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ls kürzlich der „Design- preis der Bundesrepu- blik Deutschland 2002“vergeben wurde, waren es zwei Produkte aus dem Be- reich Medizin/Healthcare/
Reha, die von der Jury eine Auszeichnung erhielten: der Computertomograph „Soma- tom Smile“ von Siemens (De- sign: designafairs Studio Er- langen) und der Rollstuhlan- trieb „e-motion“ des Herstel- lers Ulrich Alber, 72425 Alb- stadt (Design: einmaleins, Bü- ro für Gestaltung). Während der Tomograph durch weiche Konturen und sanfte Farben eine angenehme Ausstrahlung verbreitet, überzeugt der Roll- stuhlantrieb durch Einstell- möglichkeiten, die ganz auf den Benutzer zugeschnitten werden können. Für das Jahr 2004 erhoffen sich Medizin- technik-Anbieter und Design- büros, dass noch mehr Innova- tionen aus ihrem Bereich ge- würdigt werden. Ein Haupt- grund, warum die Arbeit der Entwerfer eher im Verborge- nen blüht, ist sachlich begrün- det: „Eine OP-Lampe kauft sich niemand für sein Wohn- zimmer“, sagt Fred Held. Als Designer und Gründer der Firma „Held + Team“ in Ham- burg arbeitet er für Auftrag-
geber in der Medizintechnik (B. Braun, Olympus, LRE).
Im Gegensatz zu Konsum- produkten könne es sich kein Designer erlauben, bei medizi- nischen Geräten ein „Quatsch-
Design“ aufzulegen, das me- dienwirksamer wäre. So sind es nur wenige Produkte, die unter optischen Gesichtspunk- ten einem Vergleich mit ande- ren Design-Schöpfungen un-
terzogen werden können – et- wa ein Blutzuckertestgerät, weil es sich an Endverbrau- cher wendet und deshalb auch über seine „Hülle“ ver- kauft wird. Wenn Funktio- nalität oder Bedienkomfort bewertet werden, lassen sich auch bei Klinik-Geräten Qua- litätsmerkmale herausfiltern.
Eine weitere Besonderheit bei der Gestaltung basiert auf der Stückzahl.Wegen der klei- neren Auflagen werden preis- werte Herstellungsverfahren für die Gehäuse gewählt, de- ren Anmutung dann nicht im- mer mit der von Konsumgü- tern mithalten kann. Fred Held nennt ein anschauliches Beispiel: „Das Design hat bei einer Digitalkamera größere formale Spielräume, da diese in sehr großer Stückzahl, mit aufwendigeren Gehäusever- fahrenstechniken hergestellt wird. Dieser Unterschied wird oftmals kaum in die Bewer- tung einbezogen.“ Dennoch fühlen sich die Designer kei- neswegs falsch verstanden. Sie wissen: Im Klinik- und Praxis- alltag geht es um Gesundheit und Verantwortung für kran- ke Menschen. Deren Bedürf- nisse und Wünsche müssen im Mittelpunkt des Entwurfspro- zesses stehen. Oft genug, be- V A R I A
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Medica 2002
Form und Funktion als Erfolgsfaktor
Design in der Medizintechnik verdient mehr Aufmerksamkeit.
Der Inkubator Caleo (Design: milani d&c) wurde einer Kinder- wiege nachempfun- den. Auch die Innen- gestaltung hebt sich positiv von dem nüchternen Erschei- nen anderer Inkuba- toren ab. Hersteller:
Dräger (Medica, Halle 11/J39) Werkfoto
richtet Fred Held, ignoriere der Designer dabei die Ko- stenrechnung und ringe um die optimalste Lösung „für bes- sere Ergonomie, Handhabbar- keit, Übersichtlichkeit, Rei- nigbarkeit“.
