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Archiv "Morbi-RSA: Gerangel um „korrekte“ Codierung" (30.01.2009)

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A172 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 5⏐⏐30. Januar 2009

P O L I T I K

S

eit diesem Jahr erhalten die Krankenkassen für jeden Versicherten eine Kopfpauschale aus dem Gesundheitsfonds. Um höhere Behandlungskosten auszu- gleichen, wird für 80 Erkrankungen ein Zuschlag aus dem morbiditäts- orientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) gezahlt. Damit für ei- nen Versicherten Ausgleichzahlun- gen fließen, muss über einen Zeit- raum von zwei Quartalen eine ent- sprechende Diagnose vorliegen.

So bemühten sich die ersten Krankenkassen schon Ende letzten Jahres um eine „Nachcodierung“

ihrer Versicherten. „Kassenvertreter versuchen, Ärzte zu ködern, um Diagnosen zu korrigieren. Das kann Ärzte zu Fehldiagnosen verleiten“, befürchtet Dr. med. Andreas Köh- ler, der Vorstandsvorsitzende der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung.

In Niedersachsen besuchten etwa Vertreter der AOK Ärzte in ihren Praxen und baten sie, die Diagnose von einzelnen Patienten zu überprü- fen. Dies wurde nach Angaben der Kasse mit zehn Euro je Patienten- akte belohnt. „Dabei ging es uns um die korrekte Codierung der Pa- tienten“, betont Klaus Altmann, Sprecher der AOK Niedersachsen.

Den Vorwurf des sogenannten Up- coding, das möglichst hohe Einstu- fen von Patienten, weist Altmann zurück. „Fehlerhafte Codierungen wurden sowohl in die eine als auch in die andere Richtung geändert.“

Das Bundesversicherungsamt (BVA), zuständig für die Verteilung des Morbi-RSA, verurteilt ein sol- ches Vorgehen jedoch grundsätz- lich. „Krankenkassen dürfen schon aus datenschutztrechtlichen Grün- den bei den Ärzten keine Daten für den Morbi-RSA erheben“, sagt BVA-Sprecher Theo Eberenz. Denn um Ärzte zur Überprüfung be-

stimmter Patientenakten auffordern zu können, müssen sie Daten über die Patienten gesammelt haben, auf die die Kassen nach Ansicht des BVA nicht zugreifen dürften. So wurden etwa der DAK entsprechende Initiativen zur Überprüfung der Diagnose vom BVA untersagt.

Die regionalen Krankenkassen unterstehen aber nicht wie die bun- desweit agierenden Kassen der Auf-

sicht durch das BVA, sondern der der jeweiligen Landesbehörde. In Niedersachsen fand diese das Vorge- hen der AOK Niedersachsen nicht rechtswidrig. Doch gerade diese un- einheitliche Rechtsauffassung kann zu einer verzerrten Verteilung des Morbi-RSA führen. Eine gleichmä- ßige Zunahme an Morbi-RSA-rele- vanten Diagnosen bei allen Kassen würde „lediglich zur Verwässerung der Erkrankungszuschläge führen und im Gesamteffekt ein Nullsum- menspiel bleiben“, erklärt Dr. Tho- mas Grobe vom Institut für Sozial-

medizin, Epidemiologie und Ge- sundheitssystemforschung in Han- nover. „Kassen- oder regionalspezi- fisch forcierte Diagnoseerfassungen führen hingegen zu ungleichen und im Sinne des Morbi-RSA nicht be- absichtigten Verteilungen.“

In Bayern wird diese Situation mittlerweile genutzt, um Druck auf die Kassen auszuüben. Dr. med.

Wolfgang Hoppenthaller, Vorsitzen- der des Bayerischen Hausärztever- bands e.V., ruft in einem Rund- schreiben an seine Kollegen dazu auf, „derzeit ausschließlich für die AOK die Codierung“ zu prüfen.

Hintergrund: Nur mit der AOK hat der Bayerische Hausärzteverband bisher einen Hausärztevertrag ge- schlossen. Dadurch wird nicht nur der AOK Bayern ein Wettbewerbs- vorteil eingeräumt, sondern ebenso Druck auf die anderen Kassen aus- geübt, entsprechende Hausarztver- träge abzuschließen. „Die Codie- rung ist nicht Bestandteil des Ver- trags mit dem Bayerischen Hausärz- teverband“, stellt Michael Leonhart, Sprecher der AOK Bayern, den Sachverhalt klar. Dennoch sieht der Vertrag wohl ab dem zweiten Quar- tal 2009 eine höhere Zahlung für entsprechend codierte Patienten vor.

„Jeder Patient, den Sie als RSA-Pa- tienten mehr identifizieren, bringt mehr Honorar“, schreibt Hoppen- thaller in seinem Rundbrief an die Kollegen.

Der Präsident des Bundesversi- cherungsamts, Josef Hecken, kün- digte an, dass „Daten, von denen wir annehmen, dass sie auf gesetzwid- rige Weise beschafft wurden, nicht im Morbi-RSA“ berücksichtigt wür- den. „So stellen wir sicher, dass sich keine Krankenkasse ungerechtfer- tigte Vorteile zulasten der anderen Kassen verschaffen kann.“ n Dr. rer. nat. Marc Meißner

MORBI-RSA

Gerangel um „korrekte“ Codierung

Mit der Einführung des Gesundheitsfonds werden die Beiträge der GKV-Versicherten morbiditätsabhängig verteilt. Dies macht nicht nur kranke Mitglieder für die Kassen interessanter, sondern setzt auch Anreize, Patienten kränker zu machen, als sie sind.

Auf gesetzwidrige Weise beschaffte Daten werden nicht berücksichtigt.

Josef Hecken, Präsident des Bundesversicherungsamts

Foto:Becker & Bredel

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