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5   Diskussion

5.4   Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch Coxiella burnetii in der

In Deutschland wurden zwischen 2001 und 2012 insgesamt 3.103 an Q-Fieber erkrankte Personen gemeldet (Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 20.9.2013). Da sich die Erkrankung neben einem asymptomatischen Verlauf klinisch vielfältig präsentiert, zählt sie zu den stark unterdiagnostizierten Krankheiten (MAURIN u. RAOULT 1999; PORTER et al. 2011) und kommt vermutlich in einer hohen Dunkelziffer vor. Bei einer Studie von STING et al. (2002) wurden bei 22% (n=253) beruflich exponierter Personen Antikörper nachgewiesen. Die Gruppe umfasste deutsche Landwirte, welche Milchviehherden mit erhöhtem Abortaufkommen betreuten.

Die persistierenden Formen des Bakteriums weisen aufgrund sporenähnlicher Eigenschaften eine lange extrazelluläre Überlebenszeit als infektiöse Partikel auf.

Dies ist bedingt durch eine sehr hohe Tenazität gegenüber Stressfaktoren wie z. B.

Austrockung, UV-Strahlung und Hitze (ARRICAU-BOUVERY u. RODOLAKIS 2005;

PORTER et al. 2011). C. burnetii wird aufgrund der hohen Infektiosität der Risikogruppe 3 zugeordnet (OYSTON u. DAVIES 2011). Bereits ein einziges inhaliertes Bakterium kann unter experimentellen Bedingungen beim Menschen zur Infektion führen (PORTER et al. 2011).

Nach SELBITZ (2007, S. 552) stellt sich Q-Fieber als Naturherdinfektion mit Erregerpersistenz in der Wildtierpopulation dar. Während das gesamte Ausmaß an Reservoirtieren noch unbekannt ist (OYSTON u. DAVIES 2011), konnten beim Waschbär in den USA bereits Antikörper gegen C. burnetii nachgewiesen werden (ENRIGHT et al. 1971; RANDHAWA et al. 1977). Bislang sind keine Untersuchungen auf den Erreger in den Waschbärpopulation Europas veröffentlicht. In der vorliegenden Arbeit wurden 200 Tiere aus Niedersachsen untersucht. Bei keinem Waschbär konnte der Erreger nachgewiesen werden.

Da C. burnetii in der niedersächsischen Waschbärpopulation nicht nachgewiesen werden konnte, scheint keine humane Infektionsgefahr zu bestehen. Dennoch sollten mit der Erkrankung Q-Fieber nicht ausschließlich Hauswiederkäuer als Infektionsquelle assoziiert werden, da bei vielen Haus- und Wildtieren in Deutschland ein Erreger- oder Antikörpernachweis bereits erfolgte (HARTUNG 2001;

HILDEBRANDT et al. 2011; RUNGE et al. 2012b; RUNGE et al. 2013).

5.5 Kanines Staupevirus

Eine CDV-Infektion ruft weltweit bei Carnivoren die hochkontagiöse Erkrankung Staupe hervor. Sie tritt in der Waschbärpopulation Nordamerikas endemisch auf (DEEM et al. 2000). Auch in Deutschland wurde bereits ein Ausbruch in der Waschbärpopulation beschrieben. Hierbei erfolgte der CDV-Nachweis bei fünf Tieren aus Mecklenburg-Vorpommern (NIKOLIN et al. 2012).

Im Verlauf der Untersuchungen zu der vorliegenden Arbeit wurden beginnend im Frühjahr 2012 vermehrt Waschbären aus dem LK Hameln-Pyrmont mit dokumentierten Verhaltensauffälligkeiten eingesandt. Die Abklärung der Krankheitsursache ergab zumeist eine Infektion mit dem kaninen Staupevirus. Der Vermutung einer Epidemie folgend, wurden, neben als verhaltensauffällig beschriebenen Tieren, alle Waschbären, auch retrospektiv, aus dem LK Hameln-Pyrmont sowie den umliegenden Landkreisen Schaumburg, Hildesheim, Holzminden und der Region Hannover auf CDV untersucht. Da die Erkrankung Staupe vermehrt im Frühjahr auftreten soll (BELTRÁN-BECK et al. 2012), wurden zusätzlich alle in dieser Jahreszeit erlegten Tiere unabhängig des Landkreises auf das Virus getestet.

