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Archiv "Die Strahlentherapie von Hautkarzinomen aus heutiger Sicht" (20.05.2005)

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P

lattenepithelkarzinome (spinozellu- läre Karzinome, Spinaliome, SCC) und Basalzellkarzinome (Basalio- me, BCC) der Haut werden heute be- vorzugt chirurgisch behandelt. Die meisten Tumoren lassen sich schnell und einfach ambulant operieren. Große, infiltrierende oder anatomisch ungün- stig gelegene Karzinome bedürfen hingegen der stationären operativen Versorgung, teils mit Narkose, Mikro- chirurgie und gegebenenfalls mit pla- stischer Deckung. Insbesondere bei älteren Patienten kann dies wegen allge- meiner Inoperabilität oder bei operati- ven Grenzsituationen problematisch sein. Manchmal hält man solche Pati- enten dann für „untherapierbar“ und

berücksichtigt nicht die Möglichkeiten der Strahlentherapie. Die hohe Strah- lensensibilität der Basaliome und Spi- naliome ist bekannt und seit mehr als hundert Jahren durch die Erfolge der Röntgenweichstrahltherapie dokumen- tiert. Dies berücksichtigend kann ein Vergleich der zurzeit verfügbaren Be- handlungsmethoden erfolgen und die Indikation zur Strahlentherapie defi- niert werden.

Therapieverfahren

Operation – Kryotherapie, Kürettage und Elektrodesikkation werden bei kleinen oberflächlichen Tumoren am- bulant eingesetzt. Bei den meisten Karzinomen erfolgt jedoch eine am- bulante konventionelle Chirurgie un- ter stichprobenartiger histologischer Kontrolle. Risikofälle wie tief infiltrie-

rende, schlecht abgrenzbare oder un- differenzierte Karzinome sowie Tu- moren ungünstiger Lokalisation und Rezidive erfordern hingegen die mi- krographische Chirurgie mit lückenlo- ser histologischer Aufarbeitung der gesamten Exzisionsränder und nach der Tiefe zu. Dieses, allerdings auf- wendige, Verfahren erreicht die nied- rigsten Rezidivraten (1, 2, 3, 9, 11).

Die strahlentherapeutischen Metho- den – Die Weichstrahltherapie mit Röntgenstrahlen (20 bis 100 kV) ist das häufigste Verfahren bei der radio- logischen Behandlung der Hautkarzi- nome. Die Bestrahlungsplanung be- ruht auf der Gewebshalbwerttiefe (GHWT), die mit der geschätzten Tie- fenausdehnung des Tumors überein- stimmen soll (5, 12). Unter Beachtung moderner Dosierungsregeln können kleine bis mittelgroße Tumoren auf diese Weise einfach und sehr kosten-

Die Strahlentherapie

von Hautkarzinomen aus heutiger Sicht

Zusammenfassung

Obwohl die meisten Hautkarzinome heute ope- riert werden, gibt es wichtige Indikationen für die Bestrahlung. Basalzell- und Platten- epithelkarzinome (BCC, SCC) der Haut lassen sich sehr gut mit ionisierenden Strahlen be- handeln. Die Weichstrahltherapie mit Rönt- genstrahlen wird radiologisch am häufigsten eingesetzt. Durch Änderungen der Dosierungs- konzepte und den Einsatz der Elektronenstrah- lung von Linearbeschleunigern können Neben- und Spätreaktionen im Bestrahlungsbereich minimiert werden. Elektronenstrahlen haben gegenüber Weichstrahlen einen steilen Dosis- abfall zur Tiefe hin und eine wesentlich gerin- gere Strahlenabsorption in Knochen und Knor- pel. Dies schont die unter der Haut gelegenen gesunden Gewebsstrukturen, insbesondere bei Bestrahlung von großen und infiltrierenden Tumoren oder bei Knochenbefall. Die vorge- stellten Langzeitbeobachtungen der ambulan- ten Strahlentherapie komplizierter Hautkarzi- nome zeigen gute kurative Ergebnisse ohne auffallende Spätreaktionen bei sehr günstigen kosmetischen Resultaten. Eine Indikation zur Strahlentherapie von Basal- und Plattenepithel-

