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Archiv "Immuntherapie von Karzinomen?" (29.03.2002)

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er Beitrag „Immuntherapeutische Strategien zur Behandlung solider Tumoren“ in diesem Heft vermit- telt eine ausgezeichnete Übersicht über kürzlich entdeckte Tumorantigene auf menschlichen Tumoren, die entweder durch Antikörper oder durch spezifi- sche T-Lymphozyten des Patienten er- kannt werden können. Da humorale oder zelluläre Immunreaktionen in Krebspatienten – sofern sie stattgefun- den haben – offenbar nicht ausreichen, um das Tumorwachstum zu verhindern, werden neue Immunstrategien aufge- zeigt, die darauf zielen, die Präsentation von Tumorantigenen zu Immunisie- rungszwecken zu verbessern (Tumor- vakzine-Forschung) oder effektivere und zielgenauere Antikörper gegen be- stimmte Tumoren herzustellen. Im Fol- genden werden die aktuell diskutierten Strategien durch Hinweise auf drei in Heidelberg neu entwickelte Immunthe- rapien ergänzt.

Virus-modifizierte Tumorvakzine

Im Zusammenhang mit der Entwick- lung von Tumorvakzinen wird als vi- raler Vektor statt Adeno- oder Retro- viren das Newcastle Disease Virus (NDV) eingesetzt, das seit kurzem auch rekombinant für gentherapeutische Studien hergestellt werden kann. NDV hat gegenüber den genannten Vektoren eine Reihe von Vorteilen. So besteht ei- ne selektive Replikation in Tumorzel- len und eine Induktion proinflammato- rischer Zytokine und Chemokine. Fer- ner vermitteln NDV kostimulatorische Signale für T-Zellen und onkolytische Effekte und zeichnen sich durch eine hohe Sicherheit (keine DNA-Integrati- on, keine Virusausbreitungs- oder An- steckungsgefahr), gute Verträglichkeit und geringe Nebenwirkungen aus. Die

Tumor-Vakzine ATV-NDV wird aus frisch operierten Gewebsproben von Tumoren individuell hergestellt und postoperativ in der adjuvanten Situati- on zur Prophylaxe von Metastasen ein- gesetzt. Auf längere Erfahrung mit die- ser Zusatztherapie bei primär operier- tem Brustkrebs kann zurückgegriffen werden: In einer Phase-2-Studie mit 62 Patientinnen konnten Hinweise auf eine deutliche Verbesserung der 5-Jah- res-Überlebensrate bei optimaler An- wendung erhalten werden (3, 4).

Dendritische Zellen und bi-spezifische Antikörper

Ein Vorteil der autologen Tumorvakzi- ne besteht darin, dass die individuellen Tumorantigene nicht vor der Impfung identifiziert werden müssen. Dafür müssen aber Strategien entwickelt wer- den, ähnlich wie bei der somatischen Gentherapie, um die Tumorzelle mög- lichst so immunogen zu machen wie beispielsweise eine dendritische Zelle (DZ). Ferner wurden in der Arbeits- gruppe des Autors in den letzten Jahren so genannte bi-spezifische Antikörper entwickelt, die sich präklinisch bereits als sehr effiziente Immunverstärker er- wiesen haben (2). Sie binden mit einem Antikörperarm an ein virales Antigen der Vakzine ATV-NDV, ohne dabei das Tumorantigen zu blockieren und mit dem anderen Arm an kostimulatorische Rezeptoren von T-Zellen oder dendriti- schen Zellen. Die Herstellung einer ef- fektiven Tumorvakzine durch Infektion mit Viren und Anbindung definierter bi-spezifischer Antikörper (2) stellt ei- ne kostengünstige Alternative zur so- matischen Gentherapie dar.

Zelltherapie mit autologen Gedächtnis-T-Zellen

Neueste Untersuchungen bei Brust- krebspatientinnen haben zum ersten Mal den Hinweis für die Existenz von tumorspezifischen T-Zellen im Kno- chenmark erbracht (1). Es handelt sich um Gedächtnis-T-Lymphozyten, das heißt um Abwehrzellen, die bereits Kontakt zu spezifischen Bestandteilen des Tumors (Tumorantigenen) hatten und dadurch sensibilisiert wurden. Mit- hilfe von dendritischen Zellen, die zu- vor mit Tumorantigenen beladen wur- den, konnten diese Gedächtniszellen aus ihrem Ruhezustand in einen akti- vierten Zustand überführt werden. Die Übertragung dieser aktivierten T-Zel- len auf immunschwache Mäuse, denen zuvor ein kleines Gewebestück aus dem Mammakarzinom einer Patientin trans- plantiert wurde, führte zu einer Tumor- infiltration und anschließenden Tumor- abstoßung bei den Tieren. Vom Trans- plantat blieben in den meisten Fällen nur die nicht entarteten Stroma-Be- gleitzellen übrig (1). Inzwischen gibt es Anhaltspunkte, die nahelegen, dass Ge- dächtnis-T-Zellen im Knochenmark auch bei anderen soliden Krebserkran- kungen vorkommen. Da diese Ge- dächtnis-T-Zellen sehr potent sind, können sie für neue Therapiestrategien besonders interessant sein.

Karzinome sind als solide epithelia- le Tumoren für mehr als 80 Prozent der Krebstodesfälle verantwortlich. Daher sind die Befunde, die zeigen, dass Lym- phozyten von Patienten spontan solide autologe Tumoren erkennen und dass sie für Therapiezwecke aktiviert wer- den können, besonders wichtig. Dar- über hinaus konnte kürzlich die Bedeu- tung einzelner Effektormoleküle bei der Abwehr solider Spontantumoren in Tieren nachgewiesen werden (5).

Editorial

Immuntherapie von Karzinomen?

Abteilung Zelluläre Immunologie (Leiter: Prof. Dr. rer.

nat. Volker Schirrmacher), Deutsches Krebsforschungs- zentrum, Heidelberg

Volker Schirrmacher

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Circa 80 Prozent der Mäuse, in denen zwei spezielle für Immunantworten wichtige Gene eliminiert wurden, ent- wickelten spontan gastrointestinale Karzinome und Mammakarzinome.