Insgesamt wurden 206 Waschbären auf CDV untersucht. Bei 30 Tieren konnte der Erreger nachgewiesen werden. Bei einem Waschbär war der Nachweis fraglich.

Damit wurde in der vorliegenden Arbeit der bisher größte beschriebene Staupe-Ausbruch bei Waschbären in Europa nachgewiesen.

Das epidemische Infektionsgeschehen ereignete sich in wenigen Landkreisen. Im LK Hameln-Pyrmont, dem scheinbaren Ausgangspunkt des Ausbruchs, wurde mit 32,2% die höchste Prävalenz ermittelt. Weitere Infektionen wurden ausschließlich in den benachbarten Landkreisen sowie der Region Hannover dokumentiert. Die

Prävalenzen betrugen hierbei jeweils 14,3% im LK Holzminden sowie im LK Schaumburg, 8,7% in der Region Hannover und 8,3% im LK Hildesheim. Ob diese Prävalenzen repräsentativ für den Landkreis bzw. die Region Hannover waren, bleibt fraglich. Möglicherweise wurden die erkrankten Tiere aufgrund der Verhaltensänderungen, wie beispielsweise mangelndem Orientierungsverhalten oder fehlender Scheu, vermehrt gesichtet und erlegt.

Aufgrund der retrospektiven Untersuchungen konnten die ersten zwei Tiere mit nachgewiesener Infektion dem LK Holzminden zugeordnet werden. Sie wurden bereits im Frühjahr 2011 ohne beschriebene Verhaltensauffälligkeiten erlegt.

Womöglich nahm die Epidemie daher nicht wie vermutet im LK Hameln-Pyrmont, sondern im LK Holzminden ihren Ursprung.

Die weiteren CDV-Nachweise erfolgten vorwiegend bei Tieren, welche im Frühjahr zwischen Februar und Juni erlegt worden waren (n=26), was die Aussage von BELTRÁN-BECK et al. (2012) bestätigt. Aufgeschlüsselt nach Erlegungsjahr wurde 2012 bei 12 Tieren das Virus nachgewiesen und bei einem ein fraglicher Nachweis dokumentiert. 2013 wurde bei 16 Tieren eine Infektion festgestellt. Da das kanine Staupevirus nach ROSCOE (1993) einen epizootischen 4-Jahres-Zyklus aufweist, werden die in dieser Arbeit nachgewiesenen Infektionen wahrscheinlich nicht die letzten im Rahmen des epidemischen Infektionsgeschehens sein.

Interessanterweise erfolgte nur bei 19 der 30 infizierten Waschbären eine Dokumentation von Verhaltensauffälligkeiten. Womöglich wurden entsprechende Anzeichen bei den anderen Tieren von den Jägern nicht erkannt bzw. nicht dokumentiert oder die infizierten Waschbären zeigten zu dem Erlegungszeitpunkt keine oder kaum erkennbare krankhaft bedingten Veränderungen. Nach DEEM et al.

(2000) variieren die symptomalen Ausprägungen nicht nur mit der infizierten Tierart, sondern hängen zudem auch von der Virulenz des Stammes, den Umweltbedingungen, dem Alter und Immunstatus des Wirts ab.

BELTRÁN-BECK et al. (2012) beschrieben ein erhöhtes Vorkommen der Erkrankung bei juvenilen Waschbären. Diese Aussage kann mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht bestätigt werden, da nur drei der 30 CDV-positiven Tiere juvenilen Alters waren. Eine Auftrennung der adulten Tiere (n=27) ließ keine

Geschlechtspräferenz erkennen, da 13 Tiere weiblichen und 14 männlichen Geschlechts waren. MITCHELL et al. (1999), JUNGE et al. (2007) sowie RAIZMAN et al. (2009) erkannten ebenfalls keine Geschlechtsunterschiede bei seropositiven Waschbären (n=184, n=159 bzw. n=81).

