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BKW AG als SpAG?

Im Dokument K U R Z G U T A C H T E N (Seite 7-10)

1. Grundsätzliche Einschätzung

Die BKW AG als eine BKW SpAG wäre, etwas trivialisiert, im Vergleich zur aktuellen Situation einer gemischtwirtschaftlichen AG eine Verstaatlichung, was zwar in der Schweiz in den letz-ten Jahrzehnletz-ten nicht «im Trend» lag23, allerdings a priori rechtlich nicht unzulässig wäre24. Die Voraussetzungen gemäss Art. 763 Abs. 1 OR schienen durchaus gegeben zu sein25 oder könnten im Kanton Bern künftig noch legislativ geschaffen werden26.

Es scheint kaum bestritten, dass mit einer SpAG primär öffentliche Interessen zu wahren und durchzusetzen sind. Insofern dürfte eine politische Debatte darauf ausgerichtet sein, welche Wirtschaftsaktivitäten bei einer ev. BKW SpAG den öffentlichen Interessen des Kantons Bern wirklich dienen; damit wäre wohl eine Diskussion über eine allfällige «Abspaltung» des Dienst-leistungsbereichs der BKW-Gruppe unvermeidbar.

Im Übrigen wird in der Doktrin darauf hingewiesen, dass eine SpAG nicht «ohne Not» begrün-det werden sollte; beispielsweise müsse ein organisatorisches Bedürfnis – etwa der Wunsch für

20 Vgl. dazu vorne II. B. 1.

21 Vgl. dazu hinten II. C. 2. a.

22 KUNZ, Staatsbeteiligungen, 134 f.; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 1 N 35;

BINDER/ROBERTO, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR; MARTIN WERNLI/MARCO A.RIZZI,Basler Kom-mentar – Obligationenrecht II (5. A. Basel 2016) N 1 zu Art. 763 OR; BUOB, Kommentar, N 7 zu Art.

763 OR; HÄNNI, Kommentar, N 3 zu Art. 763 OR.

23 Eine Verstaatlichung sei heutzutage «praktisch bedeutungslos»: MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER/SETHE, Gesellschaftsrecht, § 25 N 107.

24 Das «Näheverhältnis» ist bei einer SpAG intensiver als bei einer gemischtwirtschaftlichen AG, so dass m.E. eine Verstaatlichung vorliegt: Vgl. dazu hinten III. A.

25 Sogar explizit erwähnt werden «Elektrizitätsunternehmen»: Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

26 Dazu gehören in erster Linie das vorgängige Erlassen einer kantonalen Rechtsgrundlage, die u.a. eine kantonale Subsidiärhaftung vorsehen müsste: Vgl. dazu hinten II. C. 2.

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eine «Machtverschiebung» zwischen den Organen – vorhanden sein, der mittels der Gesell-schaftsform der AG nicht befriedigt werden könne27: «Meist wird dem Gemeinwesen eine qua-lifizierte Sonderstellung gewährt, weil z.B. ein Leistungsauftrag besteht oder die Sicherung strategischer Vermögenswerte gesetzlich verankert werden soll»28.

M.E. kann im Ergebnis – unter aktienrechtlichen Aspekten – festgehalten werden: Eine BKW SpAG anstelle der heutigen BKW AG wäre rechtlich zulässig, sofern pro futuro die entspre-chenden kantonalen Anforderungen durch den Kanton Bern erfüllt würden29.

2. Anforderungen

a) Kantonale Rechtssetzung(en) aa) Neues BKW-Gesetz

Auf Grundlage von Art. 763 Abs. 1 OR30 wäre ein kantonales Gesetz – sozusagen ein spezifi-sches BKW SpAG-Gesetz – unerlässlich. Bei der Ausgestaltung eines solchen Erlasses bliebe der Kanton Bern zumindest «grundsätzlich frei»31. Geregelt werden sollten in einem BKW SpAG-Gesetz u.a. die «Grundzüge der Organisation sowie die Herkunft und Verwendung der Kapitalaufbringung, [der] Zweck und die Haftungsverhältnisse»32.

M.E. sollten in einem BKW SpAG-Gesetz – als weitere Beispiele – eine ausdrückliche Verwei-sung zum Aktienrecht einerseits sowie Ausführungen zur Kantonshaftung andererseits vorgese-hen werden. Klarheit müsste zudem geschaffen werden zur Gewinnstrebigkeit, denn eine SpAG kann entweder gewinnstrebig oder nicht gewinnstrebig ausgestaltet werden33.

27 Eine restriktive Handhabung von SpAG empfehlend: VOGEL, Aktiengesellschaft, 422 f. sowie 427.

28 BUOB, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR (Hervorhebungen hinzugefügt).

29 Mit diesem Ergebnis wird nur, aber immerhin, die erste Grundsatzfrage beantwortet; m.E. wird damit nicht präjudiziert, dass eine «Umwandlung» gesellschaftsrechtlich möglich sein, denn eine BKW SpAG würde nicht sozusagen auf der «grünen Wiese» gegründet, sondern hätte in erste Linie für die Publi-kumsaktionäre eine rechtliche «Vorgeschichte»: die BKW AG.

30 Vgl. dazu vorne II. B. 1. a.

31 FORSTMOER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Aktienrecht, § 63 N 43; regelmässig werden jedoch «gegenüber der typisierten Regelung des Aktienrechts nennenswerte Abweichungen beabsichtigt»: BUOB, Kom-mentar, N 6 zu Art. 763 OR (Hervorhebung hinzugefügt); zu den konkreten Anforderungen für die Gesetzesausgestaltung: VOGEL, Aktiengesellschaft, 422 f.

