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DEUTSCHE S
Ä RZTE BLATT
Ärztliche Mitteilungen
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
Arzneimittel- Richtlinien
für die Praxis neu gefaßt
Zum 1. Januar 1979 in Kraft getreten Preisvergleichsliste eingearbeitet
Die Arzneimittel-Richtli- nien,
die der Bundesaus- schuß der Ärzte und Kran- kenkassen bereits am 19.
Juni 1978 beschlossen hat, sind im Bundesanzeiger Nr. 235/78, Beilage 30/78, vom 15. Dezember 1978 veröffentlicht worden. Sie traten zum 1. Januar 1979 in Kraft. Über die Arznei-
mittelpreis-Vergleichsliste informiert der Aufsatz in diesem Heft auf Seite 105.
Der Wortlaut der Arzneimit- tel-Richtlinien wird auf Sei- te
114 ff. bekanntgemacht.Selten ist die Neufassung von Richtlinien des Bundesausschusses auf so viele Schwierigkeiten gestoßen wie gerade bei den Arzneimit- tel-Richtlinien. Insbesondere waren es Rechtsfragen, die das Bun- desministerium für Arbeit und Sozialordnung veranlaßten, diese Richtlinien zunächst einmal zu beanstanden. Auch nach erneuten Beratungen des Bundesausschusses und den zusätzlichen Ände- rungen ließ die amtliche Veröffentlichung auf sich warten.
Grund für die Überarbeitung der Arzneimittel-Richtlinien war einmal der durch das „Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz"
(KVKG) neu formulierte § 368 p Abs. 1 RVO, nach dem in speziellen Richtlinien die Arzneimittel so zusammenzustellen sind, daß dem Arzt der Preisvergleich und die Auswahl therapiegerechter Verord- nungen erleichtert wird. Darüber hinaus war eine Neufassung des- halb notwendig, weil im Rahmen von „Kostendämpfungsmaßnah- men" in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesaus- schuß auf Anregung des Bundesarbeitsministers Überlegungen dar- über anzustellen hatte, ob der Katalog nach Nummer 18 der Richtli- nien alter Fassung mit den nicht zu Lasten der Krankenversicherung verordnungsfähigen Arzneimitteln erweitert werden könnte.
Nach intensiven Diskussionen mit Sachverständigen hat sich der Bundesausschuß dazu entschlossen, diesen Katalog, der in den neuen Richtlinien unter Ziffer 21 zu finden ist, um eine Reihe von Mitteln und Arzneien zu ergänzen. Dazu gehören: Abmagerungsmit- tel, Zellulartherapeutika sowie Geriatrika, soweit sie der Beeinflus- sung physiologischer Alterserscheinungen dienen, aber auch Insek- ten-Betäubungsmittel und andere. Es handelt sich dabei um Mittel, die entweder keine Arzneimittel sind oder bei denen eine Verord- nung zu Lasten der Krankenkassen den Bestimmungen des § 368 e RVO widerspricht, d. h. deren therapeutische Wirksamkeit nicht voll gesichert zu sein scheint. Die Entscheidungen des Bundesaus- schusses über den erweiterten Katalog sollten als gemeinsamer Beitrag von Ärzten, pharmazeutischer Industrie und Versicherten zur Dämpfung der Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Gebiet der Arzneimittelversorgung gesehen werden. I>
Heft 2 vom
11. Januar 1979 61Die Information:
Bericht und Meinung Arzneimittel-Richtlinien
Nach den Richtlinien haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Aufgabe, die bei der kassen- ärztlichen Versorgung teilneh- menden Ärzte hinsichtlich einer nach den Regeln der ärztlichen Kunst „zweckmäßigen, ausrei- chenden und wirtschaftlichen"
Arzneiverordnung zu beraten. Da- bei setzt die Wirtschaftlichkeit ei- ner Verordnung voraus, daß das verordnete Arzneimittel in seiner handelsüblichen Zubereitung hin- sichtlich seines therapeutischen Nutzens durch den Hersteller aus- reichend gesichert ist.
Auskunft über
therapeutischen Nutzen eines Arzneimittels
Gab es darüber Zweifel, so hat sich bisher auf Antrag die Arznei- mittelkommission der deutschen Ärzteschaft mit der Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit ei- nes Arzneimittels beschäftigt und entsprechende Stellungnahmen abgegeben, die über die Kassen- ärztlichen Vereinigungen an die Kassenärzte gelangten. In den neuen Richtlinien ist die Arznei- mittelkommission der deutschen Ärzteschaft nicht ausdrücklich er- wähnt. Die Kassenärztlichen Ver- einigungen können aber auch wei- terhin dann, wenn Zweifel am the- rapeutischen Nutzen eines Arznei- mittels oder einer Arzneimittel- gruppe bestehen, Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen ein- holen. Diese sind zunächst der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) mitzuteilen, die dann über die Weitergabe verfügt. Die frühere Kann-Bestimmung ist in den neuen Richtlinien durch eine Soll-Bestimmung sogar verdeut- licht worden, nachdem eine sach- verständige Auskunft von der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung dann einzuholen ist, wenn eine solche von einer Kassenärztlichen Vereinigung oder einem Bundes- verband der Krankenkassen ange- regt wird.
