Befragen in beiden Regionen die Hauptverantwortung bei den Kommunen gesehen. Dabei ergeben sich aber bezogen auf Politikbereiche einige Unterschiede zwischen Ost und West. So wird z,B. in den neuen Bundesländern Arbeitslosigkeit von einer knappen Mehrheit der Befragten als ein Bereich angesehen, für den die kommunalen Regierungen verantwortlich sind, in den alten Bundesländern lediglich von 37 Prozent.

Umgekehrt sieht nur eine Minderheit in den neuen Bundesländern die Kontrolle der lokalen Verwaltung als eine der Zuständigkeiten der Gemeinderegierung an, aber 63 Prozent der Befragten in Westdeutschland.

Der zentrale Punkt des Vergleiches zwischen diesen beiden Dimensionen - Zuständigkeiten auf der einen, Handlungsfähigkeit auf der anderen - ist die Frage, ob die Handlungsfähigkeit den Zuständigkeiten entspricht. Sind lokale Eliten, wenn sie die kommunale Ebene in der Zuständigkeit in einem Politikbereich sehen, auch der Ansicht, daß auf dieser Ebene hinreichende Handlungsmöglichkeiten existieren? In dieser Frage zeigt sich sowohl in den neuen als auch den alten Bundesländern, aber besonders in den

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neuen Bundesländern, ein erhebliches Maß an Diskordanz. Lokale Eliten in Ostdeutschland sehen im Durchschnitt über alle 17 Politikbereiche hinweg zu 61.8 Prozent die kommunale Regierung in der primären Verantwortung, in Westdeutschland zu 59.8 Prozent. Lokale Eliten in Ostdeutschland sind andererseits in geringerem Maße als ihre westdeutschen Kollegen der Ansicht, daß die Gemeinderegierungen über hinreichende Handlungsfähigkeit in diesen Politikbereichen verfügen (der ostdeutsche Durchschnitt liegt bei 45.2 Prozent, der westdeutsche bei 51.3 Prozent).

Tabelle 6: Zuständigkeit versus Handlungsfähigkeit der Gemeinderegierungen

Kommunalregierung:

NBL

Sollte Hauptverant­

wortung tragen

Besitzt ausreichende Handlungs­

fähigkeit

ABL

Sollte Hauptverant­

wortung tragen

Besitzt ausreichende Handlungs­

fähigkeit

Arbeitslosigkeit 51.7 7.1 37.1 16.9

Armut 39.6 27.2 31.5 • 25.0

Wirtschaftliche Entwicklung 70.1 13.3 66.4 31.2

Wohnungen 86.2 45.4 75.4 58.9

Umweltverschmutzung 62.0 37.7 67.5 39.3

Soziale Dienste/Wohlfahrt 63.5 80.8 61.3 68.2

Qualität des Bildungsangebotes 54.9 ' 67.3 60.2 74.1

Freizeit und Kultur 87.7 62.0 80.5 90.2

Gesundheitsversorgung 46.4 84.2 35.2 72.6

Verbesserung der öffentlichen 79.8 31.5 82.1 55.9

Infrastruktur

Kommunale Finanzkraft 65.5 10.9 70.5 21.9

Kosten der kommunalen Verwaltung 92.3 33.3 91.4 51.5

Leistungsfähigkeit der kommunalen 90.1 55.0 89.7 67.6

Verwaltung

Kontrolle der kommunalen Verwaltung 44.8 60.3 62.3 67.4

Öffentliche Sicherheit 35.8 19.0 25.0 27.2

Verhältnis von Deutschen und 52.3 73.7 61.2 70.7

Ausländem

Zuwanderung von 27.9 59.8 19.8 33.9

Ausländem/Asylbewerbem

NBL: Neue Bundesländer ABL: Alte Bundesländer

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