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liertes Therapieziel (zum Beispiel HbA1c-Wert von zirka 7 Prozent, Blut- zucker-Zielwert von 140 mg Prozent) wird auch bei Compliance-Problemen sinnvoller sein als ein starres Insulin- Regime. Neben der Potenzierung ei- ner diabetischen durch eine äthyltoxi- sche Polyneuropathie scheint chroni- scher Alkoholkonsum in der Tat eine Verschlechterung einer bestehenden diabetischen Retinopathie – zumin- dest bei Typ-2-Diabetikern – zu bewir- ken (4).
Zu Herrn Wenderlein
Herr Wenderlein hat mit seinem Bei- trag sehr Recht, wenn er ausdrücklich auf das durch Alkoholkonsum erhöhte Brustkrebsrisiko hinweist und einen Mangel an Aufklärung in der Bevöl- kerung anmahnt. Wir erwähnen das erhöhte Brustkrebsrisiko durch Alko- holkonsum zumindest in Tabelle 1.
Jedoch hätte ein eigener Abschnitt hinsichtlich des alkoholischen Brust- krebsrisikos durchaus seine Berechti- gung gehabt. Die von Herrn Wender- lein zitierten Studien gehen sogar noch deutlich über die von uns gezeigte zehnprozentige Risikoerhöhung pro Drink hinaus. Vor allem für Frauen nach dem Klimakterium bedeutet dies, sich ihres Alkoholkonsums bewusst zu sein und ihn gegebenenfalls zu redu- zieren.
Zu Frau Bauer
CDT (carbohydrate-deficient trans- ferrin) und HMC (mean corpuscular volume) sind Langzeitmarker des Al- koholkonsums (5). Dabei gilt: Das MCV gibt den Alkoholkonsum unge- fähr der letzten 120 Tage an (die Le- bensdauer von Erythrozyten) und be- sitzt eine Sensitivität von etwa 20 bis 50 Prozent sowie eine Spezifität von 64 bis 100 Prozent. Falschpositive In- terpretationen hinsichtlich eines er- höhten Alkoholkonsums sind zum Beispiel bei Vitamin-B12-Mangel mög- lich. Das CDT besitzt eine Halbwert- zeit von etwa zwei Wochen, weist eine Sensitivität von 65 bis 95 Prozent und eine Spezifität von etwa 97 Prozent auf. Es zeigt eine längere Alkoholein- nahme von ✞ 60 g/die bis zwei Tage
Nahrungsmittelallergie ursächlich
Die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) ist die häufigste Krankheit, beziehungsweise das häufigste Be- gleitsymptom der funktionellen und algetischen Störungen in der Praxis (2). Bei 1 648 neu untersuchten Pati- enten (4), innerhalb von 16 Jahren, (unterteilt in drei Perioden; zwei mal sechs Jahre und ein mal vier Jahre) zeigt sich, dass 76,5 Prozent eine Fett- leber hatten, davon etwa die Hälfte mit Transaminasenerhöhung, die an- dere lediglich palpatorisch tastbar.
Ähnliche Ergebnisse berichtete auch der Kanadier Naylor 1936 in der Mün- chner Medizinischen Wochenschrift.
Bei der Untersuchung von 1 000 ge- sunden Rekruten fand er bei 43 Pro- zent palpatorisch vergrößerte Lebern.
zu dem Beitrag
Die nichtalkoholische Steatohepatitis
von
Prof. Dr. med.
Henryk Dancygier
in Heft 39/2001
DISKUSSION
vor der Blutentnahme an. Unzuverläs- sig kann die Bestimmung unter ande- rem bei chronischen Lebererkrankun- gen sein.
Literatur
1. Edwards G et al.: Alcohol policy and the public good.
New York: Oxford University Press 1995.
2. Kraus L, Augustin R: Repräsentativerhebung psycho- aktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 2000. Sucht 2001; 47: 35–43.
3. Murray CJ, Lopez AD: Global mortality, disability, and the contribution of risk factors: Global Burden of Disease Study. Lancet 1997; 349: 1436–1442.
4. Kohner EM et al.: United Kingdom Prospective Diabe- tes Study, 30: diabetic retinopathy diagnosis of non-
insulin-dependent diabetes mellitus and associated risk factotrs. Arch Ophthalmol 1998; 116: 297–303.
