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Untersuchungen zum Vorkommen von Zoonoseerregern und dem kaninen Staupevirus in der Waschbärpopulation Niedersachsens, 2011-2013

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ISBN 978-3-86345-194-3

Verlag: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft Service GmbH 35392 Gießen · Friedrichstraße 17 · Tel. 0641 / 24466 · Fax: 0641 / 25375

E-Mail: info@dvg.de · Internet: www.dvg.de

Zoonoseerregern und dem kaninen Staupevirus in der Waschbärpopulation

Niedersachsens, 2011-2013

Helena Eva Anheyer-Behmenburg Tierärztliche Hochschule Hannover Institut für Mikrobiologie

Hannover 2013

(2)
(3)
(4)

Deutschen Nationalbibliografie;

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2013

© 2013 by Verlag: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft Service GmbH, Gießen

Printed in Germany

ISBN 978-3-86345-194-3

Verlag: DVG Service GmbH Friedrichstraße 17

35392 Gießen 0641/24466 info@dvg.de www.dvg.de

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Untersuchungen zum Vorkommen von Zoonoseerregern und dem kaninen Staupevirus in der Waschbärpopulation

Niedersachsens, 2011-2013

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von

Helena Eva Anheyer-Behmenburg Duisburg

Hannover 2013

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1. Gutachter: Prof. Dr. Martin Runge

Institut für Mikrobiologie

Tierärztliche Hochschule Hannover

2. Gutachterin: Prof. Dr. Ursula Siebert

Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung

Tierärztliche Hochschule Hannover

Tag der mündlichen Prüfung: 19. November 2013

Die vorliegende Arbeit wurde durch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) finanziert.

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Für meine Familie

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Vortrag

ANHEYER-BEHMENBURG H., S. KLEINSCHMIDT, M. VON KEYSERLINGK, B. THOMS u. M. RUNGE (2013):

Prevalence of zoonotic pathogens in raccoons in Lower Saxony, Germany.

In: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft e. V. (Hrsg.): 16th International Symposium of the World Association of Veterinary Laboratory Diagnosticians (WAVLD), 10th OIE Seminar, 32nd Symposium of AVID, June 5.-8.2013, Berlin, Germany, S. 82

(9)

I

INHALTSVERZEICHNIS

1

 

Einleitung ... 1

 

2

 

Literaturübersicht ... 3

 

2.1  Der Waschbär ... 3 

2.1.1  Waschbären in Deutschland ... 3 

2.1.1.1  Waschbären in Niedersachsen ... 5 

2.2  Krankheitserreger des Waschbären ... 7 

2.3  Baylisascaris procyonis ... 7 

2.3.1  Taxonomie und Biologie ... 8 

2.3.2  Parasitärer Kreislauf ... 9 

2.3.3  Krankheitsbild ... 10 

2.3.4  Prävalenzen ... 10 

2.3.5  Humane Baylisascariose ... 11 

2.4  Leptospira spp. ... 13 

2.4.1  Taxonomie, Klassifizierung und Biologie ... 13 

2.4.2  Reservoir und Übertragung ... 15 

2.4.3  Prävalenzen ... 16 

2.4.4  Humane Leptospirose ... 17 

2.5  Francisella tularensis ... 19 

2.5.1  Taxonomie und Biologie ... 19 

2.5.2  Wirtsspektrum, Reservoir und Übertragung ... 21 

2.5.3  Prävalenzen ... 22 

2.5.4  Humane Tularämie... 24 

2.6  Coxiella burnetii ... 26 

2.6.1  Taxonomie und Biologie ... 26 

2.6.2  Reservoir und Übertragung ... 27 

2.6.3  Prävalenzen ... 28 

2.6.4  Humanes Q-Fieber ... 29 

2.7  Kanines Staupevirus ... 31 

2.7.1  Taxonomie und Biologie ... 31 

2.7.2  Wirtsspektrum, Reservoir und Übertragung ... 32 

2.7.3  Krankheitsbild ... 33 

2.7.4  Prävalenzen ... 34 

2.7.5  Kanines Staupevirus in Zusammenhang mit Humanerkrankungen .... 35 

(10)

II

Schutzausrüstung ... 37 

3.2  Tiere ... 38 

3.3  Sektion ... 38 

3.4  Parasitologische Kotuntersuchung ... 39 

3.5  Untersuchungen zum Nachweis von Baylisascaris procyonis und Bakterien ... 40 

3.5.1  Vorbereitung der Proben ... 40 

3.5.2  Nukleinsäureextraktion ... 40 

3.5.3  Polymerase-Kettenreaktion ... 41 

3.5.3.1  Untersuchungen zum Nachweis von Baylisascaris procyonis ... 42 

3.5.3.2  Untersuchungen zum Nachweis von pathogenen Leptospira spp. . 44 

3.5.3.2.1  Bestimmung der Genospezies der pathogenen Leptospira spp. 45  3.5.3.3  Untersuchungen zum Nachweis von Francisella tularensis ... 45 

3.5.3.4  Untersuchungen zum Nachweis von Coxiella burnetii ... 47 

3.5.4  Agarosegel-Elektrophorese ... 49 

3.6  Untersuchungen zum Nachweis des kaninen Staupevirus ... 50 

3.6.1  Vorbereitung der Proben ... 51 

3.6.2  Nukleinsäureextraktion ... 51 

3.6.3  Nachweis des kaninen Staupevirus mittels Polymerase-Kettenreaktion ... 52 

3.6.3.1  Agarosegel-Elektrophorese ... 53 

3.6.4  Teilsequenzierung des kaninen Staupevirus ... 54 

3.6.4.1  Polymerase-Kettenreaktion ... 54 

3.6.4.2  Agarosegel-Elektrophorese ... 56 

3.6.4.3  DNA-Aufreinigung ... 56 

3.6.4.4  Sequenzierung ... 56 

3.7  Statistische Auswertung ... 56

(11)

III

4

 

Ergebnisse ... 57

 

4.1  Angaben zu den Waschbären ... 57 

4.2  Ergebnisse zum Nachweis von Baylisascaris procyonis ... 60 

4.2.1  Entnahme von Endoparasiten und Kotproben ... 60 

4.2.2  Ergebnisse der parasitologischen Kotuntersuchung ... 61 

4.2.3  Ergebnisse zum molekularbiologischen Nachweis von Baylisascaris procyonis ... 62 

4.2.4  Prävalenz von Baylisascaris procyonis ... 64 

4.3  Ergebnisse zum Nachweis von pathogenen Leptospira spp. ... 69 

4.3.1  Prävalenz von pathogenen Leptospira spp. ... 71 

4.3.2  Ergebnisse der Bestimmung der Genospezies der pathogenen Leptospira spp. ... 72 

4.4  Ergebnisse zum Nachweis von Francisella tularensis ... 72 

4.5  Ergebnisse zum Nachweis von Coxiella burnetii ... 74 

4.6  Ergebnisse zum Nachweis des kaninen Staupevirus ... 75 

4.6.1  Prävalenz des kaninen Staupevirus ... 77 

4.6.2  Ergebnisse der Teilsequenzierung des kaninen Staupevirus ... 81 

5

 

Diskussion ... 83

 

5.1  Baylisascaris procyonis ... 83 

5.1.1  Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch Baylisascaris procyonis in der Waschbärpopulation Niedersachsens ... 88 

5.2  Pathogene Leptospira spp. ... 90 

5.2.1  Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch pathogene Leptospira spp. in der Waschbärpopulation Niedersachsens ... 91 

5.3  Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch Francisella tularensis in der Waschbärpopulation Niedersachsens ... 92 

5.4  Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch Coxiella burnetii in der Waschbärpopulation Niedersachsens ... 94 

5.5  Kanines Staupevirus ... 95 

5.5.1  Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch das kanine Staupevirus in der Waschbärpopulation Niedersachsens ... 98 

5.6  Ausblick ... 99

(12)

IV

7

 

Summary ... 103

 

8

 

Literaturverzeichnis ... 105

 

8.1  Gesetze und Verordnungen ... 126 

9

 

Anhang ... 127

 

9.1  Materialliste ... 127 

9.1.1  Geräte ... 127 

9.1.2  Verbrauchsmaterialien ... 129 

9.1.3  Chemikalien und Reagenzien ... 130 

9.1.4  Kits ... 131 

9.1.5  Positivkontrollen ... 131 

9.1.6  Puffer und Lösungen ... 132 

9.2  Abkürzungsverzeichnis ... 134 

10

 

Danksagung ... 139

 

(13)

1 Einleitung

Der Waschbär (Procyon lotor), einheimisch in Nordamerika, verbreitet sich als allochthone Art in Japan und Europa und bildet dabei in Deutschland die größte Population Zentraleuropas (VOS et al. 2012; BAUER 2013). Diese unterliegt, wie anhand der Jahresjagdstrecken ersichtlich ist, einem rasanten Anstieg (DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. 2012, S. 461).

Während der Waschbär in den USA und Kanada als Reservoir und Überträger von verschiedenen bakteriellen, viralen und parasitären Krankheitserregern bekannt ist und dazu umfangreiche Erkenntnisse vorliegen, sind entsprechende Daten zu den Populationen Europas kaum vorhanden (BELTRÁN-BECK et al. 2012). Gerade die habituelle unmittelbare Nähe zum Menschen (BAUER 2013) verlangt nach einer Untersuchung von Waschbär-assoziierten Zoonoseerregern, um die potentiellen Risiken, welche von dem Neozoon ausgehen, besser einschätzen und bewerten zu können.

Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, erstmals Waschbären aus Niedersachsen auf verschiedene Zoonoseerreger zu untersuchen, die Prävalenzen zu ermitteln und das humane Infektionsrisiko einzuschätzen. Das untersuchte Erregerspektrum umfasste den Parasiten Baylisascaris procyonis sowie pathogene Leptospira spp., Francisella tularensis und Coxiella burnetii als bakterielle Erreger. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit lag in der Detektion des kaninen Staupevirus bei niedersächsischen Waschbären, der Prävalenzermittlung sowie der Teilsequenzierung des viralen Hämagglutinin-Proteins.

