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Archiv "Tonsillektomie: Indikation aus heutiger Sicht" (11.03.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Über viele Jahre galt die Tonsillek- tomie (TE) als ein segensreicher Eingriff, deren Indikation von ei- ner breiten Palette von Erkrankun- gen bestimmt war. Inzwischen ist eine der am häufigsten ausgeführ- ten Operationen zwar ein Routine- eingriff geblieben, die Indikation zur TE jedoch umstritten und oft Gegenstand kontroverser Diskus- sionen geworden. Die ablehnende Haltung der Kinderärzte gegen- über der Tonsillektomie ist augen- scheinlich.

Auch unter den Hals-Nasen-Oh- ren-Ärzten sind die Meinungen ge- teilt: Sie reichen von einer großzü- gigen Indikation zur TE bereits im frühen Kindesalter bis hin zur zweifelnden Frage, ob ein derarti- ger Eingriff in diesem Lebensab- schnitt überhaupt vertretbar ist.

Erst kürzlich wurde das Thema Tonsillektomie ebenso ausführlich wie einseitig zugunsten einer großzügigen Indikationsstellung in einer Fernsehsendung darge- legt. Folge der einseitigen Infor- mation durch einen Hals-Nasen- Ohren-Arzt war eine Verunsiche- rung von Patienten und Ärzten, wodurch die Diskussion erneut angefacht wurde. Es erscheint jetzt wichtig, das so emotional be- handelte Thema durch Fakten zu versachlichen und daran die Frage anzuschließen, ob und unter wel- chen Voraussetzungen die Tonsill- ektomie auch heute noch ein sinn- voller Eingriff ist.

Pathologisch-anatomische und immunologische Aspekte Der Aufbau der Gaumenmandeln ist gekennzeichnet durch die schlauchförmigen, mit einem Plat- tenepithel ausgekleideten Kryp- ten. Mit ihrer Lichtung zur Mund- höhle geöffnet, dienen sie der Oberflächenvergrößerung des Or- gans und ermöglichen damit eine breite Kontaktfläche mit der bakte- riellen Mischflora der Mundhöhle.

Wichtiges Merkmal des Oberflä- chenepithels der Krypten stellt sei- ne Retikulierung, eine netzartige Auflockerung dar, wodurch eine Kommunikation zwischen der an- tigenen Umwelt und dem unter dem Epithel gelegenen lymphore- tikulären Gewebe ermöglicht wird.

In auffälliger Weise sind die im- munaktiven lymphatischen Sekun- därfollikel im Bereich der retikulä- ren Epithelzone gelegen. Im histo- logischen Bild erkennt man in den retikulierten Zonen eine Durchset- zung des Epithels mit Lymphozy- ten, die als immunkompetente Zel- len den Kontakt mit dem mikro- biellen Krypteninhalt herstellen.

Es liegt eine „lympho-epitheliale Symbiose" zwischen der antigen- reichen Außenwelt und dem im- munologisch aktiven lymphati- schen Gewebe vor. Von besonde- rer Bedeutung sind dabei die Lym- phozyten des B- und T-Systems, die in der Gaumenmandel in cha- rakteristischer Weise angeordnet sind.

Die Indikation zur Tonsillekto- mie bei Kindern sollte interdis- ziplinär zwischen Kinder- und Hals-Nasen-Ohren-Arzt abge- sprochen werden. Nach den immunologischen Untersu- chungsergebnissen ist die Gaumenmandel offensichtlich kein „überflüssiges " Organ.

Unter Berücksichtigung vor- liegender Fakten empfiehlt es sich, die Tonsillektomie nicht vor dem vollendeten vierten Lebensjahr durchzuführen.

Der breite Kontakt mit dem anti- genreichen Krypteninhalt und dem immunaktiven lymphatischen Gewebe ermöglicht in besonde- rem Maße beim Kind eine Informa- tion über die zahlreichen Antige- ne, mit dem es in den ersten Le- bensjahren konfrontiert wird.

