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Archiv "Neue Liste der Berufskrankheiten" (19.01.1989)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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. 1. April 1988 ist die Verordnung zur Ände- rung der Berufskrankhei- ten-Verordnung vom 22.

März 1988 in Kraft getreten. Damit wurde seit der Änderung der 7.

BKVO zur Berufskrankheiten-Ver- ordnung (BeKV) am 8. Dezem- ber 1976 die Anpassung der Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 BeKV) an neue medizinisch-wissen- schaftliche Erkenntnisse vorgenom- men. Insgesamt beinhaltet die Än- derung vier neue Krankheiten und sechs Erweiterungen beziehungswei- se Ergänzungen.

Anzeigepflicht

Mit der Änderungsverordnung vom 22. März 1988 wurde lediglich die Anlage 1 BeKV, daß heißt die Liste der Berufskrankheiten er- gänzt. Die weiteren Bestimmungen der Verordnung, wie die Anzeige- pflicht des Unternehmers (§ 4 BeKV) sowie der Ärzte und Zahn- ärzte (§ 5 BeKV) bestehen unverän- dert. Hierbei sind nicht nur die Hausärzte, sondern alle Fachdiszi- plinen — vom Betriebsarzt bis hin zum Pathologen — angesprochen.

Die neuen Listenkrankheiten, die bisher unter Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO ( „Öffnungsklausel") zur Anerkennung gelangten, sind:

Nr. 1314 Erkrankungen durch para-tertiär-Buthylphenol Nr. 4109 Bösartige Neubildun- gen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder sei- ne Verbindungen

Nr. 4110 Bösartige Neubildun- gen der Atemwege und der Lungen durch Kokereirohgase Nr. 4203 Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasenneben- höhlen durch Stäube von Ei- chen- oder Buchenholz.

Die Ergänzungen und Verallge- meinerungen der bereits 1976 aufge- führten Berufskrankheiten heißen ab 1988:

Nr. 2102 Meniskusschäden nach mehrjährigen andauern- den oder häufig wiederkehren- den, die Kniegelenke über- durchschnittlich belastenden Tätigkeiten

Nr. 4103 Asbeststaublungener- krankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura Nr. 4104 Lungenkrebs in Ver- bindung mit Asbeststaublun- generkrankungen (Asbestose) oder mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura

Nr. 4201 Exogen-allergische Alveolitis

Nr. 4202 Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Rohbaumwoll- , Rohflachs- oder Rohhanfstaub (Byssinose)

Nr. 4301 Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (ein- schließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätig-

keiten gezwungen haben, die für Entstehung, Verschlimme- rung oder Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Erläuterungen zu den neuen Krankheiten

Zu Nr. 1314:

Beobachtungen über Leukoder- mien (Vitiligo) sowie Veränderun- gen an Leber und Schilddrüse haben zu der Erkenntnis geführt, daß Viti- ligo, Hepathosen oder Struma auf die Inhalation von para-tertiär-But- hylphenol zurückgeführt werden können. Dabei sind beruflich be- dingte Depigmentierungen von Viti- ligoerkrankungen unbekannter Ge- nese durch die berufliche Anamnese abzugrenzen.

Zu Nr. 2102:

Chronische Meniskusschäden durch mehrjährige, andauernde oder häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten sind biome- chanisch gebunden an:

■ belastende Dauerzwangshal- tung (insbesondere Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftauf- wendung) oder

■ häufig wiederkehrende er- hebliche Bewegungsbeanspruchun- gen (wie Laufen oder Springen auch mit Scherbewegungen oder auf grob unebener Unterlage).

Folgende Tätigkeiten können eine oder beide der besonderen Be- dingungen erfüllen: Bergleute unter Tage, Fliesen- oder Parkettleger, Ofenmaurer, Rangierarbeiter, be- stimmte Berufssportarten sowie Ar- beiten unter besonders beengten Raumverhältnissen.

