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Archiv "Prävention von Infektionskrankheiten: Stete Herausforderung" (05.09.2003)

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P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003 AA2275

gen übertragbare Erkrankungen wurde eindrücklich im Laufe der SARS-Epi- demie deutlich. Der größte Anteil der Fälle trat nach einer Exposition im Krankenhaus auf und betraf in bis zu 63 Prozent medizinisches Personal (1).

Auch bei der Weiterverbreitung von SARS spielte medizinisches Personal eine Rolle. So betrafen bei den Aus- brüchen in Hongkong und Toronto, auch unter den Fällen durch sekundäre und tertiäre Übertragung, 62 bezie- hungsweise 51 Prozent das medizini- sche Personal (2, 3). Das Risiko einer aerogenen Übertragung auf nicht ge- impftes medizinisches Personal muss für Influenza eher höher eingeschätzt werden als für SARS.

Multiplikatorwirkung

Die Durchimpfung des medizinischen und Pflegepersonals ist auch aufgrund seiner „Multiplikatorwirkung“ hin- sichtlich der Infektionsgefahr für Pati- enten wichtig. Viele dieser Patienten haben ein erhöhtes Risiko für schwere klinische Verläufe einer Influenzain- fektion. Es ist zu erwarten, dass eine hohe Impfrate bei medizinischem und Pflegepersonal auch zur Reduktion des Risikos nosokomialer Influenzainfek- tionen beiträgt. Die Effektivität der Grippeimpfung ist vor allem in den Hauptaltersgruppen des medizinischen Personals sehr gut und wird in der Lite- ratur mit bis zu 90 Prozent angegeben (4, 5).

Aus diesen Gründen startet das Robert Koch-Institut zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Influenza auch dieses Jahr wieder eine Initiative:

Neben einer gemeinsamen Pressekon- ferenz ist erneut eine Versandaktion mit überarbeitetem Informationsmate- rial und ein Aufruf in den verschieden- sten Fachverbandszeitschriften geplant.

Hierbei konnte erneut die Unterstüt- zung von wichtigen Berufsverbänden gewonnen werden.

Dr. med. Karl Schenkel Dr. med. Udo Buchholz, MPH Dr. med. Andrea Ammon, MPH Priv.-Doz. Dr. Walter Haas

Den Originalbeitrag finden Sie im Internet unter www.

aerzteblatt.de/plus3603, die Literaturangaben unter www.aerzteblatt.de/lit3603.

Prävention von Infektionskrankheiten

Stete Herausforderung

Die Eradikation der Masern, an der jährlich weltweit

eine Million Menschen sterben, gehört zu den vordringlichen Zielen der Gesundheitsorganisationen.

W

ährend die Diskussionen über die hypothetische Gefahr neu- er Pockeninfektionen und die Risiken entsprechender Impfungen nicht abreißen, muss sich die Infektiologie ei- ner realistischeren Aufgabe stellen. So sei nur unzureichend bekannt, dass die Masern weltweit mit fast einer Million Todesfällen pro Jahr für die Hälfte aller tödlich verlaufenden – aber durch Imp- fung zu verhindernden – Infektions- krankheiten verantwortlich sind, sagte Prof. Sieghart Dittmann (Ständige Impfkommission, STIKO) während ei- nes Seminars über „Impferfolg – Impf- sicherheit“ in Baden-Baden.

Dieser Situation tragen die Impfpro- gramme der Weltgesundheitsorganisa- tion (WHO) und der UNICEF Rech- nung. Ein strategischer Plan beider Or- ganisationen zielt zunächst auf die Hal- bierung der Masern-Todesfälle bis 2005. Außerdem sollen bis dahin die Masern überall dort eliminiert werden, wo aufgrund fortgeschrittener Kontrol- le eine regionale Auslöschung des Virus möglich ist. Dazu gehört insbesondere der amerikanische Doppelkontinent.

Für Europa ist das Ziel der Maserneli- minierung zunächst für das Jahr 2007 avisiert, da immer wieder aufflackernde Durchbrüche der durch Tröpfchenin- fektion leicht übertragbaren Erkran- kung eine frühere Eliminierung unrea- listisch erscheinen lassen.

So machte zum Beispiel eine Masern- epidemie in 2002 Schlagzeilen, bei der mehr als 1 000 Erkrankungen allein in der Region Coburg gezählt wurden. Ein solcher Maserndurchbruch wurde mög- lich, weil einige Ärzte die Impfung für gefährlicher hielten als die Erkrankung.