(14)
(15)

2 Literaturübersicht

2.1 Der Waschbär

Der Waschbär (Procyon lotor) ist ein opportunistischer Carnivor und der größte Vertreter der Familie der Kleinbären (Procyonidae). Einheimisch in Nordamerika verbreitet er sich zudem als allochthone Art in Japan und Europa, wobei es in Deutschland die größte Population Zentraleuropas gibt (VOS et al. 2012; BAUER 2013). Sein Ausbreitungserfolg ist u. a. bedingt durch eine omnivore Ernährung, hohes Anpassungsvermögen an verschiedene Umgebungen, hohes Reproduktionspotential sowie das Fehlen von natürlichen Feinden (ROSATTE 2000).

Waschbären leben in einer Vielzahl von Lebensräumen und sind mitunter in städtischen Gebieten in unmittelbarer Nähe zum Menschen zu finden (BAUER 2013). Waschbären defäkieren habituell zumeist an derselben Stelle. Diese Stellen werden als „Latrinen" bezeichnet und befinden sich häufig in der Nähe ihrer Ruhe- und Schlafplätze, z. B. in Baumhöhlen, auf Holzstapeln, Hausdächern oder Dachböden (ROUSSERE et al. 2003; GAVIN et al. 2005). Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Erregerübertragung, insbesondere bei der Übertragung des Parasiten Baylisascaris (B.) procyonis (PAGE et al. 1999).

2.1.1 Waschbären in Deutschland

Die heutige Waschbärpopulation Deutschlands lässt sich auf eine geringe Anzahl von Gründerindividuen zurückführen und findet laut Literatur ihren Ursprung in zwei Regionen des Landes. Zum einen in Nordhessen in der Nähe des Edersees, wo am 12. April 1934 zwei männliche sowie zwei weibliche Waschbären (eine tragend) ausgesetzt wurden. Nur unweit des erstbeschriebenen Aussetzungsortes entliefen 1945/46 drei bis fünf Waschbären einer Pelztierfarm in Reinhardtshausen (LUTZ 1984). Als zweites wichtiges Ereignis wurde ein Entfliehen von 25 Tieren im Jahr 1945 aus einer Farm in Wolfshagen im Osten Brandenburgs beschrieben (STUBBE 1975). Mittels genetischer Analysen bestätigten FRANTZ et al. (2013) die Annahme, dass die heutige Population auf wenige Gründertiere zurückzuführen ist, zeigten aber auf, dass es mehr als zwei regionale Ursprungspopulationen gegeben haben muss.

(16)

Der Waschbär ist in Deutschland laut Kapitel 1 §7 Absatz 2 Nummer 7 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) als „heimische Art" anzusehen. Laut VOS et al. (2012) kommt er bei unterschiedlich starken Populationsdichten in allen 16 Bundesländern vor. In den urbanen Gebieten von Kassel und Bad Karlshof erreicht er sehr hohe Populationsdichten von bis zu 90 bzw.

110 Tieren/km2 (MICHLER u. MICHLER 2012; VOS et al. 2012).

Mit den Ausnahmen Bremen und dem Saarland unterliegt der Waschbär dem Jagdrecht der Länder (DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. 2012, S. 465- 707). Das Fallwild aller Länder sowie die erlegten Tiere werden sowohl in einer Jahresstrecke des Landes als auch in einer bundesweiten Jahresstrecke aufgeführt.

Die Jahresjagdstrecke aller Bundesländer zeigte einem rasanten Anstieg. Für das Jagdjahr 1994/1995 wurde eine Strecke von 333 Tieren dokumentiert. Im Jagdjahr 2001/2002 lag sie bereits bei 16.150 Tieren. Einer Dekade später zeigte sie 2011/2012 eine mehr als viermal so große Streckenzahl mit 71.071 Waschbären (Abbildung 1; DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. 2012, S. 461). Hierbei gehen MICHLER u. MICHLER (2012) davon aus, dass weniger als zehn Prozent des in Deutschland vorhandenen Gesamtbestandes erlegt werden.

(17)

16150196472114923687 30233

24800 36572

54790 49785

67707 71071

0 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 80000

200 1/02

2002/03 2003/04

2004/05 2005/06

200 6/07

2007/08 200

8/09 2009/10

201 0/11

2011/12 Jagdjahr

Jagdstrecke

Abbildung 1: Jahresjagdstrecken der Waschbären in Deutschland, 2001/02-2011/12, gemäß DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. (2012, S. 461)

2.1.1.1 Waschbären in Niedersachsen

Nach Abschnitt 1 §5 des Niedersächsischen Jagdgesetzes unterliegt der Waschbär dem Jagdrecht wobei §1 der Verordnung zur Durchführung des Niedersächsischen Jagdgesetzes adulte Tiere für einen Zeitraum vom 16. Juli bis zum 31. März und Jungtiere ganzjährig für jagdbar erklärt. Ein starker Anstieg der Jagdstrecke war nicht nur bundes-, sondern auch landesweit zu verzeichnen und ist in Abbildung 2 dargestellt (DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. 2012, S. 462-463).

(18)

866 1031

1400 1603 2426

6176

1704 3069

4093 4380 6409

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000

2001/02 2002/03

2003/04 2004/05

2005/06 2006/07

2007/08 2008/09

2009/10 2010/11

2011/12 Jagdjahr

Jagdstrecke

Abbildung 2: Jahresjagdstrecken der Waschbären in Niedersachsen, 2001/02- 2011/12, gemäß DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. (2012, S. 462-463)

Die höchsten Jagdstrecken wurden hierbei von den südlichen Landkreisen bestritten.

Von den 6.176 erlegten Waschbären des Jagdjahres 2011/2012 entfielen allein 1.576 Tiere auf den Landkreis (LK) Göttingen und 1.309 auf den LK Northeim. Der südöstliche LK Lüchow-Dannenberg stellte mit 806 Waschbären ebenfalls eine große Strecke (NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT, VERBRAUCHERSCHUTZ UND LANDESENTWICKLUNG 2012). Die gesamte Waschbärpopulation Niedersachsens zeigt sich genetisch vielfältig und lässt den Schluss zu, dass sie auf eine Nachkommenschaft von sowohl den Gründerindividuen aus Hessen am Edernsee als auch den Tieren aus Wolfshagen in Ostbrandenburg zurückzuführen ist (FRANTZ et al. 2013).

(19)

2.2 Krankheitserreger des Waschbären

In Nordamerika ist der Waschbär als Wirt einer Vielzahl von viralen, bakteriellen sowie parasitären Krankheitserregern bekannt. Der Erregernachweis erfolgte bei den nachstehenden Pathogenen direkt oder indirekt über den Nachweis von Antikörpern.

Das Aujeszky-Virus (MITCHELL et al. 1999), feline Parvovirus, kanine Staupevirus (GOMPPER et al. 2011), Tollwutvirus (BLANTON et al. 2012) sowie das West-Nile- Virus (BLITVICH et al. 2009) stehen hier beispielhaft für die bei Waschbären nachgewiesenen viralen Pathogene. Als bakterielle Erreger wurden u. a. Borrelien (YABSLEY et al. 2008), Coxiella (C.) burnetii (MARRIE et al. 1993), Francisella (F.) tularensis, Leptospiren (DUNCAN et al. 2012), Mycobacterium avium ssp.

paratuberculosis (PEDERSEN et al. 2008) sowie Mycobacterium bovis (WITMER et al. 2010) nachgewiesen. Babesien (BIRKENHEUER et al. 2008), B. procyonis (HERNANDEZ et al. 2013), Sarkozysten (HANCOCK et al. 2004), Toxoplasma gondii (DUBAY et al. 2007) sowie Trichinen (HILL et al. 2008) zählen zu den bislang bei Waschbären nachgewiesenen Krankheitserregern parasitären Ursprungs.

Der Waschbär kann demnach als Reservoir und Überträger für eine große Anzahl an Pathogenen fungieren, was insbesondere in urbanen Regionen ein Risiko für Menschen und Haustiere darstellt (JUNGE et al. 2007). BELTRÁN-BECK et al.

(2012) wiesen darauf hin, dass sich die Vielzahl an Krankheitserregern gekoppelt mit der Ausbreitung des Waschbären ungünstig auf die Gesundheitslage Europas auswirken kann, indem sich bislang in Europa noch nicht auftretende Zoonosen etablieren und dadurch neue Risiken für Tier und Umwelt entstehen.

2.3 Baylisascaris procyonis

Der Parasit B. procyonis ist der Erreger der Zoonose Baylisascariose, welche in die WHO (World Health Organization; Weltgesundheitsorganisation)-Liste der „Zoonoses with current and potentially increasing impact" in Europa aufgenommen wurde (BAUER 2011).

(20)

2.3.1 Taxonomie und Biologie

B. procyonis gehört als Nematode zur Ordnung Ascaridida der Überfamilie Ascaridoidea. Er wird umgangssprachlich auch als Waschbärspulwurm bezeichnet.

Sowohl der Waschbär als auch verwandte Kleinbärenarten wie der Maki- (Bassaricyon gabbii) und der Wickelbär (Potos flavus) zählen zu den originären Endwirten (KAZACOS 2001). In den USA tritt zunehmend der Hund (Canis familiaris) durch wiederholt auftretende patente Infektionen als alternativer Endwirt auf (LEE et al. 2010).