karzinomen besteht für alle Tumorstadien bei allgemeiner Inoperabilität. Spezielle Indikatio- nen umfassen die postoperative Bestrahlung, Rezidive und den Knochenbefall. Mikrochirurgi- sche Grenzfälle können bei ausgedehnten, tief infiltrierenden und ungünstig lokalisierten Hautkarzinomen (Ohr, Nase, Augenbereich, Lip- pe, Schädeldach) bestehen. Die Elektronenbe- strahlung bietet sich dann insbesondere bei äl- teren Patienten als gute therapeutische Alter- native an. Die Strahlentherapie der Hautkarzi- nome ist als eine leistungsfähige Ergänzung der chirurgischen Verfahren anzusehen.

Schlüsselwörter: Hautkrebs, Krebstherapie, Strahlentherapie, Indikationsstellung, Basaliom, Plattenepithelkarzinom

Summary

Radiotherapy of Skin Cancer

Radiotherapy is an excellent treatment for cutaneous basal cell- und squamous cell carci- noma (BCC, SCC). Although most skin carcino- mas are resected nowadays there are still indi- cations for radiotherapy. Soft X-rays are most

frequently used for irradiation. Progress in radiooncological techniques has arisen by new radiation dose concepts and the use of mega- voltage electrons from linear accelerators.

Electron beams have the advantage of a rapid fall-off of depth dose and much lower absorp- tion in bone and cartilage than soft X-rays. This protects uninvolved tissue especially when treating large or deep infiltrating tumours.

Cases with long follow up are presented show- ing favourable cosmetic results without negative late radiation reactions. Radiotherapy of BCC and SCC is indicated in case of general inopera- bility for all tumour stages. Special indications are postoperative irradiation, treatment of recurrences, and bone affection. Sometimes large, deep infiltrating or unfavourable localized skin carcinomas (ear, nose, eye-region, lips, crani- um) restrict the surgical approach. Especially in older patients electron beam therapy offers an efficient alternative for treatment. Modern outpatient radiotherapy of skin carcinoma is a valuable addition to surgery.

Key words: skin cancer, cancer therapy, radio- therapy, indication, basal cell carcinoma, squa- mous cell carcinoma

1Karlsruhe

2Klinik für Strahlentherapie und radiologische Onkologie (Direktor: Dr. med. Wulf Haase), St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe

Klaus Reisner1 Wulf Haase2

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günstig behandelt werden (5, 10, 12, 13). Auch größere Tumoren sind mit Weichstrahlen behandelbar. Es gibt hierzu jedoch günstige Alternativen.

Die Elektronentherapie – Zur Kar- zinomtherapie der Haut werden auch Elektronenstrahlen von Linearbe- schleunigern eingesetzt (2 bis 12 MeV) (3, 4, 6, 12, 14). Solche Geräte wer- den inzwischen in allen modernen Strahlenkliniken zur onkologischen Behandlung verwendet. Elektronen- strahlung wirkt ionisierend wie Rönt- genweichstrahlung. Ihr Vorteil gegen- über Weichstrahlen besteht in einer homogeneren Dosisverteilung und ei- nem steilen Dosisabfall zur Tiefe hin.

Damit ist eine bessere Schonung der tieferen, tumorfreien Gewebsschich- ten möglich. Dosiert wird auf das Do- sismaximum, wobei das gesamte Tu- morzielvolumen in der so genannten

„therapeutischen Reichweite“ liegen muss.

