• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Zur Notwendigkeit einer Exzisions-Biopsie im Gesunden bei Melanom-Verdacht an der Haut" (18.03.1983)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Zur Notwendigkeit einer Exzisions-Biopsie im Gesunden bei Melanom-Verdacht an der Haut" (18.03.1983)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Inzisionsbiopsie — mit dem Skalpell oder mit der rotierenden Stanze („punch biopsy") — ist aus der dermatologischen Differential- diagnose nicht wegzudenken. Nur mit ihrer Hilfe gelingt oft die Dia- gnosesicherung seltenerer Tu- moren oder bestimmter entzündli- cher Hautaffektionen. Bei man- chen häufigen Tumoren der Haut, wie etwa dem Basaliom, genügen zur bloßen Sicherung der Diagno- se relativ kleine Gewebeproben.

Nur in bestimmten Fällen ist eine Exzisionsbiopsie erforderlich -- zum Beispiel beim Keratokan- thom, einem epithelialen Pseudo- Ca., das bei einfacher Inzisions- biopsie nicht vom echten Karzi- nom zu unterscheiden ist. Glei- ches gilt auch für das maligne Melanom der Haut, und zwar un- abhängig von der zu einseitig in den Vordergrund gerückten Ge- fährlichkeit einer versehentlichen oder geplanten Teilentfernung.

Aus diesen Gründen erscheint es mir sinnvoll, unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Ad- Hoc-Kommission des wissen- schaftlichen Beirats der Bundes- ärztekammer (DEUTSCHES ÄRZ- TEBLATT, Heft 22, 1980) die ver- schiedenen Aspekte der Biopsie bei Melanomverdacht nochmals vor allem für Nichtdermatologen in dieser Zeitschrift zusammenzu- fassen. Leider wird die Inzisions- biopsie (einschließlich Nadelbiop-

sie) mancherorts noch geübt (z. B.

8, 6, 24)*) oder gar empfohlen (4) und in den USA aufgrund einiger neuer Statistiken zumindest für ungefährlich gehalten.

Unabhängig von dem sich bereits kurz nach dem zweiten Weltkrieg anbahnenden Auffassungswandel in den außereuropäischen Län- dern wird die Inzisionsbiopsie bei Melanomverdacht von deutschen Dermatologen und Chirurgen**) demgegenüber weiterhin abge- lehnt; man hielt bis vor kurzem sogar noch an der Auffassung des

„noli me tangere" bei gutartigen Pigmentzellmalen fest (vergleiche zum Beispiel 18). Diese Ablehnung beruht bisher vorwiegend auf dem klinischen Eindruck einer Meta- stasierungsbegünstigung (nicht nur durch Implantation von Tu- morzellen) und einer Prognose- verschlechterung. Beides schien so sicher, daß hierzu bis vor kur- zem kaum statistische Erhebun- gen angestellt worden sind. In Wirklichkeit muß die Frage der Biopsie bei Melanomverdacht heute aber unter drei unterschied- lichen Aspekten gesehen werden:

O Kann sich ein gutartiger Pig- mentzellnävus durch eine unsach- gemäße Behandlung (kaustische Zerstörung) oder durch einen dia- gnostischen Eingriff (zum Beispiel Inzisionsbiopsie) in ein malignes Melanom umwandeln?

Eine Inzisionsbiopsie ist beim malignen Melanom für eine präzise Therapieplanung un- geeignet. Denn Größe des operativen Eingriffs und Pro- gnose hängen von der größ- ten Tumordicke ab, und diese kann nur bei histologischer Aufarbeitung der ganzen Lä- sion ermittelt werden; es ist also — ganz unabhängig von der Gefährlichkeit einer Teil- entfernung — in jedem Fall un- bedingt eine Exzisionsbiopsie im Gesunden erforderlich.

