4.1. Satz. Die Abbildung
J :`1 →(c0)0, (Jx)(y) :=
∞
X
n=1
xnyn, x∈`1, y∈c0
definiert einen isometrischen Isomorphismus.
Beweis. Seix= (xn)∈`1 undy = (yn)∈c0. Dann gilt
|J(x)(y)| ≤
∞
X
n=1
|xnyn| ≤ kyk∞
∞
X
n=1
|xn|=kyk∞kxk`1.
Weiter istJ(x) :c0→Knatürlich linear, also J(x)∈c00. Die obige Ungleichung zeigt kJxk ≤ kxk`1. Sei
αNn :=
(signxn, n≤N, 0, n > N.
Dann giltαN ∈c00,kαNk∞= 1 und
|J(x)(y)|=
m
X
n=1
|xnyn|=
m
X
n=1
|xn|.
Dies zeigt kxk`1 ≤ kJ(x)k, also ist J eine Isometrie (und deswegen auch injektiv). Wir zeigen nun die Surjektivität vonJ. Seiϕ∈c00. Setzexi:=ϕ(δi), wobeiδi ∈c0 die Folge mit1in der Koordinateiund Null sonst ist. Dann ist (xn)⊂`1, da
N
X
n=1
|xn|=
N
X
n=1
xnαNn =ϕ(αN)≤ kϕk.
Ferner gilt J(xn) =ϕ, denn aus der Definition folgt J(xn)(y) =ϕ(y) für alle y ∈ c00. Da J stetig und c00
dicht in c0 ist, folgt J(xn)(y) =ϕ(y) für alley∈C0, also die Surjektivität vonJ.
4.2. Satz. Seiy∈`1 und das Funktional ϕy :`∞→Kgegeben durch
J :`1→(c0)0, ϕy(x) :=
∞
X
n=1
xnyn, x∈`∞.
So definiertJ(y) :=ϕy eine normerhaltende lineare AbildungJ :`1 →(`∞)0, die auch injektiv ist. Wir sagen
`1 ⊆(`∞)0.
4.3. Definition. Eine lineare Abbildung ϕ:`∞→Rheißt Banach-Limes, falls
i) Für jedes (xn) ∈ `∞ gilt ϕ(xn) = ϕ(L(xn)), wobei L : `∞ → `∞ das Links-Shift ist, d.h. L(xn) =
(x2, x3, . . .). Translationsinvarianz
ii) ϕ(1) = 1für 1= (1,1,1, . . . ,).
iii) Für jedes (xn)∈`∞,xn≥0 gilt ϕ(xn)≥0. Positivität
4.4. Satz. Seiϕ:`∞→R ein Banach-Limes. Dann gelten die folgende Aussagen:
a) Ist(xn),(yn)∈`∞ mit xn≤yn so gilt ϕ(xn)≤ϕ(yn).
21
b) Ist(xn)∈`∞, so gilt|ϕ(xn)| ≤ϕ(|xn|).
c) ϕist stetig und hat Norm1.
d) Fürx= (xn)∈`∞gilt lim infn→∞xn≤ϕ(x)≤lim supn→∞xn.
e) ϕist nicht multiplikativ, also es gibt(xn),(yn)∈`∞ mitϕ((xnyn))6=ϕ(xn)ϕ(yn).
Beweis. a) Fürxn≤yn istyn−xn≥0, und somit ϕ((yn−xn))≥0.
b) Bemerke, dass xn ≤ |xn| und −xn ≤ |xn| gelten. Nach a) gilt ±ϕ((xn)) ≤ ϕ((|xn|)). Daraus folgt die Behauptung.
c) Für (xn) ∈`∞ gilt |xn| ≤ k(xn)k∞, also für yn:= k(xn)k∞1 gilt xn ≤yn. Verwende jetzt a) und b) um
|ϕ(xn)| ≤ϕ(1)k(xn)k∞ zu erhalten. Es folgt auchkϕk= 1.
d) Sei c >lim supn→∞xn, d.h., es gibt ein n0 ∈N so, dass für jedesk≥n0 gilt xk ≤c. D.h.Lk(xn) ≤c1, alsoϕ(Lk(xn))≤cnach a). Wegen Translationsinvarianz giltϕ((xn))≤c. Daherϕ((xn))≤lim supn→∞xn. Die andere Ungleichung beweist man analog.