Um die Hautoberfläche in den Be- reich der Maximaldosis einzubezie- hen, wird absorbierendes Material in den Strahlengang eingebracht (6, 12, 14). Ein weiterer Vorteil ist, dass Elek- tronenstrahlung den Knochen und Knorpel wegen deutlich geringerer Absorption schont: Röntgenweich- strahlen verursachen im Knochen eine bis zu fünfmal höhere Absorption als in Hautgewebe, wohingegen die Dosis-

anhebung in solidem Knochen durch Elektronenstrahlung nur bei 10 bis 18 Prozent liegt und in Knorpel nicht zum Tragen kommt (6, 12). Die ge- nannten Vorteile nützen insbesondere bei der Bestrahlung von großen oder infiltrierenden Prozessen an Ohr, Na- se, innerem Augenwinkel, über dem Schädeldach sowie bei direktem Be- fall von Knochen und Knorpel (1, 3, 4, 6, 12, 14). Elektronenstrahlen kön- nen im Übrigen Röntgenweichstrah- len gleichwertig ersetzen, falls auch weiterhin zu wenig neue Weichstrahl- therapiegeräte angeboten werden.

Bereits A. Reisner und G. Miescher haben in den 1930er-Jahren aufgrund experimenteller Untersuchungen dar- auf hingewiesen, dass akute und chro- nische Strahlenreaktionen der Haut stark von der Höhe der Einzeldosis abhängen (15). Dies wurde lange un- terbewertet und ist in der Vergangen- heit für viele nachteilige Spätreaktio- nen verantwortlich gewesen. Heute gilt, je größer und komplizierter das Tumorgeschehen ist, desto niedriger sollten die Einzeldosen und desto län- ger die Gesamtbestrahlungszeit ge- wählt werden (Tabelle). Bei fortge- schrittenen und infiltrierenden Tumo- ren geben die Autoren in der Regel Einzeldosen von nicht mehr als 2 bis 3 Gy, drei- bis fünfmal pro Woche, bei Gesamtdosen von 60 bis 70 Gy Elek-

´Tabelle ´

Dosierungsvorschläge für Hautkarzinome (BCC, SCC)

Weichstrahltherapie (Gewebehalbwerttiefe entspricht der Tiefenausdehnung des Tumorherdes)

Feldgröße (Durchmesser) Dosis/Fraktion Gesamtdosis

< 2 cm 5 x 5,0 Gy/Wo 50 Gy

2–4 cm 5 x 3,0 Gy/Wo 54–60 Gy

3 x 4,0 Gy/Wo 48 Gy

Elektronentherapie bei verlaufsangepasster Technik („shrinking field“)

Tumorausdehnung Dosis/Fraktion Gesamtdosis

kleiner Tumor 5 x 3,0 Gy/Wo 60 Gy

tief infiltrierend 5 x 2,0 Gy/Wo 70 Gy

exophytischer oder 4 x 2,5 Gy/Wo 60 Gy

ulzerierter Tumor 5 x 2,0 Gy/Wo 60–68 Gy

großflächiger Tumor 3 x 3,0 Gy/Wo 60–66 Gy

4 x 3,0 Gy/Wo 60–63 Gy

5 x 2,0 Gy/Wo 70–80 Gy

nach 6, 12; BCC, Basalzellkarzinom; SCC, spinozelluläres Karzinom

Abbildung 1: a) 64-jährige Patientin, „Riesen- basaliom“ am Hinterkopf mit Periostbefall, b) 14 Jahre nach Therapie mit Elektronen- strahlung

Abbildung 2: a) 74-jährige Patientin, zwei spi- nozelluläre Karzinome im Nasenbereich, b) 7 Jahre nach Behandlung mit Elektronenstrah- lung und Weichstrahltherapie

a

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a

b

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Abbildung 3: a) 74-Jähriger mit postoperativem Rezidiv eines Ba- salzellkarzinoms in der Nasenregion und tiefer Knocheninfiltrati- on, b) 9 Jahre nach Applikation von Elektronenstrahlung

Abbildung 4: a) 87 Jahre alter Patient mit infiltrierendem Basalzell- karzinom an der Ohrmuschel, b) 4 Jahre nach der Behandlung mit Elektronenstrahlung

Abbildung 6: a) 79-Jähriger mit infiltrierendem, schmerzhaftem spi- nozellulärem Karzinom an der Unterlippe, das die Nahrungsaufnah- me behindert, b) 7 Jahre nach Anwendung von Elektronenstrahlung Abbildung 5: a) 62-jähriger Patient mit sklerodermiformem Basal-

zellkarzinom am Ohr (Tragus, Gehörgang, präaurikulär, Wange und Hals), b) 7 Jahre nach Therapie mit Elektronenstrahlung