Adulte B. procyonis-Würmer weisen eine gelbliche Färbung auf und sind bei einer Breite von 1,5 mm streichholzdick (GEY 1998; GAVIN et al. 2005). Mit einer Länge von 20-22 cm sind die Weibchen doppelt so groß wie die 9-11cm langen Männchen (GAVIN et al 2005). Die Mundöffnung der Würmer wird von drei kräftigen Lippen eingefasst und die zwei Zervikalflügel am Vorderende sind lang und schmal. Das Hinterende ist bei beiden Geschlechtern konisch geformt. Beim Männchen sind zwei ca. 0,6 mm lange Spikula sowie ca. 30 Kaudalpapillenpaare ausgebildet, welche in zwei Längsreihen angeordnet sind. Die Vulva des Weibchens ist am Ende des ersten Körperviertels zu finden (GEY 1998). Ein weiblicher Wurm produziert 115.000-179.000 Eier/Tag (GAVIN et al. 2005). Nach POLLEY (2005) kann ein stark infizierter Waschbär bis zu 45.000.000 Eier/Tag ausscheiden. Die Eier sind ellipsoid, dunkelbraun und 63-88 µm x 50-70 µm groß. Die Eizelle zeigt sich von einer dicken, feingranulierten Schale umschlossen (GAVIN et al. 2005). Die Tenazität sowie die Entwicklung des Eis hängen im Wesentlichen von der Umgebungstemperatur sowie -feuchtigkeit ab (KAZACOS 2001). In der Natur unterliegen die Eier von B. procyonis einem sehr langsamen natürlichen Abbau und bleiben in feuchtem Substrat über viele Jahre entwicklungs- und lebensfähig (GAVIN et al. 2005). Bei 4°C gelagerte embryonierte Eier zeigten sich in einem Versuch mit Mäusen auch nach neun Jahren noch infektiös (LINDQUIST 1978). Nach einer sechsmonatigen Phase bei -15°C waren die Parasiteneier noch lebens- und entwicklungsfähig. Auch wiederholtes Auftauen und Einfrieren wirkte sich dabei nicht negativ auf diese Parameter aus. Bei einer Temperatur von 47°C überlebten alle Eier, bei 57°C blieb die Hälfte lebens- und entwicklungsfähig und bei 62°C wurden alle Eier inaktiviert (SHAFIR et al. 2011).

(21)

SORVILLO et al. (2002) wiesen darauf hin, dass B. procyonis ein mögliches Agens für den Bioterrorismus darstellt, weil der Erreger eine hohe Tenazität aufweist und die Möglichkeit der leichten Beschaffung sowie der Infektiosität für den Menschen ohne adäquate Behandlungsmöglichkeit bei Erkrankungen besteht.

2.3.2 Parasitärer Kreislauf

Der parasitäre Zyklus verläuft fakultativ zweiwirtig. Juvenile Waschbären infizieren sich zumeist durch die Aufnahme von embryonierten Eiern, während adulte Tiere sich über die Aufnahme von larvenhaltigen Zwischenwirten anstecken. Bei einer Infektion durch Eier entwickeln sich die geschlüpften Zweitlarven nach einer histotrophen Phase in der Dünndarmmukosa zu geschlechtsreifen Würmern im Dünndarmlumen. Die Präpatenz beträgt hierbei 50-76 Tage. Bei einer Aufnahme von infizierten Zwischenwirten ist die Präpatenz auf 32-38 Tage verkürzt (KAZACOS 2001). Die im Gewebe des Zwischenwirtes eingekapselten Drittlarven schlüpfen im Dünndarmlumen des Waschbären, wo sie sich zu Adultstadien entwickeln (GAVIN et al. 2005). Im originären Endwirt findet keine Körperwanderung der Larven statt (KAZACOS 2001). Es gibt ebenfalls keine Hinweise auf eine diaplazentare oder laktogene Larvenübertragung (BAUER 2011).

Innerhalb von zwei bis vier Wochen entwickelt sich in einem ausgeschiedenen Ei über ein erstes Larvenstadium die infektiöse Zweitlarve. Wird diese von einem Zwischenwirt aufgenommen, schlüpft sie im Dünndarm, penetriert die Wand des Verdauungstraktes und wandert über den Blutkreislauf durch Leber und Lunge in verschiedene Körpergewebe (GAVIN et al. 2005). Unter experimentellen Bedingungen erreichten fünf bis sieben Prozent der aufgenommenen Larven das zentrale Nervensystem (ZNS) bei Mäusen (MURRAY u. KAZACOS 2004). Im Körpergewebe werden die Larven in eosinophilen Granulomen eingekapselt und verbleiben dort lebensfähig bis zur Aufnahme durch den Endwirt (GAVIN et al. 2005).

Bislang sind über 100 Säugetier- und Vogelarten als Zwischenwirte bekannt, welche üblicherweise klinische Symptome einer Larva migrans entwickeln (GAVIN et al.

2005; BAUER 2011). Dazu zählen u. a. kleine Säugetiere wie Nagetiere oder Hasenartige, aber auch Fleischfresser und Primaten sowie Hühnervögel und

(22)

Taubenartige (BAUER 2013). Der Mensch gilt als akzidentieller Zwischenwirt (GAVIN et al. 2005). In Deutschland erfolgte die Diagnose einer B. procyonis-Infektion bereits bei Blaustirnamazonen (HILLMERS u. PETERS 2009), Sumpfbibern (KOCH u.

PAPP 1981) sowie Hauskaninchen (BAUER 2011). Bei der Übertragung des Waschbärspulwurms auf die Zwischenwirte scheinen die Latrinen eine wichtige Rolle zu spielen. PAGE et al. (1999) konnten 14 Säugetier- sowie 15 Vogelspezies dokumentieren, welche regelmäßig die Latrinen zur Nahrungsaufnahme aufsuchten.

2.3.3 Krankheitsbild

B. procyonis-Infektionen verlaufen bei Waschbären im Allgemeinen subklinisch (GAVIN et al. 2005). Als Ausnahme berichtete STONE (1983) über eine intestinale Obstruktion bei massivem Befall. Nach GAVIN et al. (2005) scheinen juvenile Tiere eine höhere Prävalenz sowie eine erhöhte Anzahl von Würmern bei einem Befall aufzuweisen. Diese These wurde von manchen Studien bestätigt (SNYDER u.

FITZGERALD 1985; CHING et al. 2000), wobei wiederum andere Untersuchungen keine altersabhängigen Prävalenzunterschiede nachweisen konnten (GEY 1998;

SOUZA et al. 2009; CHAVEZ et al. 2012).

Beim alternativen Endwirt Hund ist im Gegensatz zum originären Endwirt ein Auftreten einer neuralen Larva migrans möglich (THOMAS 1988; RUDMANN et al.

1996).

Für Zwischenwirte ist der Erreger hochpathogen. Besonders die Larvenwanderung sowie ihr Wachstum im ZNS führen zur Schwächung oder zum Tod des Zwischenwirtes (GAVIN et al. 2005). Hierbei kann die Mortalitätsrate bis zu 100%

betragen, wie sowohl KOCH u. RAPP (1981) bei Sumpfbibern als auch REED et al.

(1981) bei Wachteln beschrieben.

2.3.4 Prävalenzen

B. procyonis ist in Nordamerika besonders in den Waschbärpopulationen im Mittleren Westen und im Nordosten der USA sowie entlang der Westküste zu finden, wo Prävalenzen von 68-82% dokumentiert wurden (KAZACOS 2001). Während der Waschbärspulwurm im Südosten der USA als selten galt, scheint er dort nach

(23)

BLIZZARD et al. (2010) sowie HERNANDEZ et al. (2013) einer geographischen Ausbreitung zu unterliegen. In Kanada ermittelten CHING et al. (2000) eine Prävalenz von 61% bei 82 Waschbären aus dem südwestlichen Teil der Provinz British Columbia.

In Japan konnte B. procyonis bei freilebenden Waschbären (n=1.688) bislang nicht detektiert werden (MATOBA et al. 2006), wohingegen ein Befall bei gefangen gehaltenen Tieren aufgezeigt werden konnte (SATO et al. 2003).

In Europa erfolgte bereits der Nachweis von B. procyonis bei freilebenden Waschbären. POPIOLEK et al. (2011) ermittelten eine Prävalenz von 3,3% (n=91) im polnischen Warta Mouth National Park, welcher an der polnisch-deutschen Grenze liegt. Innerhalb Deutschlands variieren die bislang ermittelten Prävalenzen stark.

Während LUX u. PRIEMER (1995) bei 41 Tieren aus Brandenburg keinen Befall mit dem Waschbärspulwurm nachweisen konnten, ermittelte GEY (1998) eine Infektionsrate von 71% bei 147 Waschbären aus dem nord- und mittelhessischen Raum. In Sachsen-Anhalt wurden zwei Studien durchgeführt, bei welchen die Ergebnisse vergleichbar waren. Zum einen wurde im Ostharz bei 39% (n=56) ein Befall mit B. procyonis festgestellt (WINTER 2005), zum anderen dokumentierte HELBIG (2011) eine Prävalenz von 45% (n=47) in Bernburg. Bislang gibt es keine Untersuchungen zu B. procyonis in der niedersächsischen Waschbärpopulation.

2.3.5 Humane Baylisascariose

Das gesamte klinische Spektrum der humanen Baylisascariose ist nicht bekannt, umfasst aber die vier verschiedenen Verlaufsformen der neuralen Larva migrans (NLM), okulären Larva migrans (OLM), viszeralen Larva migrans (VLM) sowie eine asymptomatische Infektion. Primär wird die Erkrankungsform von der Anzahl der aufgenommen Eier bestimmt. Zusätzlich wird sie von dem Ausmaß der larvalen Migration ins ZNS sowie der Größe des Gehirns beeinflusst (GAVIN et al. 2005).

Die NLM stellt die schwerste Form der Baylisascariose dar, bei welcher durch die Migration, das kontinuierliche Wachstum sowie die Häutung der Larven eine starke Schädigung des Gewebes eintritt. In den meisten Fällen tritt eine akute, heftig und rapide verlaufende eosinophile Meningoencephalitis mit neurologischen Symptomen

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auf, welche schließlich zum Stupor, Komazustand oder Tod führt (MURRAY u.

KAZACOS 2004; GAVIN et al. 2005). BAUER (2013) listete die 23 bis jetzt in Nordamerika beschriebenen Fälle der klinischen NLM auf und wies auf die Risikogruppe der Kleinkinder (13 Erkrankte waren jünger als zwei Jahre) sowie der geistig behinderten Patienten (7 zeigten mentale Entwicklungsstörungen oder eine Behinderung) hin. Ebenfalls als Risikogruppe wurde das männliche Geschlecht beschrieben (MURRAY u. KAZACOS 2004), da von den aktuellen 23 Fällen 20 männliche Patienten dokumentiert wurden (BAUER 2013). Als Infektionsweg wurde von MURRAY u. KAZACOS (2004) sowie BAUER (2013) Geophagie oder Pica vermutet, da Patienten diese häufig zuvor gezeigt hatten. Die Erkrankungen endeten meist fatal oder in einer neurologischen Dauererkrankung (BAUER 2013).