(f)

Kann die Prognose eines be- reits bestehenden Melanoms durch eine unzweckmäßige Be- handlung (kaustische Zerstörung) oder durch eine diagnostische In- zision/Nadelbiopsie infolge einer direkten Zellimplantation oder ei- ner anderweitigen Metastasie- rungsbegünstigung (zum Beispiel Einbrüche in die Blutbahn) ver- schlechtert werden?

Ist eine geplante Teilentfer- nung bei Melanomverdacht über- haupt nötig? Reicht sie für die mo- derne Therapieplanung aus?

Zu 1: Maligne Umwandlung gutartiger Pigmentmale?

Diese uralte Frage, welche die Dermatologen und Chirurgen im- mer wieder bewegt hat, kann heu- te mit einem klaren „Nein" beant- wortet werden. Ein gewöhnlicher Pigmentzellnävus, wie er prak- tisch bei jedem Menschen in der Mehrzahl vorkommt, kann zwar nach unvollständiger Entfernung

„rezidivieren" (21), jedoch wird weder durch chronische Irritation

Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Siehe auch „Praxis der Krebsbehandlung in der Chirurgie, Empfehlungen der Deut- schen Gesellschaft für Chirurgie, K 16, Beilage zu Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Heft 1/1980

Zur Notwendigkeit einer

Exzisions-Biopsie im Gesunden bei Melanom-Verdacht an der Haut

Leonhard Illig

Abteilung für klinische und experimentelle Dermatologie am Klinikum der Justus-Liebig-Universität Gießen

(Leiter: Professor Dr. med. Leonhard Illig)

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 51

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Melanom-Verdacht

noch durch eine Schwangerschaft oder gar durch eine Teilentfer- nung je ein malignes Melanom daraus (9, 21). Nur auf „kleinen"

kongenitalen Nävi („small giant nevi") kann in sehr seltenen Fällen ein (meist leicht erkennbares) Me- lanom entstehen, aber das ist ein spezielles Problem des Dermato- logen — ebenso wie die Melanom- bildung innerhalb eines „Badeho- sen"- beziehungsweise „Tierfell"- Nävus. Insofern muß also das alte

„noli me tangere" für den ge- wöhnlichen Pigment-Nävus als überholtes, aber „tief verwurzeltes Vorurteil" (12, 28, 29) ad acta ge- legt werden.

Wohl besteht aber bei jeder Teilex- zision eines vermeintlichen, nicht kongenitalen Pigmentzellnävus, vor allem für den Nichtdermatolo- gen, das Risiko eines klinischen Irrtums beziehungsweise einer Verwechslung mit einem malignen Melanom. Auch vermeintliche Nä- vi sollten daher „ganz oder gar

nicht" und vor allem niemals ohne histologische Überprüfung exzi- diert werden.

Zu 2: Prognoseverschlechterung/

Metastasierungsbegünstigung bei bereits

vorliegenden Melanomen?

Diese Frage ist trotz unendlicher Diskussionen — und neuerdings auch statistischer Bemühungen — ungleich schwieriger zu beant- worten.

Im anglo-amerikanischen Schrift- tum wird die potentielle Gefahr ei- ner Inzisionsbiopsie beim Mela- nom in letzter Zeit sehr zurückhal- tend bewertet —allerdings weniger in Anbetracht klinischer Erfahrun- gen an Einzelfällen als unter Beru- fung auf einige neuere statistische Erhebungen an größeren Patien- tenkollektiven; hiernach sollen In- zisions- oder Exzisionsbiopsien keinen nachweisbaren Einfluß auf die fünf-/zehnjährige Überlebens- rate oder die Absterbekurve ha- ben, sofern sich die definitive Nachoperation mit großem Sicher-

heitsabstand beziehungsweise in Form einer En-Bloc-Dissektion höchstens acht Tage (I) nach der Inzisionsbiopsie oder 28 Tage nach der Exzisionsbiopsie an- schließt.

