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Archiv "Folgen eines Notfalls: Ein Arzt in den Fängen der Justiz" (30.07.1999)

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S

ie leisten nächtlichen Notdienst und ken- nen das mulmige Gefühl, wenn plötz- lich ein finster drein- blickender Gesell’

vor Ihnen steht? Das Globus- gefühl im Hals nimmt meist noch zu, wenn dem Doktor dämmert, daß der wenig Ver- trauen erweckende Patient in eine üble Sache verwickelt ist und man mit seiner ärztlichen Hilfeleistung möglicherweise in die Fänge der Justiz oder gar einer auf Rache sinnenden Staatsgewalt gerät. Kein Kolle-

ge indes d rfte je in eine solch fatale Situation geschlittert sein wie ein einfacher Landarzt im amerikanischen Bundesstaat Maryland. Der Name dieses Mediziners war Dr. Samuel Mudd. Sein Haus ist als ein klei- nes und wenig bekanntes Mu- seum unweit der Hauptstadt Washington geradezu ein Mahnmal für die Gefahren, die dem ärztlichen Berufsstand drohen können, wenn die falsche Art von Patient näch- tens an die Tür klopft.

Das bescheidene Haus ab- seits jedweder nennenswerten

Siedlung spiegelt den beschei- denen Lebensstandard eines amerikanischen country doctor um die Mitte des vorigen Jahr- hunderts wider. Der Zwei- unddreißigjährige konnte als Vater von vier Kindern auf ein solides häusliches Glück blicken, als in der Nacht auf den 15. April 1865 sein Leben aus den Fugen geriet. Es war gegen vier Uhr morgens, als zwei Fremde an der Tür klopften.

Sie stellten sich als Mr. Tyler und Mr. Tyson vor. Ob Mudd von Anfang an durchschaute, daß diese Namen falsch waren,

kann vermutet werden. Denn einer der beiden Männer, der Patient, war in Washington und Umgebung eine bekannte Per- sönlichkeit. Der gutaussehende dunkelhaarige Mann mit dem etwas finsteren Blick war John Wilkes Booth, ein berühmter Schauspieler. Er hatte – wie sich nun herausstellen sollte, höchst passend – unter anderem als Tyrannenmörder in Shake- speares „Julius Caesar“ auf der Bühne gestanden.

Mudd, so wird in dem Mu- seum erzählt, bat die Besucher herein und hieß den hinkenden Booth sich auf jenes Sofa, das im Zentrum des Wohnzimmers steht, niederzulegen. Die Dia- gnosestellung bereitete dem Arzt keine Schwierigkeiten:

Booth hatte sich seinen Fußknöchel gebrochen. Wobei das passiert war, verriet der Pa- tient dem Arzt nicht, und Mudd scheint bei der Anamneseerhe- bung nicht allzu konsequent ge- wesen zu sein – in Anbetracht der Tageszeit jedem Notdienst- Erfahrenen wohl verzeihlich.

D

iese Anamnese aller- dings hatte es in sich.

Nur fünf Tage zuvor war der amerikani- sche Bürgerkrieg zu Ende ge- gangen, für den fanatischen Südstaatler Booth war mit der Kapitulation der Konföderier- ten eine Welt zusammen- gebrochen. Er sann auf Rache und sollte bald seine Chance

A-1974 (46) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 30, 30. Juli 1999

V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN

Das Dr. Mudd House in Bryantown, Maryland Foto: Ronald D. Gerste

Folgen eines Notfalls

Ein Arzt

in den Fängen der Justiz

Das Dr. Mudd House erzählt die Geschichte eines Arztes,

der dem Mörder von Präsident Lincoln half.