Die immunologisch ausgelösten Abwehrreaktionen bewirken dann nicht nur an Ort und Stelle eine Infektabwehr. Durch sogenannte Botenlymphozyten werden Infor- mationen über das Antigen auch an das übrige lymphatische Gewe- be gegeben und dadurch ein all- gemeiner Abwehrmechanismus mit der Bildung von Antikörpern in Gang gesetzt.

In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Siegel (3) ) von Bedeutung, daß anhand der Quan- titäten von B- und T-Zellanteilen offensichtlich ein Funktionsmaxi- mum im 4. bis 5. Lebensjahr liegt.

Da bei Kindern häufig entzündli- che Erkrankungen der Gaumen- mandeln auftreten, läßt sich rück- schließen, daß durch den wieder- holten Kontakt des immunaktiven Gewebes mit dem antigenreichen Krypteninhalt ein Lernprozeß des immunologischen Systems be- wirkt wird, der jedoch nicht aus- schließlich auf die Gaumenman- deln beschränkt ist (4).

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

Tonsillektomie:

Indikation aus heutiger Sicht

Jörg Haubrich

Aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Jörg Haubrich) der Städtischen Krankenanstalten Krefeld

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 10 vom 11. März 1983 65

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Tonsillektomie

Als Hauptargument gegen die Tonsillektomie werden meistens immunologische Aspekte ins Feld geführt. Eingehende serologische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß bei tonsillektomierten Kindern die Antikörpertiter gegen Viren und Bakterien, die für die üblichen Kinderkrankheiten ver- antwortlich sind, in keiner Weise beeinflußt werden. Verlaufskon- trollen bei tonsillektomierten Kin- dern haben fernerhin deutlich ge- macht, daß die Kinder virale und bakterielle Infektionen ohne be- sondere Komplikationen über- standen (5).

Pädiatrische

Aspekte zur Tonsillektomie Der Pädiater Czerny bezeichnete die Tonsillektomie als einen ver- stümmelnden Eingriff. Die sicher- lich überspitzte Formulierung wirft jedoch ein Licht auf die Dis- kussion, die früher und heute noch zwischen Kinderarzt und Hals-Nasen-Ohren-Arzt hinsicht- lich der Tonsillektomie im Kindes- alter geführt wurde und wird. We- der die vollständige Ablehnung der Tonsillektomie noch die zu weit gesteckte Indikation zum Ein- griff werden der Kontroverse nütz- lich sein. Die Argumente weisen in verschiedene Richtungen, wobei den immunologischen Aspekten zu Recht die größte Bedeutung zu- kommen muß.

Der beschriebene immunologi- sche „Lernprozeß" im frühen Kin- desalter, an dem die Gaumenman- deln in erheblichem Maße beteiligt sind, sollte den Arzt zu großer Zu- rückhaltung in der Indikation zur Tonsillektomie veranlassen. Dies bedeutet nicht, daß in dem Zeit- raum niemals eine Tonsillektomie ausgeführt werden darf—sie sollte nur die Ausnahme bleiben. Dabei stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Tonsillektomie im Kindesalter relativ unbedenklich ausgeführt werden kann. Nach den Ergebnissen der immunologi- schen Untersuchungen kann bei entsprechender Indikation ab voll-

endetem 4. Lebensjahr tonsill- ektomiert werden. Der zeitliche Spielraum variiert nach der Litera- tur zwischen dem vollendeten 3.

und 8. Lebensjahr, das vollendete 4. Lebensjahr als zeitliche Grenze dürfte den Gegebenheiten am nächsten kommen.