Das Echo auf diese Feststellung war groß; auch unter amerikani- schen Dermatologen gab es enga- gierte Diskussionen pro und con- tra (1, 19, 22); dennoch ging die

„Ungefährlichkeit" der Teilentfer- nung bei malignem Melanom in die Schlagzeilen der medizini- schen Regenbogenpresse, ja so- gar der Laienpresse ein. So beob- achtete E. Epstein (zusammen mit K. Bragg) 115 Melanompatienten über zehn Jahre und kam zu dem Schluß, daß die Inzisionsbiopsie oder Teilentfernung ungefährlich sei, wenn die Nachexzision inner- halb einer Woche erfolge. Verone- si und Cascinelli konnten in einer über zehn Jahre laufenden Pro- spektivstudie der WHO an einer größeren Fallzahl ebenfalls keine Prognoseverschlechterung durch diagnostische Melanombiopsien feststellen, wenn die definitive Be- handlung innerhalb von vier Wo- chen nachfolgte. Bei genauem Hinsehen beziehen sich diese An- gaben allerdings nur auf Exzi- sionsbiopsien. Schließlich konn- ten Knutson, Hori und Spratt aller- dings auch bei 156 Melanompa- tienten mit Inzisionsbiopsien kei- ne Beeinflussung der Absterbe- kurve innerhalb von zehn Jahren nachweisen.

Im Gegensatz hierzu wird die Inzi- sionsbiopsie (einschließlich der Nadelbiopsie) in der ersten moder- nen deutschsprachigen Melanom- monographie von Weidner und Tonak (Erlangen 1981) unter Hin- weis auf die hohe Mortalität sol- cher Fälle weiterhin abgelehnt (31, S. 11, 43, 58, 103 und 200). In der gleichen Monographie teilt H. J.

Heite mit, daß an einem größeren strukturgleichen Patientengut der Arbeitsgemeinschaft Malignes Melanom der Deutschen For- schungsgemeinschaft (DFG) doch eine Prognoseverschlechterung durch Inzisionsbiopsien nach-

weisbar gewesen sei, wenn dieses nach der Invasionstiefe geschich- tet wurde: Nur Patienten mit mitt- lerer Eindringtiefe des Tumors zeigten im Gegensatz zu sehr fla- chen oder sehr stark invasiven Me- lanomen eine deutliche Ver- schlechterung der Fünf-Jahres- Überlebensrate. Auch Heite hält daher die geplante Teilentfernung weiterhin für kontraindiziert.

Bei kritischer Betrachtung er- scheint nun leider keine dieser vier verdienstvollen Studien abso- lut beweisend. Epstein und Mitar- beiter konnten nämlich bei ihrem sehr sorgfältig nachbeobachteten Patientenkollektiv nicht zwischen Inzisions- und Exzisionsbiopsie unterscheiden (durch persönliche Rückfrage sichergestellt). Die WHO-Studie von Veronesi und Mitarbeitern bezieht sich aus- schließlich auf Exzisionsbiopsien mit kurzfristig nachfolgender defi- nitiver Therapie, Knutson und Mit- arbeiter haben kein strukturglei- ches Patientenkollektiv unter- sucht (vor allem fehlt eine Bestim- mung der Invasionstiefe), und Hei- te wiederum hat bei seiner Aus- wertung — ähnlich wie Epstein — nicht zwischen Inzisionsbiopsien und anderen „Irritationen mecha- nischer Natur" unterschieden.

