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Archiv "Sportschäden an der Wirbelsäule: Jugendliche sind besonders gefährdet" (23.04.1987)

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S

owohl wegen der fort- schreitenden Ausdeh- nung des Breitensports auf größere Bevölke- rungskreise als auch in Anbetracht der steigenden Anforde- rungen im Leistungssport, wird der Arzt zunehmend mit sportmedizini- schen Fragestellungen konfrontiert.

Im Leistungssport hat sich das Lei- stungsalter nicht nur in den bekann- ten kompositorischen Sportarten wie Kunstturnen oder Eiskunstlau- fen in die frühe Jugend verlagert, sondern auch in zahlreichen anderen Disziplinen. Trainingsintensitäten von 20 bis 30 Stunden wöchentlich sind dabei keine Seltenheit, und die Anforderungen steigen ständig.

Anhand der Analyse von 5504 Fällen aus der allgemeinen Sportam- bulanz der Orthopädischen Univer- sitätsklinik Heidelberg soll im fol- genden über typische Schäden der Wirbelsäule im Sport berichtet wer- den. Die Aufschlüsselung dieses Kollektivs ergab, daß 431 (7,9 Pro- zent) Sportler wegen eines Wirbel- säulenbefundes in Behandlung ka- men. Traumata waren mit 60,3 Pro- zent weit überwiegende Gründe der Vorstellung. Jedoch wurden auch auffallende Schadensbilder gesehen.

Krafttraining wird heute nicht nur beim Bodybuilding oder Ge- wichtheben durchgeführt, sondern in fast allen Disziplinen des moder- nen Leistungssports. Spitzensportler im Gewichtheben leisten ein Wo- chenpensum von 70 bis 90 Tonnen.

Beim Trampolinspringen wird ein wöchentliches Training von 20 bis 30 Stunden mit täglich 500 bis 1000 Sprüngen veranschlagt. Beim Laufen treten Stoßkräfte in der Grö- ßenordnung der doppelten Erd- beschleunigung auf, beim Nieder- sprung aus 50 Zentimetern Höhe werden bereits Stoßkräfte der zwei- bis achtfachen Erdbeschleunigung erreicht.

Der Speerwerfer verleiht sei- nem Speer bei einem 90-Meter-Wurf eine Anfangsgeschwindigkeit von 110 km/h, die er auf einer 30 Meter langen Anlaufbahn aus einer Lauf- geschwindigkeit von 6 bis 8 Metern pro Sekunde durch plötzliches Ab- bremsen des Körpers und explo- sionsartigen Wurf aus maximaler

Sowohl die Popularisie- rung des Breiten- und Frei- zeitsports als auch die stei- genden Anforderungen im Leistungs- und Wettkampf- sport konfrontieren den Arzt zunehmend mit sport- orthopädischen Proble- men. Von besonderer Be- deutung ist dabei die Ge- fährdung der Wirbelsäule durch Überbelastung im Hinblick auf die Entwick- lung eines Sportschadens.

Bogenspannung des Rumpfes ge- winnen muß. Bei 6000 Würfen pro Sportsaison erreicht der Speerwerfer in seiner Laufbahn unter Einbezie- hung der Imitationsübungen an Zug- apparaten ca. 200 000 bis 300 000 solcher Extrembewegungen.

Spondylosen

und Spondylarthrosen

Spondylosen und Spondylar- throsen werden auch schon bei jugendlichen Sportlern beobachtet, und zwar bereits bei 22 Prozent der in der Orthopädischen Universitäts-

Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg (Direktor: Professor Dr. med.

Horst Cotta), Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg

klinik Berlin durchgeführten Taug- lichkeitsuntersuchungen, wenn Auf- nahmen in vier Ebenen zur Beurtei- lung herangezogen werden. Dabei sind vor allem Sprungdisziplinen (Hoch-, Turm-, Trampolinspringen) besonders vertreten (Groher; 1969 und 1975). Bandscheibenschäden mit radikulärer Symptomatik wer- den bei aktiven Sportlern und Tur- nern verhältnismäßig selten beob- achtet, vermutlich wegen der besse- ren Stabilisierung der Wirbelsäule durch das kräftigere und schneller reagierende Muskelkorsett.

