DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Sarkoidose:
Röntgenologische
und szintigraphische Beurteilung
Zu dem Beitrag
von Professor Dr. med.
Willi Schermuly in Heft 31/32, 1986, Seiten 2164 bis 2168
Zwei Stellungnahmen
Zu hohe Belastung
3,
für die PatientenBedenklich erscheint mir, daß im Deutschen Ärzteblatt eine Arbeit über die Galliumsszintigraphie zur Aktivitätsbeurteilung der Sarkoido- se erschienen ist. Es ist mit Sicher- heit nicht bewiesen, welche Lang- zeitaussagen mit dieser Methode möglich sind. Sollten jedoch alle Pa- tienten mit Sarkoidose in Zukunft mit dieser Methode untersucht wer- den, so wird ein Teil (40 000 Neuzu- gänge/Jahr) unserer relativ jungen Bevölkerung einer erheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt, die, ohne daß diese Methode durch Langzeituntersuchungen ihren Wert beweist, nicht sinnvoll ist.
Prof. Dr. med. W. Hartmann Klinik für Lungenkrankheiten Holdheim —
Apfelallee 30
2800 Bremen-Oberneuland
1) Klinischer Gesamtbefund
Li
ist entscheidendFür den praktisch tätigen Arzt ist hervorzuheben, daß die klinische Beurteilung, insbesondere die The- rapiebedürftigkeit einer Sarkoidose nicht in erster Linie vom radiologi- schen, sondern vom klinischen Ge- samtbefund abhängen. Das Rönt- gen-Thorax-Bild liefert nur die Leit- symptomatik. Wichtiger ist der Aus- schluß einer Krankheitsmanifesta-
tion am Auge, am Nerven- und kar- dialen Reizleitungs-System. Die Verlaufsbeobachtung und der The- rapie-Einsatz haben sich auf die Lungenfunktionsanalyse zu stützen.
Die Bestimmung der 0 2-Diffusions- kapazität anhand des CO-Transfer- faktors ist ein sensitiver Parameter für die Krankheitsentwicklung (Specht, H. und Fruhmann, G.:
Prax. Pneum. 28, [1974], 99). Auf einen erneuten Krankheitsschub weist der mit einfacherer Methode erhältliche signifikante Anstieg des Angiotensin-Converting-Enzyms im Serum hin (Baur et al., Respiration 41, [1981], 133).
Methode zu unspezifisch
Die Aussage der relativ kosten- aufwendigen 67-Galliumszintigra- phie ist unspezifisch. Auch Fibrosen und Granulome anderer Genese speichern dieses Radionuklid Des- halb besitzt dieses Verfahren für die Differentialdiagnose äußerst gerin- gen Wert. Ebenso ist es für die Ver- laufsbeobachtung und für den Ein- satz einer adäquaten Therapie ent- behrlich, wie auch das von Schermu- ly angeführte Beispiel anhand der publizierten Röntgen-Befunde ein- drücklich belegt. In der Literatur findet man eine geringere Häufig- keit der Fibroseentstehung durch Sarkoidose (weniger als 5 Prozent bis 20 Prozent; Kendig, Jr. , E. L.;
Brummer, D. L.: Chest 70, [1976], 351; Turner-Warwick, J.; Dalquen, P.; Reynolds, H. Y.; Crystal, R. G.:
Sarcoidosis 3, [1986], 128, 129, 134, 136). Dies gilt nach unserer Erfah- rung insbesondere für das Patienten-
klientel, mit dem es der praktische Arzt zu tun hat. Selten kann im all- gemeinen Krankengut eine funktio- nell wirksame Lungenfibrose über- zeugend als Folge einer Sarkoidose nachgewiesen werden.
Strahlenexposition erheblich
Der entscheidende Nachteil der Galliumszintigraphie ist die damit verbundene hohe Strahlenexposi- tion, die in dem vorliegenden Arti- kel nicht zur Sprache kommt Aus der Menge der für dieses Verfahren im allgemeinen injizierten Radioak- tivität von 111 MBq (3 mCi) ergibt sich eine Strahlenexposition für die Gonaden von 210 p,Gy (789 mrad), für das rote Knochenmark von 480 ttGy (1740 mrad) und für das Kolon, als kritischem Organ, von 720 jiGy (2700 mrad) (nach Roedler, Kaul, Hine, 1978). Die vergleichend (Riz- zato, G.: Seminars Resp. Med. , 8, [1980], 30) zitierte Strahlenexposi- tion beim sogenannten Kolon-Kon- trasteinlauf beträgt dagegen für die Gonaden 160 mrad (männlich) und 1000 mrad (weiblich). Das rote Kno- chenmark erhält nur 610 mrad (Bun- desgesundheitsamt, 1978). Wegen dieser vergleichsweise hohen Strah- lenexposition gehört der Einsatz von 67-Gallium an das Ende der diagno- stischen Kette, wenn die vorherge- henden Verfahren die Frage einer peripheren Lungenbeteiligung nicht ausreichend beantwortet haben und unbedingt eine diesbezügliche Ant- wort erforderlich sein sollte. Diese Methode muß gezielt und optimiert unter Verwendung modernster Ab- bildungseinrichtungen (Gammaka- Dt. Ärztebl. 84, Heft 24, 11. Juni 1987 (65) A-1733
meras mit der Möglichkeit zur simul- tanen Berücksichtigung der drei Energie-Peaks von 67-Gallium so- wie Computerauswertung (van Un- nik et al., Europ. J. Nucl. Med. 8 [1983] 351; Johnson et al. Radiology 150 [1984] 551) ferner möglichst nicht repetitiv wegen der kumulati- ven Strahlendosis erfolgen. Letztere verdient schon wegen des meist jun- gen Alters der Patienten besondere Beachtung.
Wir als Internisten und Pneu- mologen haben seit Jahren bei einer Sarkoidose nur in seltensten Fällen von dieser Methode Gebrauch ge- macht. Von ihrer routinemäßigen Anwendung, die auch das Titelblatt des Deutschen Ärzteblattes sugge- riert, raten wir ab.
Prof. Dr. med. Günter Fruhmann Privatdozent Dr. med. Xaver Baur Pneumologische Abteilung
Medizinische Klinik I Klinikum Großhadern der Universität München
Postfach 70 12 60, 8000 München 70 Prof. Dr. med. U. Büll
Vorstand der Abteilung
Nuklearmedizin der Medizinischen Fakultät der RWTH,
Klinikum Aachen
Pauwelsstraße 1, 5100 Aachen
Schlußwort
Herr Hartmann unterstellt, daß
„alle Patienten mit Sarkoidose in Zukunft mit dieser Methode unter- sucht werden". Herr Fruhmann und Mitarbeiter raten von einer „routi- nemäßigen" Anwendung der 67-Gallium-Untersuchung ab.
Die Meinung, die Gallium-Szin- tigraphie sollte routinemäßig ange- wandt werden, wurde bei den fach- kundigen Lesern möglicherweise deshalb suggeriert, weil auf dem von der Redaktion gestalteten Titelbild Röntgenbilder eines Stadium I und Szintigramme eines Stadium II c, beziehungsweise III untereinander ohne weiteren Kommentar abgebil- det wurden. Die Röntgenbilder wa- ren Teil eines ausführlichen, später bezüglich Text und Bildwiedergabe gekürzten Manuskripts.
Auf Seite 2168, vorletzter Ab- satz, habe ich empfohlen, eine Galli- um-Szintigraphie durchzuführen,
„. . . wenn eine Lungeninfiltration besteht und sich nach einer mehrwö- chigen Behandlung nicht völlig zu- rückbildet". Es entfallen damit alle Fälle von Sarkoidose Stadium I (die auch in der Mehrzahl nicht behan- delt werden müssen) und die Fälle einer rein granulomatösen Lungen- infiltration im Stadium II a—d, die sich spontan oder unter Therapie zu- rückbilden. Es bleiben die Fälle von Sarkoidose, bei denen sich die Gra- nulomatose nicht zurückbildet und bereits Zeichen einer Fibrose zu er- kennen sind. Es handelt sich um die 5 bis 20 Prozent der Patienten, die Fruhmann und Mitarbeiter nach Kendig zitieren, bei denen sich eine Fibrose entwickelt. Mit dieser ein- deutigen Aussage entfallen die mei- sten Argumente, die in den Leser- briefen angesprochen werden.