Andererseits bestätigt sich der kli- nische Eindruck eines ungünsti- gen Einflusses von Inzisionsbiop- sien oder Teilentfernungen auf den weiteren Verlauf von fortge- schrittenen malignen Melanomen im Einzelfall immer wieder von neuem. Bei der Erlanger Mela- nomgruppe liegt die Absterberate für drei Jahre bei Patienten mit

„unsachgemäßer" chirurgischer Behandlung einschließlich verse- hentlicher oder absichtlicher Teil- entfernungen zum Beispiel mehr als doppelt so hoch wie nach sachgemäßer Therapie (31). Unter diesen Umständen drängt sich bis zum Beweis des Gegenteils allein aus ethischen Gründen die Konse- quenz auf, auch in Zukunft ab- sichtliche, das heißt geplante Inzi- sionen bei Melanomverdacht we- gen einer möglichen Gefährdung 52 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(3)

des Patienten zu unterlassen. "ln dubio pro patiente" (einzige Aus- nahme speziell für Dermatologen:

Lentigo maligna ohne Verände- rung des Oberflächenreliefs)! ln meiner Klinik werden neuerdings selbst Exzisionsbiopsien wegen Melanomverdacht bei größeren Tumoren von vornherein mit ei- nem "kleinen Sicherheitsabstand"

von 1-2 cm durchgeführt.

Zu 3: Vermeidbatkeil und mangelnde Brauchbarkeit einer lnzisionsbiopsie bei Melanomverdacht

Selbst fortgeschrittene Melanome sind meist kleinflächig und scharf begrenzt; melanomverdächtige Läsionen können daher im Ver- dachtsfall praktisch immer in toto exzidiert werden. Nur bei größeren Tumoren und ungünstiger Lokali- sation erfordert die Exzisionsbiop- sie eine Kurznarkose; sonst genü- gen oft auch Ring- oder Leitungs- anästhesie. ln vielen Fällen ist der Melanomverdacht für den geübten Dermatologen bereits so sicher, daß es ausreicht, Diagnose und ln- vasionstiefe mittels Schnellschnitt intra operationem zu überprüfen.

,.. Im Gegensatz zum Krebsver- dacht an inneren Organen, zum Beispiel an der Prostata, ist daher eine (geplante) Nadel- bzw. lnzi- sionsbiopsie beim Melanom der Haut immer vermeidbar.

Nur eine ungewollte lnzisions- biopsie aufgrund klinischer Fehl- beurteilung ist natürlich- aucb für Dermatologen - nicht völlig aus- zuschließen, erfordert dann aber aus den bereits genannten Grün- den eine sofortige große Nachex- zision beziehungsweise weiterrei- chende Therapie.

Auch bei (manchmal multilokulä- rem) Melanomverdacht auf Tier- fellnävus kann eine "lnzisions- biopsie" in der Regel umgangen werden, weil es sich selbst in die- sem Spezialfall meist um um- schriebene Knoten bzw. Infiltrate handelt, die man - innerhalb des

übrigen Nävus- ebenfalls total ex- zidieren kann. Gleiches gilt für die bereits erwähnten, sehr seltenen Melanome auf kleineren kongeni- talen Nävi. Im Gegensatz zu anglo- amerikanischen Darstellungen er- folgt die Exzisionsbiopsie also selbst in diesen Fällen sozusagen

"im Gesunden", das heißt außer- halb der fraglichen malignen Um- wandlung.

Ein wirkliches Problem stellt ledig- lich das heimtückische, weil kli- nisch oft schwer diagnostizierbare subunguale Melanom dar, beson- ders in seiner nichtpigmentierten

Form. Eine echte und histologisch

brauchbare Exzisionsbiopsie ist in diesem Fall technisch nicht mög- lich und wäre zudem prognostisch riskant; es hilft also nichts ande- res, als nach gewissenhafter Prü- fung der klinischen Verdachtsmo- mente das Finger- oder Zehenend- glied zu opfern -auch auf die Ge- fahr hin, daß sich der verdächtige Prozeß als gutartig erweist; die lrr- tumswahrscheinlichkeit wird aber durch einen erfahrenen Dermato- logen stark eingeschränkt.

Wird der Patient vorher über Sinn und Dringlichkeit der Maßnahme angemessen aufgeklärt, so ist er trotz des Verlustes eines Finger- endglieds erleichtert, wenn sich der Melanomverdacht nicht bestä- tigt. Handelt es sich aber doch um ein malignes Melanom, dann be- steht der "Sicherheitsabstand" im Absetzen des ganzen Fingers bzw.

