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Archiv "Auch den Apothekern weht der Wind scharf ins Gesicht: Eine Podiumsveranstaltung zum Thema „Kostendämpfung“" (05.05.1977)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Auch den Apothekern weht der Wind aus Bonn scharf ins Gesicht. Als letzten in der Kette schlägt die Ko- stensenkung im Gesundheitswesen voll bei ihnen durch, und zwar schon ehe das Krankenversicherungs-„Ko- stendämpfungs"gesetz, in dem sie nicht einmal erwähnt sind, über- haupt beschlossen ist. Zu dieser Be- hauptung trat die 15. Wirtschaftsta- gung des Deutschen Apothekerver- eins in Baden-Baden den Beweis an.

Vorsitzender Dr. Goetz Alberti sprach dabei schlicht, aber deutlich vom Weg in die „Verlumpung" der Apotheken.

Weil bisher nach Auffassung der Apotheker „Anbieter" und „Abneh- mer" von Leistungen im Gesund- heitswesen nicht in einem ausgewo- genen Verhältnis zueinander am Tisch gesessen und diskutiert hät- ten, hatte der Apothekerverein zu ei- ner Podiumsveranstaltung zum Thema Kostendämpfung eingela- den. Bei dieser vierstündigen Dis- kussion am Podium und im Plenum mußte der zu seiten des Moderators Dr. Friedhelm Ost von der Bilanz- Redaktion des ZDF die Mitte am lan- gen Tisch einnehmende Leiter der Abteilung Gesundheit und Kranken- versicherung des Bundesministe- riums für Arbeit und Sozialordnung, Albert Holler, viel einstecken. So sagten ihre Meinung zu dem von Holler vertretenen KVKG-Entwurf:

Für den Apothekerverein: Vorsitzen- der Dr. Goetz Alberti; für den Bun- desverband der Angestellten in Apo- theken: Vorsitzende Apothekerin Irmgard Engelke; für die IG Chemie, Papier, Keramik: Dr. Guido Beyer, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Arzneimittelpolitik und der Arbeitsgruppe KVKG; für die Kassenärztliche Bundesvereini- gung: Ärztlicher Geschäftsführer Dr.

Eckart Fiedler; für die Ortskranken- kassen: Direktor Hans-Georg Kraus- haar, AOK Frankfurt; als Sprecher der Angestellten-Krankenkassen:

Geschäftsführer Dieter Kümmel, BEK; für den Bundesverband der pharmazeutischen Industrie: Haupt- geschäftsführer Dr. Hans-Otto Scholl; für den pharmazeutischen Großhandel: Präsident Wolfgang Jenne; als Fachjournalist: Walter Kannengiesser (FAZ).

Einig waren sich die Diskutierenden alle nur darin, daß Kosten eingespart werden müssen und, außer Holler, daß die Rentenversicherung nicht über die Krankenversicherung sa- niert werden sollte. Da Holler in sei- nem einführenden Vortrag vor den Apothekern sich vornehmlich mit den Ärzten auseinandersetzte — viel- leicht weil Apotheker und pharma- zeutische Industrie im Gesetz nicht vorkommen, sondern über die Ärzte- schaft in die Zange genommen wer- den (sollen) — mußte sich Dr. Fiedler besonders herausgefordert fühlen.

Er stellte die rhetorische Frage, warum man ausgerechnet mit neuen Vorschlägen komme, nachdem die Selbstverwaltungsmaßnahmen zu ziehen begännen, die das Arbeitsmi- nisterium früher selbst gutgeheißen habe, warum man die Probleme nicht beim „Krankenversicherungs- Neuregelungsgesetz", das erst am 1.

Januar 1977 in Kraft trat, aufgegrif- fen habe — und ob man jetzt eine günstige Gelegenheit für ideologi- sche Maßnahmen sehe?