Nur in einem von PAI et al. (2007) beschriebenen Fall eines vierjährigen Jungens waren nach der Behandlung keine erkennbaren neurologischen Defizite mehr vorhanden.

Die OLM tritt entweder in Zusammenhang mit einer weiteren Form der humanen Baylisascariose oder isoliert auf. So zeigen Kinder mit einer NLM oder VLM häufig visuelle Beeinträchtigungen bis hin zur Blindheit. Diese Symptome sind bedingt durch eine ausgedehnte larvale Migration mit einer Zerstörung des visuellen Kortex oder eine larvale Migration innerhalb des Auges (GAVIN et al. 2005). Die isolierte Form der OLM gilt als Folge einer Infektion mit einer geringen Anzahl an Eiern und stellt sich als diffuse unilaterale subakute Neuroretinitis (DUSN) dar (KAZACOS 2001). Sie ist gekennzeichnet durch Veränderungen der Retinapigmentation mit einseitigem Visusverlust. In den USA gilt B. procyonis als häufigste Ursache der DUSN (GAVIN et al. 2005) und tritt sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auf (BAUER 2013). Neben dutzenden Fällen in den USA (KAZACOS 2001) ist auch ein von KÜCHLE et al. (1993) beschriebener Fall in Deutschland bekannt.

Vorberichtlich hielt die 48-jährige Patientin aus Bayern einen Waschbär als Haustier.

Bei einer VLM begehen die Larven eine somatische Wanderung und rufen unspezifische klinische Symptome wie beispielsweise fleckigen Hautausschlag, Pneumonitis sowie Hepatomegalie hervor. Histologisch können larvenbedingte Granulome in verschiedenen Organen und Geweben des Körpers nachgewiesen

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werden (GAVIN et al. 2005). In Deutschland wurde eine Fall-Kontrollstudie mit Probanden durchgeführt, welche berufsbedingt Umgang mit Waschbären hatten. In dieser Studie konnten seropositive Patienten mit hinweislichen labordiagnostischen Befunden sowie klinischen Symptomen einer VLM ermittelt werden (CONRATHS et al. 1996).

Die subklinische oder asymptomatische Infektion scheint die am weitesten verbreitete Form der humanen Baylisascariose darzustellen (MURRAY u. KAZACOS 2004). So wiesen beispielsweise bei einer Untersuchung von 389 ein bis vier Jahre alten Kindern aus Chicago 8% eine Antikörperreaktion auf das E/S-Antigen von B. procyonis auf, obwohl kein Kind klinische Symptome zeigte (BRINKMAN et al.

2003). Hierbei konnte man nach DANGOUDOUBIYAM u. KAZACOS (2009) allerdings Kreuzreaktionen mit anderen Ascariden (Toxocara ssp.) nicht ausschließen. In der deutschen Fall-Kontrollstudie von CONRATHS et al. (1996) wurden ebenfalls subklinische Infektionen beschrieben.

2.4 Leptospira spp.

Die Leptospirose ist eine weltweit endemisch auftretende Zoonose bakteriellen Ursprungs und wird durch pathogene Leptospira spp. verursacht (ADLER et al.

2011). Nach HARTSKEERL et al. (2011) bildet sie den Prototyp einer vernachlässigten Infektionskrankheit mit unbekannten, aber wahrscheinlich erheblichen Auswirkungen auf die Tierwelt sowie die öffentliche Gesundheit.

2.4.1 Taxonomie, Klassifizierung und Biologie

Die Gattung Leptospira gehört innerhalb der Familie Leptospiraceae zur Ordnung Spirochaetales (SCHÖNBERG 1992). Die komplexe Klassifizierung der Leptospira spp. erfolgt nach zwei unterschiedlichen Systemen, welche nebeneinander existieren (BHARTI et al. 2003).

Nach der serologischen Klassifizierung werden annähernd 300 Serovaren unterschieden, welche Serogruppen zugeteilt sind (SELBITZ 2007, S. 400;

HARTSKEERL et al. 2011). Wie VALVERDE et al. (2013) demonstrierten, unterliegt die Anzahl durch die stete Detektion neuer Serovaren einem Anstieg. Grundsätzlich

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existieren nach der serologischen Klassifizierung zwei Leptospirenspezies (LEVETT 2001). Hierbei werden in die Spezies Leptospira (L.) interrogans alle pathogenen und in die Spezies L. biflexa alle apathogenen Serovaren eingegliedert (SELBITZ 2007, S. 400). Aufgrund ähnlicher Antigenstrukturen werden Serovaren in Serogruppen zusammengefasst (LEVETT 2001). Nach SELBITZ (2007, S. 400) umfasst L. interrogans über 200 Serovaren in 23 Serogruppen und L. biflexa repräsentiert 65 Serovaren in 38 Serogruppen.

Die serologische und die molekulargenetische Klassifizierung sind nicht kongruent.

So zeigt die molekulargenetische Klassifizierung beispielsweise, dass Stämme der gleichen Serovar verschiedenen Genospezies zugeordnet werden können (ZÖLLER 2009). Basierend auf genetischen Verwandtschaftsverhältnissen können 17 Leptospirenspezies unterschieden werden (BHARTI et al. 2003). Hiervon gelten die folgenden acht Leptospirenarten als pathogen: L. interrogans, L. noguchii, L. weilii, L. santarosai, L. borgpetersenii, L. inadai, L. fainei, L. kirschneri (SELBITZ 2007, S. 400).

Leptospiren sind bei einem Durchmesser von rund 0,1 µm 20-24 µm lang. Die beiden Enden des schraubenförmigen Bakteriums sind gebogen, was zu einem kleiderbügel- oder hakenformähnlich Aussehen führt. Zwei um den Protoplasmazylinder gewundene Endoflagellen ermöglichen eine rotierende Bewegung des Erregers. Leptospiren sind nicht gut anfärbbar. Im histologischen Schnitt ist eine Beurteilung nach einer Silberimprägnation des Erregers möglich.

Ferner kann die Begutachtung eines Nativpräparates im Dunkelfeld eines Lichtmikroskops erfolgen (SELBITZ 2007, S. 399). Als optimale Bedingung für das Wachstum des obligat aeroben Erregers bei der Kultivierung wird eine Temperatur zwischen 28 und 30°C angegeben (LEVETT 2001).

Abhängig von den Umgebungsbedingungen können Leptospiren mehrere Monate außerhalb des Wirts überleben. Da warmes und feuchtes Substrat gute Umweltbedingungen darstellt, wird die Leptospirose häufig in feuchten subtropischen und tropischen Regionen beschrieben (HARTSKEERL et al. 2011). Bei pH-Werten von 7,2-7,6 bleiben pathogene Leptospiren in Regenwasser bis zu 18 Tage und in Flüssen bis zu 100 Tage infektiös. Gegenüber Austrocknung sowie pH-Werten über

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8,0 und unter 6,8 sind die sie empfindlich. Dies erklärt warum die Infektionsgefahr durch Leptospiren im sauren Urin der Carnivoren als geringer gegenüber Leptospiren im leicht alkalischen Urin der Herbivoren eingeschätzt wird (THEODORIDIS 2004).

2.4.2 Reservoir und Übertragung

Weltweit gelten Wild- sowie Haus- und Nutztiere als Reservoir pathogener Leptospiren (SCHÖNBERG 1992). Auch Waschbären sind als Erregerreservoir bekannt (BELTRÁN-BECK 2012). Die meisten Säugetiere fungieren als natürliche Träger, wobei der Mensch einen Fehlwirt darstellt. Jede Serovar zeigt eine Wirtspräferenz, besitzt aber die Fähigkeit sich auch an verschiedene andere Wirte anzupassen. Dies sorgt für einen komplexen und dynamischen Zyklus (HARTSKEERL et al. 2011). Infizierte Tiere können in Haupt- und Gelegenheitswirte eingeteilt werden. Bei einem Hauptwirt tritt die Infektion endemisch auf und wird über direkten Kontakt von Tier zu Tier übertragen (LEVETT 2001). Leptospira spp.

persistieren in den proximalen Nierentubuli chronisch infizierter Tiere. Während die Trägertiere symptomfrei bleiben können, scheiden sie lebenslang infektiösen Erreger mit dem Urin aus (BHARTI et al. 2003). Durch indirekten Kontakt mit Hauptwirten können weitere Tiere infiziert werden (LEVETT 2001). Die humane Infektion kann sich über Kontakt mit infektiösem Urin, dem der Mensch entweder direkt oder indirekt via kontaminiertem Wasser oder Boden ausgesetzt ist, zutragen (BHARTI et al.

2003). Infektionen erfolgen vornehmlich über Hautabrasionen und -wunden sowie die Konjunktiven. Ein Erregereintrag ist über den Respirationstrakt nach Inhalation von kontaminiertem Wasser oder Aerosol sowie über von Wasser erweichte Haut möglich (LEVETT 2001). Der Mensch selber stellt keine wichtige Infektionsquelle dar, obwohl eine humane Erregerausscheidung möglich ist (BHARTI et al. 2003). Der niedrige pH-Wert des menschlichen Urins begrenzt jedoch die Lebensdauer der Leptospiren nach der Ausscheidung. Die venerische Übertragung durch einen rekonvaleszenten Patienten wurde dokumentiert (LEVETT 2001).

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2.4.3 Prävalenzen

Zu dem Vorkommen von pathogenen Leptospiren in den Waschbärpopulationen Nordamerikas liegen zahlreiche serologische Studien vor. JUNGE et al. (2007) haben 159 Waschbären aus dem Zoo sowie dem den Zoo umgebenden Park von St. Louis, Missouri untersucht. Hierbei konnte bei 6,5% der Tiere eine Infektion mit L. interrogans Serovar Grippotyphosa und bei 8,9% eine Infektion mit L. interrogans Serovar Icterohemorrhagiae festgestellt werden. Im Bundesstaat Washington konnte eine Seroprävalenz von 19,1% bei 115 Waschbären dokumentiert werden (DAVIS et al. 2008). RICHARDSON u. GAUTHIER (2003) stellten bei 36% (n=31) der Waschbären aus Connecticut Antikörper gegen pathogene Leptospiren fest, wobei die dominierende Serovar L. interrogans Icterohemorrhagiae war. Bei 459 untersuchten Tieren aus Illinois konnte eine 48%ige Prävalenz von L. interrogans nachgewiesen werden (MITCHELL et al. 1999). Im Bundesstaat Indiana imponierte eine Seroprävalenz von 47% (n=459) bei der Detektion der Serovaren Grippotyphosa, Autumnalis und Hardjo (RAIZMAN et al. 2009).

