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Archiv "Ergänzung und Aktualisierung der Weiterbildungsordnung" (08.06.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

87. Deutscher Ärztetag

Es ging hauptsächlich um die Ein- führung eines neuen Gebietes, Hygiene, und um zwei neue Zusatzbezeichnungen, nämlich Phlebologie und Sozialmedizin.

Wie Professor Hans Joachim Se- wering, Vorsitzender des Aus- schusses und der Ständigen Kon- ferenz Weiterbildung, als Refe- rent zu diesem Tagesordnungs- punkt erläuterte, stehen an sich weitere, von vielen Seiten als not- wendig erachtete Änderungen der Weiterbildungsordnung an; die Zeit dafür war aber beim Ärztetag noch nicht reif. Beispielsweise ha- ben die Radiologen die Meinungs- bildung über eine Neuordnung in ihrem Gebiet noch nicht abge- schlossen. Und: Wenn mit der ge- planten Reform der ärztlichen Ausbildung die Notwendigkeit verbunden sein sollte, die neue zweijährige Praktikumsphase im Hinblick auf ihre Anrechenbarkeit für die ärztliche Weiterbildung zu strukturieren, so wird dies natür- lich in der Weiterbildungsordnung berücksichtigt werden müssen.

Dazu muß man aber abwarten, was nun in Bonn beschlossen wird.

Was erfahrene Berufspolitiker un- ter den Ärzten seit langem wissen, bewies sich in Aachen erneut:

Weiterbildungsfragen haben weit mehr als nur einen „edukativen Sinn"; sie dienen auch der Ord- nung des beruflichen Verhältnis- ses der verschiedenen Ärztegrup- pen zueinander, damit also auch einer sinnvollen Kooperation im Interesse einer lückenlosen Ver- sorgung der Patienten. Man kann es aber auch anders sehen: Wel- lenspritzer von „Verteilungs- kämpfen" schwappen — und in Zu-

kunft sicherlich häufiger.— in Wei- terbildungsdiskussionen hinein.

Allerdings ist das nichts Neues, wie sich auch in Aachen zeigte, als der uralte Streit zwischen Chir- urgen und Gynäkologen erneut aufflackerte, wer nun eigentlich für die weibliche Brust „zustän- dig" sei. Hier gab es den stärksten Applaus des ganzen Beratungsta- ges für die Präsidentin der Ärzte- kammer Schleswig-Holstein, Dr.

Ingeborg Retzlaff, und ihren Aus- spruch: „Die Brust gehört weder dem Chirurgen noch dem Gynä- kologen, sondern der Frau.

So kam es auch dazu, daß diejeni- gen, die sich nun schon seit Jah- ren um eine Aufwertung und Stär- kung der Allgemeinmedizin be- mühen, auch diese Weiterbil- dungsdebatte als ein Vehikel be- nutzten, um zu versuchen, wieder einmal ein Stück voranzukom- men. Großen Erfolg erzielten sie diesmal nicht.

Als erstes wurde über den Vor- schlag des Vorstandes debattiert, das bisherige Gebiet „Nervenheil- kunde" abzuschaffen. Dies hört sich sensationeller an, als es ge- meint war, denn die Einzelgebiete

„Neurologie" und „Psychiatrie"

sollten selbstverständlich erhal- ten bleiben. Die Wissenschaft- lichen Gesellschaften und Berufs- verbände waren lediglich, wie Se- wering mitteilte, der Meinung, es sei unlogisch, daß man sich in je- weils vier Jahren entweder zum Neurologen oder zum Psychiater weiterbilden kann, während man für die Kombination der beiden Fächer — eben die Nervenheilkun- de — nur fünf Jahre braucht.

Es gab unterschiedliche Ansich- ten, ob dies nun eine uner- wünschte Aufsplitterung der Ner- venheilkunde wäre oder ob nicht in Wirklichkeit schon längst zwei getrennte Fächer daraus entstan- den seien, wie es ja auch nur noch getrennte Lehrstühle entweder für Psychiatrie oder für Neurolo- gie gebe. Ferner war umstritten, ob die Bevölkerung die Bezeich- nung „Psychiater" wirklich schon akzeptiert hat oder ob sie eine Hemmschwelle für den Patienten darstellt; deshalb, so forderten mehrere Redner, sollte man die Bezeichnung „Nervenarzt" auf je- den Fall erhalten.

Sewering meinte dazu, dies sei auch bei Annahme der Vorstands- vorlage ohne weiteres möglich.

Sie bedeute ja lediglich, daß in Zu- kunft der angehende Neurologe drei Jahre Neurologie und ein Jahr Psychiatrie betreiben müsse, der künftige Psychiater umge- kehrt drei Jahre Psychiatrie und ein Jahr Neurologie. Wer also bei- de Weiterbildungsgänge absolvie- ren wolle, werde dafür in Zukunft sechs (statt bisher fünf) Jahre brauchen. Für diejenigen, die auf diese Weise beide Gebietsbe- zeichnungen erwerben, könne man aber ohne weiteres die Be- zeichnung „Nervenarzt" wieder einführen, meinte Sewering; dies müßte dann nur beantragt und be- schlossen werden.