Zehen; nur beim Daumen wird ein Kompromiß an die Greiffunktion gemacht und die Amputation nicht erweitert. Hier hat dann je nach Tumorlevel beziehungsweise -dik- ke die adjuvante, extrakorporale Zytostatikaperfusion eine dankba- re Indikation (vgl. 13, 31).

Vor 10 bis 20 Jahren kannte man lediglich das noduläre Melanom (de novo oder - sehr selten - in Assoziation mit einem Nävus) und das Dubreuilh-Melanom (Lentigo- maligna-Melanom) auf alters- atrophischer, lichtgeschädigter Haut. Zusätzlich ging nur noch das klinische Stadium in die thera-

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Melanom-Verdacht

peutischen Überlegungen ein (Pri- märtumor, Rezidiv in loco, regio- nale Metastasen, Fernmetasta- sen). Zur Wahl (und zur Diskus- sion) standen lediglich "Stahl"

oder "Strahl" (vgl. 14).

Mit der nach dem zweiten Welt- krieg vor allem aus den USA über- nommenen differenzierten Mela- nomchirurgie und der adjuvanten Immunechemotherapie sowie mit den Untersuchungen von Clark (siehe 5) und Breslow (1975) über die prognostische Bedeutung der verschiedenen Melanomtypen (in- zwischen drei) und der Invasions- tiefe des Primärtumofs trat dann aber ab 1969 eine entscheidende Wende ein.

Neben Lokalisation und Tumortyp ging nunmehr auch die Invasions- tiefe beziehungsweise das "Mikro- stadium" des Melanoms als ent~

scheidender Faktor in die Thera- pieplanung ein.

Diese wurde ihrerseits für fortge- schrittenere Fälle durch die En- bloc-Dissektion, die isolierte Zyto- statikaperfusion und durch die sy- stemische Zytostatikatherapie er- weitert. Unter diesen Umständen

wurde eine Exzisionsbiopsie des gesamten Tumors sowie seine Aufarbeitung in Stufenschnitten allein zu genauen Messungen der größten Invasionstiefe unumgäng- lich - auch, nachdem es so aus- sah, als sei die lnzisionsbiopsie beim malignen Melanom mögli- cherweise ungefährlich. Darum empfahlen die meisten anglo-ame- rikanischen Autoren weiterhin ei- ne Exzisionsbiopsie, d. h. eine Entfernung nicht "knapp", son- dern "satt" im Gesunden. Nur ma- ßen sie mit guten Gründen der Be- stimmung des Mikrostadiums mehr Bedeutung zu als der even- tuellen Gefährdung des Patienten durch die Biopsie selbst.

Allein bei genauer Kenntnis der ln- vasionstiefe ist - wie H. Tritsch es in dieser Zeitschrift bereits klar herausgestellt hat (27) - eine "zu kleine" oder aber eine "zu große"

Melanomtherapie vermeidbar (vgl.

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 11 vom 18. März 1983 55

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Melanom-Verdacht

10, 23). Nur so kann die Aggressi- vität des operativen beziehungs- weise therapeutischen Vorgehens einschließlich seiner Risiken der Prognose des Tumors optimal an- gepaßt werden.

Dies ist inzwischen sowohl für die Bemessung des sogenannten „Si- cherheitsabstandes" bei der Ent- fernung des Primärtumors als auch für die En-bloc-Dissektion und ihre Ausdehnung, für die iso- lierte Extremitätenperfusion und vor allem für die diskontinuierli- che Ausräumung der regionalen Lymphknoten statistisch unter- mauert (vgl. 13, 31).

Von der Frage ihrer Gefährlichkeit ganz abgesehen, ist die Inzisions- oder gar Nadelbiopsie daher für ein solches „micro staging" beim malignen Melanom völlig unge- eignet.

