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Archiv "KRANKENHAUS: Früher wecken — eine Folter" (26.04.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Universitäre Ausbildung

punktion ausführen kann, wäre klar- zustellen, daß diese Techniken we- der früher noch heute dem Studen- ten an der Universität so vermittelt werden können, daß er sie wirklich praktisch beherrscht. Die Untersu- chung des Augenhintergrundes da- gegen, sollte sie von Allgemeinärz- ten, Internisten, Psychiatern, Neuro- logen und Neurochirurgen ge- wünscht werden, wäre eine Fertig- keit, die vermutlich an den Universi- tätskliniken erlernt werden könnte.

Die in den definitiven Katalog der praktischen Lernziele aufgenomme- nen Fertigkeiten müßten dann aller- dings in einer Prüfung nachgewie- sen werden, die diesen Namen auch verdient. Was nicht enthalten ist, muß in den Weiterbildungsordnun- gen verankert werden. Während der Weiterbildung können diese Techni- ken dann fachspezifisch und weit- aus gründlicher erlernt werden als an der Universität.

Schwierigkeiten des Ausbildungsziels

Das Ausbildungsziel eines weiter- und fortbildungsfähigen Arztes stößt auf standespolitische, tarifrechtliche und juristische Bedenken und Schwierigkeiten. Auch laufen die aus einem solchen Ausbildungsziel abgeleiteten Konsequenzen, näm- lich eine vertiefte theoretische und eine reduzierte praktische Grund- ausbildung der Medizinstudenten, dem gegenwärtigen unreflektierten Trend zu einer sogenannten praxis- nahen Ausbildung diametral entge- gen. Das skizzierte Konzept hat aber nicht nur die allgemeine bildungs- politische Erkenntnis für sich, mög- lichst vielseitig einsatzfähige, an veränderte Bedingungen anpas- sungsfähige Berufsanfänger auszu- bilden, sondern hätte noch eine Rei- he weiterer Vorteile.

Das Medizinstudium an der Hoch- schule könnte mit dem 2. klinischen Studienabschnitt abgeschlossen werden, einschließlich der auf einen wesentlichen Kern reduzierten prak- tischen Ausbildung. Der EG-Forde- rung auf mindestens 5500 Unter- richtsstunden müßte gegebenenfalls durch Wiedereinführung einer ge-

nügend langen Pflichtfamulatur und andere Maßnahmen Rechnung ge- tragen werden. Die Universitäten würden von Unterrichtsstoff befreit, der für 70 bis 80 Prozent der Studen- ten in ihrem künftigen Beruf bedeu- tungslos ist. Die Verschiebung des Unterrichtsangebots von der prakti- schen auf die theoretische Seite ent- spricht sowohl vom Prinzip her als vor allem auch unter praktischen Gesichtspunkten weitaus besser Auftrag und Möglichkeiten der Uni- versität. Die Erlernung spezieller praktischer Kenntnisse und Fertig- keiten sollte zum größeren Teil in die nachuniversitäre Weiterbildungs- phase verlagert werden, in der sie gezielter und vor allem auch besser erfolgen kann.

Entscheidende Fragen bleiben offen

Diese Überlegungen und Vorschlä- ge werden vermutlich auf Wider- spruch stoßen. Man kann z. B.

durchaus geteilter Meinung sein, ob man am Konzept eines akademisch gebildeten Arztes festhält, der sei- nen Beruf auf wissenschaftlicher Basis ausübt. Wenn ja, kommt man an den oben dargelegten Konse- quenzen kaum vorbei, wenn nein, müßte man einen ganz anderen oder verschiedene Ausbildungsgänge diskutieren. Ebenso muß man sich klar darüber werden, schon im Inter- esse unserer Bevölkerung, was dem approbierten Arzt an eigenverant- wortlicher Tätigkeit erlaubt sein soll, was er hierzu an praktischer Ausbil- dung erhalten haben muß und was die Universität hiervon anbieten kann.

