Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 45|
6. November 2009 A 2267 BÖRSEBIUSSchattenhaushalt, Nebelkerzen, Geisterfahrer
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ie jüngste Causa „Schatten- haushalt“ belegte einmal mehr, in welch erbarmungswürdi- gem Zustand sich die Sozialdemo- kratie befindet. Nein, nicht die SPD lief gegen das schrille Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung Sturm – es waren die Landesfürsten der CDU, die das ruchbare Projekt zu Fall brachten.Auch wenn der Nebenhaushalt haarscharf an uns vorüberging, kann man nicht so einfach zur Ta- gesordnung übergehen. Zeigt doch das Schachern um Zahlen und das Werfen von Nebelkerzen, wie sehr Leute von allen guten Geistern ver- lassen sein müssen, die davon träu- men, sich zusätzliche Finanzie- rungsquellen über ein sogenanntes Sondervermögen zu erschließen – und dabei jedes Gespür für Solidität auf der Strecke liegen lassen.
Am Ende war im berüchtigten, über Kredite zu finanzierenden Schattenhaushalt mit 70 Milliarden Euro exakt die Summe vorgesehen, die die Union der FDP als Steuer- entlastung angeboten hatte. Vor den Mikrofonen wurde darob eine Ne- belkerze nach der anderen abgefeu- ert. Dirk Niebel nannte das abscheu- liche Konzept einen „Ausdruck von Transparenz“, Volker Kauder mein- te, dies sei „überhaupt nichts Be- sonderes“ und die Krone des Irr- sinns setzte sich Thomas de Mai- zière aufs Haupt, der sich verbat, dass der Schattenhaushalt so ge- nannt werde. Allesamt Geisterfah- rer, die glauben, am Ende allen Ernstes auf der richtigen Spur zu sein, und wenn nicht, dann wird der falsche Weg eben umfirmiert.
Warum rege ich mich eigentlich so über diese Taschenspielertricks
auf? Zunächst einmal offenbart das gescheiterte Vorhaben eine Geistes- haltung, die eben gerade nicht durch den Verzicht auf den Schat- tenhaushalt auf der Strecke geblie- ben ist, sondern vermutlich weiter- lebt und für uns eine ständige Be- drohung bleibt. Ehrbare Kaufleute handeln anders. Reue und Selbster- kenntnis sind vonnöten. Tatsächlich sollte mit dem Schattenhaushalt ei- ne Steuerreform finanziert werden, von der jeder halbwegs Verständige weiß, dass kein Geld dafür da ist.
Wie soll eine Bundesregierung die Finanzkrise bekämpfen und ei- ne funktionierende Finanzaufsicht etablieren, wenn sie die gleichen Instrumente wie die Banken ein- setzt, denen am Ende ihre außer- bilanziellen Zweckgesellschaften nur so um die Ohren flogen? Dass es auch anderswo Nebelkerzenschat- tenhaushalte gibt (Schalke 04, Bankhaus Oppenheim), darf kein Grund für deren Akzeptanz sein.
Nur das Geld verplanen, das auch im Säckel ist, ist nicht nur ein guter Rat für Börsianer, sondern auch für jedes klug wirtschaftende Unternehmen, erst recht aber für verantwortungsvolle Politiker. ■