Fragen der Methodik und der Strahlenexposition wurden im zu- nächst ungekürzten Manuskript be- sprochen. So läßt sich zum Beispiel die Kolonbelastung durch Gabe von Laxantien vermindern. Das im Le- serbrief diskutierte Risiko der Strah- lenexposition relativiert sich unter dem Gesichtspunkt, daß es sich um die Gruppe der reell durch zuneh- mende Fibrose gefährdeten Patien- ten handelt. Selbstverständlich wer- den die Untersuchungen heute mit der Gammakamera unter Berück- sichtigung der Energie-Peaks durch- geführt.
Die Sarkoidose gilt, soweit es sich um das Stadium I und II (reine Granulomatose) handelt, zu Recht als prognostisch günstig. Das trifft aber nicht für die in etwa 15 Prozent in chronische Verlaufsform überge- hende oder die primär chronisch verlaufende Form zu. Unter den et- wa 1,5 Prozent Todesfällen aller Sar- koidosekranken steht die respirato- rische Insuffizienz mit Cor pulmona- le an erster Stelle (K. Wurm, Sarko- idose, Thieme 1983).
Natürlich wird die Therapie bei Augen-, ZNS- und kardialem Sarko- idosebefall für notwendig erachtet, ohne daß man dazu eine 67-Gallium- Szintigraphie benötigt. Selbstver- ständlich werden ACE, Lysozym
usw. als Verlaufsparameter zugrun- degelegt. Aber das ACE ist primär nur in zwei Dritteln der Fälle erhöht und wie die 67-Gallium-Szintigra- phie-Methode unspezifisch. Beide Methoden sind unter dem Gesichts- punkt einsetzbar, daß die Sarkoido- se gesichert ist. „Trotz mangelnder Spezifität sind stark erhöhte ACE- Titer sowohl für die Differentialdia- gnostik als auch für die Beurteilung der Krankheitsaktivität als Indizien und für die Therapiekontrolle nütz- lich, keineswegs aber allein entschei- dend!" (K. Wurm, Sarkoidose, Thieme 1983, Seite 110).
Wenn Fruhmann und Mitarbei- ter schreiben, daß die angeführten Beispiele der Abbildungen 1, 2, 3 a und b zeigen, daß die Gallium-Szin- tigraphie entbehrlich sei, lassen sie erkennen, daß sie das mir am Her- zen liegende Problem der Gegen- überstellung von Röntgenbild und Szintigraphie nicht verstanden ha- ben. Dieser Fall wurde mir mit dem Röntgenbild Abbildung 1 von einem in Sarkoidosefragen erfahrenen In- ternisten als „ausgebrannter Boeck" überwiesen. Dieser Inter- nist hat längere Zeit eine niedrig do- sierte Kortikoid-Therapie durchge- führt. Das Röntgenbild war in dieser Zeit gleichgeblieben, und es waren ihm kleine Emphysemblasen als Fi- brosezeichen aufgefallen. Die weichfleckigen Herdchen, die un- scharf begrenzten Gefäße und Bron- chialstrukturen waren ihm entgan- gen. Diese Zeichen sprechen aber für die weiterbestehende Granulo- matose. Das 67-Gallium-Szinti- gramm in Abbildung 3 a zeigt die hochaktive Granulomatose. Nach Behandlung läßt sich röntgenolo- gisch (Abbildung 2) und szintigra- phisch (Abbildung 3 b) zeigen, daß sich die Granulomatose unter erneu- ter, ausreichend dosierter Therapie zurückbildet. Das nach meiner Er- fahrung unterschätzte Problem ist darin zu sehen, daß die Fibrose der Granulomatose auf dem Fuße folgt.
Fibrosezeichen müssen richtig ge- deutet werden. Sie besagen aber nicht, daß die Granulomatose nicht weiterbesteht und keine weitere Fi- brose zur Folge hat. Ein häufiger praktischer Fehler besteht darin, daß sich unter anfänglich ausrei- A-1734 (66) Dt. Ärztebl. 84, Heft 24, 11. Juni 1987