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5   Diskussion

5.6   Ausblick

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass der Waschbär auch in Niedersachsen als Träger und Reservoirtier von Zoonoseerregern sowie dem kaninen Staupevirus fungiert. Diese Erkenntnis steht im Interesse der öffentlichen Gesundheit und sollte im Rahmen von Aufklärungsarbeit der Bevölkerung, den Jagdausübenden, praktizierenden Human- und Veterinärmedizinern sowie dem öffentlichen Gesundheitsdienst vermittelt werden.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde zum ersten Mal der Parasit B. procyonis in der Waschbärpopulation Niedersachsens nachgewiesen. Bei der Landkreis-bezogenen Prävalenzermittlung erwiesen sich die Tiere aus dem LK Lüchow-Dannenberg als nicht infiziert. Bei der steten Zunahme der Population ist eine Durchmischung der Ursprungspopulationen denkbar und könnte durch den Nachweis genetischer Marker verfolgt werden. Eine solche Durchmischung würde wahrscheinlich eine Infektion der Tiere aus dem LK Lüchow-Dannenberg bedingen. Dies sollte in den kommenden Jahren mit begleitenden Studien untersucht werden.

FRANTZ et al. (2013) postulierten, dass es womöglich mehr als zwei Ursprungspopulationen der heutigen Waschbärpopulation Deutschlands gegeben haben muss. Zur Überprüfung dieser These könnten die Organasservate der Tiere aus der vorliegenden Arbeit zur Verfügung gestellt werden.

Pathogene Leptospiren wurden bei 1,3% der untersuchten Tiere nachgewiesen. Aus den Landkreisen Uelzen sowie Helmstedt wurde jeweils nur ein Tier untersucht, welches jeweils auch positiv getestet wurde. Es sollte ermittelt werden, ob in diesen Landkreisen möglicherweise ein endemisches Infektionsgeschehen besteht. In Zusammenarbeit mit dem BfR wird eine Bestimmung der Genospezies der pathogenen Leptospiren durchgeführt. Die Ergebnisse könnte man mit den parallel zirkulierenden Leptospira spp. anderer Wildtiere aus Niedersachsen vergleichen.

Auch wenn kein Nachweis der Bakterien F. tularensis und C. burnetii bei Waschbären aus Niedersachsen geführt werden konnte, können generell Infektionen mit diesen Erregern beim Waschbär in Niedersachsen nicht ausgeschlossen werden.

Interessant wäre eine Wiederholung der Untersuchungen in einigen Jahren in Bezug

auf die Infektionsdynamik oder eine serologische Diagnostik zur Ermittlung einer potentiellen Seroprävalenz.

Staupe kann zu hohen Mortalitätsraten mit erheblichen Auswirkungen auf die Waschbärpopulation führen (MITCHELL et al. 1999). Ob und wie sich das in der vorliegenden Arbeit nachgewiesene Epidemiegeschehen auf die Populationsdynamik Niedersachsens auswirkt, könnte im Rahmen einer mehrjährigen Studie untersucht werden. Ebenfalls interessant wäre die lokale Ausbreitung und Begrenzung des Infektionsgeschehens. Da nach ROSCOE (1993) das kanine Staupevirus einem epizootischen 4-Jahres-Zyklus unterliegt, präsentieren die hier dokumentierten Fälle möglicherweise nur den Beginn eines größeren Infektionsgeschehens.

Der in dieser Arbeit in Kooperation mit dem Institut für Virologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover durchgeführten Teilsequenzierung des H-Protein-Gens des kaninen Staupevirus könnte eine vollständige Sequenzierung des viralen Proteins mit der Einordnung des Genotyps in einen CDV-Stamm folgen.

Aufschlussreich wäre zudem eine vergleichende Interspezies-Analyse der parallel zirkulierenden viralen Genotypen.