5. Schmidt LG: Biologische Marker des Alkoholismus und alkoholassoziierter Organschäden. In: Teyssen S und Singer MV. (Hrsg.) Alkohol und Alkoholfolge- krankheiten. Grundlagen – Diagnostik – Therapie.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag 1999.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Manfred V. Singer II. Medizinische Universitätsklinik
(Gastroenterologie/Hepatologie/Infektionskrankheiten) Fakultät für Klinische Medizin
der Universität Heidelberg Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 68135 Mannheim
1968 habe ich wegen des Zusammen- hangs mit Virusinfekten und dem schub- weisen Verlauf, wie er in Wochenstati- stiken zum Ausdruck kommt und auch von der Blutspendezentrale bestätigt wurde, die Krankheit katarrhalische Hepatose genannt (3). Die unterschied- liche Intensität von Transaminaseschü- ben mit und ohne leichter Bilirubiner- höhung bis 3 mg Prozent Gesamtbiliru- bin, lassen vermuten, dass unterschiedli- che Virusinfekte die Krankheit bedin- gen. So gab es 1966 deutliche Bilirubi- nerhöhungen, während 1967/68 vom September 1967 bis August 1968 nur ganz vereinzelt Bilirubinerhöhungen bei den Transaminasenschüben nach- weisbar waren.
In ihrer Publikation stellen Kauf- mann und Hahn (1) 1982 fest, dass in- trazelluläre Infektionen beispielsweise mit Chlamydien aber auch mit Viren, eine Typ-3-Allergie nach sich ziehen.
Daraus schließe ich, dass diese Typ-3- Allergie sich wahrscheinlich auf eine sich entwickelnde Intoleranz gegen Nahrungsmoleküle bezieht. Es handelt sich also bei der Mitbeteiligung der Le- ber um eine Intoleranz oder vielleicht auch um eine echte Allergie auf Nah- rungsmittel. Jedenfalls hat sich eine Ernährungstherapie mit Austestung der Nahrung bewährt. Die Parameter, die die Nahrungsauswahl als zweck- mäßig bestätigen, sind sowohl klinische Daten, wie Besserung des Befindens, Nachlassen der algetischen Zustän- de wie Rückenschmerzen und Kopf-
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schmerzen als auch das Verschwinden der Transaminasenerhöhung und auch eine schnelle Gewichtsabnahme, wenn vom „Richtigen“ viel gegessen wurde.
So war der Gewichtsverlust von 100 un- ausgewählten Patienten in drei Tagen durchschnittlich 2,2 Kilo, in vier Wo- chen 6,3 Kilo, in 6 Wochen 8,2 Kilo.
Der Nahrungsstoffwechsel wird als therapeutische Maßnahme in der Kli- nik schon aus Organisationsgründen (Großküche) zu wenig beachtet. Zu den im Textkasten 2 aufgeführten Ur- sachen der NASH ist zu bemerken, dass Adipositas und Typ-2-Diabetes Ausdruck dieser Nahrungsintoleranz sind und dass eine Nahrungsintoleranz im Einzelfall ausgetestet werden muss.
Es gibt keine „gesunde“ Kost sondern nur ausgesuchte verträgliche Nahrung.
Dies gilt besonders für Diabetiker und auch für die Adipositas, die ebenso wie die NASH zur Nahrungsintoleranz gehört.
Literatur
1. Kaufmann S, Hahn H: Infektabwehr gegen fakultativ intrazelluläre Parasiten: Zur Frage nach der Identität der Schutz und Allergie vermittelnden Zelle. Zbl Bakt Hyg 1982; 1. Abt. Orig. A 251: 369–379.
2. Meyer zu Schwabedissen OA: Diskussionsbemerkung zu Delius L: Vegetative Dystonie heute noch? Fort- schritte der Medizin 1971; 89: 443.
3. Meyer zu Schwabedissen OA: Die katharrhalische He- patose oder die akute Fettleber. Med Klinik 1968; 62:
1419–1421.
4. Meyer zu Schwabedissen OA: Praktische Medizin.
Analyse einer internistisch geführten Hausarztpraxis.
Herausforderung der unerhebliche Befund, Nahrungs- intoleranz. Achern: Acheron-Verlag 2000: 195 ff.