Abbildung 7: a) Ulzerierendes Basalzellkarzinom am inneren Au- genwinkel bei 83 Jahre altem Mann, b) 5 Jahre nach Behandlung mit Elektronenstrahlung

Abbildung 8: a) 51-Jähriger mit postoperativem Rezidiv eines Basal- zellkarzinoms an der Oberlippe mit Muskelinfiltration, Beteiligung von Nasenansatz und Wange, b) 7 Jahre nach Elektronenbestrahlung

a b

a b

a b a b

a b

a b

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tronenstrahlen. Kleine, oberflächliche Tumoren (Vorschlag: Felddurchmes- ser bis 3 cm) können auch mit höhe- ren Einzeldosen in kürzerer Gesamt- zeit bestrahlt werden. Bewährte, stan- dardisierte Dosierungsschemata zur Weichstrahl- und Elektronentherapie findet man in der speziellen radio- und dermatoonkologischen Literatur (6, 10, 12, 14).

Fallbeispiele

Die guten kurativen und kosmeti- schen Ergebnisse der Weichstrahl- therapie wurden in der Vergangenheit oft bildlich dokumentiert. Wichtig er- scheint den Autoren jedoch der Nach- weis, dass unter Einbeziehung der erwähnten Fortentwicklung der Be- strahlungsmethoden die guten kosme- tischen Ergebnisse auch langfristig oh- ne Spätschäden erreichbar sind. Dies gilt insbesondere für große oder infil- trierende Prozesse bei ungünstiger Lokalisation, beispielsweise bei einem großen BCC und SCC der Kopfhaut (12). So genannte „Riesenbasaliome“

eignen sich wegen der Kalottennähe bevorzugt für die Elektronentherapie (Abbildung 1).

Die Mitbestrahlung von Knorpel und Knochen ist bei Verwendung von Elektronenstrahlen in der Nasenre- gion unproblematisch (Abbildung 2).

Dies gilt auch für eine postoperati- ve Bestrahlung oder eine postoperati- ve Rezidivbehandlung (Abbildung 3).

Mögliche Inhomogenitäten in der Do- sisverteilung werden bei Nasenbe- strahlung mit Bolusmaterial ausgegli- chen (6, 14).

Größere Ulzerationen und Defekte der Ohrmuschel sowie Karzinome in der Tragusregion (embryonale Ver- schmelzungsebene) und im Gehör- gang heilen kosmetisch sehr vorteil- haft und mit wenig Verstümmelung aus (Abbildungen 4 und 5). Die Elek- tronenbestrahlung ist zu empfehlen (12). Der Hinterohrbereich wird mit strahlenabsorbierendem Material ge- schützt.

Die Bestrahlung des Patienten mit Unterlippenkarzinom (Abbildung 6) erfolgte wegen allgemeiner Inoperabi- lität und Tumorschmerz. Es wurde ein

strahlenabsorbierender Schutz hinter der Lippe eingebracht. Auch bei diffu- sem Lippenbefall oder bei Verdacht auf postoperative Tumorreste ist die Bestrahlung indiziert.

Vor allem schwierig operierbare, größere Tumoren des inneren Augen- winkels lassen sich mit sehr gutem kosmetischem Langzeitergebnis be- handeln (Abbildung 7). Dies gilt auch für den Lidbereich. Spezielle Augen- schalen schützen Linse und Bulbus.

Bei dem in Abbildung 8 vorgestell- ten Patienten bestand ein postope- ratives, tief in die Muskulatur infiltrie- rendes Rezidiv im topographisch ungünstigen Nasolabialbereich. Es wur- de ein Strahlenschutz für den Ober- kiefer hinter der Oberlippe ange- bracht.

