edes Jahr sterben in der Europäi- schen Union eine halbe Million Menschen an den Folgen des Rauchens. Damit ist der Tabak- konsum eine der Haupt-Todesursa- chen; der Europäischen Kommission zufolge wird er „die wichtigste ver- meidbare Todesursache bleiben“. Die Kommissare erwarten sogar, daß die Zahl der durch Rauchen bedingten Todesfälle in den nächsten Jahrzehn- ten drastisch ansteigen wird. Deshalb haben sie sich den „Schutz der öffent- lichen Gesundheit vor den schädli- chen Wirkungen des Tabakkonsums“
auf die Fahnen geschrieben. In einem gleichnamigen Bericht an den Rat, das Europäische Parlament und ande- re Gremien der Union zieht die Kom- mission nun eine Zwischenbilanz der EU-Aktivitäten, mit denen „die Aus- wirkungen des Rauchens auf die Ge- sundheit der europäischen Bürger verringert werden soll“.
Die Initiativen der EU zielen vor allem darauf, die Zahl der Raucher zu senken. Dabei stehen drei Zielgrup- pen im Vordergrund: Jugendliche, Raucher, die aufhören wollen, und Nichtraucher, die durch Passiv- rauchen gefährdet sind. Um sie in der Öffentlichkeit und am Arbeitsplatz vor Tabakrauch zu schützen, prüft die Kommission beispielsweise, inwie- weit die EU-Mitglieder das Rauchen in der Öffentlichkeit gesetzlich ein- schränken – und ob darüber hinaus auf europäischer Ebene Handlungs- bedarf besteht. Den Frauen in jeder Zielgruppe will sie besondere Auf- merksamkeit widmen, denn immer mehr Frauen greifen zur Zigarette, während die Zahl der männlichen Raucher langsam sinkt.
Besonders viel Raum nehmen im Kommissionsbericht die Projekte ein, mit denen Jugendliche vor den negati- ven Folgen des Rauchens geschützt werden sollen, denn heute rauchen immer mehr junge Leute. Je früher sie damit beginnen, desto höher sind ihr Erkrankungsrisiko und die Wahr- scheinlichkeit, eines Tages an den Fol- gen des Tabakkonsums zu sterben. An sie richtete sich beispielsweise die Eu- ropäische Woche gegen den Krebs Anfang Oktober. In 18 europäischen Staaten warben die Kommission und ihre nationalen Partner für das Nicht- rauchen, mit Spots im Kino und Fernsehen, Plakaten, Broschüren, Podiumsdiskussionen, Rauchentwöh- nungskursen und Symposien.
Höhere Steuern auf Tabakerzeugnisse
Ebenfalls den Jugendlichen zu- gute kommen soll die Richtlinie über das Verbot der Tabakwerbung vom 6. Juli 1998. Wer heute raucht, hat meist schon als Minderjähriger damit begonnen – Jugendliche werden des- halb als potentielle Neukonsumenten besonders von der Zigarettenindu- strie umworben. „Wenn keine Wer- bung mehr erfolgen darf, wird es in Zukunft schwieriger werden, bei einer neuen Generation von Kindern und Jugendlichen den Zigarettenkonsum einzuführen“, so die Kommission. Ei- ne höhere Verbrauchssteuer soll den Tabakverbrauch zusätzlich einschrän- ken. „Die Nachfrage nach Tabaker- zeugnissen ist eng an ihren Preis ge- bunden“, schreibt die Kommission.
„Hohe Preise sind besonders wir-
kungsvoll, um Jugendliche vom Rau- chen abzuhalten, da diese nur über ein begrenztes Einkommen verfügen.“
Darüber hinaus wollen die Kom- missare dafür sorgen, daß die europäi- schen Verbraucher umfassender über die negativen Folgen des Rauchens aufgeklärt werden. Zwei Initiativen dienen diesem Zweck: Zum einen wurde beschlossen, mehr Geld in den „Gemeinschaftlichen Forschungs- und Informationsfonds für Tabak“ zu investieren; die Beiträge an den Fonds stiegen von einem auf zwei Prozent der an die Tabakerzeuger gezahlten Prämien. Mit Geldern aus dem Fonds, aber auch aus anderen Töpfen, finan- ziert die Union Forschung, Auf- klärung, Vorsorge, Ausbildung und fachlichen Austausch zum Thema Ta- bak und Krebs.
Obergrenzen für Nikotin- und Teergehalt
Zum anderen arbeitet die Kom- mission daran, die Etikettierung von Tabakerzeugnissen europaweit ein- heitlich zu regeln. Wenn Raucher auf der Zigarettenpackung ausführliche Informationen über die gesundheitli- chen Folgen des Produktes und seiner Inhaltsstoffe finden und erfahren, wo sie weitere Materialien zum Thema erhalten können, dann „könnten mehr Raucher motiviert werden, sich an einem Entwöhnungsprogramm zu beteiligen“, hofft die Kommission.
Künftig wollen die Kommissare vor allem den wissenschaftlichen Un- terbau ihrer Anti-Tabak-Politik stär- ken und die Koordination der einzel- staatlichen Initiativen fördern. So soll eine Konferenz von Krebssachver- ständigen einheitliche Obergrenzen für den Nikotin- und Teergehalt von Tabak und Rauch erarbeiten. Wissen- schaftliche Forschung über das Rau- chen soll auf umfangreichere Statisti- ken zurückgreifen können. Zu diesem Zweck erfaßt zum Beispiel das Haus- haltspanel der Europäischen Gemein- schaft seit vergangenem Jahr auch die Rauchgewohnheiten der Bürger. Mit den ersten Daten des Panels wird es möglich sein, das Rauchverhalten an- hand vieler anderer Variablen wie Einkommenshöhe oder Bildungsgrad zu analysieren. Alexandra Endres A-3228 (20) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 50, 17. Dezember 1999
P O L I T I K AKTUELL