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K U R Z G U T A C H T E N

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Academic year: 2022

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K U R Z G U T A C H T E N

für

Kanton Bern

Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion (WEU)

betreffend

Rechtsfragen zu einer

Spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft:

BKW SpAG

von

P ETER V. K UNZ

Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M.

Ordinarius für Wirtschaftsrecht

Geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht Universität Bern

Bern, 30. April 2021

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I. Einführung………... 4

II. Spezialgesetzliche AG………. 4

A. Staat und Wirtschaft……… 4

B. Grundlagen……….. 5

1. Regulierung……….. 5

a) Art. 763 OR……….. 5

b) Anwendbarkeit des Aktienrechts?……… 6

2. Beispiele………... 6

C. BKW AG als SpAG?... 7

1. Grundsätzliche Einschätzung………... 7

2. Anforderungen………. 8

a) Kantonale Rechtssetzung(en).……….. 8

aa) Neues BKW-Gesetz……… 8

bb) Revision der Kantonsverfassung?... 9

b) Haftung des Kantons Bern……… 10

III. Mögliche «Umwandlungen»……… 10

A. Ausgangslage………... 10

B. Umstrukturierungsrecht……… 11

1. Regulierung gemäss FusG……… 11

a) Begriffe……….. 11

b) Ausgewählte Transaktionen………... 12

aa) Umwandlung……… 12

aaa) Reguläre Ordnung………... 12

bbb) Institute des öffentlichen Rechts……… 13

bb) Vermögensübertragung……… 13

aaa) Reguläre Ordnung………... 13

bbb) Institute des öffentlichen Rechts………. 14

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2. Einzelfragen………..………. 15

a) SpAG als Empfänger?... 15

b) Beschlussquorum?... 15

c) Schicksal der Aktionäre?... 16

d) Risiken?... 16

C. Obligationenrecht……… 17

1. Regulierung gemäss OR………... 17

2. Einzelfragen………. 18

a) SpAG als «Kanton»?... 18

b) Beschlussquorum?... 19

c) Schicksal der Aktionäre?... 19

d) Risiken?... 20

IV. Ergebnisse………... 21

A. Legalität der BKW AG als SpAG?... 21

B. BKW AG als SpAG durch «Umwandlung»?... 21

C. Empfehlung(en)………. 22

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I. Einführung

Der Gutachter verfasste mit Datum vom 26. April 2021 ein Rechtsgutachten («Rechtsfragen zu einer allfälligen Minderheitsbeteiligung an der BKW AG»). Das vorliegende Kurzgutachten soll einen damals angesichts der zeitlichen Dringlichkeit ausgeklammerten Themenbereich, nämlich die BKW AG als ev. Spezialgesetzliche AG (SpAG), beleuchten.

Die Finanzkommission hat kürzlich Fragen an den Regierungsrat des Kantons Bern gestellt, darunter die folgende: «Wäre die Umwandlung der BKW in eine spezialgesetzliche AG denk- bar? Welches wären die Risiken und die Folgen für die Minderheitsaktionäre?».

Es geht im Folgenden um eine keine «wissenschaftliche» Abhandlung. Vielmehr sollen die rechtlichen Basiskenntnisse für eine politische Diskussion vermittelt werden. Im Wesentlichen geht es um drei Grundsatzfragen: (i) Wäre eine BKW SpAG überhaupt rechtlich zulässig? (ii) Wäre – wenn die Zulässigkeit bejaht würde – eine «Umwandlung» möglich? (iii) Welche Aus- wirkungen hätte dies auf die Publikumsaktionäre der BKW AG?

II. Spezialgesetzliche AG

A. Staat und Wirtschaft

In welchem Umfang und in welchen Bereichen der Staat wirtschaftlich tätig sein kann bzw.

darf, erscheint nicht unumstritten1, insbesondere angesichts der geltenden bundesverfassungs- rechtlichen Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 1 BV); die Wirtschaftsfreiheit wird zusätzlich in der Verfassung des Kantons Bern explizit erwähnt (Art. 23 KV BE).

Im Hinblick auf die Rechts- bzw. Gesellschaftsformen, die für staatliche Wirtschaftsaktivitäten grundsätzlich in Frage kommen, stehen m.E. in erster Linie die gemischtwirtschaftlichen AG einerseits2 sowie die Spezialgesetzlichen AG (SpAG) andererseits3 zur Verfügung:

Die obligationenrechtliche Basis für gemischtwirtschaftliche AG findet sich in Art. 762 OR; die BKW AG stellt – im heutigen Zeitpunkt – eine solche Unternehmung dar. Von den gemischt-

1 Vgl. PETER V.KUNZ, Wirtschaftsrecht – Grundlagen und Beobachtungen (Bern 2019) § 2 N 293 ff.

2 Statt aller: MICHAEL STÄMPFLI, Die gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft – Ihre Willensbildung und Organisation (Diss. Bern 1991) passim.

3 Re SpAG: STEFAN VOGEL, Die spezialgesetzliche Aktiengesellschaft, ZBl 104 (2003) 418 ff.; zudem:

PETER V.KUNZ, Staatsbeteiligungen und ausgewählte Verantwortlichkeiten, in: Der Staat als Aktionär (Tübingen 2019) 127 ff. und v.a. 133 ff.; DERS., Wirtschaftsrecht, § 2 N 310 ff.

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wirtschaftlichen AG muss die SpAG unterschieden werden, deren obligationenrechtlichen Vor- gaben sich aus Art. 763 OR ergeben4; zwar sind kantonale SpAG im Prinzip rechtlich zulässig, doch kommen solche Gesellschaften in der Wirtschaftsrealität äusserst selten vor5.

B. Grundlagen 1. Regulierung a) Art. 763 OR

M.E. stehen im Zusammenhang mit Sinn und Zweck, etwas trivialisiert, SpAG näher zum Staat als private AG auf der einen Seite und gemischtwirtschaftliche AG auf der anderen Seite. An diesem intensiven «Näheverhältnis» ändert nichts, dass öffentliche Interessen bei SpAG nicht explizit erwähnt werden6, und dass private Aktionäre zulässig sind7.

Für kantonale SpAG gilt: «Auf Gesellschaften (…), wie Banken, Versicherungs- oder Elektri- zitätsunternehmen, die durch besondere kantonale Gesetze gegründet worden sind und unter Mitwirkung öffentlicher Behörden verwaltet werden, kommen, sofern der Kanton die subsidi- äre Haftung für deren Verbindlichkeit übernimmt, die Bestimmungen über die Aktiengesell- schaft auch dann nicht zur Anwendung, wenn das Kapital ganz oder teilweise in Aktien zerlegt ist und unter Beteiligung von Privatpersonen aufgebracht wird» (Art. 763 Abs. 1 OR)8.

Es fehlen Gerichtsentscheide und vertiefte Lehrmeinungen, so dass verschiedene Auslegungs- fragen nicht beantwortet werden (können), d.h. es verbleiben Rechtsunsicherheiten9. Für SpAG

4 Vgl. dazu hinten II. B. 1. a.

5 Vgl. dazu hinten II. B. 2. b.; allg.: ROMAN S.GUTZWILLER, Die Einflussmöglichkeiten des Staates auf die Strategie einer Aktiengesellschaft mit staatlicher Beteiligung (Diss. St. Gallen 2017) N 110 ff.;

ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER FORSTMOSER/ROLF SETHE, Schweizerisches Gesellschaftsrecht (12. A.

Bern 2018) § 1 N 31 ff.; VOGEL, Aktiengesellschaft, 420 ff.; KUNZ, Staatsbeteiligungen, 134 f.

6 Bei gemischtwirtschaftlichen AG braucht es ausdrücklich ein «öffentliches Interesse»: Art. 762 Abs. 1 OR; umso mehr erscheinen solche Interessen erforderlich bei SpAG, bei denen es sich «um öffentliche Unternehmen, nicht Privatunternehmen» handelt: KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 313 FN 864.

7 Sowohl bei gemischtwirtschaftlichen AG als auch bei SpAG sind private Aktionäre möglich, wenn auch nicht obligatorisch: Art. 762 Abs. 1 OR und Art. 763 Abs. 1 OR («Beteiligung von Privatpersonen»).