Durch intelligentes und zu- gleich feinfühliges Produkt- design das Wohlbefinden und Heilungsprozesse zu unter- stützen — davon ist auch Brit- ta Pukall überzeugt. Sie ist Geschäftsführerin und Part- nerin der „milani d&c AG“ in Zürich. Das 1963 von Fran-
cesco Milani gegründete De- signatelier zählt ebenfalls Me- dizin- und Reha-Unterneh- men zu seinen Kunden. Für Pukall liefert die Frauen- und Kinderheilkunde mit die be- sten Beispiele für die Not- wendigkeit einer menschen- gerechten Gestaltung von me- dizinischen Apparaten. So seien Inkubatoren in der Re- gel eher abstoßende und angst- einflößende Geräte. Durch eine äußere Anlehnung an ei- ne Kinderwiege und eine sen- sible Innenausgestaltung ge-
lang es ihrem Team, dem hoch technisierten Brutkasten
„caleo“ eine freundliche An- mutung zu verleihen. Auch die von „milani d&c“ gestal- tete Brustpumpe „Symphony“
ist durch ihre weiche Gestal- tung besser auf die Bedürfnis- se einer jungen Mutter zuge- schnitten als konventionelle Pumpen. Zweifelsohne lässt sich mit solchen Produkten auch eine Image- und Ver- kaufsförderung für die Her- steller in der Medizintechnik erwirken. Innovative Herstel-
ler wie Roche Diagnostics, 3M Medica, Dräger Medical oder Phonak hearing systems wis- sen um die Wirkung guten De- signs auf Abverkäufe und das Image des Unternehmens.Wie bei anderen Investitionsgü- tern gilt auch für Messgeräte, Mikroskope oder Stative: Je vergleichbarer sie sind, desto wichtiger werden die weichen Faktoren für die Kaufentschei- dung. Bei „milani d&c“ erfor- schen die Gestalter deshalb vor jedem Auftrag die spezifi- sche „emotionale Imagerich- tung“ der Hersteller. „Durch diese Methode erfüllen die medizinischen Produkte so nicht nur in hohem Maße ih- re Funktion, sondern sie drücken mit sehr hoher Wie- dererkennbarkeit auch die spe- zifische Firmenqualität aus“, sagt Designerin Britta Pukall.
Immer mehr Anbieter in der Medizintechnik erkennen den Wert der guten Form und Funktion. Dies gilt selbst für das Segment der Mikrogerä- te. So hat etwa Dürr Dental viel Entwicklungs-Know-how in seine „VistaCam2“ ge- steckt, eine kleine Intraoral- kamera für den Zahnarzt.
Das Handstück des Geräts läuft schmal zu und wiegt nur 200 Gramm. Frank Bantle V A R I A
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Von links: 1. Vistacam CL mit Ladegerät (Design: ID Design, Hersteller: Dürr Dental GmbH Co KG, 74321 Bie- tigheim-Bissingen). 2. Littmann-Stethoskop (Design und Hersteller: 3M, Medica, Halle 06/F06). 3. Der PTCA- Katheter Larus (Design: Held + Team), Adapterstück für Ballonkatheter zur Weitung der Koronararterien.
Hersteller: B. Braun Melsungen (Medica, Halle 06/D20,A03). 4. Das Produkt Thora Flow 2000 (Design: Held + Team) dient der Regulierung eines sehr schwachen Unterdrucks zur Absaugung von Körperflüssigkeiten aus dem Thorax-Bereich. Hersteller: Greggersen (Medica Halle 11/B56). 5. Weiche und feminine Formen bei der Brustpumpe Symphony (Design: milani d&c). Hersteller: Medela (Medica, Halle11/J41). 6. OES Pro Resekto- skop (Design: Held + Team). Hersteller: Olympus Winter & Ibe (Medica Halle 10/E10). 7. Omnitest Sensor (De- sign: Held + Team) für die Diabeteskontrolle. Hersteller: B. Braun Petzold (Medica Halle 6/D20). Werkfoto