e) Betrachte die Folge(xn) = (1,0,1,0,1,0. . .). So istL(xn) = (0,1,0,1,0,1. . .), und damit(xn) +L(xn) = 1 und (xn)·L(xn) = 0. Da ϕ((xn)) = ϕ(L(xn)), so gelten 2ϕ((xn)) = ϕ((xn) + L(xn)) = ϕ(1) und ϕ((xn))ϕ(L(xn)) = 1/46= 0 =ϕ((xn)·L(xn)).
4.5. Satz. Es existieren Banach-Limiten.
Beweis. Wir vewenden die algebraische Version des Satzes von Hahn-Banach, siehe Satz3.3. Dazu setzen wirY :=cund ψ(xn) := limxn für (xn)∈c,
p(xn) := lim sup
n→∞
1 n
n
X
k=1
xk.
Die Funktionp:`∞→Rist positiv homogen und subadditiv. Es gilt fernerψ(x) =p(x)fürx∈c. Nach dem Satz von Hahn-Banach, existiert eine Fortsetzungϕvonψauf `∞, so dass für jedesx∈`∞ die Ungleichung ϕ(x)≤p(x)gilt. Nun zeigen wir, dass das ϕdie gewünschten Eigenschaften hat. Zunächst bemerke
p(Lx−x) = lim sup
n→∞
1 n
n
X
k=1
(xk+1−xk) = lim sup
n→∞
xn+1−x1
n = 0.
Daraus folgt
ϕ(Lx−x)≤p(Lx−x) = 0 und ϕ(−Lx+x)≤p(−Lx+x) = 0,
also ϕ(Lx) = ϕ(x). Klar ist ϕ(1) = 1. Zur Positivität von ϕ bemerke, dass für xn ≤ 0 gilt p((xn)) ≤ 0.
Daraus schließen wir für xn≥0
ϕ((−xn))≤p((−xn))≤0 und damitϕ(xn)≥0.
Wir haben gesehen, dass J :`1 → (`∞)0 nicht surjektiv ist. Der folgende Satz zeigt, dass ¨uberhaupt keine stetige lineare Bijektion zwischen`1 und `∞ existieren kann.
4.6. Satz. SeiX ein normierter Vektorraum undX0 separabel. Dann istX auch separabel.
Beweis. Sei {ϕ1, ϕ2, . . .} eine dichte Menge in X0. Für jedes n ∈ N wähle xn ∈ X mit kxnk ≤ 1 und
|ϕn(xn)| ≥ 1/2kϕnk. Definiere Y := lin{xn : n ∈ N}. Sei ϕ∈ X0 mit ϕ = 0 auf Y. Wir zeigen nun, dass ϕ= 0 überall, dann folgt auch X=Y.
kϕ−ϕnk ≥ |(ϕ−ϕn)(xn)|=|ϕn(xn)| ≥1/2kϕnk ≥1/2kϕk −1/2kϕ−ϕnk, also 32kϕ−ϕnk ≥ 12kϕk, d.h.kϕk= 0, da {ϕ1, ϕ2, . . .}dicht in X0 ist.
4.7. Bemerkung. IstX separabel, so existiertϕ1, ϕ2, . . . , ϕn, . . .∈X0, so dass für jedesx∈X kxk= sup
n∈N
|ϕ(x)| gilt.
4.8. Notation.
(a) Sei X ein normierter Vektorraum, X0 der Dualraum und X00 := (X0)0 dessen Dualraum. Dann heißt X00 derBidualraum vonX.
(b) Seix∈X. Betrachte die Abbildung:
ιx :X0→K, ιx(x0) :=x0(x).
4.9. Satz. Die Abbildung ι:X→X00,ι(x) :=ιx ist eine lineare Isometrie.
Beweis. Es ist klar, dass ιx linear ist. Ferner ist ιx stetig, denn |x0(x)| ≤ kx0kkxk, d.h. kιxk ≤ kxk gilt.
