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Archiv "Infektionsprophyhlaxe: Suche nach Infizierten ist effektiv" (30.04.2010)

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A 810 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 17

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30. April 2010

INFEKTIONSPROPHYHLAXE

Suche nach Infizierten ist effektiv

Der internationale Flugverkehr ist die Hauptursache für eine weltweite Verbreitung neuer Krankheitserreger. In der Frühphase einer Pandemie ist ein „Entry Screening“

von Passagieren und Personal an Flughäfen sinnvoll. Ein Erfahrungsbericht des Gesundheitsamtes Düsseldorf mit der Eindämmungsstrategie gegen A/H1N1

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on der Weltgesundheitsorga- nisation (WHO) wurde im April 2009 bekanntgegeben, dass sich in Mexiko und den USA Pa- tienten mit einem bis dahin unbe- kannten Influenzastamm infiziert hatten. Diese initial als „Schwei - negrippe“ bezeichnete Erkrankung wurde im Verlauf als A/H1N1 oder Neue Influenza bezeichnet (1). Am 11. Juni wurde durch die WHO auf- grund der anhaltenden Mensch-zu- Mensch-Übertragung in mehreren Kontinenten die Pandemiestufe 6 ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt gab es der Statistik zufolge etwa 30 000 Erkrankte und 144 Todesfälle (2).

Da es im April und Mai noch nicht zu einer Ausbreitung der Neuen Influenza in Deutschland gekommen war, wurde vor dem Hintergrund der ungewissen Leta- lität und Kontagiosität von A/H1N1 mit einem „Entry Screening“ der Flugreisenden aus Mexiko und den USA begonnen, wie es die WHO im Rahmen der Internationalen Ge- sundheitsvorschriften bei gesund- heitlichen Notlagen internationaler Tragweite empfiehlt. Dadurch soll- te Zeit gewonnen werden, um sich

auf mögliche Folgen einer Pande- mie besser vorbereiten zu können.

Im Rahmen einer Eindämmungs- strategie (Containment) am Flugha- fen Düsseldorf International wurden ab dem 29. April bis zum 9. Juli auf Weisung des Ministeriums für Ar- beit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen die aus Nord- und Mittelamerika einreisen- den Flugpassagiere durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes auf die Sym - ptome einer bestehenden Infektion mit dem A/H1N1-Virus untersucht.

In wenigen Tagen reiste das Virus von Amerika nach Europa

Im Verlauf wurden die Kontrollen auf Flüge aus Großbritannien und den spanischen Urlaubsgebieten aus- gedehnt. Die Durchführung dieser Kontrollen erfolgte auf der Grund- lage von Aussteigerkarten (Passenger Locator Cards, PLC), die bereits während des Fluges durch die Crew an alle Passagiere ausgeteilt wurden.

Lagen Symptome gemäß den zu dieser Zeit gültigen Falldefinitionen des Robert-Koch-Instituts vor, er- folgte eine weitere Diagnostik und gegebenenfalls eine Quarantäne. Die

engen Kontaktpersonen wurden er- fasst und ebenfalls einer Quarantäne unterzogen. Etwa vier Wochen nach Etablierung des „Entry Screening“

wurde in Düsseldorf erstmals eine Infektion mit A/H1N1 bei einer aus den USA zurückgekehrten Familie festgestellt. Ab Mitte Juli wurden ebenfalls Kontrollen bei Busreisen- den aus den Feriengebieten des Mittelmeerraums, hauptsächlich aus Spanien, durchgeführt.

Die Düsseldorfer Erfahrungen ha- ben gezeigt, dass das von der WHO geforderte „Entry Screening“ zumin- dest in der Frühphase einer Pande- mie möglich ist. Allerdings ist der personelle und finanzielle Aufwand beträchtlich. Die Maßnahmen waren nur durch frühzeitigen Einsatz zu- sätzlicher Honorarkräfte von den Mitarbeitern des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes dauerhaft zu be- wältigen. Auch die Hotline für die Beantwortung von Fragen der Be- völkerung sowie von rückkehrenden Reisenden hat sich in der angespann- ten Situation sehr bewährt.

Beim Screening von Passagieren ist eine gute Kooperation mit den Fluggesellschaften und dem Betrei- ber des Flughafens eine zwingende Voraussetzung. Bei den Airlines, die keine eigenen Mitarbeiter vor Ort ha- ben, ist die schnelle Informationswei- tergabe deutlich schwieriger. Eine enge Koordination zwischen öffentli- chem Gesundheitsdienst, dem Flug- hafenbetreiber sowie den Airlines war in Düsseldorf durchgehend gege- ben. Aber: Eine engere und belastba- re Abstimmung mit den Verantwort- lichen der umliegenden Kommunen wäre wünschenswert gewesen.