Histologie – Es wird diskutiert, ist aber nicht gesichert, dass SCC höhere Strahlendosen erfordern als BCC. Be- kannt ist hingegen, dass unkomplizier- te kleine Basaliome auch mit niedrige- ren Dosen (45 bis 50 Gy) ausreichend behandelbar sind (7). Die spezielle Tu- morform „sklerodermiformes“ (mor- pheaartiges, sklerosierendes) BCC neigt nach Panizzon (10) zu höheren Rezidivraten. Dies schließt eine Strah- lenbehandlung als Alternative jedoch nicht aus, insbesondere, wenn eine mi- krographische Chirurgie nicht mög- lich oder unzumutbar ist: Man sollte die Dosierung im Rahmen der emp- fohlenen Toleranzgrenzen erhöhen, bevorzugt Elektronenstrahlen einset- zen und die Sicherheitszonen um den Tumor und in die Tiefe vergrößern.

Letzteres ist bei Bestrahlung ohne Ein- schränkung durch anatomische Struk- turen gut möglich (Abbildung 5).

Behandlungsergebnisse – Die Hei- lungsziffern liegen bei allen therapeu- tischen Verfahren für kleine bis mittel- große Tumoren (BCC, SCC gemein- sam) bei mehr als 90 Prozent. Konser- vative Chirurgie und Radiotherapie zeigen gleichartige Rezidivraten von drei bis neun Prozent (3,5). Das gilt auch für die Elektronentherapie (4, 8, 14). Die besten therapeutischen Er- gebnisse erreicht die mikrographische Chirurgie mit 95 bis 99,5 Prozent (BCC) und 88 bis 96 Prozent (SCC) lokaler Heilung (3). Die Statistiken schwanken in Abhängigkeit von der

Zusammensetzung des Krankenkol- lektivs. Rezidive und SCC haben schlechtere Heilungsraten als primär behandelte Tumoren oder BCC. Zu großen und tiefreichenden Karzino- men (T3 bis T4) gibt es operativ wie strahlentherapeutisch nur begrenzte Informationen. Vergleichende, pro- spektive Studien wurden bisher nicht durchgeführt. Griep (4) berichtet über Rezidivraten bei Elektronenbestrah- lung von 290 Patienten in Abhängig- keit von der Tumorgröße (Feldgröße):

5,5 Prozent (bis 20 cm2), 6,8 Prozent (20 bis 50 cm2) und 13,8 Prozent (> 50 cm2).

Weitere Gesichtspunkte

Strahleninduzierte Tumoren – Sie tre- ten in Hautbereichen, die zuvor mit Tumordosen behandelt wurden, sehr selten auf (5). Patienten unter 50 Jah- ren sollte man trotzdem vorrangig operieren.

Spätreaktionen – Radiodermatitis und Narbenulzera sind bei Anwen- dung der erwähnten Dosierungssche- mata und richtiger Technik auch bei einem großen Patientenkollektiv heu- te extrem selten (unter 1 Prozent [2]).

Auch die Autoren beobachteten bei mit 2 bis 3 Gy Einzeldosis bestrahlten, langzeitig beobachteten Tumoren kei- ne auffallenden Spätreaktionen (Ab- bildungen 1 bis 8). Eine gelegentliche, symptomlose Hautatrophie, Telean- giektasie oder Alopezie akzeptierten die Patienten durchaus, weil das kos- metisch und funktionell sehr gute The- rapieergebnis als entscheidend ange- sehen wurde.

Rumpf und Extremitäten – Diese, der Sonnenstrahlung wenig ausgesetz- ten Hautpartien neigen bei kutaner Radiotherapie zu verstärkten Strah- lenreaktionen. Ist eine Radiotherapie nicht zu umgehen, muss über die Mög- lichkeit verstärkter Narbenbildung und eines Radioderms aufgeklärt wer- den.