Als häufigste Indikation zur Ton- sillektomie gelten die rezidivieren- den Anginen, die nach Eintritt des Kindes in Kindergarten und Schu- le durch den engen Kontakt mit anderen Kindern und den damit verbundenen erhöhten Infektions- risiken ein häufiges Ereignis dar- stellen. Zwei bis drei Anginen im Jahr sind keine Seltenheit und be- dingen meistens keine Indikation zur Tonsillektomie. Die Lernfähig- keit des immunologischen Sy- stems vermag oft eine Besserung der Infektanfälligkeit zu bewirken, soweit Ärzte und Eltern die not- wendige Geduld aufbringen und das Kind über eine ausreichende Widerstandskraft verfügt (2). Die Indikation zur Tonsillektomie ist jedoch dann gegeben, wenn das Kind in seinem Allgemeinbefinden und in seiner Entwicklung durch die rezidivierenden Anginen stark beeinträchtigt wird. In einem Ge- spräch zwischen Kinderarzt und Hals-Nasen-Ohren-Arzt wird sich unter Berücksichtigung aller Fak- toren eine richtige Entscheidung treffen lassen.

Im Ablauf der rezidivierenden An- ginen kommt es sehr häufig zu einer starken Mitreaktion der re- gionären Halslymphknoten, die die zweite Barriere gegen den ent- zündlichen Prozeß darstellen.

Wird deren Reaktionsfähigkeit überfordert, stellt sich nicht selten eine persistierende Lymphadenitis colli ein, die bis zur Abszedierung in den betroffenen Lymphknoten führen kann. Wie die klinische Er- fahrung zeigt, leiden diese Kinder oft an heftigen, mit hohem Fieber einhergehenden entzündlichen Veränderungen der Gaumenman- deln, die zu einer erheblichen Stö- rung des Allgemeinbefindens füh- ren können. In derartigen Fällen ist die Tonsillektomie durchaus

angezeigt, wie es sorgfältige Ver- laufsbeobachtungen eindeutig be- legen.

Der im Kindesalter nicht häufig vorkommende Peritonsillarabszeß stellt allerdings eine absolute Indi- kation zur Tonsillektomie dar, die im krankheitsfreien Intervall, mei- stens vier bis sechs Wochen nach Abklingen der abszedierenden An- gina, durchgeführt werden soll.

Schwieriger ist die Frage zu beant- worten, wann eine Hyperplasie der Tonsillen Anlaß zur Tonsillektomie ist. Bei Kindern liegen häufig sehr große Gaumenmandeln vor, wobei nur dann die Frage der TE erörtert werden muß, wenn die Kinder un- ter den großen Gaumenmandeln leiden. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn die Gaumen- mandeln durch eine breite media- ne Kontaktfläche ein erhebliches Schluckhindernis darstellen. In seltenen Fällen kann die Hyperpla- sie extreme Ausmaße annehmen, so daß kardiale und pulmonale Komplikationen beobachtet wur- den. Es bedarf keiner Frage, daß in einem solchen Fall so früh wie möglich die Tonsillektomie ausge- führt werden muß. Oft ist jedoch die Tonsillenhyperplasie ein Zei- chen eines kürzlich abgelaufenen entzündlichen Prozesses, so daß nach einigen Wochen eine deutli- che Rückbildungstendenz zu be- obachten ist.

Deuten klinische und labormedizi- nische Untersuchungsergebnisse auf gehäufte Streptokokkeninfek- te mit Organmanifestationen wie Glomerulonephritis, Karditis und rheumatisches Fieber hin, so soll- te die TE erwogen werden. Sie muß jedoch in dem Zeitraum erfol- gen, in dem die Krankheitserschei- nungen möglichst gering ausge- prägt sind. In jedem Falle sollte dann der Eingriff unter dem Schutz von Antibiotikagaben nach Absprache mit dem Kinderarzt er- folgen.

Häufig suchen die Eltern den Hals- Nasen-Ohren-Arzt oder Kinderarzt mit der Angabe auf, das Kind habe 66 Heft 10 vom 11. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Tonsillektomie