KOIZUMI et al. (2009) dokumentierten eine Seroprävalenz von 12,9% (n=124) in Kanagawa und 62,3% (n=53) in Nagasaki, Japan. Hierbei konnten die Serovaren Copenhageni, Icterohaemorrhagiae sowie Autumnalis ermittelt werden.

Bislang gibt es keine Erkenntnisse zum Vorkommen von Leptospira spp. in den Waschbärpopulationen Europas.

In Deutschland liegen jedoch Prävalenzstudien zu pathogenen Leptospiren bei Haus- und Nutz- sowie Wildtieren vor. SCHÖNBERG et al. (1987) haben bei Untersuchungen in Westdeutschland insgesamt 30.963 Tiere auf Antikörper gegen L. interrogans getestet. Hierbei zeigten sich 1,6% (n=23.093) der Rinder, 1,2%

(n=1.835) der Schweine, 14,4% (n=3.040) der Schafe, 0,3% (n=694) der Ziegen, 4,5% (n=2.002) der Pferde sowie 8,4% (n=299) der Hunde positiv. In Thüringen betrug die durchschnittliche Seroprävalenz 1,9% bei 1.253 untersuchten Füchsen (MÜLLER u. WINKLER 1994). In Berlin wiesen 18% der Wildschweine (n=141) Antikörper gegen Leptospiren auf (JANSEN et al. 2007). PAYSEN (2008) detektierte eine serologische Prävalenz von 85% bei 354 Proben von 128 Wildschweinen aus Niedersachsen. Nach RUNGE et al. (2013) lag die durchschnittliche Prävalenz bei

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Wanderratten aus Niedersachsen bei direktem Erregernachweis mittels PCR bei 21,3% (n=586).

Für den Erkrankungs- sowie Erregernachweis bei Schweinen und Schafen gilt die deutschlandweite Meldepflicht (Anlage zu §1, Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten).

2.4.4 Humane Leptospirose

Die Leptospirose gilt als die global am weitesten verbreitete Zoonose und tritt in Entwicklungsländern und Industriestaaten auf (CACHAY u. VINETZ 2005). Das Spektrum des Erkrankungsausmaßes ist sehr groß und reicht von einer asymptomatischen Infektion bis hin zu einer Multiorganinfektion mit Todesfolge (LEVETT 2001). Nach CACHAY u. VINETZ (2005) bildet die asymptomatische Serokonversation bei einer Infektion mit pathogenen Leptospiren die häufigste Form.

So konnten beispielsweise nur 25 von 85 seropositiven Personen aus Nicaragua retrospektiv von einer fieberhaften Erkrankung berichten. Dies lässt den Schluss zu, dass die anderen seropositiven Personen eine asymptomatische Infektion aufwiesen (ASHFORD et al. 2000). Mild verlaufende Erkrankungen imponieren mit erkältungsähnlichen Symptomen (SCHÖNBERG 1992). Das Ausmaß dieser Infektionsform ist völlig unbekannt (HARTSKEERL et al. 2011). Bei der klinischen Leptospirose ist zumeist ein biphasischer Verlauf erkennbar (LEVETT 2001). Nach einer Inkubationszeit von 7-14 (3-30) Tagen präsentiert sich die erste Phase als septisches Stadium mit plötzlich auftretendem hohen Fieber (SCHÖNBERG 1992).

In dieser akuten Phase können sich weitere Symptome wie Myalgien, Konjunktivitis, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Nausea, Vomitus und Ikterus entwickeln. Nach einer Remission von drei bis vier Tagen kommt es zu einem erneuten Fieberschub (BHARTI et al. 2003). Die zweite Phase ist durch eine Organmanifestation gekennzeichnet. Das Auftreten einer zumeist serösen Meningitis, Nephritis, Lymphadenitis und Anämie sowie einer Milzvergrößerung sind möglich (SCHÖNBERG 1992). Nach BHARTI et al. (2003) lässt sich aus klinischer Sicht die akute biphasische Leptospirose nicht von anderen mit Fieber einhergehenden Erkrankungen unterscheiden. Die Weil-Krankheit stellt die schwerste Ausprägung der

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humanen Leptospirose dar und entwickelt sich entweder innerhalb des zweiten Intervalls eines biphasischen Krankheitsverlaufes oder als progressive Erkrankungsform (BHARTI et al. 2003). Etwa zehn Prozent der Patienten entwickeln diese schwere Form, welche durch Ikterus, akute Nierenschädigung sowie pulmonale Hämorrhagien gekennzeichnet ist (SEGURU u. ANDRADE 2013).

LEBLEBICIOGLU et al. (1996) zeigten anhand von Fallberichten auf, dass trotz intensiver medizinischer Behandlung die Mortalitätsrate hoch ist.

Während in den westlichen Ländern die Leptospirose zu den eher seltenen Erkrankungen zählt, kommt sie in tropischen Regionen wie Hawaii, Barbados oder den Seychellen bis zu tausendmal häufiger vor (BOVET et al. 1999). Auf Hawaii wurde beispielsweise eine jährliche Inzidenz von 128 Fällen pro 100.000 Personen ermittelt (SASAKI et al. 1993).

Der Waschbär stellt als Reservoir von pathogenen Leptospiren eine potentielle Infektionsquelle für den Mensch dar (BELTRÁN-BECK et al. 2012). So konnten WARSHAWSKY et al. (2000) Leptospirose bei Trappern aus Ontario nach der Fallenjagd auf Waschbären dokumentieren.

In Deutschland ist nach dem 3. Abschnitt §7 Absatz 1 Nummer 28 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) ein indirekter oder direkter Nachweis von humanpathogenen Leptospira spp. meldepflichtig, insofern dieser auf ein akutes Krankheitsgeschehen hindeutet.

In den Jahren von 1962 bis 2003 wurden insgesamt 2.694 Fälle bei einer neunprozentigen Mortalitätsrate in Deutschland dokumentiert. Bis 1997 ist ein kontinuierlicher Rückgang der Erkrankungsfälle zu verzeichnen. Seit der niedrigen Fallzahl von 25 erkrankten Personen im Jahr 1997 steigt die Inzidenz jedoch wieder an. Während zwischen 1962 und 2003 die durchschnittliche jährliche Fallzahl bei 66 erkrankten Personen mit einem Peak von 147 Patienten im Jahr 1974 lag (JANSEN et al. 2005), stellte sich zwischen 2004 und 2012 die durchschnittliche jährliche Leptospirose-Fallzahl mit 77 Erkrankten bei der höchsten gemeldetem Fallzahl von 166 Erkrankten im Jahr 2007 dar. In 2013 sind bislang 54 Erkrankte gemeldet (Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand:

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20.9.2013). Die berichteten Erkrankungsätiologien sind vielfältig. So wurden beispielsweise 13 Erdbeerpflücker (DESAI et al. 2009) sowie fünf Triathlonteilnehmer (BROCKMANN et al. 2010) dokumentiert, welche an Leptospirose erkrankten.

JANSEN et al. (2006) berichteten von einem Patienten, der sich vermutlich über von Wildschweinen kontaminiertes Wasser infiziert hat.

2.5 Francisella tularensis

Das Bakterium F. tularensis ist der Erreger der Zoonose Tularämie, welche in der nördlichen Hemisphäre zwischen dem 30. und 71. Breitengrad endemisch vorkommt (TÄRNVIK u. BERGLUND 2003; PETERSEN et al. 2009).

2.5.1 Taxonomie und Biologie

F. tularensis gehört innerhalb des Genus Francisella zu der Familie der Francisellaceae (ELLIS et al. 2002). Der Erreger ist ein pleomorphes, unbewegliches, strikt aerobes, fakultativ intrazelluläres, gramnegatives Stäbchenbakterium (TÄRNVIK u. BERGLUND 2003; SELBITZ 2007, S. 420;

OYSTON 2008). Bei einer Größe von 0,2 x 0,2-0,7 µm ist F. tularensis relativ klein (WEDEKIND 2008; WEBER u. SONNTAG 2009). Als optimale Bedingungen für das Wachstum wurden eine Temperatur von 37°C und ein pH-Wert zwischen 6,8 und 7,3 beschrieben (WEDEKIND 2008). F. tularensis ist ein anspruchsvolles Bakterium, welches ein angereichertes Medium für das Wachstum benötigt (OSTON 2008).

SELBITZ (2007, S. 420) beschrieb eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuchtigkeit, Kälte sowie Alkalien. Gegenüber Wärme zeigte sich das Bakterium jedoch empfindlich. So wurde es bei 56-58°C innerhalb von zehn Minuten sowie bei direkter Sonnenlichtexposition innerhalb von drei Stunden abgetötet. In feuchtem Substrat konnte F. tularensis 50 Tage, in Kadavern mehr als vier Monate und im Wasser bis zu drei Monaten überleben (WEDEKIND 2008).

Es werden insgesamt vier Subspezies von F. tularensis beschrieben, welche sich hinsichtlich ihrer geographischen Verbreitung und Virulenz unterscheiden.

F. tularensis ssp. tularensis (früher als F. tularensis ssp. nearctica oder Typ A bezeichnet) tritt vorwiegend in Nordamerika auf und ist mit einer Infektionsdosis von

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weniger als zehn koloniebildenen Einheiten (KbE) höchstvirulent (ELLIS et al. 2002;

TÄRNVIK u. BERGLUND 2003). Ohne Behandlung liegt die humane Mortalität bei Infektionen mit dieser Subspezies bei 5-10% (TÄRNVIK u. BERGLUND 2003). Das Bakterium erfährt eine weitere Unterteilung in zwei verschiedene Kladen (A.I. und A.II.), welche aufgrund der geographischen Verteilung, dem Übertragungsweg sowie Krankheitsverlauf erfolgt. A.I. (A1, East) kommt in Ost- und Mittelamerika vor, weist eine sehr hohe Virulenz auf und scheint den größten Anteil an humaner Letalität durch F. tularensis ssp. tularensis zu verursachen. Im Gegensatz dazu wird A.II.

