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DEUTSCHES lffiZTEBLATT
Arztliehe Mitteilungen
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
Ärztliche Argumente gegen
die neuesie
"Kostendämpfung"
ln einer Anhörung vor dem Bun- destagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung am 25. Novem- ber haben Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesver- einigung zu den für die Ärzte- schaft wesentlichen Punkten des , Haushaltsbegleitgesetzes 1983' kritisch Stellung genommen. Es geht um
• die Kürzung der Beitragszah- lungen der Rentenversicherung an die
KrC~:nkenversicherungum rund 1,2 Milliarden DM,
• die sogenannte Bagatellarz- neimittel-Liste,
• Disziplinarmaßnahmen we- gen zu Unrecht ausgestellter Ar- beitsunfähigkeits-Bescheinigun- gen sowie um
• Wirtschaftlichkeitsvorschrif- ten zur Überwachung der Preis- würdigkeit und des therapeuti- schen Nutzens verordneter Lei- stungen.
Die im "Haushaltsbegleitgesetz" vorgesehene erneute Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung zum Zwecke der Entlastung eines anderen Sozialversicherungszweiges wurde von der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer bei einem Bundestags-Hearing entschieden abgelehnt.
~ Die Bereitschaft der Kassenärzte, zur Kostenbalance in der gesetzlichen Krankenversicherung beizutragen, besteht zwar unver- mindert und findet in den jüngsten Honorar.Yereinbarungen ihren Niederschlag, betonten die Ärzte-Vertreter. Der Ausgabenzuwachs in der gesetzlichen Krankenversicherung habe sich schon jetzt erheblich vermindert (Anstieg der Gesamtausgaben je Mitglied im 1. Halbjahr 1982 gegenüber dem 1. Halbjahr 1981 lediglich 1,9 v. H.!).
Zu dieser erfreulichen Entwicklung hat das im Zusammenhang mit dem Krankenversicherungskostendämpfungs-Ergänzungsgesetz vereinbarte Honorarstillhalteabkommen der Kassenärzteschaft für anderthalb Jahre entscheidend beigetragen.
~ Der Wille zur Kostendämpfung werde aber untergraben, so warn- ten die Ärztevertreter vor dem Ausschuß, "wenn die Kassenärzte Reglementierungen unterworfen würden, welche allein auf die Finanzkrise eines anderen Sozialversicherungszweiges zurückzu- führen sind, und die sowohl weiteren bürokratischen Aufwand bedeuten als auch vornehmlich für die medizinische Versorgung der Sozialversicherten in unserem Lande bedenklich erscheinen."
Solche Bedenken richten sich vor allem gegen die Liste von Arznei- mitteln, die dem Gesetzentwurf zufolge bei sogenannten Bagatell- erkrankungen künftig nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen. Die Ärzteschaft befürchtet außerdem erhebliche Belastungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses, weil die vom Gesetzgeber genannten Kriterien für den Ausschluß medizi- ~ nisch verschwommen sind und außerdem weiche Ausnahmerege- lungen geplant sind.
Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 49 vom 10. Dezember 1982 17
Die Information:
Bericht und Meinung Haushaltsbegleitgesetz
Die Vertreter von KBV und BÄK faßten die ärztlichen Einwände vor dem Ausschuß noch einmal zu- sammen:
„Der weite Bereich der Erkäl- tungskrankheiten wird willkürlich und pauschal als geringfügige Ge- sundheitsstörung eingestuft und beispielsweise das Symptom Hu- sten als Befindlichkeitsstörung bagatellisiert.
Gerade aber das Symptom Husten ist üblicherweise kein Ausdruck einer geringfügigen Gesundheits- störung, sondern in der Regel Anzeichen einer akuten oder chro- nischen pathologisch-anatomi- schen Veränderung im Bereich der Atemwege. Bei dem Patienten kann eine Bagatellisierung sym- ptomatischer Beschwerden zur Verschleppung einer Krankheit und damit zu ernsthaften Kompli- kationen führen.
Hier muß auch angemerkt werden, daß eine solche Entwicklung der immer wieder betonten Notwen- digkeit der Früherkennung und -behandlung von Krankheiten dia- metral entgegenwirkt! Aber auch für den Arzt ist die Grenzziehung zwischen einem katharrhalischen Infekt und dem Vorstadium einer ernsten Erkrankung oft nicht mög- lich. Dies gilt insbesondere bei der ersten Konsultation im Krankheits- falle.