Im Gegensatz zu den häufigen Schäden bei der derzeit weit verbrei- teten Gewichtarbeit unter unzurei- chender Trainingsanleitung sind je- doch Bandscheibenschäden, Spon- dylosen und Osteochondrosen bei Gewichthebern der Spitzenklasse vergleichsweise selten (Krahl, 1971).

Sie bemühen sich um gleichmäßige Verteilung der Belastung auf den ge- samten Bandscheibenquerschnitt durch Streckung der Lendenwirbel- säule und unterstützen Brust- und Lendenwirbelsäule durch Bauch- presse und Atemanhalten (pneumo- hydrodynamisches Polster, Schanz'- sches Hilfsorgan) und heben ihre Last aus der Hockerstellung bei nur leichter Vorbeugelage des Rumpfes unter Einsatz der Hüftstrecker.

Juvenile Kyphose

(Morbus Scheuermann)

Ob kyphosierende Wirbelsäu- lenbeanspruchungen juvenile Auf- baustörungen der Wirbelkörper be-

Sportschäden an der Wirbelsäule:

Jugendliche sind

besonders gefährdet

Albert Güßbacher und Fritz U. Niethard

Dt. Ärztebl. 84, Heft 17, 23. April 1987 (49) A-1133

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günstigen und vermehrt zur voll aus- gebildeten juvenilen Kyphose füh- ren, ist noch offen. Zwar häufen sich in den letzten Jahren Mitteilungen über Befunde juveniler Aufbaustö- rungen bei verschiedenen Sportar- ten, insbesondere beim Turnen, Kunst- und Turmspringen, Rudern und in der Leichtathletik, doch wer- den von der Mehrzahl der Autoren einseitige Überbeanspruchungen vor allem jugendlicher unausgereif- ter Wirbelsäulen angeschuldigt.

Schon Blencke (1965) hält dem mit Recht entgegen, daß beim Rudern keine einseitige Beanspruchung stattfindet und für die typischen Sportkyphosen bei Turnern (Tur- nerbuckel), Radrennfahrern und Werfern eine Häufung von Wirbel- körperreifungsstörungen nicht be- kannt ist.

Andererseits liegen Untersu- chungen vor, die in bestimmten Sportdisziplinen ein gehäuftes Auf- treten von Wirbelkörperaufbaustö- rungen darlegen: Geräteturnen (Re- fior: 50 Prozent), Trampolinsprin- gen (Riehle: 40 Prozent), Kanuten und Ruderer (Querg: 51 Prozent).

Die in diesen Sportarten besonders geforderten Druck- und Stauchung- belastungen sowie ausgeprägte Ky- phosierungen, aber auch die Hyper- lordosierung von HWS und LWS werden als pathogenetische Fakto- ren angeführt.

Skoliosen

In jüngerer Zeit wurde über ei- ne Häufung von Skoliosen nach langjährigem intensivem Training berichtet bei Turnern, Stabhoch- springern, Speerwerfern, Basket- ballspielern, Ruderern und Schüt- zen. Zweifellos kann einseitige Rumpfbeanspruchung die Skolio- senentwicklung begünstigen. So wird beim Speerwurf die Wirbelsäu- le immer wieder gleichförmig im Sinne einer Torsionsskoliose ge- krümmt. Daher ist es möglich, daß sich aus der Summation dieser Be- wegungen eine habituelle Fehlhal- tung mit nachfolgender Fixation ent- wickelt. Tatsächlich fielen skolioti- sche Einstellungen bei 12 von 14 lei- stungsmäßig trainierenden jugendli-

chen Speerwerfern auf und von die- sen war nur eine nicht fixiert. Es handelt sich also um echte Skoliosen in der strengen Definition nach Lin- demann Sie sind meist in der obe- ren Brustwirbelsäule konkav zur Wurfarmseite und entsprechen da- mit der Wirbelsäuleneinstellung des Werfers. Die Skoliosen der Speer- werfer sind aber minimal und betra- gen in keinem Fall mehr als 15 Grad.

Andererseits wird man bei vor- bestehenden fixierten Skoliosen we- gen der Gefahr unerwünschter Lok- kerung und damit fortschreitenden Haltungsverfalls nicht zu einem in- tensiven Training von Kraul- und Rückenschwimmen oder Trampo- linspringen raten.