8 Es liegt ein unechter Vorbehalt für kantonales öffentliches Recht gemäss Art. 6 Abs. 1 ZGB vor: PETER HÄNNI, OF-Kommentar: Schweizerisches Obligationenrecht (3. A. Zürich 2016) N 2 zu Art. 763 OR;

einzig für vor dem 1. Januar 1883 gegründete SpAG könnte eine Kanton beschliessen, die subsidiäre Haftung für Verbindlichkeiten nicht zu übernehmen.

9 Auswahl offenere Fragen: Erfüllt eine «Umwandlung» einer bereits bestehenden Unternehmung in eine später geschaffene SpAG das Element «gegründet»? Deutet der Begriff «sofern» an, dass ein Verzicht auf die Subsidiärhaftung möglich ist? Wird allenfalls mit «aufgebracht» angedeutet, dass Privataktio- näre von Anfang ein dabei sein müssen, d.h. eine spätere (Teil-)Privatisierung unmöglich ist? KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 310 a.E. erwähnt nebst «Gründung» explizit «Umwandlung».

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werden in jedem Fall drei Elemente vorausgesetzt, und zwar kumulativ10: «besondere kantonale Gesetze» zu deren Schaffung11, «Mitwirkung öffentlicher Behörden» bei der Verwaltung sol- cher SpAG12 sowie «subsidiäre Haftung» des Kantons13.

b) Anwendbarkeit des Aktienrechts

Nach h.L. gehören SpAG zum öffentlichen Recht und nicht zum Privatrecht (insbesondere nicht zum Aktienrecht), was sich mittelbar ebenso aus Art. 763 Abs. 1 a.E. OR ergibt14. Insofern empfiehlt es sich m.E., dass kantonale SpAG-Gesetze die entsprechenden «aktienrechtlichen»

Themen im Detail regelt (Beispiel: die Aktionärsrechte)15.

Es ist rechtlich zulässig und in der Praxis üblich, eine Verweisung zum Aktienrecht in den Bun- deserlass zur SpAG oder in den kantonalen Erlass zur SpAG aufzunehmen, im Hinblick auf eine sinngemässe Anwendung dieser Ordnung16. Das Aktienrecht wird in einem solchen Fall nicht als Privatrecht, sondern als kantonales öffentliches Recht angewendet17.

2. Beispiele

Der Bund hat die Kompetenz zur Schaffung von Bundes-SpAG aufgrund von Art. 178 Abs. 3 BV und von Art. 122 Abs. 1 BV18. Wenn es um die Sicherstellung öffentlicher Bundesinteres- sen geht, können also SpAG geschaffen werden. Als Beispiele für SpAG auf Bundesebene sind in erster Linie die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die Schweizerische Post sowie die Swisscom zu nennen19.

10 ANDREAS BINDER/VITO ROBERTO, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (3. A. Zürich 2016) N 6 zu Art. 763 OR; HÄNNI, Kommentar, N 4 zu Art. 763 OR.

11 Vgl. dazu hinten II. C. 2. a. aa.; der Begriff «gegründet» bedeutet m.E. keine Einschränkung auf eine Gründung i.e.S., d.h. in Frage kommt etwa auch ein Entstehen durch eine «Umwandlung» o.Ä.

12 Es braucht in diesem Zusammenhang mehr als eine blosse Aufsichtsfunktion (oder sogar nur ein Abord- nungsrecht gemäss Art. 762 OR): PETER FORSTMOER/ARTHUR MEIER-HAYOZ/PETER NOBEL, Schwei- zerisches Aktienrecht (Bern 1996) § 63 N 44 (dabei handle es sich nur um ein «sekundäres Merkmal»:

a.a.O. § 63 N 44 a.E.); GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 110 m.w.H. in FN 175.

13 Vgl. dazu hinten II. C. 2. b.

14 GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 111 a.E.; FRANZISKA BUOB, OF-Aktienrecht Kommentar (Zü- rich 2016) N 1 zu Art. 763 OR.

15 Beispiele: Spezialbestimmungen zum Stimmrecht, zum Dividendenanspruch oder betreffend die VR- Wahlen; auf Bundesebene wurde dies z.B. bei der SNB gemacht: Art. 25 ff NBG («4. Kapitel: Aktien- rechtliche Bestimmungen», etwa: Art. 26 Abs. 2 NBG und Art. 31 Abs. 1 NBG).

16 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 1 N 38; GUTZWILLER, Einflussmöglichkei- ten, N 111 (re Lückenfüllung durch Aktienrecht: a.a.O. N 111 FN 183); Art. 763 Abs. 1 OR schliesst einzig die «direkte Anwendbarkeit» aus: VOGEL, Aktiengesellschaft, 421.

17 FORSTMOER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Aktienrecht, § 63 N 42; BUOB, Kommentar, N 3 zu Art. 763 OR.

18 GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 110 m.w.H.

19 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 1 N 35; KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 310 f.; GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 114.

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Die Kantone können kantonale SpAG errichten, die heutzutage indessen kaum verbreitet sind, und zwar auf Grundlage von Art. 763 OR20 sowie im Rahmen kantonaler Rechtssetzungen21. Als (seltene) Beispiele für solche SpAG auf kantonaler Ebene werden regelmässig einige Kan- tonalbanken (KB) – notabene nicht im Kanton Bern – erwähnt22, nämlich beispielsweise die KB in den Kantonen Zug, Glarus, Jura sowie Wallis.

C. BKW AG als SpAG?

1. Grundsätzliche Einschätzung

Die BKW AG als eine BKW SpAG wäre, etwas trivialisiert, im Vergleich zur aktuellen Situation einer gemischtwirtschaftlichen AG eine Verstaatlichung, was zwar in der Schweiz in den letz- ten Jahrzehnten nicht «im Trend» lag23, allerdings a priori rechtlich nicht unzulässig wäre24. Die Voraussetzungen gemäss Art. 763 Abs. 1 OR schienen durchaus gegeben zu sein25 oder könnten im Kanton Bern künftig noch legislativ geschaffen werden26.

Es scheint kaum bestritten, dass mit einer SpAG primär öffentliche Interessen zu wahren und durchzusetzen sind. Insofern dürfte eine politische Debatte darauf ausgerichtet sein, welche Wirtschaftsaktivitäten bei einer ev. BKW SpAG den öffentlichen Interessen des Kantons Bern wirklich dienen; damit wäre wohl eine Diskussion über eine allfällige «Abspaltung» des Dienst- leistungsbereichs der BKW-Gruppe unvermeidbar.

Im Übrigen wird in der Doktrin darauf hingewiesen, dass eine SpAG nicht «ohne Not» begrün- det werden sollte; beispielsweise müsse ein organisatorisches Bedürfnis – etwa der Wunsch für

20 Vgl. dazu vorne II. B. 1.

21 Vgl. dazu hinten II. C. 2. a.

22 KUNZ, Staatsbeteiligungen, 134 f.; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 1 N 35;

BINDER/ROBERTO, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR; MARTIN WERNLI/MARCO A.RIZZI,Basler Kom- mentar – Obligationenrecht II (5. A. Basel 2016) N 1 zu Art. 763 OR; BUOB, Kommentar, N 7 zu Art.

763 OR; HÄNNI, Kommentar, N 3 zu Art. 763 OR.

23 Eine Verstaatlichung sei heutzutage «praktisch bedeutungslos»: MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 25 N 107.

24 Das «Näheverhältnis» ist bei einer SpAG intensiver als bei einer gemischtwirtschaftlichen AG, so dass m.E. eine Verstaatlichung vorliegt: Vgl. dazu hinten III. A.

25 Sogar explizit erwähnt werden «Elektrizitätsunternehmen»: Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

26 Dazu gehören in erster Linie das vorgängige Erlassen einer kantonalen Rechtsgrundlage, die u.a. eine kantonale Subsidiärhaftung vorsehen müsste: Vgl. dazu hinten II. C. 2.

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eine «Machtverschiebung» zwischen den Organen – vorhanden sein, der mittels der Gesell- schaftsform der AG nicht befriedigt werden könne27: «Meist wird dem Gemeinwesen eine qua- lifizierte Sonderstellung gewährt, weil z.B. ein Leistungsauftrag besteht oder die Sicherung strategischer Vermögenswerte gesetzlich verankert werden soll»28.