Dazu kam es aber nicht: Mit ein- deutiger Mehrheit lehnte nämlich das Ärztetagsplenum diesen Teil der Vorstandsvorlage ab. In der Weiterbildung zum „Nervenarzt"

oder „Arzt für Neurologie und Psychiatrie" bleibt also alles beim alten.

Die Einführung des neuen Gebie- tes „Hygiene" ging dagegen glatt durch. Die Weiterbildung zum Arzt für Hygiene oder Hygieniker soll vier Jahre dauern, davon drei Jahre Hygiene und ein Jahr klini- sche Tätigkeit im Stationsdienst in der Chirurgie oder Inneren Medi- zin oder Kinderheilkunde. In der

kurzen Debatte gab es Bedenken

Ergänzung und Aktualisierung der Weiterbildungsordnung

Neues Gebiet: Hygiene, neue Zusatzbezeichnung: Sozialmedizin Beratungen und Beschlüsse (unter anderem)

über Nervenheilkunde, Phlebologie und Allgemeinmedizin

1852 (42) Heft 23 vom 8. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

87. Deutscher Ärztetag

wegen nicht geklärter Über- schneidungen mit den Gebieten Mikrobiologie und Infektionsepi- demiologie einerseits und Öffent- licher Gesundheitsdienst anderer- seits (obwohl, wie Sewering den Delegierten versicherte, derartige Neuerungen stets mit allen ein- schlägigen Gesellschaften und Berufsverbänden bis ins letzte durchdiskutiert werden). Ein An- trag auf Überweisung an den Vor- stand wurde abgelehnt. Der 87.

Deutsche Ärztetag empfahl also den Landesärztekammern, das neue Gebiet Hygiene in ihre Wei- terbildungsordnungen aufzuneh- men.

Ohne Aussprache wurde die Be- zeichnung des Arztes für Pharma- kologie um die Wörter „und Toxi- kologie" erweitert.

Abgelehnt wurde der Vorschlag des Vorstandes, eine Zusatzbe- zeichnung Phlebologie einzufüh- ren. Er wurde unter anderem mit der Häufigkeit der Venenerkran- kungen in der Bundesrepublik Deutschland begründet, die in der Größenordnung bereits den Dia- betes übertreffe. Die Mehrheit der Delegierten war aber offenbar nicht davon zu überzeugen, daß ein neuer Bereich Phlebologie die medizinische Versorgung der Be- völkerung verbessern würde. Da- zu kam, daß Dr. Otto Schloßer, Stellvertretender Vorsitzender der

„Deutschen Akademie der Fach- ärzte", sich gegen die Zusatzbe- zeichnung aussprach.

Die Zusatzbezeichnung Sozialme- dizin dagegen kam durch, sicher- lich für manche überraschend.

Trotz langjähriger Debatten gebe es noch keine Definition der So- zialmedizin, wurde eingewandt;

man könne auch nicht durch die bloße Einführung einer Zusatzbe- zeichnung verhindern, daß nicht- ärztliche Berufe dieses Tätigkeits- feld für sich okkupieren. Gegen diese Argumente wandte sich un- ter anderem Professor Horst Bourmer: Man habe auch die Rheumatologie eingeführt trotz einer nicht eindeutigen Definition,

ganz zu schweigen von der Allge- meinmedizin. Professor Volrad Deneke wies darauf hin, daß die Sozialmedizin bereits Lehr- und Prüfungsfach ist. Und besonders vehement sprach sich Dr. Kaspar Roos für den Vorstandsvorschlag aus. Dies mag manche Delegierte besonders beeindruckt haben, weil Dr. Roos jahrelang gegen die- se Zusatzbezeichnung gewesen ist.

Die Zusatzbezeichnung Sozialme- dizin steht nun also in der Muster-

Prof. Dr. med. Hans J. Sewering, der Weiterbildungsexperte im Bundesärzte- kammer-Vorstand (hier im Gespräch mit Dr. Schloßer, rechts im Bild)

weiterbildungsordnung. Sie soll geführt werden dürfen, wenn der Arzt die Anerkennung für ein Ge- biet oder vier Jahre anrechnungs- fähige Zeit nachweist, ferner je vier Wochen theoretischen Grund- und Aufbaukurs sowie zwölf Monate sozialmedizinische Tätigkeit bei einem ermächtigten Arzt. Die Zusatzbezeichnung darf von dem Arzt aber nur an der Stät- te seiner sozialmedizinischen Tä- tigkeit geführt werden. Für Anträ- ge während der Übergangszeit ist eine mindestens dreijährige Tätig- keit nachzuweisen.

