Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Hypothyreotes Koma
Das hypothyreote Koma stellt das Endstadium einer nicht behandelten Schilddrüsenunterfunktion dar.
Da selbst schwerste chronische Schilddrüsenhormonmangelzustände mit dem Leben vereinbar sind, führen erst zusätzliche Belastungen des Organismus zum hypothyreoten Koma. Neben Belastungen wie Infekten (bei gleichzeitig bestehender Hypothyreose oft symptomarm), Streß und Kälte, können beson- ders atemdepressiv wirkende (alle sedierend wirkende) Pharmaka zum Koma führen. Durch die Zunahme der Hyperkapnie und weitere Abnahme der Körpertemperatur kommt es zu einer zusätzlichen lebensbedrohlichen Stoffwechselverschlechterung beim hypothyreoten Patienten (Mortalität um 50 Prozent).
Als Ursache für die Hypothyreose kann einerseits funktionstüchtiges Schilddrüsengewebe fehlen (primäre Hypothyreose) oder die TSH-Stimulation (thyreoideastimulierendes Hormon) infolge einer hypophysären oder hypothalamischen Störung ausgefallen sein (sekundäre Hypothyreose). Entspre- chend dem partiellen bis totalen Hypophysenvorderlappenausfall finden sich bei der sekundären Hypothyreose neben hypothyreoten Symptomen noch weitere Zeichen anderer Hormonmangelzu- stände (Nebennierenrindeninsuffizienz, Hypogonadotropismus). Dabei kann der zusätzliche Ausfall anderer Hormone das klinische Bild der Hypothyreose deutlich überlagern.
Symptomatik
Zunehmende Somnolenz bis Koma bei bestehender Hypo- thyreose mit Obstipation, Käl- teintoleranz, extremer Müdig- keit, Antriebslosigkeit, De- pression, Apathie (oft als Al- terssklerose oder Depression verkannt).
Hypotonie
Weitere Flüssigkeitseinlage- rungen (Ödeme, Ergüsse in freien Körperhöhlen, wie Pleura, Perikard, Peritoneal- rau m)
schwere Obstipation
Hypothermie, meist unter 35° C Hypoventilation mit Hyperkap- nie, CO2-Narkose
Myxödem
trockene, schuppige, fahle, kalte Haut, („Leichenhaut"), dicke, pastöse Subkutis (Myx-
Diagnose
Anamnestische Hinweise auf bestehende Hypothyreose Bradykardie, eventuell Brady- arrhythmie
Myxödem (bei primärer Hypo- thyreose)
Hypothermie, meist unter 35°C Respiratorische Azidose mit
Therapie
Hyperkapnie beseitigen, je nach Schweregrad der respi- ratorischen Azidose Bron- chialtoilette, Intubation, künstliche Beatmung, eventu- ell Tracheotomie
Steroidgabe, Kochsalzzufuhr und bei Hypoglykämie zusätz- liche Glukosegabe. (Infusion mit 100 mg Hydrokortison bzw. 50 mg Prednison in 500 ml 0,9%ige NaCI-Lösung, bei Hypoglykämie zusätzlich 40%ige Glukoselösung), bei Hyponatriämie eventuell hy- pertone NaCI-Lösung.
Trijodthyronin möglichst i. v., sonst über Magensonde: 3- bis 4mal täglich 12,5-25 m,g Hypothermie nicht durch phy- sikalische Wärme behandeln (Kreislaufkollapsgefahr!) Digitalisierung bei Herzinsuf- fizienz
Therapie siehe oben
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 41 vom 12. Oktober 1978 2333Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
•
Hypothyreotes KomaSymptomatik Diagnose Therapie
ödem), mimikarmes Gesicht mit groben, steifen Hautfalten
Erhöhung von pCO 2 bis 60 mmHg und mehr (CO 2-Nar- kose)
dicke myxödematöse Zunge
Extreme Empfindlichkeit ge- genüber Sedativa
Stark erniedrigte Serumspie- gel von Thyroxin (T4) und Tri- jodthyronin (T3)
Heiserkeit
Neigung zu Krampfanfällen (infolge Wasserintoxikation) Bei sekundärer Hypothyreose entsprechend Hypophysen-
vorderlappeninsuffizienz kaum Myxödem, eher blasse, zarte Haut
Fehlen von Axillar- und Schambehaarung
Hyponatriämie und Hypo- chlorämie (Wasserintoxika- tion)
Bei sekundärer Hypothyreose meist Zeichen der Hypophy- seninsuffizienz, fehlende Se- kundärbehaarung, stärkere Hypoglykämieneigung sowie stärkere Hypotonie
Hypoglykämie
Hypercholesterinämie (meist) Im EKG Niedervoltage
Therapie siehe oben
Da auch bei primärer Hypo- thyreose eine Nebennieren rin- deninsüffizienz besteht, die substituiert werden muß, hat bei einem hypothyreoten Ko- ma eine Unterscheidung zwi- schen primärer und sekundä- rer Hypothyreose keine thera- peutische Konsequenz.
Privatdozent
Dr. med. Jürgen Bommer Medizinische Universitäts- Klinik (Ludolf-Krehl-Klinik) Direktor: Prof.
Dr. Dr. Gotthard Schettler Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg
4,
2334 Heft 41 vom 12. Oktober 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT