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ie Niederländer legalisieren die aktive Sterbehilfe, in Großbritan- nien ist soeben das therapeutische Klonen genehmigt worden, in zahlrei- chen europäischen Staaten ist die Präimplantationsdiagnostik erlaubt. In Deutschland sind sich Ärzte und Politi- ker weitgehend einig: Es soll nicht alles erlaubt werden, was möglich ist. So will zum Beispiel Bundesgesundheitsmini- sterin Andrea Fischer die Präimplanta- tionsdiagnostik (preimplan-tation genetic diagnosis = PGD) unmissverständlich in einem neuen Fortpflan- zungsmedizingesetz verbie- ten. Dies soll das bisher gel- tende Embryonenschutzge- setz ablösen. In Gang ge- setzt wurde die Diskussion über diese Methode der vorgeburtlichen Diagnostik durch einen von der Bundesärztekammer vorge- legten, von deren Wissen- schaftlichem Beirat ausge- arbeiteten „Diskussionsent- wurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“.
Nach dem Entwurf kann eine streng auf den Einzelfall bezogene Indikations- stellung zur PGD infrage kommen. Das Spektrum möglicher Indikationen ist äußerst eng gefasst und bezieht sich ausschließlich auf Paare, bei deren Nachkommen nachgewiesenermaßen ein hohes Risiko für eine schwerwie- gende, genetisch bedingte Erkrankung besteht.
Das Bundesgesundheitsministerium lehnt eine Präimplantationsdiagnostik dagegen unter anderem deswegen ab, weil die Gefahr bestehe, dass in der Ge- sellschaft eine Erwartungshaltung für
gesunde Kinder entstehen könnte und es Eltern schwer gemacht werde, sich für ein behindertes Kind zu entschei- den. Auch in der Bundesärztekammer (BÄK) sei die Meinungsbildung über die Präimplantationsdiagnostik keines- wegs abgeschlossen, betont deren Prä- sident, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Vielmehr habe die BÄK die Diskussion angeregt, um zu entschei- den, ob und inwieweit die PGD in
Deutschland Anwendung finden soll.
Ein Argument, das für die Anwendung der PGD angeführt wird, ist, dass sie Spätabtreibungen verhindern könnte.
Bei festgestellter Behinderung nach pränataler Diagnostik sind derzeit auf- grund der medizinischen Indikation Abtreibungen bis zum Ende der Schwangerschaft möglich. Dazu erklär- te Andrea Fischer, dass es zwischen den beteiligten Ministerien und dem Bun- destag Arbeitsgruppen gebe, die sich mit dieser Problematik beschäftigten.
„Dort wird darüber nachgedacht, dass Spätabtreibungen nur in bestimmten
Zentren gemacht werden sollen, mit entsprechender vorheriger Beratung.
Dies soll Spätabtreibungen sehr stark einschränken.“
Auch zum therapeutischen Klonen, das durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten ist, fordert Hoppe eine gesellschaftliche Diskussion. Eine Lockerung des ESchG hält er für den falschen Weg. Es müsste vielmehr ge- klärt werden, ob nicht auch mit kör- pereigenen erwachsenen Stammzellen neue Therapien für bisher unheilbare Krankheiten entwickelt werden könn- ten. Nach Hoppes Überzeugung wird das Klonen von Embryonen erhebliche Auswirkungen auf „unser Verständnis von Menschenwürde und schützens- wertem Leben“ haben. Ministerin Fi- scher teilt diese Auffassung: „Wenn wir die Forschung an embryonalen Stamm- zellen erlauben, würde dies den Ein- stieg in die Produktion überzähliger Embryonen bedeuten. Das ist zurzeit aber nicht erlaubt, und ich meine auch nicht, dass wir diesen Weg gehen sollten.“ Sie räumt aber ebenso wie die CDU- Parteivorsitzende Angela Merkel ein, dass es eine Grauzone im ESchG gibt:
Im Ausland gewonnene em- bryonale Stammzellen kön- nen nach Deutschland im- portiert werden. „Trotzdem kann sich ein Land dafür entscheiden, dass es an die- ser Erforschung nicht an vorderster Stelle teilnimmt, die Ergebnisse später je- doch nutzt“, sagte Merkel.
In den Niederlanden hat Ende November 2000 das Parlament ein Gesetz beschlossen, wo- nach aktive Sterbehilfe unter bestimm- ten Voraussetzungen erlaubt sein soll.
Auch in Deutschland gibt es, so Hoppe, eine Bewegung, die auf die Abschaffung des § 216 des Strafgesetzbuches hinar- beitet, in dem die Tötung auf Verlangen unter Strafe gestellt ist. Bundesjustizmi- nisterin Herta Däubler-Gmelin sprach sich strikt gegen solche Bestrebungen aus. Die BÄK hatte aktiver Euthanasie in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Ster- bebegleitung ebenfalls eine deutliche Absage erteilt. Ärzte sollten Leben er- halten und nicht töten. Gisela Klinkhammer P O L I T I K
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A14 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 1–2½½½½8. Januar 2001
Medizinische Ethik
Weiterhin
Diskussionsbedarf
Die deutschen Ärzte sind sich weitgehend einig. Die Gesetze sollten nicht alles erlauben, was medizinisch möglich ist.
Fordert gesellschaftliche Diskussion ethischer Fragen: Prof. Jörg-Dietrich Hoppe (hier auf dem 103. Deutschen Ärztetag; im Hintergrund BÄK- Hauptgeschäftsführer Prof. Christoph Fuchs) Foto: Bernhard Eifrig