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in möglicher Kurswechsel der Bun- desregierung in der Gentechnik zeichnet sich bereits seit längerem ab. In einer Antwort auf eine kleine An- frage der CDU/CSU-Bundestagsfrakti- on, die letzte Woche vorgelegt wurde, bezieht die Regierung Stellung unter an- derem zu den Themen Fortpflanzungs- medizingesetz und geplante Einrich- tung eines nationalen Ethikrates. Klare Aussagen lässt die Koalition jedoch ver- missen.Die damalige Bundesgesundheitsmi- nisterin Andrea Fischer wollte noch in dieser Legislaturperiode ein Fortpflan- zungsmedizingesetz verabschieden, in dem unter anderem die Präimplantati- onsdiagnostik eindeutig verboten wer- den sollte. Um möglichst schnell zu kla- ren Positionen zu kommen, hatte das Bundesgesundheitsministerium im letz- ten Jahr ein hochkarätiges Symposium veranstaltet. Doch Fischers Bestrebun- gen finden zurzeit offenbar keine Fort- setzung.
Ausweichend fällt jedenfalls die Stellungnahme zu einem künftigen Fortpflanzungsmedizingesetz aus. Die Bundesregierung: Auf dem Symposium sei der „derzeitige Meinungsstand der medizinischen Wissenschaft und Praxis, der Forschung, Ethik, Rechtswissen- schaft und Sozialwissenschaft von den unterschiedlichen Standpunkten aus dargestellt und kontrovers diskutiert“
worden. Vor der Entscheidung über ge- setzliche Regelungen sollte nach Auf- fassung der Bundesregierung die De- batte im Bundestag intensiv fortgesetzt werden. Und bei dem von Andrea Fi- scher vorgelegten Eckpunktepapier, in dem sie ihre Vorstellungen dargelegt hatte, habe es sich nicht „um ein inner- halb der Bundesregierung abgestimm- tes Konzept für ein mögliches Fort- pflanzungsmedizingesetz gehandelt, sondern um ein Positionspapier, das die
Meinung der damaligen Bundesmini- sterin für Gesundheit wiedergab“.
Andrea Fischers strikte Auffassung werde jetzt nicht mehr geteilt, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, der Katholischen Nachrichten- Agentur. Hoppe glaubt indessen nicht an einen generellen Kurswechsel der Bundesregierung in der Biomedizin. So haben sich beispielsweise Bundesjustiz- ministerin Herta Däubler-Gmelin und Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn deutlich gegen das Klonen von Embryonen zu Forschungszwecken ausgesprochen. Bundeskanzler Ger- hard Schröder und Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt seien jedoch möglicherweise bereit, die Präimplan- tationsdiagnostik in sehr eng gefassten Grenzen zu gestatten, so der BÄK-Prä- sident.
Diskussion um Ethikrat
Ob bereits wenige Tage alten Embryo- nen eine Menschenwürde zugespro- chen werden kann, lässt die Bundesre- gierung ebenfalls offen. Sie distanziert sich jedenfalls nicht ausdrücklich von Äußerungen des Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin (SPD), der die Auffassung vertritt, dass sich „das Kri- terium Menschenwürde nicht auf Em- bryonen ausweiten“ lässt. „Ethische Argumente sind keine rechtlichen Ar- gumente“, heißt es dazu in der Stellung- nahme der Bundesregierung. In der in- ternationalen Philosophie würden Be- griffe wie zum Beispiel der der Men- schenwürde gelegentlich anders ver- wendet als im verbindlichen deutschen Verfassungsrecht. Die Bundesregie- rung sehe sich in ihrem Handeln auch künftig verfassungsrechtlich verpflich- tet, die Würde des Menschen, wie sie in
der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts ihren Ausdruck gefunden hat, zu achten und zu schützen.
Auch zur Zulässigkeit von Gentests und ihrer Verwertung wurde die Bun- desregierung befragt. Sie sieht „für die Verwertung von aus genetischen Tests gewonnenen Erkenntnissen beim Zu- gang zu Sozialversicherungen keinen Raum“. Die Bundesregierung bewertet es positiv, dass „in der privaten Kran- ken-, Unfall- und Lebensversicherung Gentests gegenwärtig nicht als Voraus- setzung für den Abschluss von Versi- cherungsverträgen verlangt werden“.
Darauf hätte sich die deutsche Versi- cherungswirtschaft verständigt.
Diese Äußerung stieß auf Kritik bei den Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe und Annette Widmann-Mauz (beide CDU). Sie erklären, dass die Bundesregierung offenbar ungerührt scheine von den Sorgen der Bürger, die mit Recht eine verlässlichere Grundlage erwarteten als Absprachen unter Wirt- schaftsunternehmen. Nicht nur bei Op- positionspolitikern, sondern auch in den eigenen Reihen stieß die Ankündi- gung Schröders, einen nationalen Ethik- rat einzurichten, auf Kritik. Dieser sol- le, so die Bundesregierung, „die ver- schiedenen gesellschaftlichen Positio- nen widerspiegeln“. Während Ulla Schmidt die Einrichtung eines Ethik- rates begrüßt, hält Monika Knoche (Bündnis 90/Die Grünen) ihn nicht für erforderlich. Ethikräte hätten keine Definitionshoheit darüber, was das ethisch Verantwortbare sei. Außerdem gebe es bereits einen bei dem Bun- desgesundheitministerium zugeordne- ten Ethikbeirat sowie die vom Bundes- tag eingesetzte Enquete-Kommission
„Recht und Ethik der modernen Medi- zin“. Doch offensichtlich, so Hüppe und Widmann-Mauz, „passt deren Arbeit Schröder nicht“. Gisela Klinkhammer P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 8½½½½23. Februar 2001 AA431