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Archiv "Hungerstreiks: Kein Zwang!" (20.04.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

WI

*eder einmal sind Ge- fangene im Hunger- streik. Ihre Beweggrün- de, die politischen Motive, inter- essieren an dieser Stelle nicht.

Wohl aber die in Kürze mögli- cherweise wiederum auftretende Frage, wie sich Ärzte zur Forde- rung, hungerstreikende Gefan- gene zwangsweise zu ernähren, verhalten sollen. Der Weltärzte- bund hat in der Deklaration von Tokyo aus dem Jahre 1975 dazu bereits eindeutig Stellung ge- nommen Hier heißt es:

„Wenn ein Gefangener die Nahrungsaufnahme verweigert, der Arzt ihn aber für fähig hält, sich ein unbeeinflußtes und ver- nünftiges Urteil über die Folgen einer freiwilligen Nahrungsver- weigerung zu bilden, so soll er nicht künstlich ernährt werden.

Die Entscheidung über die Ur- teilsfähigkeit des Gefangenen in dieser Hinsicht sollte von minde- stens einem weiteren unabhän- gigen Arzt bestätigt werden. Der Gefangene soll durch den Arzt über die Folgen der Nahrungs- verweigerung belehrt werden."

Die Deklaration von Tokyo ist seinerzeit auch unter maß- geblicher Mitwirkung der deut- schen Vertreter formuliert und beschlossen worden. Bereits 1974 hatte sich das Präsidium des Deutschen Ärztetages

Hungerstreiks

Kein Zwang!

gleichfalls mit der Zwangsernäh- rung von Häftlingen befaßt und in einer Entschließung festge- halten:

„Das Präsidium des Deut- schen Ärztetages bekennt sich unverändert zu der Aufgabe des Arztes, das menschliche Leben mit allen ihm zur Verfügung ste- henden Möglichkeiten zu erhal- ten und zu retten. Diese Ver- pflichtung des Arztes muß je- doch dort ihre Grenzen finden, wo ein eindeutiger, auf freier Willensbildung beruhender Be- schluß des einzelnen Menschen vorliegt, die ärztliche Behand- lung abzulehnen und sich ihr so- gar aktiv zu widersetzen. Kein Arzt darf zu einer derartigen Zwangsbehandlung verpflichtet werden."

Der Vorstand der Bundes- ärztekammer hat soeben, ange- sichts der aktuellen Lage, auf diese sowie eine Entschließung gleichen Tenors des 84. Deut- schen Ärztetages 1981 hingewie- sen. Der Präsident des Deut- schen Ärztetages und der Bun-

desärztekammer, Dr. med. Kar- sten Vilmar, hat zugleich die Ju- stizminister in Bund und Län- dern aufgefordert, „daß in ihrem Verantwortungsbereich kein Arzt dazu gezwungen werde, Zwangsbehandlungen an Men- schen durchzuführen oder sich daran zu beteiligen. Insbesonde- re dürften Ärzte nicht gezwun- gen werden, im Hungerstreik be- findliche Häftlinge zwangsweise zu ernähren."

Die Erklärungen des Welt- ärztebundes, des Deutschen Ärztetages und der Bundesärz- tekammer schließen es freilich nicht aus, daß sich ein Arzt aus freien Stücken an der Zwangser- nährung eines Häftlings betei- ligt. Das wäre eine Gewissens- entscheidung, die man respek- tieren müßte. Der Arzt wie sein Auftraggeber werden sich frei- lich im klaren darüber sein müs- sen, daß es auf die Dauer un- möglich ist, einen Gefangenen, der jegliche Nahrungszufuhr verweigert und sich der künst- lichen Ernährung widersetzt, ausreichend zu ernähren. Das hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer 1975 dem Generalbundesanwalt mit- geteilt. Conclusio: „Somit muß der konsequent aktiv durchge- haltene Hungerstreik zwangs- läufig zum Tode führen." NJ

W

elch eine Karriere!

Kaum aus den politi- schen Kinderschuhen und schon im Gesetzesrang und zusätzlich das „Wort des Jahres". Es steht salopp für das auch nicht sympathische- re Ungetüm „Gesundheits-Re- formgesetz", für Freunde GRRRR . . . G!

Was will uns dieses Wort sa- gen? Die Gesundheit soll refor- miert werden, wenn man das Wort beim Wort nimmt. Na so- was! Was wollen die denn jetzt?

Finger weg von der Gesundheit!

Denn die ist schwer o. k. und ko- stet schon mal gar nichts. Viel- leicht pragmatischer verbaler Euphemismus in schwieriger

„Reform”?

wompuipm

Wortknoten

Zeit? Also besser Krankheitsre- form? Das klingt noch unferti- ger, denn Krankheiten gehören auf dem günstigsten Wege abge- schafft (für Ärzte: behandelt) und nicht teuer reformiert.

Krankheitssystemreform?

Dem Wort gebricht es an Opti- mismus.

Gesundheitssystemreform?

Das klingt schon mal ehrlicher.

Genauer: Es soll bei moderaten Beiträgen, Hippokrates steh uns

bei, die Leistungsfähigkeit des medizinisch-therapeutischen Sy- stems erhalten bleiben. Genau- er: Es sollen die Kosten gesenkt werden. Einfacher: Es soll ge- spart werden. Nüchterner: Das Geld fehlt. Deshalb soll mehr Eigenanteil bei reduzierter Dienstleistung gefordert wer- den.

Also: Gesundheitssystemko- stenbilanzverbesserungsversuch Nr. 1. Wenn sich der Knoten in der Zunge wieder lösen läßt, weiß man nun wenigstens, war- um das so schwierig ist.

Und zu guter Letzt: Das

Wort „Reform" bleibt fairerwei- se für eine echte solche aufge- spart. WR

Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989 (1) A-1077

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