Begleitbehandlung – Eine radioge- ne trockene oder erosive Dermatitis ist, je nach Tumorausdehnung, ver- schieden häufig zu erwarten und kein Hinweis auf eine behinderte Abhei- lungstendenz. Letztere sollte aber

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durch eine kontinuierliche Hautpflege gefördert werden: Eucerinkalkwasser- salbe (Eucerinum anhydricum, aqua calcarea aa ad 100,0) oder Linolin- Fettcreme eignen sich für das akute Hauterythem ebenso wie für die Dau- erpflege der Narbenregion. Bei stär- keren exsudativen Reaktionen haben die Autoren mit dem Einsatz von Acti- haemyl-(Activegin-)Gel und -Creme gute Erfahrungen gemacht. Cortico- steroidpräparate sollte man nur be- grenzt einsetzen. Bei Superinfektion empfiehlt sich die lokale Anwendung von Antibiotika zum Beispiel in Ver- bindung mit Gittertüll oder Gaze.

Kosten – Diese liegen nach den Sät- zen der Gesetzlichen Krankenkassen für ambulante Bestrahlungsserien mit Weichstrahltherapie zurzeit bei 118 bis 182 Euro, mit Elektronenbestrah- lung bei 783 bis 1 150 Euro.

Indikationen zur Strahlentherapie

Die Zahl der Bestrahlungen von Hautkarzinomen ist in den letzten Jah- ren erheblich zurückgegangen. Dies liegt nicht an der Qualität der radiolo- gischen Verfahren. Die Strahlenthera- pie hat sich durch die geschilderten Weiterentwicklungen sogar verbes- sert. Es wird heute seltener bestrahlt, weil die meisten Basaliome und Spina- liome technisch einfach, ambulant und in einer einzigen Sitzung chirurgisch entfernt werden können. Der Satz,

„was operiert werden kann, soll ope- riert werden“ liegt nahe. Allerdings nur dann, wenn als Grenze nicht allein das chirurgisch Machbare, sondern auch das therapeutisch Zumutbare ge- meint ist. In diesem Grenzbereich er- geben sich drei Indikationsgruppen für die Bestrahlung (Kasten).

Allgemeine Inoperabilität – Hohes Alter ist der wichtigste Grund. 70 Jah- re werden in der Regel als Grenzalter für größere Operationen empfohlen.

Die Entscheidung sollte aber individu- ell nach den im Kasten genannten Ge- sichtspunkten erfolgen. Nicht zu un- terschätzen sind psychische Probleme bei älteren Menschen. Diese führen manchmal zu Operationsverweige- rung oder zu Angstreaktionen wegen

eines stationären Aufenthalts. Werden solche Patienten als untherapierbar eingestuft, leiden sie auch bei hohem Alter unter dem Stigma ihres Ausse- hens. Die Strahlentherapie kann lang- fristig helfen (Abbildungen 2, 4, 6, 7).

In der Regel wird sie mehrere Wochen beanspruchen: Die Patienten akzep- tieren das nach Erfahrung der Auto- ren jedoch, weil unter der ambulanten, kaum belastenden und schmerzfreien Behandlung das häusliche Umfeld und die vorhandene Mobilität erhal- ten bleiben. Bei Blutungsleiden oder Keloidneigung ist die Bestrahlung das günstigste Verfahren.

Spezielle Indikationen – (Kasten):

Die postoperative Bestrahlung ist nach R1- (mikroskopischem) und R2- (ma- kroskopischem) Resttumor erforder- lich, wenn erneute Operationen nicht möglich oder unzumutbar sind (3, 5, 6, 14). Eine prophylaktische postoperati- ve Bestrahlung wird bei ungünstiger perineuraler Tumorausdehnung emp- fohlen (14).

Postoperative Rezidive sollten aus strahlentherapeutischer Sicht bevor- zugt radiologisch behandelt werden, weil oft günstigere kosmetische Ergeb- nisse mit wenig zusätzlichen Narben zu erwarten sind. Der Mikrochirurg könn- te trotzdem eher zur erneuten Operati- on neigen. Das interdisziplinäre Konsil ist im Einzelfall die beste Hilfe für eine optimale Entscheidung.

Bei einem Rezidiv nach Bestrahlung ist die mikrographische Chirurgie vor- zuziehen. Ist sie nicht oder nur be- grenzt möglich, schließt dies eine zwei- te Strahlentherapie nicht aus. Es sollte protrahiert, mit niedrigen Einzeldosen behandelt werden. Über gute Ergeb- nisse mit wenig Nebenreaktionen wird berichtet (14).