Zu Nr. 4103:

Die Ergänzung der Nr. 4103 um die Erkrankungen der Pleura basiert auf neuen medizinisch-wissenschaft- lichen Erkenntnissen über die ausge- prägte Pleuradrift (Pleurotropie) eingeatmeter Asbeststäube. Die bin- degewebserzeugende (fibrogene) Wirkung der an das Brust- bzw. Rip- penfell (Pleura) vorgedrungenen Asbestfasern führt zu Pleuraverän-

Neue Liste

der Berufskrankheiten

Thomas Giesen

Am 1. April 1988 ist nach fast zwölfjähriger Beratungszeit die Liste der Berufskrankheiten ergänzt und erweitert worden. Nach § 5 BeKV ist jeder Arzt verpflichtet, bei begründetem Verdacht eine Anzeige zu erstatten.

A-90 (32) Dt. Ärztebl. 86, Heft 3, 19. Januar 1989

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derungen, die sich von der tumorer- zeugenden Wirkung (Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells — Nr. 4105) abgrenzen lassen. Dabei muß die Asbestexposition gesichert sein, und die Pleuraerkrankung darf differential-diagnostisch nicht auf andere Ursachen zurückgeführt wer- den können. Als besondere durch Asbeststaub verursachte, nicht bös- artige Erkrankungen der Pleura sind insbesondere anzusehen

■ die bindegewebigen (hyali- nen) Pleuraplaques im Brustwand- und/oder Zwerchfellbereich,

■ die verkalkten Pleuraplaques im Brustwand- und/oder Zwerchfell- bereich,

■ die beidseitige diffuse Pleu- raverdickung (Pleurafibrose) im Mittel- und Unterfeldbereich der Brustwand,

■ Pleuraerguß,

■ die ein- oder beidseitige bin- degewebig-schwartigen Verände- rungen (Hyalinosis Complicta) nach Pleuraerguß.

Zu Nr. 4104:

Die wissenschaftlichen Erkennt- nisse, die zu einer Ergänzung der Nr. 4103 um asbestbedingte Pleura- erkrankungen führen, haben zur Konsequenz, diese Erkrankungen wie schon die Asbestose als Kriteri- um für einen durch Asbest verur- sachten Lungenkrebs anzusehen.

Zu Nr. 4109:

Die karzinogene Potenz von Nickel und seinen Verbindungen gilt als gesichert. Es sind Fälle von Lun- genkrebs nach langjähriger Exposi- tion gegenüber Nickel und bestimm- ten Nickelverbindungen in Form atembarer Stäube oder Aerosole be- kanntgeworden und bisher „wie ei- ne Berufskrankheit" nach § 551 Abs. 2 RVO entschädigt worden.

Zu Nr. 4110:

Frühere Hinweise auf ein ver- mehrtes Auftreten von bösartigen Tumoren speziell der Atemwege bei Ofenblockarbeitern sind nach der letzten Änderung der Berufskrank- heiten-Verordnung durch wissen- schaftliche Untersuchungen bestä- tigt worden. Die wesentliche auf den konkreten Arbeitsplatz bezogene Bedingung für die Erkrankung ist die intensive langjährige Exposition

gegenüber den bei der Verkokung von Kohle auftretenden Emissio- nen. Dabei hat offenbleiben müs- sen, welche der karzinogen wirken- den Stoffe als wesentliche Ursache für die Entstehung der Tumoren an- zusehen sind.