M.E. kann im Ergebnis – unter aktienrechtlichen Aspekten – festgehalten werden: Eine BKW SpAG anstelle der heutigen BKW AG wäre rechtlich zulässig, sofern pro futuro die entspre- chenden kantonalen Anforderungen durch den Kanton Bern erfüllt würden29.

2. Anforderungen

a) Kantonale Rechtssetzung(en) aa) Neues BKW-Gesetz

Auf Grundlage von Art. 763 Abs. 1 OR30 wäre ein kantonales Gesetz – sozusagen ein spezifi- sches BKW SpAG-Gesetz – unerlässlich. Bei der Ausgestaltung eines solchen Erlasses bliebe der Kanton Bern zumindest «grundsätzlich frei»31. Geregelt werden sollten in einem BKW SpAG-Gesetz u.a. die «Grundzüge der Organisation sowie die Herkunft und Verwendung der Kapitalaufbringung, [der] Zweck und die Haftungsverhältnisse»32.

M.E. sollten in einem BKW SpAG-Gesetz – als weitere Beispiele – eine ausdrückliche Verwei- sung zum Aktienrecht einerseits sowie Ausführungen zur Kantonshaftung andererseits vorgese- hen werden. Klarheit müsste zudem geschaffen werden zur Gewinnstrebigkeit, denn eine SpAG kann entweder gewinnstrebig oder nicht gewinnstrebig ausgestaltet werden33.

27 Eine restriktive Handhabung von SpAG empfehlend: VOGEL, Aktiengesellschaft, 422 f. sowie 427.

28 BUOB, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR (Hervorhebungen hinzugefügt).

29 Mit diesem Ergebnis wird nur, aber immerhin, die erste Grundsatzfrage beantwortet; m.E. wird damit nicht präjudiziert, dass eine «Umwandlung» gesellschaftsrechtlich möglich sein, denn eine BKW SpAG würde nicht sozusagen auf der «grünen Wiese» gegründet, sondern hätte in erste Linie für die Publi- kumsaktionäre eine rechtliche «Vorgeschichte»: die BKW AG.

30 Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

31 FORSTMOER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Aktienrecht, § 63 N 43; regelmässig werden jedoch «gegenüber der typisierten Regelung des Aktienrechts nennenswerte Abweichungen beabsichtigt»: BUOB, Kom- mentar, N 6 zu Art. 763 OR (Hervorhebung hinzugefügt); zu den konkreten Anforderungen für die Gesetzesausgestaltung: VOGEL, Aktiengesellschaft, 422 f.

32 WERNLI/RIZZI,Kommentar, N 3 zu Art. 763 OR; ähnlich: HÄNNI, Kommentar, N 4 zu Art. 763 OR; im Kanton Bern muss Art. 95 Abs. 2 lit. a KV BE beachtet werden: Vgl. dazu hinten II. C. 2. a. bb.

33 BINDER/ROBERTO, Kommentar, N 1 zu Art. 763 OR.

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Im Gesetz müssten für den Kanton Bern ausserdem ein «konkretes Tätigwerden in einem der Gesellschaftsorgane» umschrieben werden34, d.h. er hätte eine allfällige BKW SpAG «aktiv mit[zu]verwalten, entweder durch Einsitz im VR oder Teilnahme an der GV»35.

Rechtlich zulässig wäre ein kantonaler Beteiligungsverzicht an einer BKW SpAG36. Nahelie- gender scheint allerdings, dass der Kanton Bern bei einer BKW SpAG – wie bei der BKW AG heute (und ev. künftig) – eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Minderheitsbeteiligung mit Sperrminorität halten würde, was ebenso möglich wäre. In jedem Fall schiene es sinnvoll, eine detaillierte Ordnung zu den Aktionärsrechten zu erlassen37.

bb) Revision der Kantonsverfassung?

Zur Gründung bzw. zur Schaffung einer SpAG bedarf es in jedem Fall eines kantonalen Geset- zes, ebenso im Kanton Bern für eine ev. BKW SpAG38. Eine andere Rechtsfrage ist, ob es allenfalls zusätzlich eine Revision der Kantonsverfassung braucht:

M.E. besteht keine legale Notwendigkeit für eine kantonale Verfassungsrevision. Der Kanton Bern kann nämlich bereits de lege lata «Anstalten und andere Institutionen des öffentlichen und privaten Rechts errichten» (Art. 95 Abs. 1 lit. a KV BE). Eine SpAG dürfte ohne weiteres als Institution des öffentlichen Rechts im Kanton Bern qualifiziert werden, was im Hinblick auf ein allfälliges BKW SpAG-Gesetz beachtet werden müsste39.

Etwas anders dürfte unter staatspolitischen Aspekten politisch argumentiert werden. Es könn- ten gute Gründe vorgebracht werden können, weshalb ein grundlegender Eingriff wie die Ver- staatlichung der BKW-Gruppe40 – unbesehen davon, ob bzw. in welcher Höhe der Kanton Bern beteiligt wäre – einen verfassungsrechtlichen Niederschlag finden sollte41.

34 WERNLI/RIZZI,Kommentar, N 4 zu Art. 763 OR; es ist zudem möglich, eine Statutenänderung «nur mit Zustimmung der Behörde» vorzusehen: a.a.O.

35 HÄNNI, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR.

36 Re Verzicht auf staatliche Beteiligung: GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 112 m.w.H.

37 Bei SpAG kommen teils Spezialbestimmungen im Hinblick z.B. auf VR-Wahlen, auf Stimmrechtsbe- schränkungen oder auf maximale Dividenden vor: Vgl. dazu vorne II. B. 1. b.

38 Vgl. dazu vorne II. C. 2. a. aa.

39 Zur verfassungsrechtlichen Minimalanforderung hält Art. 95 Abs. 2 lit. a KV BE fest: «Im Gesetz zu regeln sind namentlich (…) die Grundzüge der Organisation und der Aufgaben der (…) Institutionen, die vom Kanton errichtet werden».

40 Vgl. dazu hinten III. A.

41 Aufgrund von Art. 35 KV BE geniesst die Thematik der Energieversorgung ohnehin Verfassungsrang im Kanton Bern; im Übrigen wird die BEKB nach wie vor indirekt erwähnt, obwohl sie ihren früheren öffentlich-rechtlichen «Status» (insbesondere mit der Staatsgarantie) in der Zwischenzeit verloren hat:

«Der Kanton betreibt zur Förderung der volkswirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eine Bank. Sie

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b) Haftung des Kantons Bern

Bei der Berner Kantonalbank wurde eine kantonale Haftung bzw. «Staatsgarantie» aufgeho- ben, und zwar bewusst (notabene ebenso wie in den Kantonen Waadt und Genf)42, vor dem Hintergrund schlechter Erfahrungen des Kantons Bern43. Mit der Thematik einer BKW SpAG käme eine Kantonshaftung erneut auf die politische Traktandenliste:

Eine subsidiäre Staatshaftung erweist sich nämlich – entgegen dem unklaren Gesetzeswortlaut von Art. 763 Abs. 1 OR44 – nicht als freiwillig, sondern stellt im Hinblick auf die Schaffung einer SpAG ein obligatorisches Element dar45. Eine entsprechende Haftung des Kantons Bern wäre somit für eine BKW SpAG eine «conditio sine qua non», wobei m.E. unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten in Frage kommen könnten46.

Bei mehreren (Privatisierungs-)Projekten im Kanton Bern wurde die Schaffung von SpAG dis- kutiert, in der Folge jedoch abgelehnt. Verworfen wurden SpAG meist wegen Befürchtungen vor einer Politisierung des Tagesgeschäfts sowie v.a. wegen einer ev. Staatshaftung47.