(A2, West) im Westen Amerikas nachgewiesen und die Virulenz als moderat betrachtet. Humane Todesfälle durch A.II. sind nicht bekannt (FARLOW et al. 2005;

STAPLES et al. 2006; OYSTON 2008; KUGELER et al. 2009). F. tularensis ssp.

tularensis wird der Risikogruppe 3 zugeordnet (SELBITZ 2007, S. 421). Das Bakterium stellt ein potentielles Agens für den Bioterrorismus dar, da es höchstvirulent ist, eine geringe Infektionsdosis hat, durch Aerosole übertragbar ist und Krankheiten mit Todesausgang verursachen kann (MCLENDON et al. 2006). Es wird deswegen gemäß der Einteilung des Centers for Disease Control and Prevention (CDC), USA, als Agens der Kategorie A (gefährlichste Einstufung) gelistet (GRUNOW u. PRIEBE 2007). Nach POHANKA u. SKLÁDAL (2009) zählt es zusammen mit Bacillus anthracis und Yersinia pestis zu den wichtigsten bakteriellen Erreger in der Kriegsführung. In den 1950er Jahren wurde in den USA F. tularensis zum ersten Mal als potentielle biologische Waffe evaluiert (ELLIS et al. 2002).

F. tularensis ssp. holarctica (früher als F. tularensis ssp. palaearctica oder Typ B bezeichnet) wird auf der gesamten nördlichen Hemisphäre, hauptsächlich in Europa und Asien, aber auch in Nordamerika, nachgewiesen und hat eine hohe Virulenz (ELLIS et al. 2002; MCLENDON et al. 2006; OYSTON 2008). Es erfolgt eine zusätzliche Einteilung in drei Biovare: Biovar 1 (sensibel gegenüber Erythromycin), Biovar 2 (resistent gegenüber Erythromycin) und Biovar Japonica (OLSUFJEV u.

MESHCHERYAKOVA 1982; ELLIS et al. 2002).

F. tularensis ssp. mediaasiatica wird hauptsächlich in Zentralasien detektiert und erhält die Einteilung in eine hohe Virulenzstufe.

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F. tularensis ssp. novicida wird bei einer geringen Virulenz selten in Nordamerika nachgewiesen (ELLIS et al. 2002, OYSTON 2008).

Von den vier beschrieben Subspezies sind nur F. tularensis ssp. tularensis sowie F. tularensis ssp. holarctica von klinischer Bedeutung (MCLENDON et al. 2006)

2.5.2 Wirtsspektrum, Reservoir und Übertragung

Das Bakterium hat ein deutlich größeres Wirtsspektrum als die meisten anderen Zoonoseerreger (PETERSEN et al. 2009). Nach MÖRNER (1992) wurden bereits über 250 verschiedene Tierarten, neben Säugetieren auch Vögel, Fische, Amphibien, Arthropoden und Protozoen, als Träger identifiziert. Bei den meisten Tierarten zeigt sich das pathologische Bild einer akuten Entzündung, wobei häufig keine makroskopischen Veränderungen erkennbar sind. Bei weniger empfänglichen Tieren findet sich ein chronisches proliferatives Entzündungsgeschehen. Bei sehr empfänglichen Tieren hingegen, wie dem Hasen, verläuft die Krankheit akut und es imponieren Nekrosen in Leber, Milz und Knochenmark.

Das natürliche Reservoir von F. tularensis ist unbekannt (ELLIS et al. 2002;

GRUNOW u. PRIEBE 2007; PETERSEN et al. 2009). Es werden jedoch je nach Land verschiedene Tierarten mit der Übertragung in Verbindung gebracht. So gelten in den USA das Baumwollschwanzkaninchen (Sylvilagus spp.) sowie verschiedene Zeckenarten bei einem terrestrischen Zyklus als Hauptreservoire von F. tularensis ssp. tularensis. F. tularensis ssp. holarctica soll in Nordamerika einem aquatischen Zyklus mit Beteiligung des Bisams (Ondatra zibethicus) sowie Bibers (Castor canadensis) unterliegen (MÖRNER 1992). Stets zählen Nagetiere zu den Reservoirtieren (PETERSEN et al. 2009). In Europa wird Tularämie bei Hasen (Lepus ssp.) beobachtet, welche jedoch nach MÖRNER (1992) nicht unbedingt das Reservoir darstellen. Zwischen den Tieren kann eine horizontale Übertragung erfolgen, wobei eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung nicht bekannt ist (TÄRNVIK u.

BERGLUND 2003). Bei der Aufrechterhaltung des Naturherdes sind weltweit auch Ektoparasiten als Vektoren von besonderer Bedeutung. Neben Bremsen und Mücken wurden schon verschiedene Zeckenarten dokumentiert. Zecken dienen hierbei nicht nur als Vektor, sondern auch der Erregererhaltung in der Natur über

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einen längeren Zeitraum (PETERSEN et al. 2009). Nach GRUNOW u. PRIEBE (2007) stellen nicht nur kleine Säugetiere und blutsaugende Ektoparasiten, sondern auch kontaminiertes Wasser, kontaminierte Stäube und Aerosole eine Infektionsquelle dar. So konnten beispielsweise HAURI et al. (2010) ein humanes lokales endemisches Geschehen in Deutschland auf eine Aerosolbildung zurückführen.

Wenige Erreger zeigen eine so hohe Anpassungsfähigkeit an verschiedene Vektoren, Wirte und Umweltbedingungen wie F. tularensis (PETERSEN et al. 2009).

2.5.3 Prävalenzen

BIGLER et al. verwiesen bereits 1975 auf den Waschbären als Indikator für ein Tularämiegeschehen in den südöstlichen Staaten der USA. Bei einer breit angelegten Seroprävalenzstudie mit acht verschiedenen Säugetierarten (n=535) auf Martha's Vineyard überraschte der Waschbär mit der höchsten Prävalenz von allen getesteten Tieren mit 52,4% (n=21). Stinktiere zeigten ebenfalls eine hohe Seroprävalenz (49,2%, n=61). Mäuse (n=319) sowie Kaninchen (n=21) wiesen hingegen keine Antikörper gegen F. tularensis auf (BERRADA et al. 2006).

BISCHOF u. ROGERS (2005) ermittelten eine Seroprävalenz von 38% (n=63) in der Waschbärpopulation Nebraskas. Dagegen waren aus dem kanadischen Toronto getestete Waschbären (n=61) frei von Antikörpern (JARDINE et al. 2011).

In einer japanischen Seroprävalenzstudie stellten INOUE et al. (2011) eine Prävalenz von 0,5% (n=559) in der dortigen Waschbärenpopulation fest.

Über das Vorkommen von F. tularensis in den Waschbärpopulationen Europas gibt es bislang keine Veröffentlichungen.

Für Deutschland liegen jedoch Daten zu verschiedenen anderen Tierarten vor. 2004 verstarben fünf von 62 Weißbüscheläffchen (Callithrix jacchus) aus einem Freilandgehege einer Forschungseinrichtung im LK Göttingen (SPLETTSTOESSER et al. 2007). Ebenfalls im LK Göttingen erkrankten 18 von 35 Javaneraffen (Macaca fascicularis) mit Zugang zu einem Außengehege einer weiteren Forschungseinrichtung an Tularämie (MÄTZ-RENSING et al. 2007). Diese beiden Vorfälle sowie ein lokales humanes Endemiegeschehen in Darmstadt (HAURI et al.

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2010) nahmen KAYSSER et al. (2008) für eine Untersuchung in unmittelbarer Umgebung der Infektionsgeschehen zur Detektion möglicher Erregerreservoire zum Anlass. In durchschnittlich 4,9% von 386 kleinen Säugetieren wurde F. tularensis- spezifische DNA (deoxyribonucleic acid, Desoxyribonukleinsäure) dokumentiert. Eine Wasserprobe (n=28) wurde ebenfalls positiv getestet. In 432 gesammelten Ektoparasiten erfolgte kein Erregernachweis. FRANKE et al. (2010) konnten dagegen bei 1,2% (n=211) bzw. 1,5% (n=273) der Zecken, welche von Vögeln bzw.

Nagetieren in Zentraldeutschland abgesammelt wurden, das Bakterium nachweisen.

Von 196 aus der Vegetation entnommenen Zecken, wurden 1,6% positiv getestet. AL DAHOUK et al. (2005) haben 763 Seren von Wildschweinen (Sus scrofa) aus Mecklenburg-Vorpommern auf F. tularensis untersucht. Hierbei zeigten 3,1% der Tiere einen Antikörpertiter. 1.353 Wildtiere aus Brandenburg wurden serologisch von KUEHN et al. (2013) getestet. Füchse (Vulpes vulpes) erwiesen sich mit 7,9%

(n=928), Marderhunde (Nyctereutes procyonoides) mit 6,4% (n=345) und Wildschweine mit 7,5% (n=80) als potentielle biologische Indikatoren für ein Tularämiegeschehen. FRÖLICH et al. (2003) konnten bei keinem von 299 Hasen (Lepus europaeus) aus Schleswig-Holstein Antikörper gegen F. tularensis nachweisen. In der Hasenpopulation Niedersachsens betrug hingegen bei direktem Nachweis von F. tularensis ssp. holarctica die durchschnittliche Prävalenz 1,1%

(n=2.121). Eine Untersuchung von 47 Wildkaninchen aus Niedersachsen ergab eine Prävalenz von 2,4% (RUNGE et al. 2011). Ebenfalls aus diesem Bundesland wurden insgesamt 478 Wanderratten mittels PCR (polymerase chain reaction, Polymerase- Kettenreaktion) auf F. tularensis getestet. Hierbei (RUNGE et al. 2013) konnte genauso wie bei 2.304 Bisamen aus Niedersachsen der Erreger nicht nachgewiesen werden (laut persönlicher Mitteilung von Herrn M. Runge, Hannover am 1.7.2013).

Nach der Anlage zu §1 der Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten gilt sowohl die Erkrankung Tularämie als auch der Erregernachweis bei Hasen und Kaninchen als meldepflichtig.