Solange diese Ziele nicht definiert sind, lassen sich die Ausbildungsin- halte, einschließlich des Umfangs der praktischen Ausbildung, nicht festlegen. Jedenfalls scheint es we- nig sinnvoll, kosmetische Korrektu- ren an einer Approbationsordnung vorzunehmen, in der entscheidende Fragen offengelassen worden sind.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Klaus Dietrich Bock Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität (GHS) Essen Hufelandstraße 55 4300 Essen

BRIEFE AN DIE REDAKTION

KRANKENHAUS

Zur Diskussion um mehr Humanität:

Früher wecken - eine Folter

Das frühe Wecken ist eine wesentli- che Belastung der Patienten im Krankenhaus. Viele Menschen sind an sich Langschläfer, gerade viele Kranke haben morgens ihren zwei- ten Tiefschlaf. Die Belastung durch frühes Wecken ist für diese Men- schen keine Bagatelle.

Ich bin sicher, daß kaum ein Arzt weiß, wie früh die meisten Patienten geweckt werden. Bei Erkundigun- gen höre ich sehr oft folgendes Schema: 5 Uhr Fiebermessen und Pulskontrolle, dann nichts, 6 Uhr Waschen, dann nichts, 7 Uhr Früh- stück, dann nichts, bis zur Visite, Verbandswechsel usw.

Es ist ernst gemeint, wenn ich er- wähne, daß das wiederholte Wecken bei Gefangenen als Folter ange- wandt wird. Das frühe Wecken ist auch nicht dadurch ausgeglichen, daß der Tag früh endet mit Abend- essen um 17 Uhr. So schnell kann der kranke Mensch seinen Tages- rhythmus nicht ändern.

Organisatorisch kommt das frühe Wecken daher, weil der Nachtdienst Fiebermessen, Waschen erledigen soll. Das müßte sich ändern lassen, ohne den Krankenhausbetrieb zu stören.

Es müßte auch eine Verordnung bei der Visite möglich sein: In diesem Zimmer erst um 7 Uhr oder 8 Uhr wecken. Es gibt nur wenige Patien- ten, bei denen das frühe Wecken nötig ist: die ersten auf dem Op.- Programm, stillende Mütter, Labor- kontrollen, die von der Uhrzeit ab- hängig sind.

Das frühe Wecken entspricht auch keineswegs immer den Wünschen der Schwestern. Ich weiß, daß viele verheiratete Schwestern durch den frühen Dienstbeginn Schwierigkei- ten haben, den Ehemann oder auch ihre Kinder richtig zu versorgen. >

1186 Heft 17 vom 26. April 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Vorbeugen ist besser und billiger als heilen. Das ist eine Binsenwahrheit.

Man sollte deshalb meinen, daß die- se Erkenntnis auch in der Praxis un- seres Gesundheitswesens realisiert wird. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Es ist leider eine Tatsache:

Unser Gesundheitssystem ist bisher fast ausschließlich auf die Krank- heitsbehandlung ausgerichtet. Die vorbeugende Medizin wird bislang sehr stiefmütterlich behandelt. Des- halb ist es sehr zu begrüßen, daß kürzlich ein „Programm der Bun- desregierung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit 1978-1981"

veröffentlicht wurde. Zu begrüßen ist ferner, daß für die Realisierung dieses Programms ein Betrag -von über 19 Milliarden DM bereitgestellt wurde. Darin heißt es u. a.: „Wenn die heutigen Zivilisationskrankhei- ten erfolgreich bekämpft werden sollen, muß die vorwiegend kurative, auf die Behandlung des Einzelfalles gerichtete Medizin in wesentlich stärkerem Maße als bisher durch vorbeugende Gesundheitsmaßnah- men ergänzt werden." Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Aller- dings muß man sich darüber im kla- ren sein, daß dieses Ziel durch For- schungsprogramme allein nicht er- reicht werden kann.

Die Rolle des praktischen Arztes Der Hauptteil unseres Gesundheits- wesens liegt in den Händen prakti- scher Ärzte. Schon allein daraus er- gibt sich, daß ohne ihre aktive Mitar- beit auch das beste Programm scheitern muß. Von einem solchen Programm sind wir jedoch noch weit entfernt.