III. Mögliche «Umwandlungen»

A. Ausgangslage

Eine BKW SpAG würde nicht auf der «grünen Wiese» gegründet. Vielmehr stünde eine Trans- aktion zur Debatte, die eine AG (konkret: die BKW AG) in eine SpAG «umwandeln» würde (konkret: eine BKW SpAG). M.E. läge eine Verstaatlichung vor, selbst für den Fall, dass wei- terhin private Aktionäre beteiligt wären, denn bei einer SpAG besteht ein intensiveres «Nähe- verhältnis» zum Staat als bei einer gemischtwirtschaftlichen AG48.

unterstützt den Kanton und die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben» (Art. 53 KV BE); eine

«analoge» Bestimmung für eine BKW SpAG scheint möglich.

42 Vgl. KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 3 N 433 m.w.H. in FN 1282.

43 Allg.: PETER V.KUNZ, Heikle Garantien für Kantonalbanken, Die Volkswirtschaft Nr. 5-2018, 19 ff.

44 Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

45 VOGEL, Aktiengesellschaft, 420; KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 314 FN 869; GUTZWILLER, Einfluss- möglichkeiten, N 110; WERNLI/RIZZI,Kommentar, N 5 zu Art. 763 OR.

46 Die bundesrechtliche Vorgabe gemäss Art. 763 Abs. 1 OR erscheint relativ offen: Pflicht zur kantonalen Übernahme als «subsidiäre Haftung für deren Verbindlichkeiten»; es dürfte sich ähnlich verhalten, wie bei KB, zu deren Staatsgarantien differenziert wird, insbesondere zwischen Institutsgarantien und Di- rektgarantien («Ausfallhaftungen»): KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 3 N 433 FN 1283.

47 Hinweise: PATRICK FREUDIGER, Anstalt oder Aktiengesellschaft? (Diss Bern 2016) 60 ff.

48 SpAG werden denn auch durch die h.L. zum öffentlichen Recht gezählt, und der Staat hat im Rahmen von Art. 763 Abs. 1 OR nicht allein entsprechende Verwaltungsrechte bzw. –pflichten, sondern über- nimmt eine subsidiäre Haftung: Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

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Solche «Umwandlungen» von Unternehmen werden heute meist durch das Umstrukturierungs- recht – v.a. durch das Fusionsgesetz (FusG)49 – geregelt50. Im Folgenden wird auf die regulären und auf die spezifischen «Umwandlungen» im Rahmen des FusG51 als Lex specialis52 einge- gangen, danach auf die obligationenrechtliche Transaktionsmöglichkeit53. Ist eine «Umwand- lung» von der BKW AG in eine BKW SpAG überhaupt rechtlich möglich (oder nicht)?

Es scheinen, etwas trivialisiert, zwei Grundvarianten zentral: einerseits eine «Umwandlung»

der BKW AG54 und andererseits eine Vermögensübertragung von Aktiven und Passiven55.

B. Umstrukturierungsrecht 1. Regulierung gemäss FusG a) Begriffe

Zum Gegenstand des Umstrukturierungsrechts gehört – u.a. im Hinblick auf bestimmte Gesell- schaften – die «Anpassung der rechtlichen Strukturen» bei Fusionen, bei Spaltungen, bei Um- wandlungen und bei Vermögensübertragungen (Art. 1 Abs. 1 FusG). Legislativ nicht aufgeführt werden SpAG, zumindest nicht explizit.

Als Kapitalgesellschaften sind «Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung» zu qualifizieren (Art. 2 lit. c FusG)56. M.E. stellen gemischtwirtschaftliche AG – anders als SpAG – «Aktiengesellschaften» dar57.

Die umstrukturierungsrechtliche Definition für Institute des öffentlichen Rechts lautet: «im Handelsregister eingetragene, organisatorisch verselbständigte Einrichtungen des öffentlichen Rechts des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, unabhängig davon, ob sie als juristische

49 Übersicht zu den vier möglichen Transaktionsformen (Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Ver- mögensübertragungen): PETER V.KUNZ, Das neue Fusionsgesetz (FusG), in: Entwicklungen im Gesell- schafsrecht I (Bern 2006) 185 ff.; DERS., Wirtschaftsrecht, § 2 N 420 ff.

50 Durch das Umstrukturierungsrecht werden ausschliesslich gesellschaftsrechtliche Themen geregelt, beispielsweise der «Einbezug» der Gesellschafter bei Transaktionsbeschlussfassungen.

51 Vgl. dazu hinten III. B.

52 LUKAS MORSCHER, Basler Kommentar Fusionsgesetz (2. A. Basel 2015) N 4 zu Art. 1 FusG.

53 Vgl. dazu hinten III. C.

54 Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. aa.

55 Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. bb.

56 Die AG als Rechtsform gehören m.a.W. zu den «Gesellschaften» (Art. 2 lit. b FusG) und ebenso zu den

«Rechtsträgern» (Art. 2 lit. a FusG).

57 Gl.M.: MATTHIAS KUSTER, Basler Kommentar Fusionsgesetz (2. A. Basel 2015) N 12 zu Art. 99 FusG.

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Person ausgestaltet sind oder nicht» (Art. 2 lit. d FusG)58. Der umstrukturierungsrechtliche

«Numerus clausus» gilt nicht zuletzt bei Instituten des öffentlichen Rechts59.

Ob SpAG unter Art. 2 lit. c FusG oder unter Art. 2 lit. d FusG fallen60, wird zwar schon seit langer Zeit debattiert61. Der historische Wille scheint jedoch klar zu sein62, und das Bundesge- richt qualifizierte in einem konkreten Fall (BGE 132 III 470) die SBB, eine spezialgesetzliche AG auf Bundesebene, als Institut des öffentlichen Rechts.

b) Ausgewählte Transaktionen aa) Umwandlung

aaa) Reguläre Ordnung

Bei einer regulären fusionsrechtlichen Umwandlung gemäss Art. 53 ff. FusG wird einzig die Rechtsform der Gesellschaft geändert63 (z.B. neu GmbH statt vormals AG). Im Übrigen werden die Rechtsverhältnisse der betroffenen Gesellschaft nicht verändert64, d.h. es gilt insbesondere die Mitgliedschaftskontinuität für die Gesellschafter (Art. 56 FusG), die betreffend Beschluss der Gesellschaft (Art. 64 FusG) ebenfalls stimmberechtigt sind.

Die zulässigen Umwandlungen erweisen sich indes als stark beschränkt. Eine «Kapitalgesell- schaft» – inklusive gemischtwirtschaftliche AG65 (wie die BKW AG) – kann auf Basis von Art.

54 Abs. 1 FusG nur, aber immerhin, in «eine Kapitalgesellschaft mit einer anderen Rechtsform»

oder in «eine Genossenschaft» umgewandelt werden, hingegen nicht in eine SpAG, die weder eine «Kapitalgesellschaft» noch eine «Genossenschaft» ist66.

58 Hinweise: BEATRICE WAGNER PFEIFER, Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz (2. A. Zürich 2012) N 5 ff. Vor Art. 99 – 101 FusG.

59 Vgl. Botschaft zum FusG: BBl 2000 4481.

60 M.E. können kantonale SpAG gemäss Art. 763 OR – anders als gemischtwirtschaftliche AG – prinzipi- ell unter Art. 2 lit. d FusG subsumiert werden; gl.M.: MICHAEL TREIS/MURIEL PASCHE, Stämpflis Hand- kommentar Fusionsgesetz, N 8a zu Art. 99 FusG; FREUDIGER, Aktiengesellschaft?, 30; WAGNER PFEI- FER, Kommentar, N 10 Vor Art. 99 – 101 FusG; in jedem Fall notwendig ist jeweils eine Handelsregis- tereintragung des konkreten Rechtsträgers; Institute des öffentlichen Rechts gehören, zumindest grund- sätzlich, zum Gegenstand des Fusionsrechts: Art. 1 Abs. 3 FusG (statt aller: MORSCHER, Kommentar, N 83 ff. zu Art. 1 FusG).

61 Vgl. MORSCHER, Kommentar, N 13a ff. zu Art. 4 FusG; KUSTER, Kommentar, N 12 zu Art. 99 FusG;

TREIS/PASCHE, Kommentar, N 6 ff. zu Art. 99 FusG

62 Sogar ausdrücklich erwähnt der Bundesrat die kantonalen SpAG auf Basis von Art. 763 OR (Botschaft zum FusG: BBl 2000 4481 FN 163).