häufig Halsschmerzen, und wahr- scheinlich müßten die Mandeln herausgenommen werden. Hierbei handelt es sich meistens um die im Kindesalter häufig vorkommen- den rezidivierenden Infekte im Be- reich des Waldeyerschen Rachen- ringes. Mit zunehmender Durch- immunisierung wird diese Infekt- häufigkeit mit großer Wahrschein- lichkeit zurückgehen. Deswegen wird auch in den meisten Fällen keine TE erforderlich sein. Man muß sich vor Augen halten, daß derartige Infekte beim Kind ein ganz natürliches Ereignis sind, dem mit angemessenen und von Zurückhaltung geprägten Maß- nahmen zu begegnen ist. Eine re- lative Indikation zur TE kann aller- dings dann gegeben sein, wenn aufgrund entzündlicher Mitbeteili- gung von Trachea und Bronchien der Verdacht entsteht, daß die Tonsillen ursächlich oder mitver- antwortlich für den Krankheitspro- zeß sind. Häufig wird aber eine Adenotomie, also die Entfernung der adenoiden Vegetationen, möglicherweise zu einer Besse- rung des Krankheitsbildes führen.

Als Kontraindikationen für die Tonsillektomie gelten die Gau- menspalte, auch die bereits opera- tiv versorgte, das heißt der nicht ausreichende velopharyngeale Verschluß. Eine nur schwer zu be- handelnde Rhinolalia aperta könn- te die Folge der TE sein. Dies gilt auch uneingeschränkt für die Ade- notomie. Selbstverständlich sollte keine TE bei Blutgerinnungsstö- rungen ausgeführt werden, da es zu lebensgefährlichen Blutungen kommen kann.

Zur Frage der ambulant oder stationär

durchgeführten Tonsillektomie Die postoperative Blutung aus dem Tonsillenbereich ist die häu- figste Komplikation der Tonsillek- tomie. Da sie bedrohliche Ausma- ße annehmen kann, ist die post- operative stationäre Behandlung der Patienten in einem Zeitraum von 6 bis 7 Tagen unabdingbare

Forderung. Jeder noch so versier- te Operateur muß mit einer Nach- blutung rechnen, die sich unmit- telbar an den Eingriff anschließen oder aber 5 bis 6 Tage danach bei der Abstoßung der Wundbeläge aus den Tonsillennischen einstel- len kann. Wegen der großen Ge- fahr der Blutaspiration ist eine sorgfältige Beobachtung, beson- ders der kleinen Patienten, erfor- derlich. Unsere Aufgabe ist es, die- sen Routineeingriff so gefahrlos wie möglich auszuführen.

Die klinischen Erfahrungen vieler Operateure sind ein wichtiges Ar- gument gegen die von wenigen Hals-Nasen-Ohren-Ärzten propa- gierte ambulante Ausführung der Tonsillektomie.

Tonsillektomie im Erwachsenenalter

Nicht selten wird an den Hals-Na- sen-Ohren-Arzt die Frage gerich- tet — und hier schwingt ein un- überhörbarer ironischer Unterton mit —, ob es denn überhaupt eine ganz normale Gaumenmandel ge- be. Die Antwort muß lauten, daß die Tonsillen ein zu entzündlichen Veränderungen durchaus prädis- poniertes Organ darstellen, in dem sich Angriff und Verteidigung et- wa die Waage halten, wie es Flei- scher (1) sehr zutreffend bezeich- net hat. Die Schwierigkeit liegt nur darin, von Fall zu Fall zu entschei- den, in welchem Ausmaß die Gau- menmandel erkrankt ist.

Außerordentlich wichtig ist die Anamnese, der Lokalbefund kann durchaus trügerisch sein, auch la- bormedizinische Daten helfen häufig nicht weiter. Histologische Untersuchungen ergeben fast im- mer entzündliche Veränderungen unterschiedlichen Ausmaßes. In dieser Situation wird der Aus- spruch von Aschoff verständlich, der die Tonsillen als ein „Un- glücksorgan" bezeichnete.

Als absolute Indikation zur Tonsill- ektomie gelten die unterschiedlich großen Tonsillen mit dem Ver-

dacht auf einen tumorösen Pro- zeß, der vom Plattenepithel der

Krypten oder vom lymphoretikulä- ren Gewebe ausgehen kann.

Ebenso ist eine Tonsillektomie an- gezeigt, wenn ein Peri- oder Retro- tonsillarabszeß abgelaufen ist.