Man mag es bedauern oder nicht:

Das ärztliche Ethos ist in unserer materiell ausgerichteten Welt in Ge- fahr, immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. Auch Ärzte sind Kinder ihrer Zeit. Sie sind weder eine „weiße Mafia", wie manche Kri- tiker meinen', noch sind sie „Halb- götter in Weiß", die sich aus reinem Idealismus im Dienste ihrer Patien- ten aufreiben.

Kritik an der bisherigen Handhabung

des Numerus clausus

Leider ist zu befürchten, daß das ärztliche Ethos in Zukunft noch viel stärker in den Hintergrund treten wird als bisher. Die bisherige Hand- habung des Numerus clausus scheint geradezu darauf angelegt zu sein. Der Notendurchschnitt im Ab- Briefe an die Redaktion

Die Lösung läge sicher darin, daß die Dienstzeiten nicht durch Ablö- sung erfolgen, sondern sich über- schneiden. Ich möchte empfehlen durch einen Aufruf zur Stellungnah- me bei Chefärzten, Rundfragen bei noch diensttuenden Stationsschwe- stern, Schwesternverbänden, even- tuell auch bei Patienten, Anregun- gen zur Änderung dieser unphysio- logischen Belastungen der Kranken herbeizuführen.

Dr. med. E. A. Josten Anemonenweg 6 5300 Bonn 1

PSYCHIATRIE

Zu dem Artikel „Die Psychiatrie-Enquete war überflüssig" unterstreicht ein An- staltsdirektor noch einmal, was vom Au- tor und von der Bundesregierung über- einstimmend als „veränderte Ausgangs- lage" apostrophiert worden war:

Vergangene Realitäten

Mit der Psychiatrie-Enquete endet ein dramatisches Kapitel der psych- iatrischen Anstaltsgeschichte: Sie hat uns den „großen Sprung nach vorwärts" gebracht. Die Bedeutung der Psychiatrie-Enquete liegt mithin in der von der Bundesregierung jetzt getroffenen Feststellung, „ . . daß allein schon durch die Expertenar- beit und das Erscheinen des Berich- tes eine Reihe von Aktivitäten aus- gelöst worden ist, die wie ein Re- formanstoß wirkten."

Denn nun war es nicht mehr mög- lich, daß einer, der die vorherige

„Not im psychiatrischen Kranken- haus" anprangerte, interkollegial als Nestbeschmutzer angefeindet wur- de, als Marktschreier — so Dr. Filbin- ger in Baden-Württemberg — und Utopist, oder/und daß ein disziplina- risches Rügeverfahren gegen ihn durchgeführt wurde. Die später so- genannten „brutalen Realitäten" in den Anstalten wurden am Ende er- kannt und anerkannt. Sie gehören heute der Vergangenheit an.

Dr. med. Erich Haisch Psychiatrisches Landeskrankenhaus 7752 Reichenau

FORUM

Stiefkind Präventivmedizin

Ferdinand Schmidt

Der Verfasser ist interessierten Lesern gewiß kein Unbekannter. Er hat sich in den letzten Jahren einige Male hier zu Wort gemeldet, zumeist in Zusammenhang mit dem — auch in diesem Beitrag aufgegriffenen — Thema Rauchen und Gesundheit. Er ist Mitglied eines Sachverständi- genbeirates der WHO. Darüber hinaus beschäftigt er sich im folgen- den jedoch generell mit Krankheitsverhütung als einer gesundheits- politischen Aufgabe. Er beklagt, daß unser Gesundheitswesen bisher zu sehr auf Krankheitsbehandlung ausgerichtet ist. Ein Umdenken sei erforderlich. Als mögliches Zeichen für eine beginnende Neuorientie- rung nimmt Schmidt Ausführungen im „Programm der Bundesregie- rung zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit 1978-1981". Auch dieser Beitrag ist. wie schon frühere, bewußt provokativ formuliert.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 vom 26. April 1979 1187

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