63 Es wird von einem «Rechtskleidwechsel» gesprochen: MORSCHER, Kommentar, N 43 f. zu Art. 1 FusG;

allg.: KUNZ, Fusionsgesetz, 222 ff.; DERS., Wirtschaftsrecht, § 2 N 430 ff.

64 Art. 53 FusG: «Eine Gesellschaft kann ihre Rechtsform ändern (Umwandlung). Ihre Rechtsverhältnisse werden dadurch nicht verändert».

65 Vgl. dazu vorne III. B. 1. a.

66 Vgl. dazu vorne III. B. 1. a.

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M.E. wäre daher eine Umwandlung rechtlich unzulässig für eine allfällige Transaktion mit der BKW AG als übertragender und einer BKW SpAG als übernehmender Unternehmung. Bei einer SpAG handelt es sich nämlich um ein Institut des öffentlichen Rechts67.

bbb) Institute des öffentlichen Rechts

Für Institute des öffentlichen Rechts (Art. 2 lit. d FusG)68 besteht eine umstrukturierungsrecht- liche Sonderordnung gemäss Art. 99 ff. FusG: «8. Kapitel: Fusion, Umwandlung und Vermö- gensübertragung unter Beteiligung von Instituten des öffentlichen Rechts».

Solche Rechtsträger werden im Hinblick auf Umwandlungen – und ebenso auf Fusionen (Art.

99 Abs. 1 lit. a FusG), jedoch anders als auf Vermögensübertragungen (Art. 99 Abs. 2 FusG)69 – zwar nicht als übertragende, jedoch als übernehmende Rechtsträger eingeschränkt: «Institute des öffentlichen Rechts können (…) sich in Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine oder Stiftungen umwandeln» (Art. 99 Abs. 1 lit. b FusG)70.

M.E. wäre daher – erneut71 – eine Umwandlung rechtlich unzulässig, also mit der BKW AG als übertragender und einer BKW SpAG als übernehmender Unternehmung. Abzuklären bleibt, ob anstelle einer Umwandlung als Alternative(n) eine fusionsrechtliche Vermögensübertra- gung72 oder eine obligationenrechtliche «Umwandlung»73 in Frage käme(n).

bb) Vermögensübertragung aaa) Reguläre Ordnung

Der Vermögensübertragung (Art. 69 ff. FusG)74 kommt eine «Multifunktionalität» zu75, d.h.

dieses Rechtsinstitut dient, etwas trivialisiert, geradezu als Auffangtatbestand für umstrukturie- rungsrechtlich nicht vorgesehene Transaktionen, um zu einem ähnlichen oder vergleichbaren

67 Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. aa. bbb.

68 Vgl. dazu vorne III. B. 1. a.

69 Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. bb. bbb.

70 Insofern könnte z.B. eine SpAG in eine AG (als «Kapitalgesellschaft») umgewandelt werden, doch der umstrukturierungsrechtliche «Numerus clausus» schliesst den umgekehrten Weg aus.

71 Ebenfalls ausgeschlossen wäre eine reguläre Umwandlung: Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. aa. aaa.

72 Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. bb.

73 Vgl. dazu hinten III. C.

74 Statt aller: KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 434 ff.

75 In diesem Sinn bereits: PETER V.KUNZ, Umwandlungen und Vermögensübertragungen im schweizeri- schen Fusionsrecht – Blicke zurück und nach vorne, AJP 13 (2004) 802 ff. und v.a. 810.

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Ergebnis zu gelangen76; dies scheint beispielsweise im Hinblick auf unzulässige Umwandlun- gen – zumindest prinzipiell – ein denkbarer Weg77.

An einer Vermögensübertragung – anders als an einer Umwandlung – sind mindestens zwei Rechtsträger beteiligt: übertragend einerseits und übernehmend andererseits. Dadurch werden in einem einzigen Akt («uno actu») durch partielle Universalsukzession die im Übertragungs- vertrag umschriebenen Vermögenswerte transferiert, also Aktiven oder Passiven (oder beides).

Der durch den übernehmenden Rechtsträger bezahlte Gegenwert geht an die übertragende Ge- sellschaft, nicht an deren Gesellschafter (Art. 69 Abs. 1 FusG)78.

Trotz konzeptioneller Ausgestaltung als Auffangtatbestand sind nicht alle Übertragungen zu- lässig. Es können u.a. nur «[i]m Handelsregister eingetragene Gesellschaften (…) ihr Vermö- gen oder Teile davon mit Aktiven oder Passiven auf andere Rechtsträger des Privatrechts über- tragen» (Art. 69 Abs. 1 FusG). M.E. wird dadurch eine reguläre Vermögensübertragung79 aus- geschlossen, also von der BKW AG auf eine ev. BKW SpAG80.

bbb) Institute des öffentlichen Rechts

Das Umstrukturierungsrecht ermöglicht durch Fusionen oder durch Umwandlungen im Zusam- menhang mit Instituten des öffentlichen Rechts nur, aber immerhin, Privatisierungen, allerdings keine Verstaatlichungen gemäss Art. 99 Abs. 1 FusG81. Durch die Transaktion einer Vermö- gensübertragung ist jedoch (zusätzlich) eine Verstaatlichung – wenn auch nicht als eigentliche Umwandlung – betreffend Aktiven und Passiven möglich:

«Institute des öffentlichen Rechts können durch Vermögensübertragung ihr Vermögen oder Teile davon auf andere Rechtsträger übertragen [Privatisierung] oder das Vermögen oder Teile davon von anderen Rechtsträgern übernehmen [Verstaatlichung]» (Art. 99 Abs. 2 FusG). Auf

76 MORSCHER, Kommentar, N 48 zu Art. 1 FusG;KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 435.

77 Eine Umwandlung der BKW AG in eine BKW SpAG wäre umstrukturierungsrechtlich unzulässig, no- tabene beide Varianten: Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. aa.

78 Eine Mitgliedschaftskontinuität stellt kein Thema dar (MORSCHER, Kommentar, N 49 zu Art. 1 FusG:

«keine mitgliedschaftsrechtliche Seite»), erfolgt doch bei einer Vermögensübertragung kein «Gesell- schafterübergang», d.h. die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft verbleiben und «wechseln»

insbesondere nicht zur übernehmenden Gesellschaft, d.h. nur, aber immerhin, die Substanz der Gesell- schaft(en) wird verändert: KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 436; für eine Vermögensübertragung braucht es im Übrigen keine Gesellschafterbeschlüsse.

79 Vermögensübertragungen kommen ausserdem im Zusammenhang mit Instituten des öffentlichen Rechts vor: Vgl. dazu hinten III. B. 1. b. bb. bbb.

80 Bei einer BKW SpAG würde es sich um keinen «Rechtsträger des Privatrechts» (Art. 69 Abs. 1 Satz 1 FusG) handeln, so dass sie als übernehmende Unternehmung a priori ausscheidet.

81 Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. aa. bbb.

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entsprechende Vermögensübertragungen finden, aufgrund von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 FusG, die Bestimmungen von Art. 69 ff. FusG sinngemäss Anwendung82.

Art. 99 Abs. 2 FusG stellt, etwas trivialisiert, ein «Hilfskonstrukt» darf, notabene ausschliess- lich für privatrechtliche Aspekte83. Konzeptionell stehen Verstaatlichungen legislativ bewusst ausserhalb des Umstrukturierungsrechts bzw. des FusG84, d.h. die massgebliche Rechtsgrund- lage ist in solchen Fällen jeweils Art. 751 OR85.

2. Einzelfragen

a) SpAG als Empfänger?

Nicht bei Fusionen oder bei Umwandlungen (Art. 99 Abs. 1 lit. a/lit. b FusG), jedoch bei Ver- mögensübertragungen kommen Institute des öffentlichen Rechts als Empfänger bzw. als über- nehmende Rechtsträger ist Frage («von anderen Rechtsträgern übernehmen»: Art. 99 Abs. 2 a.E. FusG). Somit gehören SpAG zu potentiellen Empfängern von Vermögenswerten86.

M.E. wäre es daher – im Prinzip – rechtlich möglich, eine BKW SpAG als kantonale SpAG im Kanton Bern zu schaffen, um entsprechend Aktiven sowie Passiven der BKW AG zu überneh- men und eine Verstaatlichung zu erreichen87. Das kantonale Recht müsste indes eine Eintra- gung im Handelsregister und eine organisatorische Verselbständigung vorsehen88.

b) Beschlussquorum?