Der Verlust des einen Gens (RAG2) verhinderte die Ausreifung von B- und T-Lymphozyten, während der Verlust des zweiten Gens (STAT1) dazu führte, dass Interferon-vermittelte, natürliche Abwehrmechanismen nicht mehr ab- laufen konnten. Das Immunsystem ge- winnt somit zunehmend an Bedeutung auch für die Immunabwehr solider Tu-

moren.

Manuskript eingereicht: 8. 10. 2001, angenommen: 22.

10. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 848–850 [Heft 13]

Literatur

1. Feuerer M, Beckhove P, Bai L, Solomayer E-F, Bastert G, Diel IJ, Heep J, Oberniedermayr M, Schirrmacher V, Umansky V: Therapy of human tumors in NOD/SCID mice with patient derived re-activated memory T cells from bone marrow. Nature Medicine 2001; 7:

452–458.

2. Schirrmacher V, Haas C: Modification of cancer vac- cines by virus infection and attachment of bispecific antibodies: an effective alternative to somatic gene

therapy. Adv Exp Med Biol 1998; 451: 251–257.

3. Schirrmacher V: Tumorvakzinierung. In: Zentralblatt Chirurgie 2000; 125 (Suppl. 1): 33–36.

4. Schirrmacher V: Tumor vaccines – New therapeutic approaches against Cancer 2001. In: Euro-Biotech.

Special Edition. Nekarzimmern: Verlag Büro für Publi- zistik GmbH November 2001: 64–66.

5. Shankaran V, Ikeda H, Bruce AT, Whilte JM, Swanson PE, Old LJ, Schreiber RD: IFN-gand lymphocytes pre- vent primary tumour development and shape tumor immunogenicity. Nature 2001; 410: 1107–1111.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. rer. nat. Volker Schirrmacher Abteilung Zelluläre Immunologie Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg E-Mail: v.schirrmacher@dkfz.de

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A850 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002

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er Gedanke einer gezielten Akti- vierung des Immunsystems zur ef- fektiven Bekämpfung maligner Erkrankungen wurde bereits vor 100 Jahren von Coley geäußert und in er- sten Versuchen bei Patienten bestätigt (12). Aber erst die Entwicklungen der Immunologie und Molekularbiologie in den letzten Jahren haben die wissen-

schaftliche Basis für die Durchführung immuntherapeutischer Studien ge- schaffen. Die einzelnen Ansätze unter- scheiden sich vom Konzept und der Realisierung deutlich voneinander, ha-

ben aber alle ein gemeinsames Ziel: die Aktivierung des Immunsystems, um ge- zielt maligne Zellen zu zerstören. Im Gegensatz zu Pathogenen, die in den Körper eindringen, induzieren tumor- assoziierte Antigene (TAA) meistens nur eine schwache Immunabwehr. Dies ist am ehesten darauf zurückzuführen, dass Tumorantigene selten so genannte

Immuntherapeutische Strategien zur Behandlung solider Tumoren

Christoph Renner, Frank Hartmann, Michael Pfreundschuh

Medizinische Klinik I (Direktor: Prof. Dr. med. Michael Pfreundschuh) der Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar

Zusammenfassung

Die immuntherapeutische Behandlung von Tu- moren steht immer noch an ihren Anfängen, obwohl das Konzept bereits seit nahezu 100 Jahren verfolgt wird. Fortschritte in der Tumor- immunologie und Molekularbiologie haben in den letzten Jahren ein besseres Verständnis für die komplexe Interaktion zwischen Immunsy- stem und Tumorzelle ermöglicht und neue Rea- genzien in der Tumortherapie hervorgebracht.

Rekombinant hergestellte monoklonale Anti- körper halten zunehmend Einzug in die Kli- nik und sind zum Teil bereits für die Behand- lung bestimmter Hämoblastosen und solider Tumoren zugelassen. Die Entdeckung zahlrei- cher neuer menschlicher Tumorantigene sowie

neue Erkenntnisse über den Prozess der Anti- genaufnahme und -präsentation haben zu ei- ner Renaissance von Vakzinestrategien ge- führt, deren therapeutischer Stellenwert aber bisher noch unklar ist.

Schlüsselwörter: Immuntherapie, Krebsthe- rapie, monoklonaler Antikörper, Herceptin, Tumorvakzine

Summary

Immunotherapy of Solid Tumours Immunotherapy of cancer is still in the early stages of development although almost a century has passed since initial attempts were

made. However, recent advances in cancer immunology and molecular biology have allowed a better understanding of the complex interactions between the immune system and malignant cells and provided us with new tools to fight cancer. Monoclonal antibodies generat- ed by recombinant DNA technology have al- ready been licensed for the treatment of hema- tological and solid tumours. The definition of a multitude of new human tumour antigens and new insights into the process of antigen processing and presentation have revived vaccine therapies, the clinical value of which, however, still remains to be determined.

Key words: immunotherapy, cancer treatment, monoclonal antibody, herceptin, tumour vaccine

(3)

Neoantigene darstellen, sondern zu- meist physiologisch vorkommende, das heißt auch auf normalen Zellen expri- mierte Antigene (36) sind. Um gegen solche Antigene eine suffiziente Im- munantwort zu induzieren, muss die vorhandene immunologische Toleranz- schwelle durchbrochen werden. Es gibt mannigfaltige Strategien zur Aufhe- bung dieser natürlichen Toleranz. Im Folgenden werden nur die zwei am häu- figsten verwendeten Ansätze bespro- chen: monoklonale Antikörper (mAK) und Vakzinestrategien.

Monoklonale Antikörper

Monoklonale Antikörper, erstmals 1975 von Köhler und Milstein herge- stellt (25), sollen im Rahmen einer pas- siven Immuntherapie im Patienten spe- zifisch Tumorzellen auffinden und zer- stören. Vom theoretischen Ansatz her entsprechen monoklonale Antikörper in vieler Hinsicht den „magic bullets“

von Paul Ehrlich und seiner zu Beginn des 20. Jahrhunderts formulierten Hy- pothese, dass das Immunsystem zur spezifischen Therapie maligner Tumo- ren eingesetzt werden kann (16). Ihre Aktivität entfalten Antikörper nach Bindung an der Tumorzelle über die Blockierung von Signaltransduktions- wegen (zum Beispiel Inhibition von Proliferationsreizen), lokale Initiierung der Komplementkaskade (CDC, com- plement mediated cytotoxicity) oder Rekrutierung von Effektorzellen (ADCC, antibody dependent cellular cytotoxicity) (9, 19, 40).