„Noch immer müssen auch unter den Bedingungen einer guten medizinischen Versorgung fünf Prozent aller an Ma- sern Erkrankten wegen Komplikatio-

nen ins Krankenhaus eingeliefert wer- den“, betonte Dittmann. „Encephaliti- den nach Masern treten bei einer von 670 Erkrankungen auf.“

Um das angestrebte Ziel der Ma- sernelimination zu erreichen, müsse die Rate der Erstimpfungen von derzeit 90 auf 95 Prozent angehoben werden.

Als „sehr unbefriedigend“ bezeichnete Dittmann, dass die Zweitimpfung bei nur 30 Prozent der Erstklässler des Jah- res 2000 dokumentiert war: „Diese Ra- te muss erheblich gesteigert werden, wobei auf die rechtzeitige Durch- führung der Impfungen nach dem Impf- kalender der STIKO Wert gelegt wer- den sollte.“

Wichtig sei, dass sich alle Beteiligten in allen Regionen der Bundesrepublik bereit erklärten, an dem Ziel der Ma- sernelimination mitzuwirken. Dass nach einer Eradikation der Masern eine ähnliche Situation auftreten könnte wie jetzt bei den Pocken, verneinte Ditt- mann: „Als bioterroristische Waffe sind die Masern nicht geeignet.“

Allergische Reaktionen nicht häufiger als bei Medikamenten

Der Erfolg der Pockeneradikation er- munterte die WHO, die Kinderlähmung (Poliomyelitis ) bis zum Jahr 2005 auszu- rotten. Hervorragende Erfolge wurden auf dem Weg dahin erzielt: Der amerika- nische Doppelkontinent, die westpazifi- sche und die europäische Region sind frei von einheimischer Poliomyelitis.

Wenn die Probleme im indischen Sub- kontinent durch Massenimpfungen gelöst sind, kann das Ziel der weltweiten Ausrottung erreicht werden.

Ungeklärt ist allerdings, wie man ei- ne verlängerte Ausscheidung von Impf- viren bei Personen mit Immundefizienz

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in den Griff bekommt. „Die vor einigen Jahren in Deutschland getroffene Ent- scheidung, in der Polio-Impfstrategie auf inaktivierten Impfstoff überzuge- hen, erweist sich im Nachhinein noch weiser als von den Initiatoren damals gedacht“, betonte Dittmann.

Bei den von der STIKO empfohlenen Impfungen könne man davon ausgehen, dass sie sehr gut verträglich sind, erklärte Dr. Brigitte Keller-Stanislawski (Paul- Ehrlich-Institut, Langen). Wenn über- haupt, seien bleibende Schäden nach Impfungen als Rarität zu bezeichnen.

Streng zu unterscheiden von Impf- schäden seien allerdings Impfreak- tionen, die zu Beeinträchtigungen führen können, aber stets vorüber- gehender Natur sind. So seien bei- spielsweise allergische Reaktio- nen nach Impfstoffgabe mit einer Quote von circa 1 : 50 000 nicht häufiger als nach Gabe anderer Arzneimittel.

Die immer wieder aufgeworfe- nen Debatten über einen vermeintli- chen Zusammenhang von Impfungen und in ihrer Ursache ungeklärten Krankheiten sollten jedenfalls nicht da- zu führen, den Impfgedanken schlecht zu machen, gab Keller-Stanislawski zu bedenken. Bezeichnenderweise kon- zentriere sich das öffentliche Bewusst- sein in verschiedenen Ländern auf ganz unterschiedliche vermeintliche Impfri- siken.

So komme in angelsächsischen Län- dern immer wieder die Angst vor Autis- mus nach Impfungen hoch, während in Frankreich eher eine Multiple-Sklerose- Gefährdung nach Impfungen im Wahr- nehmungsbereich läge. In Deutschland wird diskutiert, ob der plötzliche Kinds- tod beziehungsweise Todesfälle im zwei- ten Lebensjahr mit Kinderimpfungen in Verbindung stehen. Für diese vermeintli- chen Zusammenhänge gebe es weder statistisch handfeste Belege noch irgend- welche Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang, so Keller-Stanislawski.

Trotz der nur hypothetischen Gefähr- dung eines bioterroristischen Anschlags mit Pockenviren sind in Deutschland mittlerweile 65 Millionen Impfdosen zentral gelagert, die restlichen 35 Millio- nen Vakzine werden bis Oktober an ge- heim gehaltener Stelle gebunkert sein.