Somit ist ιx∈X00. Klar ist auch, dassιlinear ist. Nach Korollar 3.8folgtkιxk=kxk.
4.10. Bemerkung.
(a) Die Abbildungι:X→X00 heißt kanonische Abbildung vonX in seinen Bidualraum.
(b) Im allgemeinen ist ι nicht surjektiv. [Betrachte zum BeispielX =c0. Dann X0 ' `1,X00 ' `∞. Also kannιnicht surjektiv sein, denn c0 ist separabel und`∞ nicht.]
(c) X ein normierter Vektorraum =⇒ι(X) ist abgeschlossen in X00
4.11. Korollar [Vervollständigung eines normierten Vektorraums]. SeiX ein normierter Vek- torraum. Dann ist X isometrisch isomorph zu einem dichten Unterraum eines Banachraumes.
4.12. Definition. Ein Banachraum X heißtreflexiv, falls ιX surjektiv ist.
4.13. Bemerkung. FallsX reflexiv ist, dannX'X00. Die Umkehrung ist falsch wie gezeigt von James, 1951. D.h.X 'X00 impliziert nicht die Surjektivität vonιX.
4.14. Beispiel.
(a) c0,c,`∞ und`1 sind nicht reflexiv.
(b) SeienX, Y Banachräume und T :X →Y ein Isomorphismus. DannX reflexiv⇐⇒ Y reflexiv.
(c) Sei1< p <∞. Dann ist`p reflexiv.
(d) Sei1< p <∞. Dann istLp(M, µ)reflexiv (später).
4.15. Satz. SeiX Banachraum.
(a) X reflexiv=⇒ Jeder abgeschlossene Unterraum vonX ist reflexiv.
(b) X reflexiv⇐⇒ X0 reflexiv.
(c) IstX reflexiv und separabel, so ist X0 auch separabel.
Beweis. (a) SeiU ⊆X ein abgeschlossener Unterraum vonX. Füru00∈U00 seix00(x0) :=u00(x0U),x0 ∈X0. Dann x00 ∈X00, denn |u00(x0U)| ≤ ku00kkx0k. DaX reflexiv ist, existiert ein x∈X mit x0(x) =u00(x0U) für alle x0 ∈X0.Behauptung: x∈U
Fallsx6∈U, so existiert, nach Korollar 3.8, einx0 ∈X0 mit x0(x) = 1 undx0U = 0. Das ist ein Widerspruch zu
1 =x0(x) =u00(x0U) = 0.
Alsox∈U. Es bleibtu00(u0) =u0(u)für alleu0 ∈U0 zu zeigen. Seiu0 ∈U0 undx0∈X0 eine Fortsetzung von u0 nach Hahn–Banach. Dann giltu00(u0) =u00(x0U) =x0(x) =u0(x), d.h.u00=ιU(u) undU ist reflexiv.
(b) “⇒”: zu zeigen:ιX0 :X0→X000 surjektiv. Seix000∈X000. Betrachtex0 :X→K,x0(x) :=x000(ιX(x)). Dann x0 ∈X0. DaX reflexiv ist, folgt, dass jedesx00∈X00die Formx00=ιX(x) hat. Daherx000(x00) =x000(ιX(x)) = x0(x) = (ιX(x))(x0) =x00(x). D.h. x000 =ιX0(x0).
“⇐”: Annahme: X0 reflexiv. Dann ist nach dem obigen BeweisX00 auch reflexiv. Da X isomorph zu einem abgeschlossenen Unterraum vonX00 ist, folgt die Reflexivität vonX aus Teil a).
(c) X00∼X, also istX00 auch separabel. Somit istX0 separabel.
4.16. Korollar. c0,c,`∞,`1 sind nicht reflexiv.
Beweis. Wir wissen, dassc0nicht reflexiv ist. Also sind(c0)0 ∼`1 und(c0)00∼`∞auch nicht reflexiv. Wäre c reflexiv, so wärec0 als abgeschlossener Unterraum incauch reflexiv.
4.17. Definition. Sei X normierter Vektorraum.
(a) Eine Folge(xn)⊆X heißt schwach konvergent gegen ein x∈X, falls
n→∞lim ϕ(xn) =ϕ(x) ∀ϕ∈X0.