Art. 100 Abs. 3 FusG sieht vor: «Die Beschlussfassung des Rechtsträgers des öffentlichen Rechts zur (…) Vermögensübertragung richtet sich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschrif- ten und Grundsätzen (…) der Kantone (…)». Sollte der anderer Rechtsträger – übertragend oder

82 Generell: TREIS/PASCHE, Kommentar, N 1 ff. zu Art. 100 FusG.

83 Im Übrigen entscheidet das öffentliche Recht, etwa ob und zu welchen Bedingungen solche Transakti- onen erfolgen: KUSTER, Kommentar, N 3 zu Art. 99 FusG.

84 MORSCHER, Kommentar, N 87 f. zu Art. 1 FusG; KUSTER, Kommentar, N 4 ff. zu Art. 99 FusG; WAG- NER PFEIFER, Kommentar, N 11/N 14 zu Art. 99 FusG; BÖCKLI, Aktienrecht, § 3 N 417.

85 Vgl. dazu hinten III. C.; statt aller: KUSTER, Kommentar, N 4b zu Art. 99 FusG.

86 M.E. stellen kantonale SpAG ohne weiteres Institute des öffentlichen Rechts gemäss Art. 2 lit d FusG dar: Vgl. dazu vorne III. B. 1. a.

87 Eine Vermögensübertragung würde sich als wesentlich aufwendiger erweisen als eine Umwandlung:

«Institute des öffentlichen Rechts müssen in einem Inventar die Gegenstände des Aktiv- und Passivver- mögens, die von (…) der Vermögensübertragung erfasst werden, eindeutig bezeichnen und bewerten (…)» (Art. 100 Abs. 2 FusG), wobei für nicht zugeordnete Gegenstände des Aktivvermögens weiterhin Art. 72 FusG beachtlich bliebe (allg.: WAGNER PFEIFER, Kommentar, N 29 ff. zu Art. 100 FusG); eine

«Abspaltung» des Dienstleistungsbereichs der BKW-Gruppe käme jedoch nicht eo ipso in Betracht, weil die ev. betroffene BKW AG als übertragende Unternehmung eine Holding ist.

88 Bei diesen beiden Elementen handelt es sich um Voraussetzungen zur Erfüllung der Legaldefinition

«Institute des öffentlichen Rechts»: Art. 2 lit. d FusG.

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übernehmend – kein Institut des öffentlichen Rechts sein, müssen somit Art. 69 ff. FusG sinn- gemäss zur Anwendung gelangen (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 FusG).

M.E. würde Art. 100 Abs. 3 FusG nicht bei der BKW AG, sondern einzig bei einer BKW SpAG zu Anwendung gelangen. Für eine Vermögensübertragung der BKW AG wäre indessen kein GV-Beschluss erforderlich, so dass es auch kein Beschlussquorum gäbe89.

c) Schicksal der Aktionäre?

Es gibt – wie bereits auf Basis von Art. 69 ff. FusG zu einer regulären Vermögensübertragung90 – ebenfalls keine Mitgliedschaftskontinuität im Rahmen von Art. 99 ff. FusG bei einer Über- nahme durch ein Institut des öffentlichen Rechts. D.h. eine Sonderregelung fehlt, so dass die Aktionäre beim übertragenden Rechtsträger bleiben (müssen).

M.E. käme es insbesondere zu keinem «Gesellschafterübergang» der Aktionäre der BKW AG zu einer BKW SpAG AG, es bliebe also sozusagen «alles beim Altem», notabene mit unverän- derten Beteiligungen91. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass die Publikumsaktionäre schlecht gestellt wären, denn sie hätten – als Beispiele – nicht allein kein Stimmrecht für die Transak- tion92, sondern erhielten auch keine unmittelbare Entschädigung93.

d) Risiken?

Eine Verstaatlichung als BKW SpAG im Rahmen von Art. 99 Abs. 2 FusG wäre sowohl für die BKW AG als auch für den Kanton Bern als (heutiger) Mehrheitsaktionär mit zahlreichen Risi- ken verbunden, und zwar unter verschiedenen Aspekten:

Nicht unterschätzt werden sollten die rechtliche Risiken, weil eine solche Transaktion auf dieser Rechtsgrundlage m.W. bis anhin in der Schweiz (noch) nie durchgeführt wurde. Entsprechende

89 Die Aktionäre der BKW AG müssten fusionsrechtlich informiert werden, notabene erst im Anschluss an die Beschlüsse des VR und den Vollzug: Art. 74 FusG.

90 Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. bb. aaa.

91 Immerhin könnte das kantonale Recht bei einer BKW SpAG eine Beteiligungsmöglichkeit für Private im Rahmen von Art. 763 OR vorsehen: Vgl. dazu vorne II. C.; es wäre jedoch wohl rechtlich unmöglich, sozusagen einen «direkten Durchgang» von Aktionären der BKW AG in eine BKW SpAG vorzusehen (allenfalls könnte eine Offerte an die Gesellschafter gemacht werden, doch eine Pflicht dazu würde m.E.

in jedem Fall gegen Art. 680 Abs. 1 OR verstossen).

92 Es braucht keinen GV-Beschluss: Vgl. dazu vorne III. B. 2. b.

93 Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. bb. aaa.; sollten die Aktionäre der BKW AG direkt entschädigt werden, und zwar durch Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte einer BKW SpAG, läge keine Vermögensübertra- gung, sondern vielmehr eine Umwandlung vor (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 FusG), die fusionsrechtlich bei einem Institut des öffentlichen Rechts unzulässig wäre: Art. 99 Abs. 1 lit. b FusG.

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Rechtsunsicherheiten könnten durch Aktionäre in Gerichtsverfahren genutzt werden; Ange- messenheitsklagen (Art. 105 FusG) wären zwar ausgeschlossen94, anders Anfechtungsklagen (Art. 106 f. FusG)95 und Verantwortlichkeitsklagen (Art. 108 FusG)96.

Die finanziellen Risiken für den Kanton Bern erscheinen kaum abschätzbar. Geringer dürfte das Verantwortlichkeitsrisiko durch Art. 108 FusG sein. Bedeutsam wäre hingegen das «Auskaufri- siko» betreffend Aktionäre, das der Kanton Bern bzw. eine BKW SpAG zu tragen hätte; für die übertragenen Vermögenswerte müsste die BKW AG entschädigt werden97.

C. Obligationenrecht 1. Regulierung gemäss OR

Eine Verstaatlichung mittels «Umwandlung» eines privaten Unternehmens – inklusive einer gemischtwirtschaftlichen AG – stellt de lege lata keinen Gegenstand des Umstrukturierungs- rechts dar und wird in Art. 751 OR für AG98 (und in Art. 915 OR für Genossenschaften) gere- gelt. Beim Inkrafttreten des OR standen Verstaatlichungen und nicht Privatisierungen im Vor- dergrund99, was sich in der Zwischenzeit grundlegend geändert hat.

Hierzu hält Art. 751 OR fest: «1Wird das Vermögen einer Aktiengesellschaft vom Bunde, von einem Kanton oder unter Garantie des Kantons von einem Bezirk oder von einer Gemeinde übernommen, so kann mit Zustimmung der Generalversammlung vereinbart werden, dass die

94 Mit einer solchen Klage soll die Wahrung der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte sichergestellt werden, die bei einer Vermögensübertragung jedoch ohnehin kein Thema sind, so dass a priori keine Kontrolle möglich ist: KUNZ, Vermögensübertragung, 813.

95 Trotz unklarem bzw. offenem Wortlaut sind m.E. Anfechtungsklagen gegen Vermögensübertragungen möglich: KUNZ, Vermögensübertragung, 813; DERS., Wirtschaftsrecht, § 2 N 450.