Schlußfolgerungen

Die Frage der Biopsietechnik hängt also heute beim Melanom nicht mehr von der möglichen Prognoseverschlechterung durch eine Teilentfernung ab, sondern von der Notwendigkeit, über die Art- und Typenbestimmung des Tumors hinaus auch seine größte Invasionstiefe zu kennen, weil hierdurch Prognose und Therapie- planung maßgeblich bestimmt werden. Eine exakte Messung der Eindringtiefe ist aber nur nach Entfernung des ganzen Tumors und durch einen darin speziell er- fahrenen Histopathologen mög- lich. Somit liegt kein Grund vor, die bisherige Verdammung einer absichtlichen Teilentfernung bei Melanomverdacht aufzugeben;

oder, um den attraktiven Publika- tionstitel von Lee (17) aufzugreifen und abzuwandeln: Der springende Punkt beim malignen Melanom ist nicht „to biopsy or not to biopsy", sondern „how to biopsy"!

Zusammenfassung

Durch einige neuere, vor allem anglo-amerikanische Publikatio-

nen und deren unsorgfältige Zitie- rung könnte der falsche Eindruck entstehen, daß eine gewöhnliche Inzisionsbiopsie wie bei anderen malignen Tumoren auch beim Melanom der Haut einerseits un- gefährlich und andererseits für die Beurteilung ausreichend sei. In Wirklichkeit ist eine (absichtliche) Teilentfernung bei Melanomver- dacht trotz gegenteiliger Behaup- tungen weiterhin als prognostisch dubiös anzusehen. Vor allem reicht sie aber für eine angemes- sene Therapieplanung nicht aus.

Nur durch eine Exzision in toto mit Anfertigung von Stufenschnitten und Bestimmung der Invasionstie- fe beziehungsweise des soge- nannten Mikrostadiums kann so- wohl eine „Überbehandlung" als auch eine „Unterbehandlung" ver- mieden und zugleich die beste Überlebenschance gewährleistet werden.

Literatur

Cady, B.: Changing concepts in malignant melanoma, Med. Clin. N. Amer. 59 (1975) 301-308 — Epps, R. L.: Malignes Melanom:

Übersicht und Kritik, extracta dermatologica 4 (5) (1980) 273-288 — Epstein, E.: Effect of biop- sy an the prognosis of melanoma, J. Surg.

Onc. 3 (1971) 251-255— Everall, J. D.; Dowd, P.

M.: Diagnosis, Prognosis, and Treatment of Melanoma, Lancet, August 6 (1977) 286-289 — Heite, H. J.: Epidemiologie und Prognose, in:

Das maligne Melanom der Haut, ed. F. Weid- ner und J. Tonak, Perimed Erlangen (1981) 11-26 — Illig, L.: Aigner, K.: Therapie des malig- nen Melanoms unter besonderer Berück- sichtigung der isolierten Extremitätenperfu- sion. Dt. Arztebl. 77 (1980) 2911-2925 — Knut- son, C. 0.; Hori, J. M.; Spratt, J. S., Jr.: Melano- ma. Current Problems in Surgery (1971) 1-55 — Paul, E.: Traumatisch induzierte junktionale Aktivität von Naevuszellnaevi, Arch. Dermatol.

Res. 265 (1979) 23-36 — Tonak, J.; Hermanek, P.; Hornstein, 0. P.; Weidner, F.: Therapie des malignen Melanoms der klinischen Stadien 1 und II. Ergebnisse bei 195 Patienten. Dt. Med.

Wschr. 01 (1976) 435-440 — Veronesi, U.; Cas- cinelli, N.: Ergebnisse der WHO International Melanoma Group, in: Das Melanom der Haut, Schweizerische Krebsliga (1979)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Leonhard Illig Abteilung für Klinische und Experimentelle Dermatologie am Klinikum der

Justus-Liebig-Universität Gießen Gaffkystraße 14

6300 Gießen

FÜR SIE GELESEN

Phenytoin-Überdosierung:

Vorgehen bei

Intoxikationen während der Dauerbehandlung

Phenytoinintoxikationen treten re- lativ häufig aufgrund von iatroge- ner oder Patienten-induzierter Überdosierung auf.