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2.5.4 Humane Tularämie

Nach einer Inkubationszeit von 3-5 Tagen (1-21 Tagen) entwickeln Patienten zumeist Grippe-ähnliche Allgemeinsymptome wie Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen (ELLIS et al. 2002; OYSTON 2008). Das weitere klinische Erscheinungsbild der humanen Tularämie variiert und hängt von der Erregervirulenz, der Infektionsdosis und der Eintrittsforte ab (ELLIS et al. 2002; GRUNOW u. PRIEBE 2007; OYSTON 2008). Insgesamt werden sieben Formen unterschieden:

Die ulzeroglanduläre Form stellt die häufigste Erscheinungsform dar. Nach einer Erregerexposition durch Kontakt mit einem infizierten Tier oder einen Stich/Biss eines Arthropoden entstehen Entzündungserscheinungen an der Haut. Diese gehen mit einer teils massiven Schwellung des regionalen Lymphknotens einher.

Bei der glandulären Form ist ebenso eine Lymphknotenschwellung feststellbar. Es fehlt jedoch eine sichtbare Hautulzeration.

Die okuloglanduläre Form stellt die Folge einer Schmierinfektion oder eines Erregereintrages mit kontaminierten Stäuben am Auge dar. Hierbei zeigt sich eine zumeist einseitige Konjunktivitis mit präaurikulärer Lymphadenitis.

Die Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln oder Wasser führt zu einer oropharyngealen oder gastrointestinalen Tularämie. Bei der oropharyngealen Form sind neben einer Blasenbildung im Mund- und Rachenraum auch Stomatiden und Pharyngitiden erkennbar. Begleitend ist eine zervikale Lymphknotenschwellung festzustellen.

Abhängig von der Infektionsdosis entwickeln sich bei der gastrointestinalen Form milde aber persistierende Diarrhöen bis hin zu akuten fatalen Darmerkrankungen mit hochgradigen Ulzerationen.

Die pulmonale Form ist eine sehr schwere Verlaufsform und entsteht durch die Inhalation von kontaminierten Stäuben. Häufig ist dies bei der Durchführung von landwirtschaftlichen Tätigkeiten wie beispielsweise dem Umgang mit kontaminiertem Heu, in welchem sich zuvor infizierte Nagetiere aufgehalten haben, gegeben. Die klinischen sowie röntgenologischen Befunde sind variabel und erschweren die Diagnose. Zumeist dominieren Dyspnoe, Husten oder atemabhängige Schmerzen

(37)

bei einer Pneumonie. Nach hämatogener Erregerstreuung kann sich ebenfalls eine Pneumonie einstellen.

Der Begriff der typhoidalen Tularämie wird bei Krankheitszeichen mit unbekanntem Infektionsweg genutzt.

Aufgrund der unspezifischen Krankheitssymptome wird von einer hohen Dunkelziffer nicht oder falsch diagnostizierter Tularämiefälle ausgegangen (ELLIS et al. 2002;

GRUNOW u. PRIEBE 2007; OYSTON 2008).

Tularämie tritt in den meisten Ländern der Nordhalbkugel endemisch auf. In den USA wurden in allen Bundesstaaten bis auf Hawaii humane Krankheitsfälle diagnostiziert.

Seit den 1950er Jahren sind die Fälle pro eine Millionen Einwohner von durchschnittlich 5 auf 0,5 gesunken, wobei endemische Zentren in den südlichen Staaten sowie Arkansas und Missouri gleichbleibend bestehen (TÄRNVIK u.

BERGLUND 2003). Auf der Insel Martha’s Vineyard (Massachusetts) wurden regelmäßig endemische Ausbrüche dokumentiert (FELDMAN et al. 2001; TÄRNVIK u. BERGLUND 2003; MATYAS et al. 2007).

In Japan liegt die Inzidenz bei unter zehn Fällen pro Jahr. In den Ländern Eurasiens ist Tularämie weit verbreitet. Hohe Erkrankungszahlen wurden in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und den skandinavischen Ländern dokumentiert (TÄRNVIK u. BERGLUND 2003). PAYNE et al. (2005) beschrieben beispielsweise einen Ausbruch in Schweden mit 689 Erkrankten. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern ist eine geringe Inzidenz in Zentral- und Südeuropa zu verzeichnen (TÄRNVIK u. BERGLUND 2003).

In Deutschland besteht eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis einer hinweislich akuten Erkrankung. Die Rechtsgrundlage bildet hierbei der 3. Abschnitt §7 Absatz 1 Nummer 14 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz).

Von 1974 bis 2004 wurden insgesamt 75 Fälle bei durchschnittlich drei Erkrankungen pro Jahr in Deutschland gemeldet (GRUNOW u. PRIEBE 2007). In den folgenden Jahren erlebte die Inzidenz jedoch einen Anstieg. So postulierten KAYSSER et al. (2008) sowie SPLETTSTOESSER et al. (2009) ein erneutes Auftreten der vormals so seltenen Erkrankung. Zwischen den Jahren 2005 und 2012

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wurden insgesamt 130 an Tularämie erkrankte Personen und 2013 wurden bislang 12 Fälle gemeldet (Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 20.9.2013). PORSCH-OZCÜRÜMEZ et al. (2004) ermittelten eine deutschlandweite Seroprävalenz von 0,2% (n=6.632). Unter Jägern (n=286) aus den westlichen Bundesländern lag die Seroprävalenz jedoch bei 6,3% (JENZORNA et al.

2008).

2.6 Coxiella burnetii

Das Bakterium C. burnetii ist der ätiologische Erreger der Zoonose Q-Fieber. Mit der Ausnahme von Neuseeland kommt das Agens weltweit vor (MAURIN u. RAOULT 1999).

2.6.1 Taxonomie und Biologie

C. burnetii gehört innerhalb der Familie Coxiellaceae zur Ordnung Legionellales.

Die 0,2-1 µm kleinen, obligat intrazellulären, pleomorphen Kokken werden wegen ihrer Zellwandstruktur als gramnegative Bakterien eingeteilt (OYSTON u. DAVIES 2011). Sie treten in drei verschieden Zellformen auf: Large-Cell Variants (LCV), Small-Cell Variants (SCV) und Small Dense Cells (SDC). Diese weisen morphologische und metabolische Unterschiede in den Antigenstrukturen sowie im Resistenzverhalten auf und lassen sich anhand dieser identifizieren. SCV und SDC scheinen die persistierenden Formen im Wirt sowie der Umwelt darzustellen. Sie haben eine sehr hohe Tenazität gegenüber Stressfaktoren wie Austrockung, Ultraviolette (UV)-Strahlung, Hitze, hohen oder niedrigen pH-Werten, osmotischem Druck sowie Desinfektionsmitteln. Diese Eigenschaften sind denen von Sporen ähnlich und bedingen eine lange extrazelluläre Überlebenszeit als infektiöse Partikel (ARRICAU-BOUVERY u. RODOLAKIS 2005; PORTER et al. 2011). So konnte der vermehrungsfähige Erreger nach einmonatiger Lagerung (4°C) im Fleisch, in Wolle und Staub nach sieben bis neun Monaten bei 20°C, in Milch nach 90-273 Tagen (4-6°C) und in bei Raumtemperatur gelagerter Trockenmilch nach 40 Monaten noch nachgewiesen werden (RUNGE u. GANTER 2008). Strukturveränderungen der Zellwand bewirken zudem das Auftreten von zwei Phasen (SELBITZ 2007, S. 552).

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Bakterien, welche ein vollständiges Lipopolysaccharid (LPS) auf ihrer Oberfläche präsentieren, stellen die virulente Phase I dar. Diese tritt im Wirt auf. Im Gegensatz dazu kann die Phase II in Kulturpassagen detektiert werden. Sie ist gekennzeichnet durch ein unvollständiges LPS und ist nicht virulent (PORTER et al. 2011).

Unter experimentellen Bedingungen kann beim Menschen bereits ein einziges inhaliertes Bakterium zur Infektion mit klinischem Krankheitsbild führen (PORTER et al. 2011). Wegen der hohen Infektiosität wird C. burnetii der Risikogruppe 3 zugeordnet (OYSTON u. DAVIES 2011).

Die Erregeranzüchtung kann sowohl in bebrüteten Hühnereiern, Zellkulturen als auch empfänglichen Versuchstieren (Meerschweinchen) erfolgen (SELBITZ 2007, S. 552).

Bedingt durch die geringe infektiöse Dosis, die hohe Tenazität gegenüber Stressfaktoren sowie die Möglichkeit der Erregerübertragung über Aerosole stellt C. burnetii ein vorstellbares Agens für Bioterrorismus dar (MCQUISTON u. CHILDS 2002; OYSTON u. DAVIES 2011). Es wird als bioterroristisches Agens der Kategorie B geführt (MOODIE et al. 2008).

2.6.2 Reservoir und Übertragung

Das große Erregerreservoir schließt viele Säugetiere (Haus-, Nutz- und Wildtiere), Vögel, Fische, Reptilien sowie Arthropoden mit ein (MAURIN u. RAOULT 1999;

PORTER et al. 2011). OYSTON u. DAVIES (2011) wiesen aber darauf hin, dass das gesamte Ausmaß an Reservoirtieren noch nicht bekannt ist. Q-Fieber stellt sich als Naturherdinfektion mit Erregerpersistenz in der Wildtierpopulation dar (SELBITZ 2007, S. 552). In erster Linie wird Q-Fieber mit Rindern, Schafen und Ziegen in Verbindung gebracht. Diese Tiere scheinen auch das Hauptreservoir bzw. die wichtigste humane Infektionsquelle darzustellen. Die Coxiellose der Hauswiederkäuer beruht zumeist auf einer chronischen Infektion des Uterus und der Milchdrüsen. Neben symptomlosen Ausprägungen geht die Erkrankung mit Aborten bei Schafen und Ziegen sowie Unfruchtbarkeit bei Rindern einher. Die Erregerausscheidung erfolgt zum einen über Milch, Urin, Faeces und Speichel, zum anderen wird der Erreger unter der Geburt massenhaft mit der Plazenta sowie dem Fruchtwasser ausgeschieden (MAURIN u. RAOULT 1999; OYSTON u. DAVIES

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2011; PORTER et al. 2011). Nach SELBITZ (2007, S. 553) gilt es zu beachten, dass auch die latent infizierten Tiere als Erregerausscheider fungieren und eine wichtige Infektionsquelle repräsentieren.

