DEUTSCHES lrnZTEBLATT
Heft 16 vom 23. April 1982
Mitte März wurden im Deut- schen Bundestag die Erfahrun- gen mit dem Arzneimittelgesetz (AMG) 1976 diskutiert. Am 1.
Januar 1978 war das Gesetz in Kraft getreten. Damals hatte der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, nach vier Jahren die Erfahrungen mit den neuen Regelungen zu dokumentieren.
Parlamentarier aller Fraktionen zogen letzten Monat eine im ganzen positive Bilanz: Sie wa- ren mit dem AMG-Bericht der Bundesregierung durchaus zu- frieden. Abgesehen von einigen P.etailfragen bewertet auch die Arzteschaft die bisherigen Erfah- rungen mit dem Arzneimittelge- setz als im ganzen positiv.
Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen
Bundestag: Zufrieden
mit dem Arzneimittelgesetz
Erfahrungen der letzten vier Jahre wurden im Parlament diskutiert
Verbesserungsvorschläge sollten nach Ansicht von CDU-MdB Dr.
Hanna Neumeister nach Möglich- keit ohne "tiefgreifende" Geset- zesänderungen verwirklicht wer- den. Eine gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Zahl von Kombinationspräparaten berge beispielsweise die Gefahr einer Bedürfnisprüfung. "Opfer" einer solchen Maßnahme wären vor al- lem die Naturheilmittel, die aus mehreren Wirkstoffen bestehen und nicht nach den Maßstäben der wissenschaftlichen Pharmakolo- gie bewertet werden können. SPD- MdB Wolfgang Rayer war anderer Meinung: Jeder zusätzliche Korn- binationspartner bringe aus der Sicht der SPD zumindest tenden- ziell ein höheres Gefährdungspo- tential ein.
Staatssekretär Professor Dr. med.
Georges Fülgraff hatte am 16. Fe- bruar den AMG-Bericht gegen- über der Presse erläutert: ln den ersten vier Jahren habe sich das Arzneimittelgesetz grundsätzlich gut bewährt. Darin bestehe Über- einstimmung bei allen beteiligten und interessierten Kreisen.
Auf einigen Gebieten sei wegen des Fehlans von Erfahrungen ein abschließendes Urteil noch nicht möglich. ln anderen Bereichen je- doch würden die bisherigen Erfah- rungen den Erwartungen nicht entsprechen. Dies gelte vor allem für die Erfassung jener Arzneimit- tel, die sich bereits 1976 im Umlauf befanden, sowie allgemein für Arz- neimittel der besonderen Heilver- fahren. Daher zeichne sich bereits jetzt in Einzelpunkten die Notwen-
digkeit von Gesetzesänderungen ab.
Aus der Sicht der Bundesregie- rung gilt dies als Postulat oder- je nach Gewichtung und Dringlich- keit - im Sinne möglicher Erwä- gung für folgende Punkte:
~ Bei allen Arzneimitteln soll eventuell ein offenes Verfalldatum angegeben werden. Laut AMG-Be- richt zeichnet sich allerdings ab, daß auch ohne gesetzliche Ver- pflichtung die meisten Fertigarz- neimittel in absehbarer Zeit ein solches Verfalldatum tragen wer- den. Diese Entwicklung wird von der Bundesregierung ausdrück- lich begrüßt.
~ Die Bundesregierung setzt sich für eine besondere Arztinforma- tion ein. Auf diese Weise können die Packungsbeilagen der Medika- mente von solchen Erläuterungen entlastet werden, die für den Arzt bestimmt, für den Patienten aber unverständlich sind. Neben der Gebrauchsanweisung für Patien- ten würde dann eine getrennte Arzneimittelinformation für Fach- kreise beigelegt (dazu auch Heft 12/1981 ).
~ Bei Kombinationspräparaten sollen die Kombinationspartner zur positiven Beurteilung des Arz- neimittels beitragen. Jeder Partner soll seinen Beitrag zur Wirksam- keit des Präparats leisten und un- erwarteten Effekten entgegen- wirken.
~ Die Abgabe von Arzneimittel- mustern soll eingeschränkt wer- den. Die Zahl der "Pröbchen", die den Ärzten von der pharmazeuti- Ausgabe AlB DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 16 vom 23. April1982 71
Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen Arzneimittelgesetz
sehen Industrie zur Verfügung ge- stellt werden, hätte das Maß des- sen, was zur Erprobung erforder- lich und deshalb gesetzlich er- laubt ist, bei weitem überstiegen.