Eine systematische Untersuchung der Phenytoinausscheidung von 6 Epilepsiepatienten im Alter von 15-47 Jahren mit klinischen Ahzei- chen von Phenytoinüberdosie- rung und einem initialen Pheny- toinserumspiegel deutlich über der normalen therapeutischen Breite (40 bis 80 !.t.mo1/1) ergab, daß

—unabhängig vom Ausgangswert

— bei Konzentrationen zwischen 130 und 200 ilmo1/160 bis 72 Stun- den nach Absetzen des Präparates die obere Grenze des therapeuti- schen Wirkspiegels von 80 g,mo1/1 erreicht wird.

Auf der Basis dieser Daten emp- fehlen die Autoren, bei Patienten mit Symptomen einer Phenytoin- Intoxikation (Nystagmus, Dysar- thrie, Tremor, Ataxie) den akuten Phenytoinserumspiegel zu bestim- men.

Wenn dieser 130 mm01/übersteigt, sollte das Präparat für 72 bis 84 Stunden abgesetzt und die Ein- nahme anschließend mit geringe- rer Dosis fortgesetzt werden.

Falls die Serumkonzentrationen des Antikonvulsivums momentan nicht meßbar sind, ist das Abset- zen der Therapie für mindestens 60 Stunden angezeigt und — falls noch klinische Symptome einer Phenytoinintoxiktion vorliegen — die Behandlung mit angemesse- ner Dosis fortzusetzen. Dpe

Baird-Lambert, J.; Jäger-Roman, E.; Buchan- an, N.: Phenytoin elimination after intoxication during long-term treatment, Medical Journal of Australia 2 (1982) 228-229, Dr. Judith Baird- Lambert, Paediatric Pharmacology Unit, De- partment of Paediatrics, Westmead Centre, Westmead, NSW 2145, Australia

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A 56 Heft 11 vom 18. März 1983 80. Jahrgang

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

fig ist und daß der Reflux durch die antianginöse Therapie verstärkt wird, daß gastroösophagealer Reflux gele- gentlich mit einer Myokardischämie vergesellschaftet ist, daß

Die endgültige Diagnose des malignen Melanoms wird unter dem Mikroskop gestellt, wozu eine Biop- sie des verdächtigen Tumors not- wendig ist. Diese muß die gesamte

So hat sich in einer Reihe kontrollierter Studien gezeigt, daß eine klare Be- ziehung zwischen Melanomhäufig- keit und der eingestrahlten Lichtdo- sis (UV-Jahresdosis) besteht. Dies

Bei Personen mit zusätzlichen sogenannten dysplastischen Naevi war es um das 7fache erhöht (1-3). ® Eine Verdoppelung der Inzi- denz findet glücklicherweise nicht in der

Mitarb.: „90 Prozent aller Patien- ten (601/668) konnten den Zeit- punkt einer erstmals bemerkten Veränderung am Tumor präzisieren (11)." Eine „Trefferquote" bei der

Mitarb.: „90 Prozent aller Patien- ten (601/668) konnten den Zeit- punkt einer erstmals bemerkten Veränderung am Tumor präzisieren (11)." Eine „Trefferquote" bei der

Die Fotos aus dem Urlaub sind fertig, sonnige heitere Tage im Süden oder Norden, am Strand, in Wäldern oder auf Bergen eingefangen für den nahenden Winter, für die Freun-

Unter Beachtung dieser Ein- schränkungen sind für die ge- nannten Indikationen bei seit Jahrzehnten erprobter Technik und Dosierung weder Leukä- mie- noch Tumorinduktion ge-