Während der Peritonsillarabszeß meistens gut in seiner typischen Position am oberen Pol der Gau- menmandel zu erkennen ist, kann sich der Retrotonsillarabszeß, meistens hinter der Tonsille und am unteren Tonsillenpol gelegen, bei der Untersuchung verbergen, so daß er erst zufällig bei einer Tonsillektomie entdeckt wird.

Die sogenannte Pfropftonsillitis, bei der sich aus den Krypten klei- . ne Pfröpfe entleeren, kommt nach histologischen Untersuchungen bei 70 bis 90 Prozent der Erwach- senen vor, ohne daß man von ei- ner Tonsillitis im engeren Sinne sprechen kann.

Die Reinigung der Krypten geht meistens unbemerkt beim Schluckakt vor sich, nur in weni- gen Fällen muß der Krypteninhalt artifiziell exprimiert werden.

Wenn sich nicht zusätzlich eitriges Sekret aus den Pfröpfen heraus- drücken läßt, was auf einen Krank- heitsprozeß im Tonsillenparen- chym schließen lassen würde, kommt dem Krankheitsbild keine besondere Bedeutung zu. Eine TE ist nur in seltenen Fällen ange- zeigt.

Die rezidivierenden Anginen wer- den beim Erwachsenen wesent- lich seltener als beim Kind beob- achtet. Sie haben jedoch häufig einen schweren Krankheitsverlauf, so daß man als Indikation zur TE zwei bis drei derartige Erkrankun- gen im Jahr ansehen kann.

In einigen wenigen Fällen wird schon eine Angina der Anlaß zur TE sein. Die Altersgrenze für eine solche Tonsillektomie-Indikation kann man um das 50. Lebensjahr festlegen.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 10 vom 11. März 1983 69

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Indikation zur

Tonsillektomie und Fokus

Häufig werden Patienten dem Hals-Nasen-Ohren-Arzt mit der Frage vorgestellt, ob die Tonsillen als ein möglicher Herd für eine andere Organerkrankung, z. B.

Glomerulonephritis oder rheuma- tisches Fieber, in Betracht kom- men könnten. Ganz sicher ist die Frage vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt nicht allein zu beantworten, son- dern sie bedingt eine enge Konsul- tation mit dem praktischen Arzt, Internisten und dem Kinderarzt.

Der Begriff des „Herdes" oder des

„Fokus" war in den letzten Jahren häufig Gegenstand von Diskussio- nen, auf die in diesem Zusammen- hang jedoch nicht näher einge- gangen werden kann. Die Begriffs- bestimmung des sogenannten Fo- kus hat sich sicherlich gewandelt.

Anhand des Beispiels der Glome- rulonephritis soll jedoch auf mög- liche Zusammenhänge zwischen den Gaumenmandeln und der er- krankten Niere eingegangen wer- den. Bei der Glomerulonephritis handelt es sich meistens um eine Immunkomplexerkrankung, bei der sich die Antigen-Antikörper- komplexe an den zur Erkrankung prädestinierten Strukturen in der Niere (Glomerulum) ablagern. In diesen Komplexen wurden wieder- holt Streptokokkenantigene nach- gewiesen. Da die Gaumenman- deln durch ihre Lage und ihre morphologische Struktur hervor- ragend geeignet sind, Streptokok- kenantigene aufzunehmen und auch weiterzuleiten, muß diesem Organ eine besondere Beachtung zugemessen werden. Der Vorgang der Streptokokkenaufnahme kann sich in einer makroskopisch völlig unauffälligen Tonsille abspielen.

Nicht zuletzt weist eine unmittelbar nach einer Angina aufgetretene Glomerulonephritis auf solche möglichen krankheitsauslösenden Ursachen hin. Aus den dargelegten Gründen sollte die TE zur Abriege- lung einer möglichen Streptokok- kenantigeninvasion durchgeführt werden. Wie bereits beschrieben,

muß der Eingriff unter Antibiotika- schutz durchgeführt werden. Die Indikation zur Tonsillektomie und der Zeitpunkt für die Operation müssen in jedem Falle vom prakti- schen Arzt, vom Internisten oder dem Kinderarzt bestimmt werden.