Früh war ein einheitliches Pro - zedere beim Umgang mit Kontakt- personen festzulegen. Insbesondere musste bestimmt werden, welcher Woher kommen

die Passagiere?

Das ist die ent- scheidende Frage,

um gezielt nach Reisenden und Flugpersonal mit verdächtigen Krankheitszeichen suchen zu können.

Foto: picture alliance/SZ

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30. April 2010 A 811 Umkreis um den Indexfall im Flug-

zeug als ansteckungsverdächtig an- zusehen war. Naturgemäß hängt dies in hohem Maß von der festge- stellten Erkrankung ab. Dazu darf das Potenzial der Crew, Infektionen an Fluggäste zu übertragen, nicht unterschätzt werden. Hier sind vor allem Flugbegleiter zu nennen, die nach unserer Feststellung gesichert A/H1N1 übertragen haben.

Rasche PCR-Diagnostik bei verdächtigen Symptomen

In Düsseldorf wurden Reisende mit festgestellten Krankheitssymptomen zur weiteren Diagnostik ins Univer- sitätsklinikum gebracht, wo ein Ab- strich zur PCR-Untersuchung auf A/H1N1 durchgeführt wurde. Als Problem erwies sich häufig der Transport des Gepäcks der betroffe- nen Personen. Es galt, Vorbehalte gegenüber „infektionsverdächtigen“

Gepäckstücken zu überwinden. Im Rahmen eines akuten Ausbruchs, noch mehr natürlich bei einer Pande- mie, ist eine ausreichende Ausrüs- tung an Material essenziell. Im Düs- seldorfer Gesundheitsamt wird hier- für immer eine Grundausstattung (FFP-2/3-Masken, Schutzanzüge, Handschuhe) vorgehalten, um auch bei Lieferengpässen ausreichend ge- rüstet zu sein. Die Influenzapande- mie hat auch die Problematik der Desinfektion von Flugzeugen ver- deutlicht, die immer nur mit Mitteln erfolgen kann, die vom jeweiligen Flugzeughersteller zugelassen sind.

Auch dazu ist es sinnvoll, im Vor- feld eine Absprache über das Proze- dere mit den Airlines beziehungs- weise dem zuständigen Desinfektor zu bewirken. Eine frühzeitige Ein- bindung der seriösen Medien ist un- erlässlich, um den teils irrationalen Ängsten der Bevölkerung zu begeg- nen. Die SARS-Epidemie hat ein- drücklich gezeigt, dass durch ein korrektes Screening von Passagieren und Containment die Ausbreitung wirksam verhindert werden kann (4).

Das in Düsseldorf praktizierte Vorgehen des strengen Containments hat initial dazu geführt, dass frühzei- tig A/H1N1-Patienten identifiziert werden konnten, so dass in der Früh- phase der Pandemie eine statistische Häufung der Fälle in der Region Düs-

seldorf auffiel. Gründe hierfür sind vor allem in der aktiven Fallermitt- lung (active case finding) zu suchen.

Rückblickend war das Prozedere des Containments insofern erfolg- reich, da gezeigt wurde, dass inner- halb kürzester Zeit ein wirksames

„Entry Screening“ organisiert wer- den konnte. Aus heutiger Sicht mag die Maßnahme zu streng erschei- nen, im Frühjahr 2009 lagen die Voraussetzungen zur Entscheidung anders und wurden auch rückbli- ckend richtig getroffen: Der Aus- breitung einer offensichtlich hoch- infektiösen Erkrankung mit noch weitgehend unbekannter Virulenz musste wirksam begegnet werden.

Die Kosten der Infektionsab- wehrmaßnahmen sind erheblich. So wurden bis zum 18. Januar 2010 für die Stadt Düsseldorf Gesamtkosten in Höhe von etwa 560 000 Euro verursacht. Hiervon entfielen auf den Bereich der Personalkosten (Honorarkosten, Kosten für Zeitar- beitskräfte, ausgezahlte Überstun- den) circa 410 000 Euro und auf den Bereich der Sachkosten (Laborleis- tungen, Materialkosten, Fahrtkos- ten et cetera) etwa 150 000 Euro.