Dr. med. Otto Meyer zu Schwabedissen Am Stadtgarten 25
77855 Achern
Schlusswort
Den Beitrag von Herrn Meyer zu Schwabedissen habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen. Seinen Aus- führungen liegt offenbar eine jahrzehn- telange Erfahrung mit den unter- schiedlichen Formen der nichtalkoho- lischen Leberverfettungen zugrunde.
Gleichwohl bedürfen einige Behaup- tungen eines kritischen Kommentars.
Zwischen einer blanden Fettleber und einer NASH ist streng zu unterschei- den. Dies ist nur histologisch möglich.
Eine palpatorisch vergrößerte Leber –
zu dem Beitrag
Brustkrebsfrüherkennung
Kenntnisstand und Akzeptanz in der weiblichen Bevölkerung
von
Dr. med. Stephan Paepke Dr. med. Ulrich Schwarz-Boeger Priv.-Doz. Dr. med.
Gunter von Minckwitz
Dipl.-Psych. Beate Schultz-Zehden Prof. Dr. med. Manfred Kaufmann Dr. med. Heike Beck
Prof. Dr. med. Harald Meden Prof. Dr. med. Marion Kiechle Priv.-Doz. Dr. med.
Matthias W. Beckmann
in Heft 34–35/2001
DISKUSSION
Ergänzender
historischer Hinweis
Die Befunde der Tabelle 2 unter „Zahl der Geburten“ bestätigen die Ergeb- nisse der Arbeiten von Hosemann, da- mals Universitäts-Frauenklinik Göt- tingen und die eigener Arbeiten aus der Universitäts-Frauenklinik Erlan- gen.
Wie Hosemann fanden auch wir bei den Patienten mit Mammakarzinom statistisch signifikant mehr Frauen mit bis zu zwei Schwangerschaften – wo- bei wir Aborte nach dem dritten Mo- Herr Meyer zu Schwabedissen führt das Beispiel gesunder Rekruten an – ist weder mit einer Fettleber noch mit ei- ner NASH gleichzusetzen. Der Begriff
„katarrhalische Hepatose“ hat keinen Eingang in die moderne Hepatologie gefunden. Es gibt bisher keine Hinwei- se dafür, dass die NASH Folge einer Virusinfektion oder einer Nahrungs- mittelallergie ist. Die Anregung von Herrn Meyer zu Schwabedissen, in der Überschrift des Textkastens 2 nicht von
„Ursachen“ auszugehen, nehme ich gerne auf. Sinnvoller wäre es in der Tat von „assoziierten Erkrankungen oder Konditionen“ zu sprechen.
Prof. Dr. med. Henryk Dancygier Medizinische Klinik II
Klinikum Offenbach
Akademisches Lehrkrankenhaus der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Starkenburgring 66 63069 Offenbach
E-Mail: hdancygier@t-online.de
nat in die Berechnung einschlossen – während beim Plattenepithelkarzi- nom der Portio uteri statistisch mehr Patienten mit drei und mehr Schwan- gerschaften (plus Aborte jenseits von mens III) gefunden wurden.
Die anderen malignen Tumoren des weiblichen Genitals ließen keine Kor- relation zur Zahl der Schwangerschaf- ten (plus Aborte) erkennen. Untersu- chungen anderer Autoren zu Verbin- dungen zwischen dem sozialen Status, der Stillzeit und anderen Parametern ergeben letzten Endes – sofern diese Punkte mit berücksichtigt wurden – regelmäßig die bereits beschriebene Korrelation.
Insofern ist die seit geraumer Zeit zunehmende Häufigkeit des Mamma- karzinoms bei gleichzeitigem Ab- sinken des Plattenepithelkarzinoms der Portio uteri mit der Abnahme der Schwangerschaftshäufigkeit zu deu- ten, wobei in der Regel die Schwan- gerschaftsabbrüche unberücksichtigt bleiben können, da sie im Allgemei- nen vor dem dritten Monat durchge- führt werden.
Literatur
1. Maurer HJ, Minder R: Statistischer Beitrag zur Frage des Follikelhormoneinflusses auf die Aetiologie des Mammakarzinoms. Seine Häufigkeit im Verhältnis zur Geburtenzahl. J Gynäkol 1958; 151: 247–266.
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Maurer Obere Flurstraße 11
Enzisweiler 88131 Bodolz
Die Autoren haben auf ein Schlusswort verzichtet