Der Bundesarbeitsminister hatte hiergegen zunächst rechtliche Be-
denken erhoben und sich in seiner Beanstandung der Argumentation eines Teiles der pharmazeutischen Industrie angeschlossen, wonach aus der Zulassung eines Arznei- mittels im Rahmen des neuen Arz- neimittelgesetzes auch die Ver- ordnungsfähigkeit dieses Arznei- mittels in der kassenärztlichen Versorgung hervorginge. Folgt man dieser Auffassung, dann er- scheint eine erneute Überprüfung der therapeutischen Wirksamkeit dieses Arzneimittels für die kas- senärztliche Versorgung rechtlich unzulässig.
Einen anderen Standpunkt hat der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen eingenommen.
Seiner Meinung nach regelt die
ZITAT
Ganzheitliche Medizin
„Wenn man heute der freien Praxis den Vorwurf macht, sie bevorzuge eine auf mo- derne Daten gestützte Dia- gnostik, sie huldige der so- genannten Apparatemedizin und sie mißachte den An- spruch der Bevölkerung auf eine notwendige ,ganzheitli- che Medizin', kann man der freien Praxis nicht Funktio- nen entziehen, die integraler Bestandteil einer ganzheitli- chen Erfassung des unter- suchten und zu behandeln- den Menschen sind. Eine solche Argumentation wäre unglaubwürdig, und als tra- gender Be.standteil der Kritik an den Ärzten wäre sie wertlos."
Dr. med. Dietrich Maiwald, Präsident der Landesärzte- kammer Baden-Württem- berg (Neckarhausen) anläß- lich eines Anhörungsverfah- rens des baden-württem- bergischen Landtags über
„Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes"
Zulassung eines Arzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz nur die Verkehrsfähigkeit, das heißt, die Abgabemöglichkeit des Arz- neimittels in der Apotheke. Mit ei- ner Zulassung kann in Anbetracht des unzulänglichen Wirksamkeits- nachweises nach dem neuen Arz- neimittelgesetz und im Hinblick darauf, daß alle bei Inkrafttreten des Gesetzes auf dem Markt be- findlichen Arzneimittel für zwölf Jahre zunächst einmal pauschal zugelassen sind, keine abschlie- ßende Aussage für die Verord- nungsfähigkeit von Arzneimitteln in der kassenärztlichen Versor- gung verbunden sein. Nur bei the- rapeutisch ausreichend gesicher- tem Nutzen kann bei der Arznei- mittelverordnung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprochen werden.
II> Der Bundesarbeitsminister hat letztlich gegen die entsprechende Formulierung in den Richtlinien keine Beanstandung mehr erho- ben, so daß der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Kas- senärztlichen Vereinigungen nach wie vor das Recht eingeräumt ist, gutachtliche Stellungnahmen bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft über den therapeutischen Nutzen eines Arz- neimittels einzuholen. Die Kassen- ärzte können auf dieser Basis ent- sprechend über therapeutischen Nutzen oder über den fehlenden therapeutischen Nutzen beraten werden.
Fristgerecht ist es dem Bundes- ausschuß auch gelungen, eine Preisvergleichsliste zusammenzu- stellen und diese in die Arzneimit- tel-Richtlinien einzuarbeiten. Dar- über wird ausführlich in diesem Heft auf Seite 105 berichtet.