Von der Bundesregierung wird die neue verschärfte Selbstbeschrän- kungsregelung der Pharmaindu- strie begrüßt. Die weitere Entwick- lung soll aufmerksam verfolgt wer- den. Gesetzliche Maßnahmen wer- den dann vorgeschlagen, wenn die freiwillige Regelung nicht bald zu einer deutlichen Einschrän- kung der Musterabgabe führt. Als gesetzliche Möglichkeit wurde an- geführt: "Eine Beschränkung der Abgabe von Mustern auf neu zu- gelassene Arzneimittel und für die Dauer von bis zu drei Jahren, oder für alle Arzneimittel die Begren- zung der Muster, die jährlich je Arzneimittel und Arzt abgegeben werden dürfen." Nach Angaben der Apothekerschaft, der pharma- zeutischen Industrie sowie nach Erhebungen bei Praxisauflösun- gen geht die Bundesregierung da- von aus, daß in den Schränken der niedergelassenen Ärzte angeblich Arzneimuster im Wert von mehre- ren 100 Millionen DM lagern.
~ Die Entwicklung von Arznei- mitteln soll in der Betriebsord- nungsermächtigung berücksich- tigt werden. Eine entsprechende Erweiterung des Paragraphen 54 AMG hält die Bundesregierung für notwendig.
~ Über das geltende Recht hin- aus könnte die Pharmaindustrie zur Meldung unerwünschter Wir- kungen verpflichtet werden. Die Bundesregierung erwägt auch, mit maschinenlesbaren Aufkle- bern die Informationen über den Arzneimittelverbrauch zu verbes- sern. Die Etiketten mit den Anga- ben über Bezeichnung, Darrei- chungsform und Packungsgröße könnten beim Verkauf der Arznei- mittel abgelöst und auf das Re- zeptblatt übertragen werden.
~ Die Bestimmungen über die klinischen Prüfungen sollten über- wacht werden. Die Bundesregie- rung verwies darauf, daß es bisher keinen Grund gebe, die Durchfüh-
rung der klinischen Prüfung von einer staatlichen Genehmigung abhängig zu machen. Ebenso soll- te zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon abgesehen werden, die An- hörung einer Ethik-Kommission vor Beginn der klinischen Prüfung gesetzlich vorzuschreiben. Zu- nächst will die Bundesregierung abwarten, welchen Beitrag die ärztliche Selbstverwaltung zur Lö- sung bisher noch offener Proble- me leisten kann.
~ Als erstrebenswert wird eine personell, institutionell und finan- ziell gute Ausstattung der "klini- schen Pharmakologie" bezeich- net. Hinsichtlich der Feldversuche nach der Zulassung von Arznei- mitteln begrüßt die Bundesregie- rung die vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie im Rahmen der Selbstkontrolle bei der wissenschaftlichen Informa- tion der Fachkreise für Feldstu- dien getroffenen Regelungen: Darin werden die wissenschaftli- chen Anforderungen an derartige Studien formuliert und nicht ge- rechtfertigte Zuwendungen an Ärzte untersagt. Auf diese Weise will man verhindern, daß Feldver- suche für Werbezwecke miß- braucht werden. Appelliert wird an alle Beteiligten, insbesondere die ärztlichen Standesorganisationen, sich intensiver mit der Problema- tik der Feldstudien zu befassen.
Dabei sollte nach Ansicht der Bun- desregierung darauf hingewirkt werden, daß die Annahme von nicht gerechtfertigten Zuwendun- gen durch Ärzte unterbleibt. Auch hier soll zunächst die weitere Ent- wicklung beobachtet werden.
~ Nur ein kleiner Teil der Arznei- mittel des deutschen Marktes ist nach den neuen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes zugelas- sen. Für alle übrigen Arzneimittel gilt die gleichsam fiktive "Zulas-
sung" nach den Übergangsbe-
stimmungen. Die Bundesregie- rung hat Maßnahmen getroffen, um bereits während der Über- gangszeit die Spaltung des deut- schen Arzneimittelmarktes in neue Medikamente und Altpräparate
abzubauen. RG
KURZBERICHTE
Leistungs- wettbewerb zwischen
Freien Berufen und TÜV
Empfehlungen
des Mittelstandsbeirates
Henning Hilimann
Der Beirat für Fragen des ge- werblichen Mittelstandes und der Freien Berufe beim Bundesminister für Wirt- schaft ("Mittelstandsbeirat") hat sich in einer Empfehlung mit dem Verhältnis von Technischen Überwa- chungsvereinen (TÜV) und Freien Berufen befaßt (zu diesem Thema auch der Bei- trag: "Leistungsfähigkeit qualifizierter Freiberufler besser nutzen" in den Hef-
ten 11 und 12/1982). Als
Grundlage der Empfehlung diente dem Beirat eine Ver- öffentlichung der Bundesre- gierung vom November
1981, in der die Tätigkeitsbe-
reiche der Technischen Überwachungsvereine ana-
lysiert werden.
Der Mittelstandbeirat hat dem Bundesminister für Wirtschaft im Februar in einer Fünf-Punkte-Stel- lungnahme empfohlen, auf folgen- des hinzuwirken:
CD
"Da das Verhältnis zwischen TÜV und freien Berufen in erhebli- chem Umfang von der Nachfrage- praxis der öffentlichen Hand be- stimmt wird, sollten staatliche Stellen in Bund, Ländern und Ge-meinden eine Vergabe stets im
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