96 Art. 108 Abs. 1 FusG: «Alle mit der (…) Vermögensübertragung befassten Personensind sowohl den Rechtsträgern als auch den einzelnen Gesellschafterinnen und Gesellschaftern sowie den Gläubigerin- nen und Gläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verlet- zung ihrer Pflichten verursachen. Die Verantwortung der Gründerinnen und Gründer bleibt vorbehal- ten»; passivlegitimiert wären in erster Linie die VR-Mitglieder der BKW AG; in Frage käme ev. aller- dings ebenso der Kanton Bern, notabene – abhängig von der «Interventionsintensität» – als materielles Organ der BKW AG: KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 451 a.E.

97 Da keine «Gesellschafterübergang» erfolgt, müsste eine Entschädigung in Höhe von 100% der Vermö- genswerte und nicht bloss im Rahmen der kantonalen Beteiligung (also: 52% und künftig ev. 34%) erfolgen; der VR der BKW AG dürfte zum Eigenschutz vor möglichen Verantwortlichkeitsklagen streng auf ein «dealing at arm’s length» und damit auf Verkehrswerte bestehen; nach aktuellem Bör- senwert der BKW AG dürfte ein solcher «Auskauf» daher mehrere Milliarden Franken kosten, doch würde erst z.B. eine «Fairness Opinion» die notwendige Klarheit verschaffen.

98 Diese aktienrechtliche Bestimmung steht unter der Marginalie: «Übernahme durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts».

99 BÖCKLI, Aktienrecht, § 3 N 13.

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Liquidation unterbleiben soll. 2Der Beschluss der Generalversammlung ist nach den Vorschrif- ten über die Auflösung zu fassen und beim Handelsregister anzumelden»100.

Eine «Teilprivatisierung» ist bei Art. 751 OR unzulässig. Die betroffene AG wird schliesslich aufgelöst, und die «Firma der Gesellschaft [ist] zu löschen» (Art. 753 Abs. 3 OR).

2. Einzelfragen

a) SpAG als «Kanton»?

Als übertragende Unternehmung wird eine «Aktiengesellschaft» vorausgesetzt, worunter eine gemischtwirtschaftliche AG (z.B. die BKW AG) subsumierte werden könnte. Auf der überneh- menden Seite werden u.a. Kantone als solche erwähnt (Art. 751 Abs. 1 OR), so dass sich die Rechtsfrage stellt, ob eine SpAG als «Kanton» qualifiziert werden kann:

M.W. hatte bis anhin noch kein Gericht zu entscheiden, ob im Rahmen von Art. 751 OR der aktienrechtliche Begriff «Kanton» extensiv zu interpretieren ist, also etwa SpAG integrierend, womit Rechtsunsicherheiten für allfällige Anfechtungsverfahren gemäss Art. 706 f. OR durch Aktionäre – notabene gegen den zustimmenden Beschluss einer GV (Art. 751 Abs. 1/Abs. 2 OR) – verbunden sind. Die h.L. sieht indessen SpAG als ausreichend an101.

M.E. dürfte somit eine «Umwandlung» von der BKW AG in eine BKW SpAG auf Grundlage von Art. 751 OR rechtlich zulässig sein. In jedem Fall bräuchte es einen Übernahmevertrag zwischen der BKW AG einerseits und einer BKW SpAG andererseits (Stichwort: «verein- bart»)102, der – mindestens im Regelfall – formfrei abgeschlossen werden könnte103.

100 Der Vermögensübergang bei Art. 751 OR erfolgt – ähnlich wie im Bereich des Fusionsrechts – als Universalsukzession («uno actu»), und zwar mittels konstitutiver Eintragung des GV-Beschlusses im Handelsregister: Art. 751 Abs. 3 OR; vgl. RUDOLF TSCHÄNI (5. A. Basel 2016) N 2 zu Art. 751 OR;

MICHEL KÄHR, OF-Kommentar: Schweizerisches Obligationenrecht (3. A. Zürich 2016) N 9 zu Art.

751 OR; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Aktienrecht, § 58 N 35; MASSIMO CALDERAN/RIC- CARDO GEISER, OF-Aktienrecht Kommentar (Zürich 2016) N 10 zu Art. 751 OR.

101 Die Doktrin setzt eine Staatshaftung für die in Frage stehende SpAG voraus: KÄHR, Kommentar, N 3 zu Art. 751 OR; dies ergibt sich ohnehin aus den Anforderungen gemäss Art. 763 Abs. 1 OR: Vgl. dazu vorne II. B. 1. a./C. 2. b.

102 Art. 751 Abs. 1 OR; re Vertragsparteien des Übernahmevertrags: GILLES BENEDICK, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (3. A. Zürich 2016) N 3 zu Art. 751 OR; u.a. durch eine solche Vereinbarung unterscheidet sich die obligationenrechtliche «Umwandlung» von der fusionsrechtlichen Umwandlung, an der nicht mehrere Rechtsträger beteiligt sind: Vgl. dazu vorne III. B. 1. a./b. aa.; generell zu Über- nahmeverträgen: CALDERAN/GEISER, Kommentar, N 8 ff. zu Art. 751 OR.

103 TSCHÄNI, Kommentar, N 4 zu Art. 751 OR; KÄHR, Kommentar, N 6 a.A. zu Art. 751 OR; anders verhält es sich, wenn Grundstücke übertragen werden: BENEDICK, Kommentar, N 3 a.E. zu Art. 751 OR.

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b) Beschlussquorum?

Eine Verstaatlichung durch eine «Umwandlung» auf Basis von Art. 751 OR dürfte in aller Re- gel liquidationslos erfolgen. Dafür ist ein GV-Beschluss («Zustimmung») erforderlich:

In diesem Zusammenhang scheint unklar, ob die GV wirklich einzig über die Liquidation als solche oder ebenso über den Übernahmevertrag104 zu beschliessen hat; die «Zustimmung der Generalversammlung» hat nämlich – nach Gesetzeswortlaut – bloss den Umstand abzudecken,

«dass die Liquidation unterbleiben soll» (Art. 751 Abs. 1 a.E. OR)105.

Der GV-Beschluss untersteht den «Vorschriften über die Auflösung» (Art. 751 Abs. 2 OR), d.h.

aufgrund von Art. 704 Abs. 1 Ziff. 8 OR wird eine Mehrheit von zwei Dritteln der Aktienstim- men benötigt106. Ob ein GV-Beschluss der Aktionäre der BKW AG ein solches qualifiziertes Mehr zu erreichen vermöchte, kann und soll heute nicht beurteilt werden107.

c) Schicksal der Aktionäre?

Es fällt auf, dass Art. 751 OR die von einer «Umwandlung» betroffenen Aktionäre unerwähnt lässt. Dies bringt nicht unerhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich, weil sich die Doktrin mit dieser Frage ebenfalls nicht auseinandersetzt. M.E. braucht es für eine Mitgliedschaftskontinu- ität der Gesellschafter eine explizite Rechtsgrundlage, die jedoch fehlt108.

Folglich dürfte die gesellschaftsrechtliche Privatautonomie von besonderer Wichtigkeit wer- den, in erster Linie bei einem Übernahmevertrag109 (z.B. zwischen der BKW AG sowie einer BKW SpAG). Was könnte in einem solchen Übernahmevertrag verabredet werden?

104 Vgl. dazu vorne III. C. 2. a.

105 Die Doktrin scheint mehrheitlich davon auszugehen, dass auch der Übernahmevertrag durch die GV gutgeheissen werden müsse: TSCHÄNI, Kommentar, N 4 zu Art. 751 OR; KÄHR, Kommentar, N 7 zu Art. 751 OR; CALDERAN/GEISER, Kommentar, N 5 zu Art. 751 OR.

106 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Aktienrecht, § 58 N 34; TSCHÄNI, Kommentar, N 4 zu Art. 751 OR; CALDERAN/GEISER, Kommentar, N 5 zu Art. 751 OR;BENEDICK, Kommentar, N 3 zu Art. 751 OR; KÄHR, Kommentar, N 8 zu Art. 751 OR.

107 M.E. erschiene dies eher unwahrscheinlich, zumindest für den Fall, dass der GV bloss der Liquidations- entscheid als solcher und nicht der konkrete Übernahmevertrag vorgelegt würde.

108 Im Umstrukturierungsrecht wird die Mitgliedschaftskontinuität als zentraler Schutzmechanismus zu- gunsten der Gesellschafter bei Fusionen, bei Spaltungen und bei Umwandlungen (nicht bei Vermögens- übertragungen) vorgesehen; statt aller: KUNZ, Wirtschaftsrecht, § 2 N 454 f. m.w.H.