32 WERNLI/RIZZI,Kommentar, N 3 zu Art. 763 OR; ähnlich: HÄNNI, Kommentar, N 4 zu Art. 763 OR; im Kanton Bern muss Art. 95 Abs. 2 lit. a KV BE beachtet werden: Vgl. dazu hinten II. C. 2. a. bb.

33 BINDER/ROBERTO, Kommentar, N 1 zu Art. 763 OR.

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Im Gesetz müssten für den Kanton Bern ausserdem ein «konkretes Tätigwerden in einem der Gesellschaftsorgane» umschrieben werden34, d.h. er hätte eine allfällige BKW SpAG «aktiv mit[zu]verwalten, entweder durch Einsitz im VR oder Teilnahme an der GV»35.

Rechtlich zulässig wäre ein kantonaler Beteiligungsverzicht an einer BKW SpAG36. Nahelie-gender scheint allerdings, dass der Kanton Bern bei einer BKW SpAG – wie bei der BKW AG heute (und ev. künftig) – eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Minderheitsbeteiligung mit Sperrminorität halten würde, was ebenso möglich wäre. In jedem Fall schiene es sinnvoll, eine detaillierte Ordnung zu den Aktionärsrechten zu erlassen37.

bb) Revision der Kantonsverfassung?

Zur Gründung bzw. zur Schaffung einer SpAG bedarf es in jedem Fall eines kantonalen Geset-zes, ebenso im Kanton Bern für eine ev. BKW SpAG38. Eine andere Rechtsfrage ist, ob es allenfalls zusätzlich eine Revision der Kantonsverfassung braucht:

M.E. besteht keine legale Notwendigkeit für eine kantonale Verfassungsrevision. Der Kanton Bern kann nämlich bereits de lege lata «Anstalten und andere Institutionen des öffentlichen und privaten Rechts errichten» (Art. 95 Abs. 1 lit. a KV BE). Eine SpAG dürfte ohne weiteres als Institution des öffentlichen Rechts im Kanton Bern qualifiziert werden, was im Hinblick auf ein allfälliges BKW SpAG-Gesetz beachtet werden müsste39.

Etwas anders dürfte unter staatspolitischen Aspekten politisch argumentiert werden. Es könn-ten gute Gründe vorgebracht werden können, weshalb ein grundlegender Eingriff wie die Ver-staatlichung der BKW-Gruppe40 – unbesehen davon, ob bzw. in welcher Höhe der Kanton Bern beteiligt wäre – einen verfassungsrechtlichen Niederschlag finden sollte41.

34 WERNLI/RIZZI,Kommentar, N 4 zu Art. 763 OR; es ist zudem möglich, eine Statutenänderung «nur mit Zustimmung der Behörde» vorzusehen: a.a.O.

35 HÄNNI, Kommentar, N 6 zu Art. 763 OR.

36 Re Verzicht auf staatliche Beteiligung: GUTZWILLER, Einflussmöglichkeiten, N 112 m.w.H.

37 Bei SpAG kommen teils Spezialbestimmungen im Hinblick z.B. auf VR-Wahlen, auf Stimmrechtsbe-schränkungen oder auf maximale Dividenden vor: Vgl. dazu vorne II. B. 1. b.

38 Vgl. dazu vorne II. C. 2. a. aa.

39 Zur verfassungsrechtlichen Minimalanforderung hält Art. 95 Abs. 2 lit. a KV BE fest: «Im Gesetz zu regeln sind namentlich (…) die Grundzüge der Organisation und der Aufgaben der (…) Institutionen, die vom Kanton errichtet werden».

40 Vgl. dazu hinten III. A.

41 Aufgrund von Art. 35 KV BE geniesst die Thematik der Energieversorgung ohnehin Verfassungsrang im Kanton Bern; im Übrigen wird die BEKB nach wie vor indirekt erwähnt, obwohl sie ihren früheren öffentlich-rechtlichen «Status» (insbesondere mit der Staatsgarantie) in der Zwischenzeit verloren hat:

«Der Kanton betreibt zur Förderung der volkswirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eine Bank. Sie

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b) Haftung des Kantons Bern

Bei der Berner Kantonalbank wurde eine kantonale Haftung bzw. «Staatsgarantie» aufgeho-ben, und zwar bewusst (notabene ebenso wie in den Kantonen Waadt und Genf)42, vor dem Hintergrund schlechter Erfahrungen des Kantons Bern43. Mit der Thematik einer BKW SpAG käme eine Kantonshaftung erneut auf die politische Traktandenliste:

Eine subsidiäre Staatshaftung erweist sich nämlich – entgegen dem unklaren Gesetzeswortlaut von Art. 763 Abs. 1 OR44 – nicht als freiwillig, sondern stellt im Hinblick auf die Schaffung einer SpAG ein obligatorisches Element dar45. Eine entsprechende Haftung des Kantons Bern wäre somit für eine BKW SpAG eine «conditio sine qua non», wobei m.E. unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten in Frage kommen könnten46.

Bei mehreren (Privatisierungs-)Projekten im Kanton Bern wurde die Schaffung von SpAG dis-kutiert, in der Folge jedoch abgelehnt. Verworfen wurden SpAG meist wegen Befürchtungen vor einer Politisierung des Tagesgeschäfts sowie v.a. wegen einer ev. Staatshaftung47.

III. Mögliche «Umwandlungen»

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