Klinische Erfolge mit monoklonalen Antikörpern wurden erstmals 1982 be- richtet, als ein Patient mit Non-Hodg- kin-Lymphom mit individuell herge- stellten anti-idiotypischen Antikörpern eine komplette Remission erreichte (30). Trotz zahlreicher Therapiestudien bei anderen Tumoren blieben jedoch weitere therapeutische Erfolge aus.

Probleme bereiteten insbesondere die hohen Kosten sowie die nach wieder- holter Anwendung mit Regelmäßigkeit auftretenden blockierenden Antikör- per (HAMA, humane Anti-Maus-Anti- körper). Zu Beginn der 90er-Jahre war nur der murine anti-CD3 OKT3 (Muro- monab) zur Therapie der akuten

Abstoßungsreaktion nach Organtrans- plantation zugelassen worden (54). Erst die Entwicklung rekombinanter An- tikörper als chimäre beziehungsweise humanisierte Antikörper Mitte der 90er-Jahre ermöglichte wiederholte Therapiezyklen, und verbesserte Pro- duktionsbedingungen ließen zudem eine kosteneffiziente Herstellung be- nötigter Mengen zu (15). Heute reprä- sentieren antikörperbasierte Therapeu- tika einen Gesamtanteil von 25 Prozent an den in der frühen klinischen For- schung befindlichen neuen Produkte.

Die amerikanische Gesundheitsbehör- de hat bisher neun Antikörper mit un- terschiedlicher Indikation zugelassen (Tabelle 1), mehr als 70 Antikörper be- finden sich in Phase1- und -2-Studien.

Herceptin: Prototyp bei soliden Tumoren

Auf dem Gebiet der soliden Tumoren sind insbesondere Erfolge in der Anti- körperbehandlung des Brustkrebses zu verzeichnen. Trastuzumab (Herceptin) ist ein humanisierter mAK, der kürzlich auch in Europa zur Behandlung me- tastasierter, HER2-(über)exprimieren- der Mammakarzinome zugelassen wur- de. Zielstruktur dieses mAK ist HER2, eine Wachstumsfaktorrezeptor-Thyro- sinkinase, die auf 25 bis 30 Prozent aller Mammakarzinome sowie einigen anderen Tumoren überexprimiert wird und mit einer ungünstigen Prognose as- soziiert ist. Bei 15 Prozent der Patien- tinnen mit metastasiertem, überwie- gend mehrfach chemotherapiertem Mammakarzinom und nachgewiesener HER2-Überexpression im Tumorge- webe konnte durch eine Antikörper- monotherapie eine objektive Remissi- on (komplette Remission plus partielle Remission) für median acht Monate er- zielt werden (10). Im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie lassen sich durch Kombination mit Herceptin die Remissionsraten von Doxorubicin/Cy- clophosphamid beziehungsweise Taxol eindrucksvoll von 42 Prozent auf 65 Prozent beziehungsweise von 25 Pro- zent auf 57 Prozent steigern und eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls um zwei bis vier Monate er- reichen (42). Da jedoch während der

Kombinationstherapie insbesondere mit dem Anthrazyklin Doxorubicin, ei- nem Vertreter aus einer der beiden wirksamsten Zytostatikasubstanzklas- sen beim Mammakarzinom, eine ge- häufte Kardiotoxizität auftrat, bleibt die Frage nach der optimalen Kombina- tion weiterhin offen.

Entwicklung neuer Antikörperkonstrukte

Ein zweiter wichtiger Vertreter aus der Gruppe der Wachstumsfaktorrezeptor- bindenden mAK ist der mAK C225, der den von vielen epithelialen Tumoren überexprimierten „epidermal growth factor receptor“ (EGF-R) erkennt (29).

In Phase-1- und -2-Studien bei Patien- ten mit Kopf-/Hals-, Bronchial-, Nie- ren-, Prostata-, Ovarial-, Pankreas-, Brust- oder auch Blasentumoren erwies sich C225 als gut verträglich, induzierte selten inhibierende Antikörper (5,2 Prozent) und scheint ähnlich wie Her- ceptin synergistisch zu wirken, wenn der Antikörper in Kombination mit Chemo- oder Strahlentherapie, aber auch mit neuen Konzepten wie Angio- geneseinhibitoren eingesetzt wird (5, 7). In einer kleinen Pilotstudie mit zwölf Patienten mit Kopf-Hals-Tumo- ren konnte durch die Kombination von C225 (Startdosis 100, 400 beziehungs- weise 500 mg/m2, 250 mg/m2wöchent- lich als Erhaltungsdosis für sechs Wo- chen) und Cisplatin (100 mg/m2) bei sechs von neun auswertbaren Patienten (67 Prozent) ein deutliches klinisches Ansprechen mit einer kompletten Re- missionsrate von 22 Prozent erzielt wer- den (41). Phase-3-Studien müssen diese Daten nun bestätigen.

Sowohl bei Herceptin als auch bei C225 sind die Zielantigene keine tu- morspezifischen Antigene und ihr ubi- quitäres Expressionsmuster auch auf nicht entarteten epithelialen Zellen er- scheint auf den ersten Blick eher als Hindernis für einen breiten klinischen Einsatz. Der Grund für ihre Wirksam- keit liegt wohl in der Interaktion des Antikörpers mit dem jeweiligen Rezep- tor und zwar in der Blockade der phy- siologischen Interaktion des Wachs- tumsfaktors mit seinem Rezeptor im Falle des C225-Antikörpers bezie-

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hungsweise in einer Veränderung der rezeptorabhängigen Signaltransduk- tion für Herceptin (8, 43). So beeinflus- sen sowohl Herceptin als auch C225 durch Bindung am Wachstumsrezeptor die Proliferation in den Tumorzellen und können direkt Apoptose (Zelltod) induzieren. Darüber hinaus ist für Her- ceptin eine Blockade des zellulären DNA-Reparaturmechanismus gezeigt und erklärt den Synergismus von Che- mo- und Antikörpertherapie (4). An- hand der Herceptin- und C225-Daten liegt ein Schwerpunkt weiterer Ent- wicklungen auf der Isolierung und Cha- rakterisierung neuer Antikörper, die für die Zellhomöostase wichtige Rezep- tor-Ligand-Interaktionen blockieren.