Aufgetrennt nach Geschlecht wurde das Gewicht der infizierten mit dem der nicht infizierten Tiere statistisch der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test verglichen. Sowohl in der Gruppe der infizierten Männchen als auch in der Gruppe der infizierten Weibchen zeigten sich die Gewichtsdaten signifikant gegenüber denen nicht infizierten Tieren erniedrigt (p=0,018 bzw. p=0,01). Diese Beobachtung spricht höchstwahrscheinlich für eine gestörte und/oder verminderte Nahrungsaufnahme im Zusammenhang mit der CDV-Infektion.

Von vier CDV-positiven Tieren wurde zudem eine Teilsequenzierung des H-Protein-Gens durchgeführt. Dem H-Protein wird nach MCCARTHY et al. (2007), unter besonderer Berücksichtigung der kodierten Aminosäuren an den Positionen 530 und 549 der SLAM-Rezeptorbindungsstellen, eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Tropismus sowie des Wirtsspektrums zugesprochen. Alle getesteten Waschbären der vorliegenden Arbeit zeigten an der Position 530 die Aminosäure Glycin (G) und an der Position 549 die Aminosäure Histidin (H).

Üblicherweise findet sich 530G bei domestizierten Hunden und 549H bei nicht-kaninen Carnivoren (MCCARTHY et al. 2007). Dies könnte für eine starke virale Interspezies-Übertragbarkeit sowie ein breites Wirtsspektrums sprechen. Ebenfalls eine Zusammensetzung aus Hunde- (549Y) und Wildtier-typischen (530D) Aminosäuren wiesen vier CDV-positive Waschbären aus Mecklenburg-Vorpommern auf (NIKOLIN et al. 2012). Womöglich stellt das kanine Staupevirus bei Waschbären eine Verbindungsstufe zwischen den viralen Erregern der Haus- und Wildtiere dar. In Nordamerika gilt der Waschbär als Erregerreservoir besonders für Haushunde und Zootiere (DEEM et al. 2000). Eine vergleichbare Rolle in Deutschland wäre denkbar.

5.5.1 Einschätzung des humanen Infektionsrisikos durch das kanine Staupevirus in der Waschbärpopulation Niedersachsens

Auch wenn das kanine Staupevirus kein klassischer Zoonoseerreger ist, sprechen DEEM et al. (2000) ihm zoonotisches Potential zu. Trotz verschiedener Hinweise konnte bislang jedoch weder ein ätiologischer Zusammenhang bei Multipler Sklerose (AMUDE et al. 2010) noch bei Morbus Paget (GORDON et al. 1991; MEE et al.

1998; HOYLAND et al. 2003) abschließend geklärt werden. Aufgrund dessen ist eine Risikoabschätzung in Bezug auf das zoonotische Risiko kaum möglich.

Bedeutender scheint die Verletzungsgefahr durch Kontakt mit verhaltensveränderten Waschbären zu sein. Vorberichtlich wurde bei einem Großteil der CDV-positiven Waschbären der vorliegenden Arbeit abweichendes Verhalten dokumentiert und häufig in menschlichem Siedlungsraum beobachtet. So konnten infizierte Waschbären mit neurologischen Symptomen beispielsweise in einem Kellerlichtschacht einer Schule, auf dem Balkon eines Wohnhauses und im Eingang eines Dorfes aufgefunden werden. Der Verlust der natürlichen Scheu in Menschennähe birgt ein Risiko, da nicht nur der direkte Menschenkontakt die mögliche Folge eines Tierbisses provoziert, sondern auch ein Erregereintrag in die Haustierbestände erfolgen kann. Nicht immunisierte Hunde oder Frettchen sind beispielsweise für das Virus empfänglich.

Zur Verringerung der Infektionsgefahr durch CDV sollte neben den bereits in Kapitel 5.1.1 beschriebenen allgemeinen Präventionsmaßnahmen zum Fernhalten der Waschbären vom menschlichen Siedlungsraum besondere Vorsicht bei verhaltensveränderten Tieren geboten sein. Weil der zoonotische Zusammenhang mit verschiedenen Humanerkrankungen noch nicht abschließend geklärt ist (GORDON et al. 1991; MEE et al. 1998; HOYLAND et al. 2003; AMUDE et al. 2010), können vorerst nur die üblichen Vorsichts- und Hygienemaßnahmen für den Menschen empfohlen werden. Da verschiedene Haus- und Zootiere für das Virus empfänglich sind, sollte auf entsprechende prophylaktische Impfmaßnahmen geachtet werden.