Nicht zu leugnen:

Trend zur Einheitsversicherung Holler wehrte sich gegen den Ideo- logie-Vorwurf, erklärte Hinweise von Fiedler auf positive Ausführungen Hollers zur Einheitsversicherung vor Krankenkassenvertretern als „Wan-

zenprotokoll" und von ihm nicht ak- zeptiert, da er gegen eine Einheits- versicherung sei, und weigerte sich aber, mit dem Ersatzkassenvertreter über Einheitsversicherung zu disku- tieren, was das Plenum immerhin ganz gern gehört hätte. Sachlich lo- gisch und verbindlich beendete Kannengiesser die Kontroverse mit der „Verfahrenskette": wenn Ver- schiebung von der Renten- zur

Krankenversicherung, dann Finanz- ausgleich notwendig und damitWei- chenstellung zur Einheitsversiche- rung. Seiner Ansicht nach wollten die Gewerkschaften das Gesetz so und nicht anders, und deshalb werde man daran nicht mehr viel ändern können. Die Vorschläge Fiedlers, Kannengiessers und ande- rer, erst einmal die Auswirkung der Empfehlungsvereinbarungen abzu- warten, lehnte Holler ab. Dieser Vor- gang sei „nicht wiederholbar", die Selbstverwaltung „nicht so erfolg- reich, wie sie behaupte", eine ge- setzliche Regelung „unvermeid- lich". Mit der Bindung der Honorar- aushandlung an gesamtwirtschaft- liche Daten und der Rückkopplung der Arzneihöchstbeträge an die kas- senärztliche Gesamtvergütung war das Thema erreicht, das Widerstand und Emotionen schwingen ließ. Hier fiel der Ausruf Albertis, „die Plafon- dierung muß weg". Er nannte diese Bindung der Arzneihöchstbeträge eine Pervertierung des Gedankens der Arzneimittelversorgung und un- moralisch. Er erklärte sich dabei, wie auch Dr. Scholl, dagegen, daß die Bundesausschüsse aus Kran- kenkassenvertretern und Kassenärz- ten einen Vertrag zu Lasten der Pa- tienten abschließen sollten, in dem sie Negativlisten und Gruppen von Arzneimitteln, die aus der Leistungs- pflicht ausgeschlossen sind, allein bestimmen würden. Solche Maß- nahmen dürften allenfalls durch Rechtsverordnung unter Beteili- gung mehrerer Ministerien und nach Anhörung der Beteiligten bei Zu- stimmung des Bundesrats beschlos- sen werden.

Heftig entzündete sich die Diskus- sion über die Frage, ob künftig nach Preisvergleich oder Wirksamkeits- nachweis therapiert werden solle.

Auch den Apothekern weht der Wind scharf ins Gesicht

Eine Podiumsveranstaltung zum Thema „Kostendämpfung"

1186 Heft 18 vom 5. Mai 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

Experten auf dem Podium bei einer Diskussionsveranstaltung des Deutschen Apothekervereins Foto (Montage): E. Arnold Holler meinte, kein Bundesausschuß

könne den von Ärzten, Pharmaindu- strie und Apothekern geforderten Qualitätsvergleich herbeifü hren.

Fiedler konterte darauf mit dem Hin- weis, daß bei der Auswahl der an- geblich gering wirkenden Mittel der Bundesausschuß aber einen sol- chen Wirksamkeitsnachweis zur Grundlage habe. Fiedler hielt fest, daß der KVKG-Entwurf den Bundes- ausschuß Ärzte/Krankenkassen zur Leistungssenkung der ärztlichen Versorgung anhalte, denn bestimm- te medizinische Notwendigkeiten werden danach von finanziellen Er- wägungen abhängig gemacht. An diesem Punkt steht für Alberti die Verfassungsfestigkeit des Gesetzes wegen seiner Auswirkungen auf die Therapiefreiheit in Frage, für Dr.

Fiedler auch wegen der Bindung des

„Arzneitopfes" an die Gesamtvergü- tung. Holler verwies dagegen dar- auf, daß es nach Abrechnung über die Gesamtvergütung Pflicht der KVen sei, die „schwarzen Schafe"

im einzelnen ausfindig zu machen und zu belasten, obwohl Fiedler klarstellte, daß die Unterlagen dazu allein bei den Kassen und nicht bei den Ärzten lägen. Holler meinte (oder drohte), Unklarheiten bei die- ser Frage könnten durchaus noch gesetzesfest gemacht werden.