Ein generelles Problem der Antikör- pertherapie solider Tumoren liegt in der unzureichenden Zugänglichkeit des Zielantigens. Arbeiten der Autoren so- wie aus den kollaborierenden Zentren konnten anhand von Biodistributions- studien eine spezifische Anreicherung des Antikörpers bei Patienten mit Darmkrebs nach intravenöser Applika- tion im Tumorareal beziehungsweise im Bereich von Metastasen zeigen (Abbil- dung 1) (53). Wurde der Tumor aber biopsiert beziehungsweise reseziert, so fiel eine inhomogene Antikörpervertei- lung mit vornehmlicher Anreicherung im Randbereich auf (Abbildung 2).

Zentral gelegene Tumoranteile werden aufgrund von Tumornekrosen, inhomo-

gener Antigenverteilung sowie einem erhöhten interstitiellen Gewebedruck mit herkömmlichen Antikörperkon- strukten nicht erreicht. Als Lösungs- ansätze bieten sich hier kleinere Anti- körpermoleküle mit veränderter Avi- dität oder auch Antikörperkonjugate an. In letzterem Fall werden Antikör- per als Vehikel für die spezifische An- reicherung von zytotoxischen Substan- zen (Chemotherapeutika, Radionukli- de) (21, 49) im Tumor verwendet.

Durch geeignete Radionuklidwahl kön- nen Tumorzellen über eine Distanz von mehreren Zelldurchmessern abgetötet werden, wodurch auch Antigen-negati- ve Tumorzellen in einem Tumorareal erfasst und die schlechte Penetration mAK in soliden Tumoren zumindest teilweise ausgeglichen werden können.

Die Ansprechraten solider Tumoren (mehr als 700 Patienten in mehr als 40 Studien) in der Therapie mit Antikör- per-Radionuklidkonjugaten (14, 24) sind bisher aber wenig eindrucksvoll.

Sie betragen bei Kolonkarzinomen we- niger als zehn Prozent, bei Ovarialkar- zinomen und intraperitonealer Appli- kation 0 bis 50 Prozent (durchschnitt- lich 20 Prozent) je nach Tumormasse, sowie für die intraarterielle Behand- lung von hepatozellulären Karzinomen 20 bis 40 Prozent und die lokale Thera- pie von Glioblastomen etwa 20 Prozent.

Bei Melanomen, Neuroblastomen, HNO-Tumoren, medullären Schilddrü-

senkarzinomen, Nieren-, Prostata-, Mamma- und Bronchialkarzinomen wurde nur über einzelne behandelte Fälle berichtet. Ansätze zur Steigerung der therapeutischen Effektivität beste- hen in der Dosiseskalation mit autolo- ger Stammzelltransplantation (bei- spielsweise bei gastrointestinalen Tu- moren (47) und Mammakarzinom (37), Verwendung humanisierter monoklo- naler Antikörper mit dem Potenzial wiederholter Anwendung (13) sowie in der Kombination mit Ganzkörperhy- perthermie (31). Humanisierte mono- klonale Antikörper sind gentechnisch veränderte monoklonale Antikörper beispielsweise von der Maus, bei denen die Bindungsdomänen des Mausanti- körpers auf einen humanen Antikörper überführt werden. Damit besitzt der neu entstandene Antikörper fast aus- schließlich humane Sequenzen und wird nur in einem geringen Prozentsatz vom menschlichen Organismus als fremd erkannt.

Tumorspezifische Vakzinierung

Im Gegensatz zu der passiven Im- muntherapie mit monoklonalen Anti- körpern benötigen Impfstrategien die aktive Beteiligung und Unterstützung des Immunsystems, um eine gezielte Immunantwort gegen Tumorzellen entwickeln zu können. Die früher fa- vorisierte These, dass das Immunsy- stem dabei zwischen „Selbst“ und

„Nichtselbst“ unterscheiden kann, ist heutzutage nicht mehr haltbar (11).

Vielmehr erkennt das Immunsystem (wahrscheinlich) alle Tumoren und entwickelt (wenngleich ineffizient) Immunantworten gegen sie (38). Die dabei erkannten Antigene sind unter- schiedlicher Natur und stellen häufig klassische Autoantigene dar (Tabelle 2), die daher auch auf nichtmaligne entarteten Zellen exprimiert werden.

Damit eine Tumorzelle als immuno- gen erkannt werden kann, muss sie auf ihrer Oberfläche in Verbindung mit genetisch determinierten MHC-Mo- lekülen Peptidfragmente der Tumor- antigene präsentieren (51). Die initia- le Aktivierung des Immunsystems ge- gen diese Tumorpeptide erfolgt in A

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´ Tabelle 1C´

Von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) bisher zugelassene monoklonale Antikörper

Antikörper Handelsname Zielantigen Einsatzgebiet

Muromonab OKT3 CD3 (T-Zellen) Transplantatbstoßung Basiliximab Simulect CD25 (T-Zellen) Transplantatabstoßung Daclizumab Zenapax CD 25 (T-Zellen) Transplantatabstoßung

Infliximab Remicade TNF-a(löslich) Rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn Pavilizumab Synagis RSV Respiratory Syncytial Virus (Prophylaxe) Abciximab ReoPro GPIIa/IIIb Koronare Revaskularisation

(Thrombozyten)

Rituximab Mabthera CD20 (B-Zellen) Follikuläres B-Non-Hodgkin-Lymphom Trastuzumab Herceptin Her2/neu Metastasiertes Mammakarzinom Gemtuzumab- Mylotarg CD33 Rezidivierte akute myeloische Leukämie Zogamicin

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der Regel aber nicht durch die Tumor- zelle selbst, sondern durch antigenprä- sentierende Zellen (APZ). Diese pha- gozytieren unter anderem Tumorpro- teine, prozessieren sie und präsentie- ren dem Immunsystem einzelne Pep- tidbruchstücke im MHC-Molekül auf ihrer Zelloberfläche. Der Komplex von MHC-Molekül und Peptid wird dann von zytotoxischen (CD8+-) be- ziehungsweise Helfer- (CD4+-)T-Lym- phozyten erkannt und führt zur T- Zellaktivierung (46). Die so aktivierte T-Zelle kann nach Erkennung des gleichen MHC-Peptid-Komplexes auf der Tumorzelle diese direkt bezie- hungsweise indirekt zerstören. Allein die Zahl der einzelnen Schritte lässt die Komplexität und Anfälligkeit des immunologischen Netzwerks erahnen.