Bei Befall von Knochen und Knor- pel besteht keine Kontraindikation zur Bestrahlung. Im Gegenteil, die protra- hierte Radiotherapie mit Anwendung von Elektronenstrahlen ist speziell zu empfehlen (1, 4, 6, 10, 12, 14) (Abbil- dungen 1, 3, 4). Trotz schlechter Aus- gangslage wird über günstige Hei- lungserwartungen, gute kosmetische Ergebnisse und wenig Spätreaktionen berichtet (14).

Palliative Bestrahlung – Besonders tragisch sind Einzelfälle von ausge- dehnten BCC, welche trotz vieler Ope- rationsversuche ständig rezidivieren und manchmal tiefe Gesichtsschädel- destruktionen verursachen. Hier kön- nen nach Beobachtung der Autoren Elektronenbestrahlungen der nicht re- sezierbaren Tumoranteile zu nachhal- tiger Verzögerung des Karzinomwachs- tums führen. Dies spricht grundsätzlich für einen wesentlich früheren, kombi- nierten Einsatz von Operation und Be- strahlung bei Verdacht auf ein erhöh- tes Rezidivrisiko.

Mikrochirurgische Grenzfälle – Es ist nachvollziehbar, dass ein ausge- dehntes, oder tief infiltrierendes Tu- Indikationen zur Strahlentherapie von Ba-

salzellkarzinomen (BCC) und spinozellulä- rem Karzinom (SCC)

Allgemeine Inoperabilität

>hohes Alter (> 70 Jahre)

>schlechter Allgemeinzustand

>psychologische und soziale Probleme

>hohes Risiko für Operation und Anästhesie

>Unzumutbarkeit oder Verweigerung eines sta- tionären Aufenthalts

>Blutungsleiden

>Neigung zu postoperativer Keloidbildung Spezielle Indikationen

>postoperative Bestrahlung bei mikroskopischem Resttumor bei makroskopischem Resttumor bei perineuraler Tumorinfiltration ist die prophylaktische Bestrahlung zu erwägen

>postoperative Rezidive: Bestrahlungsempfeh- lung (weniger Narben, bessere Kosmetik), al- ternativ mikrographische Chirurgie

>Rezidiv nach Bestrahlung

bei Inoperabilität Bestrahlung möglich (protrahiert, in kleinen Einzeldosen)

>Befall von Knochen und Knorpel

>palliative Bestrahlung

zur Verbesserung der Lebensqualität (Schmerzlinderung, Besserung funktioneller Störungen – zum Beispiel Lippen, Auge) Verzögerung des Tumorwachstums (vor allem bei BCC; bei SCC wenn Osteolyse)

>Bestrahlung der Lymphabflusswege bei SCC, abhängig von Tumorstadium

Operative (mikrochirurgische) Grenzfälle, Option zur Strahlentherapie

>ausgedehnte oder tief infiltrierende Karzino- me, ungünstige Tumorlokalisation, einge- schränkte kosmetische und funktionelle Er- folgsaussichten einer Operation

>bei eingeschränkter Belastbarkeit des Patien- ten, insbesondere bei hohem Alter Kasten

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morwachstum, oder eine ungünstige Tumorlokalisation bei engen anatomi- schen Verhältnissen am Gesichtsschä- del die mikrographische Chirurgie be- hindern können. Bei konsequentem operativem Vorgehen lassen sich größere postoperative Defekte nicht immer vermeiden. Diese bedürfen komplizierter plastischer Deckung, bei manchmal begrenzten kosmeti- schen Erfolgsaussichten. Vor allem bei älteren Patienten mit eingeschränkter Belastbarkeit und fortgeschrittenem Tumor ist deshalb eine therapeutische Alternative wünschenswert. Hierfür ist die Radiotherapie mit Elektronen- strahlen gut geeignet. Aufgrund der erwiesen günstigen kosmetischen und funktionellen Ergebnisse und der Ver- meidbarkeit von Spätschäden (3, 4, 6, 13, 14) (Abbildungen 1, 3, 5, 8) stellt sie heute bei fortgeschrittenen Fällen ei- ne wertvolle Ergänzung des therapeu- tischen Spektrums dar. Die therapeu- tische Entscheidung ist jeweils eine fallbezogene Ermessensfrage, am be- sten beantwortet beim interdiszipli- nären Konsil von Dermatologen, spe- zialisierten Operateuren und Strah- lentherapeuten.