Unter der sachkundigen Anleitung Professor Sewerings mußte das Plenum sodann wegen vieler klei-

ner vorgeschlagenen Änderungen und der jeweiligen Auswirkungen auf andere Abschnitte eine synop- tische Beratungsunterlage durch- arbeiten, zu der aus Delegierten- kreisen noch weitere 20 Ent- schließungsanträge eingebracht worden waren. Dies gelang aber in einer konzentrierten Debatte (mit durchweg auf fünf Minuten beschränkter Redezeit).

Das Ergebnis ist eine neue Mu- sterweiterbildungsordnung, die nach ihrer redaktionellen Fertig- stellung im Wortlaut im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT veröffent- licht werden soll. Daher sollen hier nur noch einige wichtige Neuerungen registriert werden.

Eine Debatte zur Allgemeinmedi- zin entzündete sich an dem An- trag des Delegierten Dr. Wolf-Pe- ter Otto aus Westfalen-Lippe, ne- ben der „Allgemeinmedizin" solle die Führung anderer Gebietsbe- zeichnungen ermöglicht werden.

Im Gegensatz dazu waren zahlrei- che Redner der Ansicht, ein sol- cher Beschluß würde die Allge- meinmedizin schwächen. Sie sei nun mal mit keinem anderen Ge- biet kompatibel. Auch Professor Sewering setzte sich mit Nach- druck für die Ablehnung dieses Antrags ein. Die allgemeine Le- benserfahrung lehre, daß eine Bit- te um eine kleine Gesetzesände- rung wie ein Steinchen wirken könne, das eine ganze Lawine in Gang setzt. Vor allem könne doch aber der deutsche Ärztetag nicht im Ernst dafür sein, daß dem- nächst jeder Arbeitsmediziner oder Amtsarzt noch eine Allge- meinpraxis aufmacht. Es komme noch hinzu, daß die Unvereinbar- keit mit einer anderen Gebietsbe- zeichnung laut Recht und Gesetz auch für den „Praktischen Arzt"

gilt.

Die Antragsgegner obsiegten; der Antrag Dr. Otto wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Gebilligt hin- gegen wurden ein Antrag, die Be- zeichnung Anästhesiologie mit den Bezeichnungen aller operati- ven Fächer kombinierbar zu ma- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 23 vom 8. Juni 1984 (43) 1853

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Helfer hinter und vor den Kulissen im Aachener „Eurogress". Bild oben: das EDV- Schreibbüro des Ärztetages — Mitte: die eigene Druckerei (keineswegs streikend) — Die Eurogress-Hostessen verteilten Hunderttausende Drucksachen-Blätter

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

87. Deutscher Ärztetag

chen, sowie der Vorschlag des Vorstandes, nach dem künftig die Bezeichnung Öffentliches Ge- sundheitswesen mit allen anderen kombiniert werden kann, außer mit der Allgemeinmedizin.

Weitere Beschlüsse betrafen un- ter anderem die Vollziehung der Kasseler Beschlüsse über die Weiterbildung in der Allgemein- medizin; dann die Frage, ob Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Flug- medizin unbedingt einen Piloten- schein und Cockpiterfahrung über mehrere Zeitzonen hinweg haben müßten; die Schaffung von Rotationsstellen im Rahmen der Weiterbildung; die Frage, was im Rahmen der Weiterbildungsord- nung jeweils unter dem Begriff

„Nachsorge" zu verstehen sei.

Letzteres wird der Vorstand auf- grund einer Antragsüberweisung zu prüfen haben.

Der Vorstand muß auch nach ei- nem Beschluß des Plenums wei- terhin darauf hinwirken, bei der vorgesehenen Einführung der

„Arzt im Praktikum-Phase" eine Strukturierung zu erreichen.

Es fiel diesmal zunehmend auf, wie viele Delegierte ihren jeweili- gen Beitrag gerade zum Thema Weiterbildung etwa mit den Wor- ten beginnen: „Ich spreche im Auftrage meines Berufsverbandes und meiner wissenschaftlichen Gesellschaft".

Vielleicht sollte man aber doch et- was mehr bedenken, daß der Deutsche Ärztetag in Wirklichkeit aus Delegierten der einzelnen Ärztekammern besteht. Präsident Dr. Vilmar nennt stets die jeweili- ge Ärztekammer, wenn er einem Delegierten das Wort erteilt, und das ist gut demokratisch. Daß es Verteilungskämpfe gibt, würde vor der Öffentlichkeit noch deut- licher werden, wenn sich das oberste Parlament der ärztlichen Selbstverwaltungen zum Sandka- sten erniedrigen läßt, in dem In- teressenvertreter ihre Kriegsspie- le um Geländegewinne austra- gen. gb

1854 (44) Heft 23 vom 8. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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