Wesentliche Vorraussetzung für eine erfolgreiche Impfung ist daher das Vorhandensein immunogener Pepti- de, die effiziente Präsentation dieser Peptide durch APZ und ein intaktes Immunsystem, das in der Lage ist, eine rasche und adäquate T-Zellantwort zu generieren.

In Analogie zu monoklonalen An- tikörpern haben auch auf dem Gebiet der Tumorvakzinierung technische Entwicklungen der letzten Jahre neue Impulse geliefert. So gibt es neue Me- thoden zur Identifizierung von Tu- morantigenen (SEREX) (38), ein bes- seres Verständnis für die Antigen- prozessierung und -präsentation durch APZ (20) und bessere Reagenzien, die im Patienten induzierte Immunant- wort zu messen und im Verlauf zu überwachen (2).

Vakzinierung mit Tumorzellen

Vakzinepräparationen aus gesamten Tumorzellen haben den Vorteil, dass sie im autologen System alle relevanten Tumorproteine und -peptide beinhal- ten sollten und keine molekulare Cha- rakterisierung dieser Strukturen not- wendig ist (35, 45). Um die Effizienz und Immunogenität zu erhöhen, kön- nen die Tumorzellen ex vivo im Sinne einer Gentherapie mit Zytokingense- quenzen transfiziert werden (18). Da- mit sezernieren die Tumorzellen nach entsprechender Selektion die ge-

wünschten Zytokine und kön- nen so die Immunantwort des Organismus verstärken. Die Schwierigkeit des Ansatzes liegt in dem Problem, eine ausreichende Transfektionra- te der Tumorzellen zu errei- chen (1), was durch neuere Vektorkonstrukte, insbesonde- re auf der Basis von Adeno-/

Retroviren (55) und virus- ähnlichen Partikeln (VLP, vi- rus-like particles) gelöst wer- den soll (34).

Klinische Studien mit re- troviral transfizierten Tumor- zellen wurden bereits bei Pati- enten mit Nieren- beziehungs- weise Prostatakrebs durchge- führt. Tumorzellen wurden zum Zeitpunkt der Operation asserviert und mit einem ge- netischen Konstrukt, das für einen Granulozyten-Makro- phagen-Kolonie-stimulieren- den Faktor (GM-CSF) ko- diert, transfiziert (32). Nach Bestrahlung der Tumorzellen wurden diese in einem Dosis-

Eskalationsversuch den Patienten in vierwöchigen Abständen subkutan ap- pliziert. Die Nebenwirkungen waren sehr gering und beinhalteten leichtes Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmer- zen und Juckreiz. Von den 18 Patienten mit Nierentumor wies einer eine Re- gression pulmonaler Metastasen für ei- nen Zeitraum von sieben Monaten auf.

In der Prostatakarzinom-Studie zeigte keiner der acht Patienten ein klinisches Ansprechen. Das größte Problem die- ser Studien war die ausreichende Ge- winnung und Expansion autologer Tu- morzellen.

Eine neue Alternative stellen Hy- brid-Fusionen aus Tumorzelle und au- tologer APZ dar. Diesem Ansatz liegt die Idee zugrunde, dass APZ nach er- folgreicher Fusion einen Großteil der Tumorantigene auf ihrer Oberfläche präsentieren sollten und damit effizient das Immunsystem stimulieren können (44). Zwei klinische Studien mit Patien- ten mit Nierentumor (27) beziehungs- weise Melanom (50) sind bisher publi- ziert worden. In der Melanomstudie wurden insgesamt 16 Patienten mit me- tastasiertem Melanom in fortgeschritte-

nem Stadium behandelt. Die Patienten erhielten drei subkutane Impfungen mit mindestens dreimal 107Tumorzel- len an zwei, von dem Tumor möglichst entfernt liegenden Stellen. Die Be- handlung wurde gut vertragen. Bei zwei Patienten entwickelte sich eine lokale Vitiligo als Zeichen einer Induktion beziehungsweise Expansion melano- zytenspezifischer T-Zellen. Die durch- schnittliche Überlebenszeit von Patien- ten mit klinischem Ansprechen betrug 16,1 Monate und lag damit über dem für dieses Kollektiv zu erwartenden Zeit- raum von sechs Monaten. Diese Daten bedürfen allerdings der Bestätigung durch eine große prospektive Studie.

In einer zweiten Studie wurden 17 Patienten mit metastasiertem Nieren- tumor (27) und einer positiven kuta- nen Reaktion auf Recall-Antigene (Erinnerungsantigene, gegen die in der Kindheit bereits geimpft wurde [zum Beispiel Tetanus, Diphterie]) eingeschlossen. Bei allen Patienten wurde der Primärtumor entfernt und innerhalb von zwölf Stunden wurden Zellhybride mittels Elektrofusion aus autologen Tumorzellen und allogenen Abbildung 1: Antikörper-Biodistribution in vivo (53). Patien- ten mit Kolonkarzinom und bekannten Lebermetastasen wurden in einer Phase-1-Studie mit dem 131J-markierten A33 Antikörper (5 mCi, 20 mg Proteindosis) behandelt. Ge- zeigt sind die Aufnahmen mit der Gamma-Kamera (anterio- re Ansicht links, posteriore Ansicht rechts) eines Patienten am Tag 3 nach Infusion. Deutlich zu erkennen ist die Anti- körperanreicherung in der Lebermetastase (Pfeil) und Restaktivität im Darm aufgrund der Expression des A33-An- tigens im Basalmembranbereich von normalen Darm- epithelien.