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bekommen. Am 14. April, Karfreitag, entschloß sich Prä- sident Abraham Lincoln, dem man die Last der Verantwor- tung und der Pein nach vier Jahren eines grausamen Bru- derkrieges ansah, zur Entspan- nung mit seiner Frau Mary in Ford’s Theater zu gehen. In diesem gepflegten Etablisse- ment, nur wenige Straßenzüge vom Weißen Haus entfernt, war Booth natürlich kein Un- bekannter. Niemand hinderte ihn, als er schon am Morgen dieses fatalen Tages sich Zu- gang verschaffte und unbe- obachtet ein kleines Loch in die Tür zur Präsidentenloge bohrte.

A

m Abend erschien er erneut im Theater, während Lincoln und seine Begleitung sich über die Komödie „Unser ame- rikanischer Cousin“ amüsierte.

Der Wachtposten vor des Präsi- denten Tür hatte – aus Schlam- perei oder aus akutem Harn- drang – seinen Stuhl verlassen.

Niemand trat Booth in den Weg, der durch den kleinen Spi- on blickte und sich überzeugte, daß der ihm verhaßte Präsident des Nordens tatsächlich in sei- nem Schaukelstuhl saß. Booth trat ein und verwandelte den Schauplatz des Lustspiels in ei- nen Ort nationaler Tragödie. Er feuerte mit seiner kleinen Der- ringer aus kürzester Entfernung dem Präsidenten eine Kugel in den Hinterkopf und sprang dann aus der Loge auf die Büh- ne hinab. Dabei blieb sein Fuß mit den gespornten Stiefeln in jener Flagge hängen, mit der die Loge geschmückt war.

Ein kleiner Feldweg, als

„Booth Route“ markiert, zeigt den Weg auf, den Booth mit sei- nem Helfer durch die Felder Marylands zum Haus des Dr.

Mudd nahm. Der Arzt half dem Verletzten mit einem not- dürftigen Verband und ließ ihn in einem Zimmer im Oberge- schoß ausruhen. Dieses Verhal- ten machte auf die Justiz kei- nen guten Eindruck; als dar- über hinaus bekannt wurde, daß Mudds Sympathien im Bürgerkrieg gleichfalls auf sei- ten des Südens gelegen hatten, stand es fest: Er war einer der

Verschwörer, deren man nach Lincolns Tod schnell hatte hab- haft werden können. Während Booth in Virginia bei einem Schußwechsel sein Ende gefun- den hatte, wurden vier Ange- klagte in Washington D. C.

gehängt. Mudd entging knapp diesem Schicksal, was für die Dürftigkeit der Beweislage spricht.

Er wurde zu lebenslanger Festungshaft auf den Dry Tortugas vor der Küste Flori- das verurteilt. Sein Name wurde Bestandteil eines in Mo- de kommenden Sprichwortes.

Noch heute sagt man in den USA zu einer Person, deren Reputation nachhaltig rampo- niert ist: „Your name will be Mudd!“

Doch des Doktors Name versank nicht im Schlamm (mud). Auf den Dry Tortugas wütete wieder einmal eine Gelbfieber-Epidemie. Mudd kümmerte sich aufopfernd um die Kranken und infizierte sich dabei selbst. Im Februar 1868 klopft es abermals an der Tür dieses Hauses. Doch als Mudds Frau Sarah öffnet, ist es ein Bo- te mit einer guten Nachricht:

Präsident Andrew Johnson hat Dr. Mudd begnadigt.

E

r kehrt, wenn auch körperlich als Folge des Gelbfiebers ange- schlagen, in sein Haus in Bryantown zurück. In den ihm verbleibenden Jahren wer- den ihm noch fünf weitere Kin- der beschert. Ein ungutes Ge- fühl bei nächtlichen Notfällen, ob landwirtschaftlicher Unfall oder Niederkunft, wird er je- doch bis zu seinem Tod im Jahr 1883 behalten haben.

Dr. med. Dr. phil.

Ronald D. Gerste

A-1975 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 30, 30. Juli 1999 (47)

The Dr. Samuel Mudd House, unweit des Ortes Bryantown, Maryland.