Erstellung einer
„Negativliste"
außerordentlich schwierig Die Ankündigung der „Transpa- renzkommission" beim Bundes- gesundheitsamt in Berlin, für ei- nen Teilbereich (Indikationsgebiet
62 Heft 2 vom 11. Januar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Studierende an den deutschen Hochschulen
Wintersemester 66,3% 7,8% 6,1% 18,1% 1,7%
davon an Universitäten / /
Pädagogischen Hochschulen
/ /
Kunsthochschulen Gesamthochschulen Fachhochschulen Seit Wintersemester 1970/71 erhöhte sich die Zahl der an den Universitäten und Hochschulen (einschließlich Kunst- und Fachhochschulen) eingeschrie- benen Studenten von rund 510 500 auf 914 200 im Wintersemester 1977/78.Gut ein Drittel von ihnen waren weibliche Studierende. Wie das Statistische Bundesamt, Wiesbaden, kürzlich mitteilte, hat sich erstmals seit Jahren 1977/78 die Zahl der Studienanfänger im Vergleich zum Jahr davor leicht verringert. Rückläufig ist allein die Zahl der männlichen Studienanfänger, wohingegen sich die Studierbereitschaft der weiblichen Abiturienten bei allen Hochschularten spürbar erhöhte „Zahlenbilder"/DÄ
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
„Herzmuskelinsuffizienz”) eine Arzneimittel-Transparenzliste in Kürze zu veröffentlichen, hat die Arbeit des Bundesausschusses zwar verzögert, jedoch nicht we- sentlich behindert. Sobald die er- ste Liste der „Transparenzkom- mission" im „Bundesanzeiger"
veröffentlicht ist, wird zu prüfen sein, ob und wenn ja, in welcher Form die Transparenzliste in die Preisvergleichsliste eingearbeitet werden kann. Dabei muß es das Ziel sein, für die Kassenärzte zu einer einheitlichen und brauchba- ren Information über verordnungs- fähige Arzneimittel zu kommen und dabei ihre Entscheidungen zu erleichtern und nicht zu erschwe- ren und zu komplizieren.
Die Arbeit, die das „Krankenversi- cherungs-Kostendämpfungsge- setz" dem Bundesausschuß aufer- legt hat, ist im Bereich der Arznei- mittelversorgung durch die Neu- fassung der Arzneimittel-Richtli- nien noch nicht erschöpft. Nach
§ 368 p Abs. 8 RVO hat er unter Berücksichtigung der Therapie- freiheit und der Zumutbarkeit für die Patienten in Richtlinien zu be- schließen, welche Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen, die ih- rer allgemeinen Anwendung nach bei geringfügigen Gesundheits- störungen verordnet werden, nicht oder nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen.
Der Bundesausschuß hat zunächst versucht, aufgrund der Anhörung von Sachverständigen den Begriff der „geringfügigen Gesundheits- störungen" zu definieren und die- sen Begriff bestimmten Arzneimit- telgruppen zuzuordnen.
Das ist auf außerordentliche Schwierigkeiten gestoßen, so daß die Beratungen jetzt dahin ge- hen müssen, andere Hilfskrite- rien zu prüfen, nach denen eine
„Negativliste" erstellt werden kann. Der Gesetzgeber hat hierfür keine Frist gesetzt — sicherlich in Kenntnis der Komplexität dieser Materie. HW/DÄ
Bundesgesundheitsrat votiert zugunsten
der Krankenpflegeschulen
Die Ausbildung in den Pflegeberu- fen soll nach Auffassung des Bun- desgesundheitsrates vorrangig in
„Berufsfachschulen besonderer Art" — sprich: an den bestehenden Pflegeschulen der Krankenhäuser
— erfolgen. Das ergibt sich aus ei- nem Votum der Vollversammlung des Bundesgesundheitsrates, die am 12. Dezember 1978 in Bonn tagte. Die Empfehlung ist um so bemerkenswerter, als der Bundes- gesundheitsrat damit der Auffas- sung des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, dem der „Rat" als Beratergre- mium attachiert ist, widerspricht.
Die Empfehlung zugunsten der Pflegeschulen ist Teil eines umfas- senden Votums über eine einheit- liche Ausbildung aller nichtärztli- chen Heilberufe. Wie der Vorsit- zende des einschlägigen Aus- schusses des Bundesgesundheits- rates, der frühere Präses der Ham- burger Gesundheitsbehörde, Dr.
Zylmann, erläuterte, sollen die Ausbildungsvorschriften für alle
nichtärztlichen Heilberufe — mit Ausnahme des Psychotherapeu- ten und des Heilpraktikers — in ei- nem Rahmengesetz zusammenge- faßt werden. Die Ausbildung solle auf einer einheitlichen Grundbil- dung aufbauen und drei Jahre dauern.
Nach Auskunft von Staatssekretär Prof. Dr. med. Hans-Georg Wolters vom Bundesgesundheitsministe- rium will man auch die Weiterbil- dung dieser Heilberufe regeln; da- bei solle eine Zersplitterung und eine zu weitgehende Spezialisie- rung (Wolters führte als Beispiel für einen „Sackgassenberuf" die Zytoassistentin an) vermieden werden.
Der Bundesgesundheitsrat sprach sich weiter für eine Verlängerung der Arzthelferinnen-Ausbildung auf drei (bisher zwei) Jahre aus;
darin soll ein Berufsbildungs- grundjahr enthalten sein. Die Aus- bildung selbst soll weiterhin in den Praxen geleistet werden. Die Emp- fehlung des Bundesgesundheits- rates in dieser Frage dürfte weit- gehend dem im Bundesgesund- heitsministerium bereits seit Herbst 1978 vorliegenden Verord- nungsentwurf entsprechen.
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