109 Vgl. dazu vorne III. C. 2. a.

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Einerseits dürften Abreden zur Entschädigung der Aktionäre (z.B. der BKW AG) getroffen werden110. Andererseits könnte wohl auch eine Vereinbarung zum «Gesellschaftertransfer» ge- schlossen werden; obwohl kein gesetzlicher Anspruch der Aktionäre der BKW AG bestünde, neu Aktionäre einer BKW SpAG zu werden, dürfte es m.E. zulässig sein, eine entsprechende vertragliche Option – hingegen keine Pflicht – für die Gesellschafter vorzusehen111.

d) Risiken?

Die obligationenrechtliche «Umwandlung» (Art. 751 OR) stellt – nebst der Vermögensübertra- gung gemäss Art. 99 Abs. 2 FusG112 – die zentrale legale Möglichkeit zur Verstaatlichung der BKW AG hin zu einer BKW SpAG dar. Unbesehen dessen drohen einige Risiken:

Im Vordergrund stehen die rechtlichen Risiken. Während die legale Einsetzbarkeit einer BKW SpAG im Rahmen von Art. 751 OR einen Nebenaspekt darstellen dürfte, scheinen die Rechts- unsicherheiten zum möglichen Schicksal der Aktionäre der BKW AG nicht unerheblich, insbe- sondere gibt es keine eindeutige Lösung; insofern drohen Anfechtungsklagen gegen GV-Be- schlüsse (Art. 706 f. OR) auf Grundlage von Art. 751 Abs. 2 OR113.

Kaum abschätzbar sind schliesslich die finanziellen Risiken für den Kanton Bern. Es bestünde bei Art. 751 OR wohl erneut – wie auch bei Art. 99 Abs. 2 FusG114 – ein heute unkalkulierbares

«Auskaufrisiko» für den Kanton Bern bzw. für eine BKW SpAG zur Entschädigung der bei einer Verstaatlichung «nicht übertragenen» Aktionäre der BKW AG.

110 In diesem Sinn: TSCHÄNI, Kommentar, N 2 a.E. zu Art. 751 OR; KÄHR, Kommentar, N 6 zu Art. 751 OR; CALDERAN/GEISER, Kommentar, N 9 zu Art. 751 OR; ungeklärt ist, ob anstelle einer Entschädi- gung an die Aktionäre – wie bei einer Umwandlung (Art. 56 FusG) – alternativ oder kumulativ eine Entschädigung an die «umgewandelte» Gesellschaft (sc. die BKW AG) – wie bei einer Vermögens- übertragung (Art. 100 Abs. 1 FusG i.V.m. Art. 69 Abs. 1 FusG) – möglich wäre; betreffend ein ev.

Finanzierungsbedarf des Kantons Bern bzw. einer BKW SpAG würde dies keine Rolle spielen.

111 Eine solche Option, deren Inhalt im Detail zu umschreiben wäre, würde zwischen der BKW AG und einer BKW SpAG im Übernahmevertrag als Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der Publikumsaktio- näre der BKW AG, umschrieben: Art. 112 OR (Basis wäre z.B. ein «Umtauschangebot»); rechtlich unzulässig wäre m.E. hingegen eine Pflicht der Aktionäre der BKW AG: Art. 680 Abs. 1 OR.

112 Vgl. dazu vorne III. B. 1. b. aa. bbb./2.

113 Ein Aktionär der BKW AG könnte – Beispiel 1 – einen Beschluss der GV anfechten mit der Argumen- tation, eine BKW SpAG sei kein Synonym für «Kanton» (Art. 751 Abs. 1 OR), d.h. es liege eine Geset- zesverletzung vor: Art. 706 Abs. 1 OR («gegen das Gesetz»); sollte – Beispiel 2 – der Übernahmevertrag eine Pflicht zum «Gesellschaftertransfer» enthalten, wäre ein möglicher Anfechtungsgrund die Verlet- zung von Art. 680 Abs. 1 OR.

114 Vgl. dazu vorne III. B. 2. c./d.

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IV. Ergebnisse

A. Legalität der BKW AG als SpAG?

Bis anhin kommen kantonale SpAG in der Schweiz äusserst selten vor. Es können bloss einige wenige Kantonalbanken angeführt werden, so dass kaum praktische Erfahrungen bestehen. Der Rechtssicherheit nicht dienlich ist zudem der Umstand, dass zu kantonalen SpAG fast keine Urteile gefällt und selten Lehrmeinungen publiziert wurden.

M.E. wäre unbesehen dessen eine BKW SpAG möglich und – öffentliche Interessen vorausge- setzt – rechtlich zulässig, sofern der Kanton Bern den grossen Vorbereitungsaufwand, die nicht zu unterschätzenden Unsicherheiten bei der Umsetzung sowie die erheblichen Risiken nicht scheut. Unerlässlich wäre in jedem Fall ein kantonales BKW SpAG-Gesetz, und wohl staatspo- litisch sinnvoll erschiene zusätzlich eine Revision der Berner Kantonsverfassung.

Unerlässlich bei einer «Umwandlung» der BKW AG in eine BKW SpAG wäre eine subsidiäre Haftung des Kantons Bern im Rahmen von Art. 763 Abs. 1 OR. Es versteht sich, dass vor diesem Hintergrund schwer kalkulierbare finanzielle Risiken auf den Kanton Bern zukämen.

B. BKW AG als SpAG durch «Umwandlung»?

Die zentralen rechtlichen Herausforderungen lägen im Bereich des Vollzugs einer «Umwand- lung» der BKW AG in eine BKW SpAG. Die a priori «simpelste Lösung» wäre die Auflösung und Liquidation der BKW AG sowie die anschliessende (Neu-)Gründung einer BKW SpAG, doch stellt ein solches Vorgehen, allein schon angesichts des drohenden Wertverlustes, kein realistisches Szenario dar. Gibt es Alternativen im Gesellschaftsrecht?

Das Umstrukturierungsrecht und das Fusionsgesetz enttäuschen Hoffnungen oder Erwartungen für eine fusionsrechtlich «simple Lösung». Die beiden Varianten einer Umwandlung (sc. regu- läre Umwandlung gemäss Art. 53 ff. FusG sowie Spezialordnung für Institute des öffentlichen Rechts auf Basis von Art. 99 ff. FusG) sind rechtlich unzulässig.

M.E. kommen daher nur, aber immerhin, zwei Varianten einer liquidationslosen «Umwand- lung» bzw. Umgestaltung der BKW AG in eine BKW SpAG in Frage: auf der einen Seite – fusionsrechtlich – eine spezifische Vermögensübertragung gemäss Art. 99 Abs. 2 FusG (von der BKW AG an eine BKW SpAG) und auf der anderen Seite – obligationenrechtlich –eine in der Wirtschaftsrealität völlig unerprobte «Umwandlung» gemäss Art. 751 OR.

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Diese beiden Varianten einer Verstaatlichung der BKW AG durch den Kanton Bern sind im Wesentlichen mit denselben Problemen und Herausforderungen belastet: Einerseits ginge der Kanton Bern erheblich Risiken ein, und andererseits würden die Aktionäre der BKW AG eine Minimierung ihrer Rechte erfahren, die zu Gerichtsverfahren führen könnte.

C. Empfehlung(en)

Sollte der Kanton Bern entscheiden, die Thematik einer BKW SpAG weiterzuverfolgen, werden in jedem Fall zusätzliche rechtliche Abklärungen empfohlen. Das vorliegende Kurzgutachten dient primär als Auslegeordnung für die politische Diskussion.

Die Debatte sollte insbesondere zuerst klären, welchen Mehrwert – für den Kanton Bern, für die BKW AG und für deren Aktionäre – eine BKW SpAG hätte, so dass die rechtlichen und finanziellen Risiken einer «Umwandlung» gerechtfertigt wären.

M.E. ist in einer Gesamtbetrachtung für den Kanton Bern kein (rechtlicher) Mehrwert erkenn- bar, so dass wohl auf eine «Umwandlung» verzichtet werden sollte.

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