Anschrift: P.O. Box 1043, La Plata, Maryland. Tel 0 01/30 19 34 84 64. Öff- nungszeiten: von April bis November samstags und sonntags von 12 bis 16 Uhr, mittwochs von 11 bis 15 Uhr

V A R I A

GESCHICHTE DER MEDIZIN/WIRTSCHAFT

Die börsennotierte Eifel- höhen-Klinik AG, Bonn, mit den Klinikstandorten Netters- heim-Marmagen/Eifel, Bonn und Zülpich (Geriatrisches Zentrum) meldet für das Geschäftsjahr 1998 ein „ins- gesamt positives

Jahr“. Die seit drei Jahren an- haltende Verlust- situation des Kli- nikkonzerns hat sich so weit ver- bessert, daß im Konzernjahr 1998 nur noch ein Ver- lust von 691 000 DM in der Bilanz ausgewiesen wird.

Im Geschäftsjahr 1997 lag der Kon-

zernverlust noch bei 6,643 Millionen DM. Dies ent- spricht einer rechnerischen Ergebnisverbesserung inner- halb eines Jahres um 89,6 Prozent.

Am Standort des Stamm- hauses in Marmagen hat die Fachklinik für Rehabilita- tionsmedizin den scharfen Kurs der Sanierung und Kon- solidierung sowie des Betten- und Personalabbaus fortge- setzt – nachdem seit Herbst 1996 der Rehabilitations- markt infolge der gesetzli- chen Sparmaßnahmen bran- chenweit bis zu 30 Prozent

„weggebrochen“ war. Inzwi- schen profitiert Marmagen auch von der seit Jahresan- fang 1998 wieder gestiegenen Zahl von Maßnahmen der Anschluß-Rehabilitation so- wohl im Bereich der Renten- als auch der Krankenversi- cherung.

In Marmagen ist die Fall- zahl erstmals seit 1996 wieder um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 4 023 gestie- gen. Allerdings ging die Bele- gung auf Grund der verkürz- ten Verweildauer und der Deckelungsmaßnahmen der Kostenträger erneut um 1,9 Prozent zurück. Der Umsatz

stieg um 4,1 Prozent, vor al- lem infolge der leicht erhöh- ten Vergütungssätze und der Zunahme von schweren Fäl- len. Der Material- und Per- sonalaufwand wurde um 2,7 Prozent gegenüber dem Vor-

jahr verringert. Der Personal- bestand sank im Jahresmittel um 26 auf 298 Vollzeitkräfte.

Am Standort Bonn (Kai- ser-Karl-Klinik, Graurhein- dorfer Straße) stieg die Bele- gung gegenüber 1997 um 8,5 Prozent, die Gesamtleistung um 8,4 Prozent. Die betriebli- chen Aufwendungen sanken um 3,8 Prozent; dadurch ver- besserte sich das operative Ergebnis vorZinsen um 72,6 Prozent. Dennoch mußte ein Verlust von 193 000 DM hin- genommen werden.

Das Geriatrische Zentrum Zülpich GmbH hat das Ge- schäftsjahr 1998 mit einem Verlust von rund 788 000 DM abgeschlossen.

Nach Angaben der Kon- zernleitung sind sowohl Mar- magen als auch Bonn im Auf- wärtstrend. Die Kaiser-Karl- Klinik ist seit Februar 1999 zu mehr als 80 Prozent ausgela- stet und erreichte im März erstmals die Vollbelegung.

Die Anlaufphase sei beendet, so Vorstandsvorsitzender Ar- no Kuge. Der Klinikkonzern strebt in den nächsten drei bis fünf Jahren eine Gesamtbet- tenzahl von rund 5 000 an und einen Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen DM. HC

Eifelhöhen-Klinik

Aus der Verlustzone

Foto: Eifelhöhen-Klinik AG

Die Eifelhöhen-Klinik in Marmagen

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