(b) Eine Menge M ⊆ X heißt schwach folgenkompakt, falls jede Folge in M eine schwach konvergente Teilfolge besitzt, deren Limes inM liegt.
4.18. Bemerkung.
(a) Da X0 die Punkte von X trennt, d.h. für x 6= y ∈ X existiert ein ϕ ∈ X0 mit ϕ(x) 6= ϕ(y), ist der schwache Limes eindeutig bestimmt. Schreibweise:
xn→σ x, σ−lim
n→∞ xn=x.
(b) Normkonvergenz impliziert schwache Konvergenz. Die Umkehrung gilt nicht.
(c) xn σ
→x inX, dannkxk ≤lim inf
n→∞ kxnk(schwach Unterhalbstetigkeit einer Norm) (d) Sei(xn)⊂X mit xn→σ x. Dann ist (xn) beschränkt.
Beweis. (a)-(b) Trivial.
(c) Es gilt
kxk= sup
ϕ∈X0 kϕk=1
|ϕ(x)|= sup
ϕ∈X0 kϕk=1
nlim→∞|ϕ(xn)| ≤ sup
ϕ∈X0 kϕk=1
lim inf
n→∞ kϕk · kxnk ≤lim inf
n→∞ kxnk.
(d) später.
4.19. Korollar. Sei X ein normierter Vektorraum und M ⊆X konvex und abgeschlossen. Ferner sei (xn)⊆M eine schwach konvergente Folge,xn→σ x∈X, d.h. für jedes ϕ∈X0 gilt ϕ(xn)→ϕ(x). Dann liegt x inM. (Die Menge M heißt schwach folgenabgeschlossen.)
Beweis. Verwende den Trennungssatz, falls x6∈M wäre.
4.20. Korollar [Lemma von Mazur]. Sei(xn) eine schwach konvergente Folge in einem normierten Vektorraum,xn→σ x. Dann gilt x∈conv{xn: n∈N}.
Beweis. Verwende Korollar4.19
4.21. Satz. Es sei X reflexiv. Dann ist die abgeschlossene Einheitskugel BX(0,1)⊆ X schwach folgen- kompakt.
Beweis. Sei xn ∈ BX(0,1) eine Folge. Betrachte Y := lin{xn : n ∈ N}. Dann ist Y separabel und auch reflexiv nach Satz4.15. Für jedesϕ∈Y0istϕ(xn)beschränkt inK. Daraus folgt, dassϕ(xn)eine konvergente Teilfolge besitzt. Sei {ϕn: n∈N} eine dichte Teilmenge in Y0. Dann hatϕ1(xn) eine konvergente Teilfolge ϕ1(x1n). Durch Induktion erhalten wir eine Folge (xkn), so dass (xkn) ⊂(xk−1n ) und ϕk(xkn) für n→ ∞ gegen αk konvergiert. Dann konvergiertϕk(xnn)gegen αk.
Beh.:ϕ(xnn) konvergiert füralle ϕ∈Y0.
Da{ϕ1, ϕ2, . . .} dicht inY0 ist, existiert für ε >0 eink∈Nmit kϕ−ϕkk ≤ε. Wähle nunn0∈Nmit
|ϕk(xnn)−ϕk(xmm)| ≤ε, n, m≥n0.
Dann gilt:
|ϕ(xnn)−ϕ(xmm)|=|ϕ(xnn)−ϕk(xnn)|+|ϕk(xnn)−ϕk(xmm)|+|ϕk(xmm)−ϕ(xmm)| ≤ε+ε+ε,
Also konvergiertϕ(xnn). Wir bezeichnen den Limes mit α(ϕ). Dann giltα∈Y00=Y, denn die Linearität ist trivial und |ϕ(xnn)| ≤ kϕkkxnnk ≤ kϕk.
Es bleibt zu zeigen, dassϕ(xnn) für alle ϕ∈X0 konvergiert, was ausϕ(xn) =ϕ|Y(xn) folgt.
4.22. Korollar. SeiX reflexiver Banachraum und(xn)⊆Xbeschränkte Folge. Dann besitzt(xn) eine schwach konvergente Teilfolge.