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dendritischen Zellen (DC) hergestellt.

Die Patienten erhielten im Abstand von sechs Wochen mindestens zwei subkutane Injektionen im Bereich der inguinalen Lymphknoten.

Im Fall eines klinischen Anspre- chens (gemessen nach zwölf Wochen) erfolgte eine Booster-Impfung alle drei Monate. Wesentliche Nebenwir- kungen wurden nicht beobachtet, und 11 von 17 behandelten Patienten ent- wickelten eine positive Hautreaktion (DTH) nach Tumorzellexposition als Zeichen einer spezifischen Immunant- wort. Sieben Patienten (41 Prozent) sprachen auf die Therapie an, mit vier kompletten (23 Prozent), zwei partiel- len Remissionen (12 Prozent) und ei- ner gemischten Antwort (6 Prozent).

Das Problem dieser Studie ist sicher- lich in der Größe aber auch in der Wahl des Patientenkollektivs zu sehen.

So werden „spontane“ Remissionen von Metastasen nach Entfernung des Primärtumors in nichtselektionierten Patienten in bis zu zehn Prozent der Fälle beobachtet (28). Ob sich die bes- seren Ergebnisse in dieser Studie auf die Tatsache der Selektion immun- kompetenter Patienten alleine zurück- führen lässt oder aber die durchgeführ- te Vakzinetherapie einen eigenen Ef- fekt hatte, werden erst größere Kon- trollstudien mit nicht vorselektionier- ten Patienten zeigen.

Vakzinierung mit Peptiden und Proteinen

Vakzineansätze auf der Basis von Pept- iden/Proteinen unterscheiden sich kon- zeptionell vom oben beschriebenen Verfahren durch die Verwendung prä- definierter Strukturen (17). Im Gegen- satz zu dem Tumorzellansatz, bei dem die immunogenen Peptiddomänen vor Applikation nicht charakterisiert sind, kommen hier nur antigene Proteine be- ziehungsweise Peptidfragmente mit be- kannter Aminosäurensequenz zum Einsatz, gegen die spezifische CD4+- und CD8+-T-Zell-Antworten im ent- sprechenden MHC-Kontext in vitro nachgewiesen wurden. Der Nachteil dieser Strategie ist der zum Teil sehr große Aufwand, immunogene Peptid- domänen in einem Tumorprotein zu

definieren und die Restriktion der Im- munantwort auf nur eine beziehungs- weise sehr wenige Peptiddomänen, die meist auf nur wenige HLA-Muster be- schränkt sind. Damit eine ausreichende Aktivierung des Immunsystems im Pa- tienten nach Applikation stattfinden kann, müssen die Peptide/Proteine im MHC-Kontext auf antigenpräsentie- renden Zellen präsentiert werden. Dies kann durch die direkte Injektion von Peptiden/Proteinen in die Haut bezie- hungsweise im Bereich drainierender Lymphknoten geschehen, da sie dort von professionellen APZ wie dendri- tischen Zellen aufgenommen, prozes- siert und dem Immunsystem präsen- tiert werden. Eine zweite Möglichkeit besteht in der Ex-vivo-Beladung von DC (3). Dazu werden von dem Patien- ten DC-Vorläuferzellen isoliert, mit Peptiden/Proteinen beladen und nach Maturation dem Patienten reinfun- diert. Unabhängig vom gewählten Ver- fahren werden fast immer kostimulie- rende Substanzen (zum Beispiel Zyto- kine) zur Verstärkung der Immunant- wort koappliziert.

In-vivo-Applikation von Peptiden und Proteinen

Die direkte Applikation von Pepti- den/Proteinen im Menschen ist der am häufigsten verwendete Ansatz, da er technisch einfach und für den Patienten sicher ist. Da viele Tumorantigene bis-

her auf dem Gebiet des malig- nen Melanom identifiziert wurden, ist diese Tumoren- tität immer noch der Prototyp für viele immuntherapeuti- sche Strategien. Die größte Datenmenge existiert für die Verwendung von Melano- zytendifferenzierungsantige- nen wie MelanA/MART-1, gp100 oder auch Tyrosinase (52). In den durchgeführten Phase-1- und -2-Studien zeig- te sich eine gute Verträglich- keit der Peptidvakzinierung mit einer immunologischen Ansprechrate von circa 50 Prozent, das heißt die Hälfte aller behandelten Patienten entwickelten peptidspezifi- sche Haut- oder In-vitro-Reaktionen.

Vereinzelt zeigte sich eine Verkleine- rung von Tumorherden, ohne dass eine signifikante Tumorregression oder ein verlängertes Überleben zu verzeichnen war.

Das Problem bei der Verwendung von Differenzierungsantigenen als Impfsubstanz liegt in der genetischen Instabilität der Tumorzellen begründet.

Unter dem Selektionsdruck der Imp- fung und der dadurch generierten Im- munantwort verlieren die Tumorzellen zum Teil die Expression der als Ziel- struktur verwendeten Differenzie- rungsantigene (22).

Damit kommt es neben einem Pig- mentverlust (sichtbar an der lokalen Vitiligo) auch zu einem Tumorprogress unabhängig von der induzierten Im- munantwort. Neuere Tumorantigene mit stabilerer Expression, insbesondere aus der Gruppe der Cancer-Testis-An- tigene, wie zum Beispiel NY-ESO-1, könnten hier als eine Alternative die- nen (23).

Ex-vivo-Beladung von dendritischen Zellen

Ein generelles Problem bei der Ver- wendung von Peptiden beziehungs- weise Proteinen ist die Standardisie- rung der Applikation in vivo. Daten aus der Arbeitsgruppe von Zinkerna- gel (56) zeigen, dass das Peptid in aus- reichender Menge und in einem be-

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 13½½½½29. März 2002 AA855

Abbildung 2: Gewebeanalyse über die Verteilung des A33- Antikörpers (53). Acht Tage nach Infusion des 131J- markier- ten A33-Antikörpers wurde die Lebermetastase des Patien- ten reseziert und die Verteilung der Radioaktivität im Ge- webeschnitt mittels Autoradiographie ermittelt. Deutlich sichtbar ist die Demarkierung der Metastase im ansonsten unauffälligen Lebergewebe (links). Die Radioaktivität als Marker für den applizierten Antikörper verteilt sich hauptsächlich im Randbereich der Metastase (rechts).