6 Zusammenfassung

Untersuchungen zum Vorkommen von Zoonoseerregern und dem kaninen Staupevirus in der Waschbärpopulation Niedersachsens, 2011-2013

Helena Eva Anheyer-Behmenburg

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, erstmals die Waschbärpopulation Niedersachsens auf die Zoonoseerreger Baylisascaris (B.) procyonis, pathogene Leptospira spp., Francisella (F.) tularensis und Coxiella (C.) burnetii zu untersuchen und nach einer Prävalenzermittlung, in Abgleich mit bestehender Literatur, das humane Infektionsrisiko einzuschätzen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit bestand in einer Prävalenzermittlung des kaninen Staupevirus (Canine Distemper Virus, CDV) bei Waschbären aus Niedersachsen sowie in einer Teilsequenzierung des viralen Hämagglutinin (H)-Protein-Gens.

Für die Arbeit wurden 457 Waschbären, welche zwischen 2011 und 2013 erlegt oder tot aufgefunden worden waren, aus den Landkreisen Goslar, Göttingen, Hameln-Pyrmont, Helmstedt, Hildesheim, Holzminden, Lüchow-Dannenberg, Northeim, Osterode am Harz, Schaumburg, Uelzen, Wolfenbüttel und der Region Hannover untersucht. Alle Tiere wurden makroskopisch und mikroskopisch mit anschließender Erregerbestätigung mittels PCR (polymerase chain reaction, Polymerase-Kettenreaktion) auf B. procyonis untersucht. Weiterhin wurde mittels PCR anhand von Nierenbeckenproben auf das Vorliegen einer Infektion mit pathogenen Leptospiren getestet. Milzproben wurden von 200 Waschbären jeweils für den direkten Nachweis von F. tularensis sowie C. burnetii verwendet. Ein Organspektrum von Lunge, Leber, Milz und Niere diente bei 206 Waschbären zur Detektion des kaninen Staupevirus mittels PCR. Anschließend wurden Amplifikate von vier CDV-positiven Tieren für die Teilsequenzierung des viralen H-Protein-Gens verwendet.

B. procyonis wurde bei durchschnittlich 54,3% der Waschbären nachgewiesen, wobei die Prävalenzen zwischen den einzelnen Landkreisen bzw. der Region

Hannover deutlich variierten. Pathogene Leptospiren wurden bei 1,3% der Tiere ermittelt. Mittels direktem Erregernachweis konnten bei keinem Tier F. tularensis oder C. burnetii aufgefunden werden. Im Rahmen eines epidemischen Geschehens erfolgte bei 30 von 206 Waschbären ein Nachweis des kaninen Staupevirus. Bei der Teilsequenzierung des H-Gens wurde am H-Protein einheitlich an der Position 530 Glycin und an 549 Histidin dokumentiert.

Trotz der teils hohen Prävalenzen von B. procyonis in Waschbären aus Niedersachsen, des rasanten Anstiegs der Waschbärpopulation (DEUTSCHER JAGDSCHUTZVERBAND E. V. 2012, S. 461-463), der habituellen Eigenschaften des Tieres (ROUSSERE et al. 2003; GAVIN et al. 2005; BAUER 2013) und der Erregereigenschaften (KAZACOS 2001; GAVIN et al. 2005) sind nur wenige humane Infektionen mit B. procyonis in Deutschland dokumentiert (KÜCHLE et al. 1993;

CONRATHS et al. 1996). Anhand dessen kann das potentielle Infektionsrisiko des Menschen als sehr gering eingeschätzt werden. Der Waschbär wurde in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal als Erregerreservoir für pathogene Leptospiren in Deutschland ermittelt, sodass von ihm ein potentielles humanes Infektionsrisko ausgeht. Trotz steigender humaner Fallzahlen in Deutschland (JANSEN et al. 2005) sind bislang keine Erkrankungsfälle im ätiologischen Zusammenhang mit Waschbären bekannt. Da zudem die Befallsrate des Waschbären gering ist, scheint das potentielle humane Infektionsrisko gering zu sein. Bei keinem untersuchten Tier konnte eine Infektion mit F. tularensis oder C. burnetii nachgewiesen werden, sodass vom Waschbären ausgehend kein Risiko einer humanen Infektion gegeben scheint.

Die Teilsequenzierung des H-Protein-Gens des kaninen Staupevirus ergab eine Zusammensetzung von Hunde- und Wildtier-typischen Aminosäuren (MCCARTHY et al. 2007), was für eine starke virale Interspezies-Übertragbarkeit sowie ein breites Wirtsspektrum sprechen könnte.