Zu Nr. 4201:

Nach neuen medizinisch-wissen- schaftlichen Erkenntnissen gibt es neben der Farmerlunge weitere be- rufstypische exogen-allergische Al- veolitiden, die durch die Verallge- meinerung der geltenden Nr. 4201 miterfaßt werden. Es handelt sich bei diesen Erkrankungen um den grundsätzlich gleichen Entstehungs- mechanismus und um ähnliche Er- scheinungsformen wie bei der Far- merlunge. Beispiele für exogen-al- lergische Alveolitiden sind die Far- merlunge, Vogelhalterlunge, Be- feuchterlunge, Pilzarbeiterlunge so- wie die Kornkäferkrankheit. Die verursachenden Antigene finden sich in den entsprechenden Tätig- keitsbereichen sowie in dem Be- feuchterwasser von Klimaanlagen, ferner bei der Tabakverarbeitung, bei Kaffee-Röstereien, bei der Bear- beitung von Perlmutt und bei der Mälzung nach älteren Verfahren so- wie bei Arbeiten mit Isocyanaten und Proteasen.

Zu Nr. 4202:

Der Ärztliche Sachverständi- genbeirat beim BMA, Sektion „Ar- beitsmedizin" hat sich mit der Be- rufskrankheit „Byssinose" befaßt.

Danach sind die Verursachungsfak- toren dieser Krankheit um den Roh- hanfstaub zu ergänzen.

Zu Nr. 4203:

Publikationen und Beobachtun- gen im Inland haben zu Erkenntnis- sen über den ursächlichen Zusam- menhang zwischen der beruflichen Exposition gegenüber Hartholzstäu- ben und dem Auftreten von Adeno- karzinomen im Bereich der Nasen- haupt- und Nasennebenhöhlen ge- führt. Die Berufsanamnese in den Fällen mit gesicherten Adenokarzi- nomen haben gezeigt, daß sich eine Überhäufigkeit von Erkrankten mit einer mehr oder minder langjähri- gen Holzstaubexposition fand. Bei den Tumorpatienten ergaben sich darüber hinaus häufiger Angaben zu

Tätigkeiten mit einer Eichen- und Buchenholzstaub-Exposition, wenn- gleich Weichhölzer und Spanplatten in der Bundesrepublik Deutschland in wesentlich größerem Umfang ver- arbeitet werden als Harthölzer.

Zu Nr. 4301:

Der Ärztliche Sachverständi- genrat, Sektion „Arbeitsmedizin"

hat sich mit der Frage befaßt, wie die durch die Arbeitstätigkeit verur- sachten allergischen Rhinitiden und Sinusitiden gewertet werden sollen.

Der Beirat hat empfohlen, diese Er- krankungen im Rahmen der Nr.

4301 Anlage 1 BeKV zu bearbeiten, da aus medizinisch-wissenschaft- licher Sicht keine Veranlassung be- steht, die Einschränkung des Gel- tungsbereichs dieser Berufskrank- heit auf die tieferen Atemwege auf- rechtzuerhalten.

Rückwirkung auf Antragstellung

Die neu in die Verordnung auf- genommenen Berufskrankheiten so- wie die Ergänzungen beziehungs- weise Verallgemeinerungen von be- reits früher in die Liste aufgenom- menen Krankheiten sollen auch dann entschädigt werden, wenn der Versicherungsfall in der Vergangen- heit, nämlich nach dem Inkrafttre- ten der letzten Änderungsverord- nung (1. Januar 1977) eingetreten ist. Die Merkblätter des Bundesmi- nisters für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zu den neuen und zu den er- weiterten Krankheitsbildern sind derzeit in der Beratung und werden nach der Fertigstellung im Amt- lichen Teil des Bundesarbeitsblattes bekanntgegeben.

Literatur

Wagner, R., G. Zerlett, T. Giesen: Berufs- krankheiten und medizinischer Arbeitsschutz.

Loseblattsammlung, 7. Auflage, Kohlhammer, Köln, Stuttgart, Berlin, Mainz, 1988

Anschrift des Verfassers:

Thomas Giesen

Arzt für Arbeitsmedizin

— Sozialmedizin — Referat Arbeitsmedizin Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Rochusstraße 1 • 5300 Bonn 1 A-92 (34) Dt. Ärztebl. 86, Heft 3, 19. Januar 1989

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