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stimmten zeitlichen Fenster den loka- len Lymphknoten erreichen muss, um eine Immunantwort zu induzieren und sie nicht zu blockieren. Somit ist die Beladung der professionellen APZ im Lymphknoten ein ganz entscheiden- der Faktor in diesem Prozess. Um die Unsicherheit der Peptidpräsentation in vivo auf antigenpräsentierenden Zellen zu umgehen, kann ex vivo ei- ne Peptidbeladung von dendritischen Zellen mit anschließender Expansion erfolgen.

Auch hier fanden die ersten Versu- che auf dem Gebiet des malignen Me- lanoms statt. Eine der größten publi- zierten Studien beinhaltete 16 Patien- ten, deren dendritische Zellen nach Isolierung und Expansion mit Tumor- peptiden (Tyrosinase, gp100 und MART-1/MelanA) oder Tumorlysat beladen wurden (33). Die Impfung wurde gut vertragen und elf der 16 Pa- tienten wiesen eine positive Hautreak- tion nach erneuter Exposition des An- tigens beziehungsweise Tumorlysats auf.

Fünf Patienten zeigten zudem ein klinisches Ansprechen mit zwei kom- pletten (15 Prozent) und drei par- tiellen Remissionen (19 Prozent). Da- bei konnten Tumorverkleinerungen in verschiedenen Organen, wie Haut, Weichteilen, Lungen und auch Pan- kreas verzeichnet werden. Die im- munhistochemische Analyse von Vak- zine infiltrierenden Lymphozyten (VIL) bei einem vergleichbaren The- rapieansatz zeigte eine Dominanz der CD8+-T-Zellen bei neun von 17 Pati- enten (6). Bei drei von insgesamt fünf auszuwertenden Patienten konnte ei- ne Spezifität der VIL für das verwen- dete Tumorlysat des Patienten nach- gewiesen werden.

Da jedoch keine Tumorbiopsien vor Therapie untersucht wurden, kann weder die Infiltration mit CD8+-T- Zellen noch deren Spezifität eindeutig dem Vakzinierungsprozess zu ge- schrieben werden.

Neben dem Melanom gibt es eine Reihe von Daten über die Behandlung des Prostatakarzinoms mit peptidbe- ladenen DC (39, 48). Dabei werden zumeist HLA-A2-spezifische Peptide des prostate specific membrane anti- gen (PMSA) verwendet. Eine erste

Phase-1-Studie bei 51 Männern mit metastasiertem, hormonrefraktärem Prostatakarzinom bestätigte auch in diesem Kollektiv die gute Verträglich- keit des Ansatzes und wies als Ergeb- nis einen im Durchschnitt gefallenen PSA-Wert nach Therapie auf. In einer nachfolgenden Phase-1- und -2-Studie wurden 74 Männer mit fortgeschritte- nem Prostatakarzinom mit sechs in- travenösen Applikationen mit den- dritischen Zellen (circa zweimal 107 peptidbeladene DC pro intravenöser Applikation) alle sechs Wochen be- handelt.

Die Ansprechrate lag bei 25 bis 30 Prozent mit einer positiven Kor- relation zwischen der Anzahl der ap- plizierten dendritischen Zellen und der Dauer des Ansprechens.

Als Ersatz für DC können auch spontane lymphoblastoide Zelllinien (LCL) von latent mit Epstein-Barr-Vi- rus (EBV) infizierten Tumorpatienten genommen werden (26). Die in der Medizinischen Klinik I der Univer- sitätskliniken in Homburg/Saar durch- geführte Vakzinierungsstudie mit mu- tiertem p21 ras (muRas) und autolo- gen LCL bei Patienten mit Pankreas- tumor zeigte eine adäquate und spezi- fische Aktivierung des Immunsy- stems.

Da es sich um Patienten mit weit fortgeschrittener Erkrankung handel-

te, war kein Tumoransprechen zu er- warten beziehungsweise zu verzeich- nen.

Zukünftige Entwicklungen

Es konnte nicht die ganze Bandbreite aller möglichen immuntherapeuti- schen Konzepte aufgelistet werden, sondern nur jene, für die ausreichende präklinische und auch erste klinische Beurteilungen möglich sind. Antikör- perbasierte Therapeutika haben in den letzten Jahren eine klinische Rei- fe und Relevanz gezeigt, die weitere Erfolge erwarten lassen.

Den größten Innovationsschub auf diesem Gebiet erwarten man von neu- en Antikörperformaten und Kopplun-

gen der Antikörper an zytotoxische Substanzen. Im Gegensatz zu Anti- körpertherapien haben Vakzinestrate- gien in der Behandlung solider Tumo- ren bisher noch nicht den Status einer akzeptierten Therapiemodalität er- reicht. Einzelbeobachtungen und klei- ne Studien geben jedoch Anlass zur Hoffnung.

Gerade die Entwicklung von Vakzi- nestrategien unterstreicht eindrucks- voll die Notwendigkeit, qualifizierte immunologische Kompetenzzentren für klinische Studien zu entwickeln.

Nur in solchen Zentren wird es mög-

´ Tabelle 2C´

Spezifitäten der durch SEREX nachgewiesenen menschlichen Tumorantigene

Spezifität Beispiel Erstmaliger Nachweis in

Gemeinsames Tumorantigen

= Cancer-Testis-Antigen HOM-MEL-40 / SSX-2 Melanom Differenzierungsantigen HOM-MEL-55 (tyrosinase) Melanom Produkt eines mutierten Gens NY-COL-2 (p53) Kolonkarzinom

Spleiß-Variante NY-COL-38 Kolonkarzinom

Virales Antigen HOM-RCC-1.14 (HERV-K10) Nierenzellkarzinom Produkt eines amplifizierten Gens HOM-NSCLC-11 (EID-4✮) Bronchialkarzinom Autoantigen mit tumorspezifischer

Immunogenität HOM-MEL-2.4 (CEBP) Melanom

Gewöhnliches Autoantigen NY-ESO-2 (U1-snRNP) Ösophaguskarzinom Produkt eines unterexprimierten Gens HOM-HCC-8.1 Leberzellkarzinom

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A

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lich sein, eine adäquate Betreuung der Patienten mit dem benötigten im- munologischen Monitoring durchzu- führen. Die technischen und methodi- schen Anforderungen sind so hoch und entwickeln sich so rasch weiter, dass einzelne Arbeitsgruppen nicht mehr in der Lage sein werden, eine umfassende Analyse aller immunolo- gisch relevanten Parameter zu erhe- ben.