Manuskript eingereicht: 11. 12. 2003, revidierte Fassung angenommen: 21. 9. 2004

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sin- ne der Richtlinien des International Committee of Medi- cal Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1454–1459 [Heft 20]

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Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Klaus Reisner (i. R.) Dr. med. Wulf Haase

Klinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie St. Vincentius Kliniken

Steinhäuserstraße 18 76135 Karlsruhe

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N))

Ärzte als Patienten Schlaflosigkeit

Zitat:„Quält mich nachts Schlaflosig- keit, so stehe ich auf, spaziere um mein Bett und zähle in Gedanken bis auf 1000; auch enthalte ich mich dann der Speisen ganz oder esse doch um mehr als die Hälfte weniger als sonst.

Arzneimittel gegen das Übel ge- brauche ich wenig, außer etwas Pap- pelsalbe [1] oder Bärenfett [2] oder Haarwurzöl [3], womit ich dann mei- nen Leib an 17 Stellen einreibe: an den Schenkeln, den Fußsohlen, am Nacken, an den Ellbogen, den Hand- gelenken, den Schläfen, den Hals- adern, in der Herz- und in der Leber-

gegend und auf der Oberlippe. Na- mentlich morgens quält mich oft die Schlaflosigkeit über die Maßen. “

Giralomo Cardano: De propria vita (posthum: Paris 1643;

deutsch: Jena 1914). In: Alfred Grotjahn: Ärzte als Patien- ten: Subjektive Krankengeschichte in ärztlichen Selbst- schilderungen. Leipzig 1929, Seite 66. – [1] Unguentum populeum, ein Arzneimittel aus pflanzlichen und tierischen Bestandteilen, darunter Pappelknospen. [2] Galt wie die Bärengalle als (All)Heilmittel. [3] Öl der Nixblume (Nym- phaea), Mittel gegen Schlaflosigkeit. Diese herausragende Autobiografie des italienischen Arztes und Universalge- lehrten Cardano (1501–1576) offenbart ihren Autor als ei- nen von Krankheit geplagten „Melancholiker“.

Sexualität und Medizin Orgasmusreflex

Zitat:„Der Orgasmusreflex ist eine ein- heitliche Gesamtkörperzuckung. Im Or- gasmus sind wir nichts als ein zuckender Plasmahaufen. Nach 15jähriger Orgas-

musforschung war es endlich gelungen, zum biologischen Kern der seelischen Erkrankungen vorzudringen. Der Or- gasmusreflex findet sich bei allen ko- pulierenden Lebewesen. In der Reihe der noch tieferstehenden biologischen Organismen, wie etwa bei Einzellern [1] findet er sich in Gestalt von Plasma- zuckungen [...]. Die tiefste Stufe, auf der er zu finden ist, ist die Eiteilung.“

Wilhelm Reich: Die Entdeckung des Orgons I. Die Funktion des Orgasmus. Sexualökonomische Grund- probleme der biologischen Energie (1942). Frankfurt am Main 1979 (fischer Taschenbuch Band 6140), Sei- te 262. – [1] Hier wird auf das Paradigma der Amöbe angespielt. – Reich (1897–1957) war 1922 bis 1930 am psychoanalytischen Ambulatorium in Wien tätig, ab 1928 Mitglied der Kommunistischen Partei; 1933 Ausschluss aus der Psychoanalytischen Vereinigung und aus der KP, im Exil ab 1934, von 1939 bis zu seinem Tod in den USA; Wegbereiter der späteren Gestalt- beziehungsweise Körpertherapie. Seine Defi- nition des „Orgasmusreflexes“ offenbart ein strikt biologistisches Menschenbild.

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