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Die Leistungszufriedenheit der Bürger und die Rolle des sozialen Kapitals

7. Performanz von Gemeinderegierungen aus der Sicht von Eliten und Bürgern

7.4. Die Leistungszufriedenheit der Bürger und die Rolle des sozialen Kapitals

Hier ist nicht der Platz, um ein vollständiges Erklärungsmodell oder eine Theorie der kommunalen Demokratie zu entwickeln, noch ist der Stand unserer Forschungsarbeit erreicht, der es mit Sicherheit erlauben würde, zu bestimmen, welche Faktoren wichtig und welche weniger wichtig für die Zufriedenheit der Bürger sind. Was wir vorstellen können, ist eine erste Annäherung an die Frage, inwieweit politisch-kulturelle und institutioneile Faktoren hierfür relevant sind. Hierzu wollen wir zunächst unsere Modellüberlegungen kurz darstellen.

Unser Modell geht davon aus, daß die Zufriedenheit der Bürger im wesentlichen ein Resultat der Leistungen kommunaler Regierungen ist, wobei die Leistungsfähigkeit wiederum ein Produkt von verschiedenen Faktoren ist. Die beiden zentralen Dimensionen, die in dem Meßmodell berücksichtigt werden sollen, sind zum einen politisch-kulturelle Faktoren, insbesondere solche, die das „soziale Kapital“ (Putnam 1993) einer Kommune charakterisieren, zum anderen die institutionelle Dimension.

Auf der Basis dieser beiden theoretischen Ansätze wurde ein Meßmodell entworfen, mit dem die Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen kommunaler politischer Regierungsinstitutionen (Bürgermeister oder Stadtdirektor, Verwaltung und Rat) erklärt werden soll. Im einzelnen wurden folgende Faktoren, die die Sozialbeziehungen charakterisieren, einbezogen: die Gemeindegröße (es ist bekannt, daß Sozialbeziehungen mit der Größe disparater werden), das Ausmaß an Konflikten in den Kommunen und das Vertrauen der kommunalen Eliten in andere Menschen. Disparate Sozialbeziehungen, Konflikte und Mißtrauen sind Faktoren, die politisches Handeln und Effektivität eher negativ beeinflussen. Dementsprechend kann erwartet werden, daß in eher kleinen Kommunen mit wenig Konflikten und höherem interpersonalen Vertrauen die Leistungszufriedenheit der Bürger groß und in Kommunen mit den entgegengesetzten Charakteristika die Leistungszufriedenheit gering ist. Institutionell hängt die Effektivität politischer Entscheidungsprozesse maßgeblich davon ab, ob politische Macht eher dezentral oder zentral verteilt ist. Insbesondere das Ausmaß, zu dem Entscheidungen durch Akteure blockiert werden können, ist hier eine wichtige Variable (die Zahl der sogenannten „Veto-Player“). Um dem generellen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland Rechnung zu tragen, wurde darüber hinaus eine Ost-West-Variable in das Erklärungsmodell aufgenommen. Es ist die Kombination dieser Merkmale, die unserer Meinung nach die Zufriedenheit der Bürger mit der kommunalen Politik und ihren Akteuren beeinflußt.

Das spezifizierte empirische Model hat folgende Form:

BiiZufri = Ot +ß; Größet + ß2 Osk + ß3 Konflikt^ + ß4 EliVertri + ß5 Zentral + et

wobei:

BüZufr: der Prozentanteil der Bürger einer Gemeinde, die mit den Leistungen aller

"Regierungsinstitutionen" auf Gemeindeebene (Verwaltung, Rat, Bürgermeister oder Stadtdirektor) zufrieden sind.

Ost: eine Dummy-Variable, die die Werte 1 oder 0 annehmen kann. Der Wert 1 bedeutet, daß es sich um eine Gemeinde der neuen, der Wert 0, daß es sich um eine Gemeinde der alten Ländern handelt.

Größe: die Einwohnerzahl einer Gemeinde (gemessen in Tausend)

Konflikt: ein Maß für die Stärke von Konflikten in einer Gemeinde. Es mißt den Anteil der kommunalen Eliten, die in ihrer Gemeinde Konflikte wahrnehmen, die Problemlösungen behindern.

EliVertr: mißt das Ausmaß "soziale Kapitals" unter den kommunalen Eliten anhand der Anteile unter ihnen, die Vertrauen in andere Menschen haben.

Zentral: ein Maß für den Grad der Zentralisierung von politischer Macht beim Amt des Hauptverwaltungsbeamten gegenüber der Gemeindeverwaltung und dem Gemeinderat.

