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Ist ein Arzt an Bord?

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Academic year: 2022

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EDITORIAL

ARS MEDICI 14–16 | 2021 413

Das Reisen, das viele während der Pandemie schmerz- lich vermisst haben dürften, steht im Mittelpunkt unserer diesjährigen «Summer School» ab Seite 431.

Möglicherweise gehören Sie zu den ärztlichen Kolle- ginnen und Kollegen, die sich insgeheim davor fürch- ten, während ihrer nächsten Flugreise zu medizinischer Nothilfe aufgefordert zu werden.

Es gibt keine exakten Zahlen, wie häufig medizinische Notfälle über den Wolken vorkommen, aber einige Studien, die Schätzwerte liefern. In einer kürzlich pu- blizierten Metaanalyse (1) wird die Inzidenz auf 18 Not- fälle pro 1 Million Passagiere beziffert, in einer frühe- ren Studie waren es 16 Notfälle pro 1 Million Passagiere beziehungsweise 1 Fall pro 604 Flüge (2). In einem ak- tuellen Review ist hingegen von 24 bis 130 Fällen pro 1 Million Flugpassagiere die Rede (3) und in einer wei- teren Studie von 127 Fällen pro 1 Million Passagiere (4).

Meist handelte es sich bei den Notfällen um Synkopen, gastroenterologische Beschwerden, respiratorische oder neurologische Probleme (1). Reanimationen oder Todesfälle sind mit 1 Fall pro 5 bis 10 Millionen Passa- giere extrem seltene Ereignisse (5).

Für die meisten Ärztinnen und Ärzte dürfte ausser Frage stehen, bei Notfällen jederzeit und überall zu helfen. Anders sieht es aus juristischer Sicht aus. Wäh- rend des Flugs gelten an Bord die Rechtsvorschriften desjenigen Landes, in dem das Flugzeug registriert ist.

In den USA, in Kanada oder im Vereinigten Königreich kennt man – anders als beispielsweise in Australien, Europa und vielen asiatischen Ländern – den Straftat- bestand der unterlassenden Hilfeleistung nicht (es sei denn, man ist bereits der behandelnde Arzt des Patien- ten). Wer im Flugzeug einer US-amerikanischen Airline sitzt, könnte es also theoretisch nur mit seinem Ge- wissen ausmachen, ob er sich als Arzt zu erkennen gibt oder nicht, zumal viele die in den USA möglichen Scha- denersatzforderungen fürchten. Der seit 1998 gültige Aviation Medical Assistance Act (AMAA) soll Notfall- helfer auf Flügen mit US-amerikanischen Airlines vor Schadenersatzforderungen schützen, falls sie freiwil- lig und ohne Bezahlung Hilfe leisten. Ein Upgrade oder eine Flasche Champagner werde übrigens nicht als Bezahlung betrachtet, heisst es dazu in einem Review (6). Gemäss AMAA würde nur grob fahrlässiges Han- deln zu Schadenersatzansprüchen berechtigen. Kniff- lig könnte es werden, wenn Sie bereits einen Drink ge- nommen haben, denn grob fahrlässiges Handeln schliesst offenbar auch den Fall ein, dass ein alkoholi- sierter Arzt einen Patienten behandelt, wobei offen bleibt, was damit exakt gemeint ist (7).

Zu Kursänderungen oder Zwischenlandungen wegen medizinischer Notfälle kommt es nur selten, nämlich bei etwa 11 von 100 000 Flügen (1). Wirtschaftliche Ri- siken wegen einer diesbezüglichen Empfehlung geht ein Arzt nicht ein. Ob ein Flugzeug den Kurs ändert oder nicht, liegt allein in der Verantwortung des Flug-

kapitäns. s

Renate Bonifer

1. Borges do Nascimento IJ et al.: The global incidence of in-flight medical emergencies: A systematic review and meta-analysis of approximately 1.5 billion airline passengers. Am J Emerg Med. 2021;48:156-164.

2. Peterson DC et al.: Outcomes of medical emergencies on commercial air- line flights. N Engl J Med. 2013;368(22):2075-2083.

3. Hu JS, Smith JK: In-flight Medical Emergencies. Am Fam Physician. 2021;

103(9):547-552.

4. Ceyhan MA, Menekşe IE: In-flight medical emergencies during commercial travel: An analysis from 2018 to 2020. (published online ahead of print, 2021 Jun 18). J Travel Med. 2021;taab094.

5. Graf J et al.: In-flight medical emergencies. Dtsch Arztebl Int. 2012;

109(37):591–602.

6. Claus S: Ist ein Arzt an Bord? Medizinische und rechtliche Sicherheit bei Notfällen in Verkehrsflugzeugen. Z Allg Med. 2014;90(07-08/8):298-302.

7. https://www.thieme.de/viamedici/klinik-faecher-notfallmedizin-1539/a/

ueber-den-wolken-notfallversorgung-im-flugzeug-30558.htm, abgerufen am 20. Juli 2021.

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