Innerhalb der Gruppe der Ektoparasiten wird die Zecke als wichtigstes Reservoirtier und Vektor angesehen. Bei bereits über 40 Arten konnte eine natürliche Infektion nachgewiesen werden. Zecken können C. burnetii mit dem Speichel, der Faeces und vermutlich auch transovariell übertragen. Ihnen wird eine bedeutende Rolle bei Verbreitung des Erregers innerhalb der Wildtierpopulation sowie der Übertragung von Wild- zu Haus- und Nutztieren zugesprochen (MAURIN u. RAOULT 1999;

OYSTON u. DAVIES 2011; PORTER et al. 2011). Es besteht auch ein von Zecken unabhängiger Zyklus, bei welchem sich die Tiere über einen aerogenen oder oralen Weg anstecken (SELBITZ 2007, S. 552).

Der Mensch kann sich über verschiedene Wege infizieren. Die Inhalation von Aerosolen, welche mit Parturitio-, Urin- oder Faecespartikeln versehen sind, gilt als Haupteintragsquelle. Hierbei muss keine Tiernähe gegeben sein, da die Aerosole über weite Entfernungen durch den Wind verbreitet werden können. Die Ingestion von Rohmilch sowie anderen kontaminierten Rohmilchprodukten stellt ebenso einen möglichen Infektionsweg dar. Obwohl die Vektorübertragung eine Signifikanz in der Tierwelt zeigt, gibt es nur wenige Berichte über humane Infektionen durch einen Zeckenstich. Sporadisch wurde über Mensch-zu-Mensch, transplazentale, intradermale sowie venerische Übertragungen berichtet. Bei einer Bluttransfusion besteht ebenso die Möglichkeit der Ansteckung (MAURIN u. RAOULT 1999;

ARRICAU-BOUVERY u. RODOLAKIS 2005; OYSTON u. DAVIES 2011; PORTER et al. 2011).

2.6.3 Prävalenzen

In den USA ermittelten ENRIGHT et al. (1971) bei Waschbären (n=26) aus Kalifornien eine C. burnetii-Seroprävalenz von 7,7%. In Texas wurden bei fünf von elf Waschbären Antikörper nachgewiesen (RANDHAWA et al. 1977).

INOUE et al. (2011) konnten dagegen bei 559 Waschbären aus Japan keine Antikörper gegen C. burnetii detektieren.

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Zum Vorhandensein von C. burnetii in den Waschbärpopulationen Europas wurden bislang keine Untersuchungen veröffentlicht.

In Deutschland ist die Erkrankung und der Erregernachweis bei Rind, Schaf, Ziege sowie insbesondere anderen Wiederkäuerarten meldepflichtig (Anlage zu §1, Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten).

Bei Untersuchungen von HARTUNG (2001) in Deutschland betrug die Herdenprävalenz von Rindern 18,1% (n=1.130) und bei Einzeltieruntersuchungen der Tiere 9,98% (n=8.760). Untersuchungen von 21.051 Seren von 603 bayerischen Rinderherden ergaben eine Prävalenz (Einzeltieruntersuchung) von 14,8% bei einer Herdenprävalenz von 72,3% (BÖTTCHER et al. 2011). Für Schafherden bzw. die Untersuchung von Einzeltieren wurde eine Seroprävalenz von 39% (n=41) bzw.

33% (n=296) angegeben (HARTUNG 2001). In Niedersachsen wurden bei 2,7% (n=1.714) der Schafe Antikörper gegen C. burnetii detektiert (RUNGE et al.

2012a). Nicht nur bei Hauswiederkäuern, sondern auch bei anderen Haus- und Nutztieren erfolgten Nachweise. RUNGE et al. (2012b) dokumentierten bei einem von 23 abortierten Pferdeföten C. burnetii-DNA. Hunde (31,6%, n=19) sowie Katzen (15,4%, n=13) aus Berlin und Baden-Württemberg wiesen Antikörper gegen C. burnetii im Blut auf. In der Wildtierpopulation erfolgte beispielsweise ein serologischer Nachweis bei 2,7% (n=220) der Wildschweine (HARTUNG 2001).

1,9% (n=1.000) der Zecken, gesammelt in Zentraldeutschland, waren nach einer Studie von HILDEBRANDT et al. (2011) PCR-positiv. PLUTA et al. (2010) konnten weder bei Zecken (n=666) noch bei Nagetieren (n=119) aus Süddeutschland einen direkten Erregernachweis führen. RUNGE et al. (2013) ermittelten dagegen bei 524 Wanderratten aus Niedersachsen eine Prävalenz von 1,3%.

2.6.4 Humanes Q-Fieber

Nach einer Inkubationszeit von 20 (14-39) Tagen verläuft die Erkrankung häufig subklinisch oder mit sehr milden Symptomen (HONARMAND 2012). Der asymptomatische Verlauf kommt bei 50-60% der Patienten vor (PORTER et al.

2011). Als akute Form des Q-Fiebers kann sich eine selbstlimitierende grippeähnliche Symptomatik mit Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen sowie

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Abgeschlagenheit einstellen (MAURIN u. RAOULT 1999; PORTER et al. 2011).

Begleitend werden Pneumonien und/oder Hepatitiden beschrieben, welche sich manifestieren können. Die Pneumonie ist zumeist mild, kann sich aber zu einem progressiven Atemnotsyndrom entwickeln. Bei akut oder chronisch infizierten Schwangeren können sich Wachstumsstörungen des Ungeborenen, intrauteriner fetaler Tod, Frühgeburt oder Abort einstellen (PORTER et al. 2011).

In etwa fünf Prozent der Fälle entwickelt sich ein chronisches Erkrankungsgeschehen (ARRICAU-BOUVERY u. RODOLAKIS 2005). Es kann sich Monate bis Jahre nach dem Infektionsereignis einstellen und manifestiert sich mehrheitlich in einer Endokarditis. Osteomyelitis, Osteoarthritis sowie Hepatitis können ebenfalls auftreten. Bei etwa 15% der Patienten stellt sich ein chronisches Müdigkeitssyndrom ein (OYSTON u. DAVIES 2011).

Bedingt durch den klinischen Polymorphismus zählt das Q-Fieber zu den stark unterdiagnostizierten Erkrankungen (MAURIN u. RAOULT 1999; PORTER et al.

2011).

Der größte Ausbruch humanen Q-Fiebers jüngerer Zeit ereignete sich zwischen 2007 und 2010 in den Niederlanden, bei welchem 4.026 Fälle dokumentiert wurden (GEORGIEV et al. 2011). Als Hauptursache wurden abortive Ereignisse auf Ziegenfarmen festgestellt. Bei 59% der Patienten (Jahr 2009) lag der Wohnort innerhalb eines Radius von 5 km um eine solche Farm (VAN DER HOEK et al.

2010).

In Deutschland wurden in den Jahren von 2001 bis 2012 insgesamt 3.103 und in 2013 bislang 74 an Q-Fieber erkrankte Personen gemeldet (Robert Koch-Institut:

SurvStat@RKI, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 20.9.2013). Ausbrüche wurden zumeist mit Hauswiederkäuern in Verbindung gebracht. PORTEN et al.

(2006) berichteten von einem Ausbruch bei 299 Personen, welche zuvor einen Bauernmarkt in Soest besucht hatten. Im Rahmen dieser Veranstaltung hatte ein Schaf gelammt, welches C. burnetii-positiv getestet wurde. In Jena fand ein lokales Epidemiegeschehen mit 331 Erkrankten statt. Als Infektionsquelle wurde eine Schafherde ausgemacht, welche in der Nähe eines Wohngebietes weidete und dort auch ablammte (GILSDORF et al. 2008). Zur Ermittlung einer Prävalenz bei beruflich

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exponierten Personen haben STING et al. (2002) 253 Seren von deutschen Landwirten, welche Milchviehherden mit erhöhtem Abortaufkommen betreuten, untersucht. Bei 22% der Probanden konnten C. burnetii-spezifische Antikörper detektiert werden.

In Deutschland unterliegt der direkte oder indirekte Nachweis von C. burnetii, insofern er auf eine akute Erkrankung hinweist, der Meldepflicht. Dieses regelt der 3. Abschnitt §7 Absatz 1 Nummer 10 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz).

2.7 Kanines Staupevirus

Eine Infektion mit dem kaninen Staupevirus (Canine distemper virus, CDV) ruft bei Carnivoren die hochkontagiöse Erkrankung Staupe hervor, welche weltweit verkommt (DEEM et al. 2000).

2.7.1 Taxonomie und Biologie

Das kanine Staupevirus wird innerhalb der Familie Paramyxoviridae dem Genus Morbillivirus zugeordnet (BEINEKE et al. 2009). Der Erreger ist ein nicht- segmentiertes, einzelsträngiges, 150-250 nm großes, behülltes RNA (ribonucleic acid, Ribonukleinsäure)-Virus (DEEM et al. 2000; VANDEVELDE u. ZURBRIGGEN 2005; SATO et al. 2012). Es ist aus sechs Strukturproteinen aufgebaut. Die genomische RNA bildet zusammen mit dem Nukleo (N)-Protein sowie den RNA-Polymerase-assoziierten Proteinen Phospho (P)- und Large (L)-Protein das Nukleokapsid. Das Matrix (M)-Protein ist an der Innenseite der Virushülle lokalisiert, welche mit dem Fusions (F)- und dem Hämagglutinin (H)-Protein zwei Glykoproteine präsentiert (VANDEVELDE u. ZURBRIGGEN 2005; SATO et al. 2012). Zusätzlich zu den Strukturproteinen werden zwei Nicht-Strukturproteine exprimiert, welche als extra-transkriptionale Einheiten innerhalb des P-Gens zu finden sind (BEINEKE et al.

2009). Von allen Strukturproteinen weist das H-Protein die höchste Antigen-Variation auf (BOLT et al. 1997; MARTELLA et al. 2006). Genomische Sequenzanalysen des Hämagglutinin (H)-Gens erlauben unter Berücksichtigung geografischer Faktoren eine phylogenetische Einteilung von CDV-Stämmen in sieben Cluster: America-1

Referenzen

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