Gewerkschaft fürchtet:

25 Prozent

der Arbeitsplätze gefährdet Die direkten und indirekten Folgen eines unveränderten KVKG-Ent- wurfs für die Existenz der Pharma- betriebe, der Apotheken und ihrer Mitarbeiter wurden auf vielfache Weise angesprochen. Beyer verwies auf eine interne, nicht für die Öffent- lichkeit bestimmt gewesene Unter- suchung der Industriegewerkschaft Chemie, nach der 25 v. H. der Ar-

beitsplätze in der pharmazeutischen Industrie gefährdet seien und mit Apothekenschließungen auf dem Lande gerechnet werden müsse, was sozialpolitisch nicht vertretbar sei. Scholl erklärte die Herausnahme ganzer Arzneimittelgruppen aus der Erstattungspflicht für unannehmbar.

Sie werde zur Schließung zahlrei- cher Betriebe führen und wie die Bindung des Arzneimittelhöchstbe- trages an die Einkommen der Ärzte auf die Innovationsmöglichkeiten der forschenden Industrie und damit doch auf die Therapiefreiheit durch- schlagen. Frau Engelke verwies schließlich auf Hochrechnungen, wonach bei den zur Zeit 14 000 Apo- theken mit ihren rund 62 000 Mitar- beitern und 16 500 Ausbildungsplät- zen die Arbeitsplätze von 15 bis 20 v.

H. der angestellten Apotheker, 10 v.

H. der pharmazeutisch-technischen Assistentinnen, 10 bis 15 v. H. der Helferinnen und 10 v. H. der Assi- stenten durch das Gesetz gefährdet würden.

Daß Holler eine solche Entwicklung als „in der Wirtschaft übliche"

Strukturveränderung qualifizierte, löste im Auditorium, das vorher oft ironisch gelacht hatte, ziemliche Empörung aus. Kein Wunder, wenn fast einstimmig verlangt wurde, daß der Gesetzentwurf noch eingehend beraten werde. Dr. Beyer, der dies ebenfalls für notwendig hielt, rech- nete nicht mehr damit, daß das Ge- setz am 1. Juli 1977 in Kraft treten könne, mußte sich dafür aber von einem DGB-Repräsentanten aus der ersten Prominentenreihe mehrmals nachdrücklich um eine Stellungnah- me ersuchen lassen, ob er (wenig- stens) das Gesetz als solches beja- he« Etwas erstaunlich dieser Vor- gang, der nicht ins Schema des Deutschen Gewerkschaftsbundes paßte, fanden die Zuhörer.

Die Podiumsdiskussion des Deut- schen Apothekervereins, von der hier nur ein geringer Teil angespro- chen werden konnte, machte deut- lich, wie leichtfertig mit der Existenz ganzer Berufs- und Wirtschaftszwei- ge umgegangen wird, die in einem auf Strukturveränderungen abzie- lenden Gesetz nicht einmal genannt werden. In seinem die Wirtschaftsta- gung abschließenden Referat be- leuchtete Alberti die Situation so:

Die Verknüpfung der Arzneitherapie mit der Einkommenserwartung der Ärzte sei sicherlich eine höchst wirk- same Methode, um eine drastische Reduzierung der Arzneimittelausga- ben zu erreichen, denn hier werde die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln abhängig gemacht von dem menschlich verständlichen und sozial gerechtfertigten Streben nach Einkommensverbesserungen (bzw. nach Abbremsung der drohen- den Einkommensminderungen) des Arztes, den man zum Büttel für den Ausgleich des Rentendefizits ma- che. Daß damit ein echter Interes- senkonflikt vorprogrammiert sei, liege auf der Hand, und so sei ge- sundheits- und sozialpolitisch darin geradezu eine Pervertierung des Krankenversicherungsprinzips zu sehen. Dabei werde das Vertrauens- verhältnis zwischen Arzt und Patient empfindlich gestört. Die Erfahrun- gen der Apotheken mit der Verord- nungsweise der Ärzte bewiesen schon jetzt, daß eine Trendwende eingetreten sei, die zu einer rückläu- figen Tendenz im Verschreibungs- umfang führe. Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß hier ein psy- chologischer Effekt walte, und die Vermutung, daß dessen Auswirkun- gen von der Bundesregierung be- wußt einkalkuliert worden sind, sei wohl schwerlich von der Hand zu weisen. Dr. Magda Menzerath

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 5. Mai 1977 1187

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