Die Entscheidung des Arztes wird zusätzlich erschwert, da nach dem vorliegenden Gesetzentwurf die ansonsten ausgeschlossenen Arz- neimittel dann zu Lasten der Kran- kenkassen verordnet werden kön- nen, wenn das „Arzneimittel not- wendig ist, um Beschwerden zu behandeln, die im Zusammenhang mit schwerwiegenden Erkrankun- gen" auftreten. Ebensowenig wie der Begriff „geringfügige Gesund- heitsstörung" definierbar war und ist, wird dies auch für den Begriff
„schwerwiegende Erkrankung"
zutreffen. Die in der Begründung des Gesetzentwurfs dafür aufge- führten Beispiele sind schon des- halb wenig hilfreich, weil sie für
den ambulanten Sektor nicht ty- pisch sind.
Die Alternative
Kassenärztliche Bundesvereini- gung und Bundesärztekammer schlugen in Übereinstimmung mit Krankenkassenverbänden und dem Bundesverband der Pharma- zeutischen Industrie als Alternati- ve vor, die Zuzahlung bei Arznei- und Verbandmitteln für jedes ver- ordnete Mittel von derzeit 1,50 DM auf 2,50 DM sowie einen totalen Ausschluß aller publikumsumwor- benen Arzneimittel von der Ver- ordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkassen vorzusehen. Diese beiden Maßnahmen könnten in et- wa die Finanzlücke in Höhe der bei Einführung einer Negativliste zugrunde gelegten (von Ärzten und Kassen übrigens bezweifel- ten) Größenordnung schließen.
Der einzelne Arzt könne in diesem Jahr nicht einmal mit einem Aus- gleich seiner steigenden Praxisko- sten, geschweige denn mit einem Ausgleich der steigenden Lebens- haltungskosten rechnen.
Ablehnung verschärfter Disziplinarmaßnahmen
Zusätzliche Disziplinarmaßnah- men wegen unrichtiger AU-Be- scheinigungen, wie sie die Bun- desregierung vorschlug, lehnten die Ärzte-Vertreter vor dem Bun- destagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ab; sie seien ange- sichts des schon geltenden Diszi- plinarrechts überflüssig. Die KBV- Auffassung: Bei der Fehlausstel- lung von Bescheinigungen über das Vorliegen der Arbeitsunfähig- keit wird auch nach geltendem Recht neben der Festsetzung von Regreß die kassenärztliche Diszi- plinargewalt ausgeübt. Für eine Ausdehnung des Rahmens der Disziplinarmittel besteht keine Notwendigkeit. Ja, diese gesetzge- berische Initiative zur Verschär- fung des Strafmaßes wird ent- schieden abgelehnt, weil sie ge- eignet ist, die Ärzteschaft der Öf- fentlichkeit gegenüber zum Sün-
denbock für einen angeblich zu hohen Krankenstand abzustem- peln. Diesen Schwarzen Peter sich widerstandslos in die Tasche schieben zu lassen, dazu ist die deutsche Kassenärzteschaft nicht bereit."
Die Bundesregierung will mit dem Haushaltsbegleitgesetz außerdem die Ausstellung von AU-Bescheini- gungen in die Wirtschaftlichkeits- überwachung nach § 368 n RVO einbeziehen. Überwacht werden sollen ferner die Preiswürdigkeit und der therapeutische Nutzen ärztlich verordneter Leistungen.
Diese Vorschläge sind nach Auf- fassung der Ärzteschaft „objektiv nicht verwirklichungsfähig". Denn Kassenärztliche Vereinigungen ei- nerseits und die Landesverbände der Krankenkassen andererseits haben in § 368 n Absatz 5 RVO lediglich die Aufgabe zugewiesen bekommen, das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung in ih- rem örtlichen Bereich zu regeln.
Dies ist durch „Prüfvereinbarun- gen" auch geschehen. In eine der- artige Verfahrensregelung gehö- ren jedoch keine Vorschriften über den materiellen Inhalt des Wirtschaftlichkeitsbegriffs von Einzelelementen kassenärztlicher Versorgung.
Die Partner dieser Verträge sind außerdem gar nicht in der Lage, Regeln aufzustellen, wie sämtliche verordneten Drittleistungen inner- halb der kassenärztlichen Versor- gung in bezug auf Preiswürdigkeit und therapeutischen Nutzen ge- messen werden können. Zu den Leistungen gehören ja Verordnun- gen von Arznei-, Verband-, Heil-, Hilfsmitteln, Brillen sowie Kran- kenhauspflege. „Bereits die Preis- bildung auf diesen Gebieten der Drittleistungen, welche teils Hand- werks- oder Industrieprodukte, teils Dienstleistungen sind" — ar- gumentierten die Ärzte-Vertreter in Bonn —, „vollzieht sich in Verträ- gen und sonstigen Ebenen außer- halb jeglicher Einwirkungsmög- lichkeit der Partner der Gesamt- verträge." EB
18 Heft 49 vom 10. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B