Die speziellen zweizackigen Pocken-

Impfnadeln verursachen die größten lo- gistischen Probleme, benötigen aber kei- ne besonderen Lagerbedingungen und sollen in nächster Zukunft dezentral auf alle Bundesländer verteilt werden.

24 Millionen Impfdosen, die schon En- de 2001 vom Bundesgesundheitsministe- rium eingekauft wurden, stammen noch aus alter Produktion der 70er-Jahre. Eine Überprüfung der gefriergetrockneten

Vakzine durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nach WHO-Vorgaben hat ergeben, dass der Impfstoff nach wie vor aktiv ist.

Die restlichen Impfdosen des Vorsorge- programms wurden und werden zurzeit teilweise auf Gewebekulturzellen herge- stellt. Aufgrund der schon vorhandenen Labordaten des PEIs ist nach Aussage von Dr. Susanne Stöcker davon auszuge- hen, dass die neuen Impfstoffe im Hin- blick auf die Wirksamkeit, aber auch auf ihr Nebenwirkungsprofil mit den alten Impfstoffen vergleichbar sind, die in der Pockeneradikationsphase ihre Wirksam- keit unter Beweis gestellt hatten.

Ob die neue Anzüchtungsmethode tatsächlich in der breiten Anwendung zu einer besseren Verträglichkeit führt als die des alten Impfstoffes, der auf der Grundlage von Kälber- oder Schafhaut gezüchtet wurde, sei ungewiss, ergänzt Prof. Burkhard Schneeweiß (Wissen- schaftlicher Beirat des Aktionskreises Impfschutz e.V., Berlin). Es ließe sich nur im „groß angelegten Feldversuch“,

also im Falle eines Neuausbruchs der Seuche, klären.

Ungewiss sei außerdem, welche Ne- benwirkungen die Erstimpfung bei Er- wachsenen haben wird, denn eine ganze Generation sei nicht mehr im Kindesalter geimpft worden, und niemand wisse, ob eine Erstimpfung im höheren Alter mög- licherweise noch größere Risiken berge.

Sosehr auch die Pockenimpfung einen entscheidenden Durchbruch in der Ge- schichte der Seuchenbekämpfung mar- kierte (im 18. Jahrhundert erkrankten noch fünf Sechstel der Bevölkerung an der Infektion mit dem Variola-Virus), so sehr geriet mit dem Impferfolg die Impf- sicherheit in den Blickwinkel der Nut-

zen-Risiko-Abwägung.

Wie Schneeweiß betonte, muss schon bei Kindern mit einer Häu- figkeit von 1 : 300 bis 1 : 5 000 mit Impfkomplikationen nach Pockenimpfung gerechnet werden. Dazu gehören lokale Hauterscheinungen wie Ne- benpocken und entstellende Narben, aber auch allgemeine, schwere Komplikationen – wie aus- gebreitete Vakzine-Ekzeme, Myokar- ditiden, Pneumonien und Encephaliti- den. Noch heute zählten die Komplika- tionen nach Pockenimpfung zu den häu- figsten Ursachen, die zu einem Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens veranlassten, obwohl die Impfung seit mehr als 20 Jahren nicht mehr durchge- führt würde, betonte Schneeweiß.

Dem derzeit ungünstigen Nutzen-Risi- ko-Verhältnis einer Wiedereinführung der Pockenimpfung trägt die aktuelle Pocken-Bekämpfungsstrategie der Bun- desrepublik Rechnung.Wie Dittman aus- führte, sollen in der Phase 1, die der jetzi- gen Situation mit keinem einzigen Pockenfall weltweit entspricht, lediglich Personen in Kompetenzzentren geimpft werden. In der Phase 2, die für den Fall vorgesehen ist, dass eine erste Pockener- krankung auf der Welt auf bioterroristi- sche Aktivität schließen lässt, sollen me- dizinisches Personal sowie Rettungs- kräfte und Personen des öffentlichen Dienstes geimpft werden. Erst in der Phase 3, beim Auftreten von Pocken- fällen in Deutschland, soll es zuerst zu Abriegelungsimpfungen und im Ernstfall schließlich zu einer generellen Impfung

kommen. Martin Wiehl

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A2276 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 365. September 2003

Modell eines Masernvirus, das zu den Para- myxoviren gehört. Es ist 100 bis 150 nm groß mit lipidhaltiger Hülle. Abbildung: flashlight

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