Das Ergebnis unserer Querschnittsanalyse der 30 Gemeinden, in denen wir sowohl unter den Eliten als auch den Bürgern Befragungen durchgeführt haben, bestätigen die theoretischen Annahmen des Modells (siehe Tabelle 17). Die Qualität unseres Modells ist mit einem Anteil erklärter Varianz (R2) von 52 Prozent recht gut. Das heißt, das Modell erklärt zu einem für sozialwissenschaftliche Maßstäbe recht hohen Ausmaß den Grad der Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen kommunaler Regierungen.

Tabelle 17: Determinanten der Zufriedenheit der Bürger mit der Performanz der Kommunalregierung (Regressionsschätzung)

Determinante Stärke des Effekts

■ b t-Statistik

Ost- West- Unterschied:

- Ost (neue Bundesländer = 1) -9.33 -2.15 Sozio- und politisch-kulturelle

Determinanten:

- Gemeindegröße -0.15 -2.39

- Konflikte in der Kommune -0.37 -2.86

- Vertrauen der Eliten in andere

Menschen 0.31 2.11

Institutionelle Determinante:

- Zentralisierung der

Entscheidungs-macht in der Exekutive 20.53 2.01

Konstante 57.39 4.60

Prozent-Anteil erklärter Varianz (R2) 52

Untersuchungseinheiten 30

Signifikanz gesamt (F-Statistik) .05

Im einzelnen zeigt sich, daß die Leistungszufriedenheit der Bürger in den ostdeutschen Kommunen bei Kontrolle der politisch-kulturellen und institutionellen Faktoren im Durchschnitt etwa 9 Prozentpunkte unter dem Anteil in westdeutschen Kommunen liegt.

Wie erwartet, hat die Größe der Kommune einen negativen Einfluß auf die Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen der kommunalen Regierung. Die Ergebnisse bestätigen damit die Befunde früherer Studien in anderen Ländern. Es scheint bei wachsender Größe eines Gemeinwesens zunehmend schwieriger zu sein, demokratisches Arbeiten des politischen Systems in einer Weise aufrechtzuerhalten, das die Bürger zufriedenstellt (siehe z.B. Dahl und Tufte 1973; Mouritzen 1989; und Nielsen 1981). Das mag auch daran liegen, daß mit der Größe die Bürgernähe der kommunalen Regierungsinstitutionen geringer wird. Auch das Ausmaß wahrgenommenen Konflikts steht im negativen Zusammenhang mit der Leistungszufriedenheit der Bürger. Damit bestätigt sich die theoretische Annahme, die im Rahmen des Sozialkapital-Ansatzes generell formuliert worden ist. Das trifft auch auf den zweiten hierauf bezogenen Faktor

zu. Die im Anschluß an Putnam (1993) und seiner Diskussion über den Beitrag von sozialem Kapital zu erfolgreicher demokratischer Performanz formulierte Erwartung, daß das Ausmaß von Vertrauen lokaler Eliten in andere Menschen kooperatives Verhalten positiv beeinflußt und Kooperation, insbesondere zwischen den politischen Eliten, den Weg zu einer effektiven lokalen Politik erleichtert und deshalb einen positiven Einfluß auf die Leistungszufriedenheit hat, bestätigt sich auch im deutschen Fall. Politisch-kulturelle Faktoren, insbesondere solche, die im Zusammenhang mit dem sozialen Kapital einer Kommune stehen, beeinflussen also die Leistungszufriedenheit der Bürger in einem nicht unbeachtlichen Maße.

Aber das trifft ebenfalls auf den eingeführten institutionellen Faktor zu. Die im Anschluß an die politische Ökonomie formulierte Erwartung, daß die Kohärenz eines politischen Systems einen unmittelbaren Einfluß auf effektive Politik hat (siehe z.B.

Roubini und Sachs 1989; Alesina und Rosenthal 1995), spiegelt sich in der Leistungszufriedenheit der Bürger wieder. Das Ausmaß, zu dem die politische Macht in einem Regierungssystem konzentriert ist und nicht verteilt auf eine Reihe von potentiellen konfligierenden Institutionen und Akteuren führt nach diesen Ergebnissen über die höhere Effizienz und Effektivität wiederum zu einer größeren Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen kommunaler Regierung.

Insgesamt zeigt sich also, daß die Leistungsbeurteilung der Bürger als Element der Performanz lokalen Regierens in der Tat von politisch-kulturellen und institutionellen Faktoren abhängt. Beide tragen in einem beträchtlichem Maße zur Erklärung der Zufriedenheit der Bürger mit ihren lokalen Regierungsinstitutionen bei, weil beide sich auf die objektive Leistungsfähigkeit der Kommunen auswirken.