Bei unzureichender Information über die Virulenz einer sich schnell ausbreitenden Infektionserkrankung würden die Verantwortlichen sicher wieder genauso handeln müssen in der Erkenntnis, dass durch striktes Containment eine Einschleppung wirksam behindert werden kann. In der Organisation würde zum Scree- ning von Reisenden neben Ärzten schneller speziell geschultes Assis- tenzpersonal zusätzlich eingesetzt werden. Diese Ergänzung führt zu einer deutlichen Kosteneinsparung und hat den Vorteil, dass kurzfristig auf mehr Personal zurückgegriffen werden kann. Der infektiologisch versierte Arzt vor Ort bleibt jedoch unverzichtbar.

Organisatorisch wichtig bleibe die Vorbereitung und frühzeitige flexible Angleichung kooperativer Strukturen – beginnend am Flughafen mit dem Betreiber, in unserem Fall der Flug- hafen Düsseldorf GmbH, und den Fluggesellschaften, den Mitarbeitern der beteiligten Rettungsdienste, der Flughafenfeuerwehr und der Be- rufsfeuerwehr Düsseldorf, und vor

allem für Diagnostik und Therapie mit dem Universitätsklinikum Düs- seldorf.

Eine zentrale Aufgabe für uns alle bleibt die verbindliche Angleichung des Vorgehens auf den deutschen Flughäfen mit einem vergleichbaren Screening unter Verwendung glei- cher Aussteigerkarten. Nach WHO- Vorgaben sind diese zu verwenden, einheitliche Vorgaben müssen jedoch erfolgen, um die Verwendung schon für die Crews, die die PLC verteilen, zu erleichtern und um in der folgen- den Bearbeitung die schnelle maschi- nelle Lesbarkeit zu gewährleisten.

Die medizinische Begutachtung von Reisenden wird immer arbeits- und zeitintensiv sein, selbst bei guter Vorbereitung wird es deshalb zu einer Verzögerung des normalen Flugbetriebs kommen. Ein „Entry Screen ing“ bindet während der Laufzeit bei einem höheren Auf- kommen an interkontinentalen Flü- gen erhebliche Ressourcen und muss sicherlich kritisch diskutiert werden.

Bundeseinheitliche Strategien bei Pandemie wünschenswert

Eine Pandemie erfordert von allen Beteiligten ein außerordentlich ho- hes Maß an Flexibilität und Im - provisationsvermögen, das auch bei noch so dezidierter Planung nötig sein wird. Die kritische Reflexion nach Beendigung der Maßnahmen und deren Evaluation unter Einbe- ziehung aller Beteiligten bestätigt die grundsätzliche Effizienz des Düssel- dorfer Vorgehens. Eine interessante Erfahrung der Influenzapandemie war, dass die vor Jahren festgelegten kommunalen Pandemiepläne nur sehr wenig zur Beherrschung der Situation herangezogen wurden. Die Erfahrungen mit der Influenzapande- mie werden sicher dazu beigetragen, die Pandemieplanungen künftig „mit mehr Leben“ zu füllen. Es ist zu hof- fen, dass einer erneuten Pandemie mit einem bundeseinheitlichen Vor- gehen begegnet wird. ■

Dr. med. Klaus Göbels MPH Prof. (BG) Dr. med. Heiko Schneitler Gesundheitsamt Düsseldorf Kölnerstraße 180, 40227 Düsseldorf E-Mail: klaus.goebels@duesseldorf.de

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1710

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 17/2010, ZU:

INFEKTIONSPROPHYHLAXE

Suche nach Infizierten ist effektiv

Der internationale Flugverkehr ist die Hauptursache für eine weltweite Verbreitung neuer Krankheitserreger. In der Frühphase einer Pandemie ist ein „Entry Screening“

von Passagieren und Personal an Flughäfen sinnvoll. Ein Erfahrungsbericht des Gesundheitsamtes Düsseldorf mit der Eindämmungsstrategie gegen A/H1N1

LITERATUR

1. World Health Organisation (WHO): Influen- za-like illness in the United States and Mexico. URL: www.who.int./csr/

don/2009_04_24/en/index.htm 2. World Health Organisation (WHO): DG

Statement following the meeting of the Emergency Committee URL: www.who.int./

csr/disease/swineflu/4th_meeting_ihr/en/

index.html

3. http://www.who.int/csr/disease/influenza/

extract_PIPGuidance09_phase5_6.pdf 4. Gaber W, Goetsch U, Diel R, Doerr HW, Gottschalk R: Screening for Infectious Diseases at international Airports: The Frankfurt Model Aviation, Space and Envi- ronmental Medicine. 2009; 80(7):

595–600.

5. Ralph Steven Baric: ARS-CoV: Lessons for global health Virus Res. 2008; 133(1): 1–3.

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