Diese Aufgabe wird nur durch eng vernetzte Arbeitsgruppenverbände mit standardisierten Testverfahren zu realisieren sein. Eine detaillierte Ana- lyse der individuellen Immunantwort ist aber notwendig, da die bisherigen Studienergebnisse immer nur ein An- sprechen in einer Subgruppe der Pati- enten zeigen. Daher muss es das Ziel sein, diese Patienten immunologisch zu identifizieren und die Therapie- ansätze so zu modifizieren, dass ein möglichst breites Spektrum von Pati- enten profitiert.

Es sollten ähnlich wie in den Verei- nigten Staaten Institutionen als so ge- nannte Clinical Trials Center zertifi- ziert werden, die dann auch eine ver- gleichbare Förderung erhalten. Diese Form der Studienkultur und -akzep- tanz wäre auch für Deutschland wün- schenswert und würde den Patienten nicht nur breiteren Zugang zu neuen Therapieformen erlauben, sondern si- cherstellen, dass das hoffnungsvolle Gebiet der Immuntherapie solider Tu- moren nicht durch schlecht kontrol- lierte Studien, voreilig der Öffent- lichkeit bekannt gegebene Ergebnisse und damit geweckten Erwartungen, die nicht erfüllt werden können, in Verruf gerät.

Manuskript eingereicht: 25. 7. 2001, revidierte Fassung angenommen: 30. 8. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 850–858 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Renner Medizinische Klinik I

Universitätskliniken des Saarlandes Kirrbergerstraße

66421 Homburg/Saar

E-Mail: incren@med-rz.uni-sb.de

Ein Terroranschlag mit Pockenviren in einem dicht besiedelten Gebiet hät- te wahrscheinlich katastrophale Fol- gen, da das Virus auf eine vollkom- men ungeschützte Bevölkerung tref- fen würde.

Jeder der zu Beginn der 70er-Jahre geboren wurde, erklärt Jon Cohen in einem Beitrag des Science, verfügt über keinen ausreichenden Impfschutz, denn zu dieser Zeit wurde in den mei- sten Ländern die Pockenschutzimpfung eingestellt. Die nachträgliche Verabrei- chung von Impfstoff heute an ältere Personen würde keinen Schutz mehr gegenüber Pockenvieren ermöglichen.

Dies ist zumindest die konventionelle Auffassung, meint Cohen, einige Ex- perten sehen die Situation weniger kri- tisch.

Unbestritten sind Personen, die keinen Impfschutz besitzen, durch das Pockenvirus besonders gefährdet. Für diese Menschen beträgt die Mor- talitätsrate circa 30 Prozent. Wie viel Schutz jedoch eine bereits vor Jahr- zehnten vorgenommene Impfung noch bietet, darüber besteht Unei- nigkeit. Den US-amerikanischen Cen- ters for Disease Control and Preventi- on (CDC) zufolge besteht ein Impf- schutz schätzungsweise für drei bis fünf Jahre.

Andere Wissenschaftler, die die Da- tenlage zu Pockenepidemien in der Vergangenheit analysierten, glauben an einen länger vorhaltenden Impf- schutz. Sie stützen sich unter anderem auf die Ergebnisse einer Studie über den Ausbruch einer Pockenepidemie in Liverpool, England, in den Jahren 1902 bis 1903. Zu dieser Zeit wurden in Großbritannien nur einmal Pocken- schutzimpfungen im Kindesalter durch- geführt.

Von 1 163 an Pocken erkrankten entgingen 93 Prozent der geimpften Personen, die älter als 50 Jahre waren, einem schweren Verlauf der Pocken- erkrankung oder gar dem Tod, wäh- rend sechs von zwölf ungeimpften Patienten der gleichen Altersstufe schwere Symptome entwickelten und verstarben.

Zwei Studien zum Immunsystem unterstützen die These des längeran- haltenden Impfschutzes. Einer 1990 publizierten Untersuchung israeli- scher Forscher zufolge sinkt die Kon- zentration der Antikörper gegen das Pockenvirus in den ersten drei Jahren nach Impfung zunächst, dieser Typ der Immunisierung bleibt aber dann für mindestens 30 Jahre nach der letz- ten Wiederholungsimpfung erhalten.

Auch die T-Zell-vermittelte Immu- nität hat nach den Ergebnissen einer US-amerikanischen Studie über Jahr- zehnte Bestand.

Die gemessenen Werte, warnt der Schweizer Immunologe Rolf Zinker- nagel, korrelieren nicht notwendiger- weise mit dem vorhandenen Schutz vor einer Pockenerkrankung. Den- noch glaubt der Nobelpreisträger, dass in der US-amerikanischen Bevölke- rung eine beträchtliche Immunität ge- genüber Pockenviren gegeben ist. Die Auswirkungen einer Pockenepidemie nach einem Anschlag hält er für weni- ger gravierend als die Pockenepidemi- en im Mittelalter.

Da die Wissenschaftler allerdings bereits über die Mechanismen, die das immunologische Gedächtnis auslösen und aufrechterhalten, verschiedene Auffassungen vertreten, bleiben nach Ansicht von Cohen die Antworten auf die Frage, wie viel Impfschutz in der Bevölkerung tatsächlich besteht, nur Vermutungen.

Bei den Pocken, so James Leduc vom CDC, handelt es sich um eine Er- krankung, zu der sich die wissen- schaftliche Datenlage auf einem Stand von vor 20 Jahren befindet. se Cohen, J: Smallpox Vaccinations: How much protection remains? Science 2001; 294: 985. www.science.org

Pocken: Einem Terroranschlag schutzlos ausgeliefert?

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