Aus verständlichen Gründen kann in diesem Zusammenhang auf die komplizierten Vorgänge bei der Entstehung der Immunkomplex- krankheiten nur kursorisch einge- gangen werden.

Schlußfolgerung

Die Tonsillektomie kann dann als

„segensreicher Eingriff" gelten, wenn die Indikation das Resultat eines sorgfältigen Abwägens aller Argumente ist. Eine allzu pauscha- le und auf nicht vertretbaren Stati- stiken basierende Indikation ist stets abzulehnen. Das interdiszi- plinäre Fachgespräch gerade zu diesem Thema muß immer wieder aufgenommen und in Gang gehal- ten werden. Der von einigen weni- gen Autoren in letzter Zeit propa- gierten Indikation zur Tonsillekto- mie als Tumorprophylaxe sollte man, mit aller Vorsicht und Zu- rückhaltung ausgedrückt, sehr kri- tisch gegenüberstehen. Die nicht hinreichend wissenschaftlich be- legte Meinung muß zu einer Ver- unsicherung der Patienten führen.

Letztlich gilt es, einen Mittelweg zu finden, der zwischen der extre- men Auffassung, das Tonsillen- karzinom sei die einzige Indikation zur Tonsillektomie, und einer zu weitherzigen Operationsanzeige liegt.

(Meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. med. Adolf Miehlke, zum 65.

Geburtstag gewidmet.) Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Jörg Haubrich Städtische Krankenanstalten Krefeld

Hals-Nasen-Ohren-Klinik Lutherplatz 40

4150 Krefeld 1

Raynaud-Syndrom:

Therapiewirkung von Nifedipin (Adalat®)

Obwohl das Raynaud-Syndrom seit mehr als 100 Jahren bekannt ist, wurde bis heute keine völlig zufriedenstellende Therapie ent- wickelt. Unter den momentan vor- handenen Wirkstoffen ist Nifedi- pin als hochwirksamer Vasodila- tator bekannt geworden, der so- wohl auf das koronare als auch auf das periphere Arterienbett wirkt. Dies führte zu einer Untersu- chung über die Wirkung von Ni- fedipin beim Raynaud-Syndrom.

17 Patienten mit mäßigem bis schwerem Raynaud-Syndrom un- terzogen sich einer sechswöchi- gen randomisierten Doppelblind- Crossover-Studie, um die Thera- piewirkung von Nifedipin mit der von Plazebo zu vergleichen.

Die Häufigkeit und die Schwere der Anfälle wurde durch Nifedipin deutlich reduziert. Die Patienten schätzten die Wirksamkeit von Ni- fedipin bedeutend höher ein als die des Plazebos. 12 der Patienten erachteten Nifedipin als wirksam bei der Herabsetzung der Häufig- keit und der Schwere des Ray- naud-Syndroms. Die Rekonvales- zenzzeiten der Hauttemperatur wurden durch die Behandlung mit Nifedipin nicht beeinflußt.

Nach Meinung der Autoren trägt Nifedipin ganz erheblich zur Ver- besserung der Behandlung von Patienten mit mäßigem bis schwe- rem Raynaud-Syndrom bei; es bleibt abzuwarten, ob sich eine ef- fektive Therapie des Raynaud- Syndroms auf die Prognose von Erkrankungen — z. B. der systemi- schen Sklerose, bei der Gefäß- spasmen möglicherweise an der Erfolgsorganschädigung beteiligt sind — positiv auswirkt. Dpe

Smith, C. D.; McKendry, R. J. R.: Controlled Trial of Nifedipine in the Treatment of Ray- naud's Phenomenon, The Lancet 11 (1982) 1299-1301, R. J. R. McKendry, M. D., Rheuma- tic Disease Unit, Ottawa General Hospital, 501 Chemin Smyth Road, Ottawa, Ontario K1 H 8L6, Canada

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72 Heft 10 vom 11. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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