Spondylolyse und Olisthese

Der Einfluß reklinierender Wir- belsäulenbelastungen auf die Spon- dylolysebildung wird kontrovers dis- kutiert. Eine Häufung von Spondy- lolyseträgern wird für solche Sport- arten berichtet, die eine maximale Reklinationsbewegung der Wirbel- säule fordern, sei es zur Schwer- kraftverlagerung (beim Hoch- sprung), zur Gewinnung von Schnellkraft (beim Speerwurf und Delphinschwimmen), sei es aus arti- stisch-ästhestischen Gründen (beim Turnen, Turm- und Trampolinsprin- gen und bei Kontorsionisten) oder sei es durch unsaubere Technik beim Gewichtheben.

Der Kombination von Hyper- lordosierung und Torsion ist dabei eine besondere Rolle zuzuerkennen.

Es sind wiederholt Röntgenbildse- rien veröffentlicht worden, die die Entstehung einer Spondylolyse wäh- rend des Leistungssportes nahele- gen, es fehlt aber ein unanfechtbarer Beweis bis heute.

Lokalisationen oberhalb L 5, das Fehlen auffälliger Anlagefehler, Strukturveränderungen, die an Um- bauvorgänge erinnern, sprechen für eine überwiegend mechanische Pathogenese; andererseits dürfte beim Nachweis mehrfacher Bogen- dysplasien und bekannter familiärer Belastung das konstitutionelle Mo- ment im Vordergrund stehen. Spon-

dylolysen und Spondylolisthesen be- reiten bei aktiven Sportlern erfah- rungsgemäß kaum Beschwerden, so- lange die Rückenmuskulatur trai- niert ist.

Jugendlichen mit Spondylolyse und Olisthese sollte vom Leistungs- sport in den genannten stark rekli- nierenden Disziplinen abgeraten werden.

Literatur

1. Cotta, H. : Der Mensch ist so jung wie sei- ne Gelenke. Piper, München, 3. Aufl. 1983 2. Groher, W.: Auswirkungen des Hochlei-

stungstrainings auf die Lendenwirbelsäule, Hofmann, Schorndorf 1975

3. Krahl, H.: Aspekte der Tauglichkeitsbeur- teilung im Leistungssport. Orthopädische Praxis 11 (1975) 56-61

4. Polivka, D. und M.: Sportliche HWS-Ver- letzungen, Beitr. Orthop. 12, (1965) 726 5. Paeslack, V.: Paraplegie durch Sportunfäl-

le. Sportarzt 22, (1971) 122

6. Rompe, G., Dreyer, J.: Wirbelsäulenschä- den bei Speerwerfern. Z. Orthop. 110, (1972) 745-746

7. Rompe, G., Krahl, H.: Sportschäden und Sportverletzungen. I. Wirbelsäule und Bek- ken. Z. Orthop. 110, (1972) 100-107 8. Rompe, G., Krahl, H.: Spondylolyse durch

Leistungssport — Sporttauglichkeit bei Spondylolyse? Orthopädische Praxis 11, (1975) 219-223

9. Rompe, G., K. Steinbrück: Wirbelsäulen- schäden durch Sport. In: H. Cotta, H.

Krahl, K. Steinbrück, (Hrsg.): Die Bela- stungstoleranz des Bewegungsapparates.

Thieme, Stuttgart/New York 1980 10. Schwerdtner, H. P.; Merz, F.; Böhmer, D.:

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11. Steinbrück, K.; Krahl, H.: Sportschäden und Sportverletzungen an der Wirbelsäule.

Deutsches Ärzteblatt 75, (1978) 1139-1145 12. Steinbrück, K.; Rompe, G.: Extrembela-

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(Hrsg.): Sport an der Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit. Springer, Berlin/Hei- delberg/New York 1981

13. Steinbrück, K.; Krahl, H.; Rompe, G.:

Sporttauglichkeit bei Scheuermann-Kypho- se im Breiten- und Leistungssport. In: Die Wirbelsäule in Forschung und Praxis, Band 89, Hippokrates, Stuttgart 1980

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Albert Güßbacher Prof. Dr. med. Fritz U. Niethard Orthopädische Klinik

und Poliklinik

der Universität Heidelberg Schlierbacher Landstraße 200 a 6900 Heidelberg 1

A-1134 (50) Dt. Ärztebl. 84, Heft 17, 23. April 1987

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