• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Training in Vereinen — Noten nur noch auf Wunsch?: NRW-CDU gegen Schulsport: Rückschritt in die Steinzeit?" (30.10.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Training in Vereinen — Noten nur noch auf Wunsch?: NRW-CDU gegen Schulsport: Rückschritt in die Steinzeit?" (30.10.1992)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

M

ens sana in corpore sano!

Schule und Sport gehören ebenso zusammen wie Körper und Geist. Das war bereits in der Antike so, und das gilt auch heu- te noch. Geht es nach den Vorstel- lungen der nordrhein-westfälischen Christdemokraten, sollen sich Art und Weise der Körpererziehung demnächst allerdings drastisch än- dern. Leonhard Kuckart, sportpoli- tischer Sprecher der NRW-Oppositi- onsfraktion, plant eine Auslagerung des Sportunterrichts aus der Schule.

Seinen Vorstellungen gemäß sollten die Vereine — unter staatlicher Auf- sicht und mit entsprechender finan- zieller Unterstützung — künftig mit Kindern und Jugendlichen die Lei- besübungen absolvieren.

Viele Freunde hat sich Kuckart mit diesem Vorstoß nicht gemacht.

Reaktionen wie „Blanke Theorie"

oder „Blödsinn" gehörten noch zu den gemäßigteren. Auch in der eige- nen Fraktion löste der Sportexperte keine Begeisterung aus. Dennoch:

Kuckart sieht „gute Chancen", sei- nen Parteifreunden die Vorschläge plausibel zu machen. Schließlich pla- ne er „keine Kulturrevolution".

„Ergebnis katastrophal"

Konkret sieht das Konzept des Christdemokraten so aus: Den Schulsportlehrer, der nebenbei auch Mathestunden abhält, soll es nach ei- ner Übergangsphase nicht mehr ge- ben. Den Sportunterricht müßten vielmehr Diplom-Sportlehrer über- nehmen, die von den Vereinen in die Schulen geschickt und vom Staat be- zahlt würden. Nicht „zensierbare"

Leistungen, sondern alltagsbezogene Körperbildung soll dann auf dem

Körperliche Ertüchtigung: Bald Sache der

Vereine? Foto: Minkus

Stundenplan stehen. Nur noch über- durchschnittlich sportliche Schüler- innen und Schüler würden — auf ei- genen Wunsch — Noten erhalten.

Damit will Kuckart verhindern, daß weniger Begabte dem Sport fru- striert den Rücken kehren.

Eine schulinterne Reform hält der Christdemokrat für wenig aus- sichtsreich. „Die Schulen hatten 40 Jahre Zeit, einen vernünftigen Sportunterricht aufzubauen", betont er und fügt sein Resümmee gleich an: „Das Ergebnis ist niederschmet- ternd." Ähnlich sieht das Dr. Dieter Lagerström von dei Deutschen Sporthochschule Köln. Zwei Drittel aller Kinder im schulpflichtigen Al- ter wiesen heute Defizite im körper- lichen Bereich auf, so der Sportwis- senschaftler. Untersuchungen in Hamburg hätten zudem gezeigt, daß viele Kinder „nicht einmal mehr ein- fach rückwärts gehen konnten".

Auch Ärzte und Krankenkassen schlagen Alarm: Sie stellten fest, so

eine Studie des AOK-Bundesverban- des, daß im Jahr 1991 über die Hälf- te der eingeschulten Kinder an Hal- tungsschäden sowie Herz-Kreislauf- Beschwerden litten — hervorgerufen durch Bewegungsmangel. Lager- ström fordert deshalb, die Bewe- gungserziehung zu einem „täglichen Bestandteil der vorschulischen wie der schulischen Arbeit" zu machen.

Den Vorschlag einer Auslagerung in die Vereine bezeichnete er als „schi- zophren" und als „bildungs- wie auch gesundheitspolitischen Rückschritt in die Steinzeit." Solche Pläne seien mit einer „ganzheitlich humanisti- schen Erziehung" nicht vereinbar.

Mathestunde bei IBM?

„Nichts" hält auch der Deutsche Sportlehrerverband von den Kuk- kartschen Überlegungen. Sprecher Wolfgang Birkmeyer befürchtet, daß bei einer Auslagerung der Sportun- terricht künftig von Übungsleitern durchgeführt werden könnte. Deren pädagogische Ausbildung sei jedoch

„Null". Übungsleiter seien zudem auf einzelne Sportarten festgelegt und bevorzugten „Sportskanonen".

Als „nicht machbar" bezeichnet Norbert Theiss vom ASV Köln, dem größten Sportverein der Domstadt, die Pläne des Christdemokraten.

Sein Verein etwa sei auf die Schwer- punkte Leichtathletik und Handball festgelegt, eine schülergerechte

„Grundausbildung" auf allen Ebe- nen könnten ASV-Trainer deshalb gar nicht leisten. Zudem sei die kör- perliche Ertüchtigung schon immer Aufgabe der Schulen gewesen. Und:

„Wenn jemand feststellt, daß der Mathematikunterricht ineffizient ist, wird auch nicht überlegt, ob die Schüler das Rechnen künftig bei IBM lernen sollten."

Leonhard Kuckart fühlt sich in- des von allen Beteiligten mißverstan- den und will jetzt das direkte Ge- spräch mit Vereinen und Verbänden suchen. An seinen Reformplänen hält er aber unbeeindruckt fest. Es könne doch nicht angehen, so der Politiker, daß sich Sportwissen- schaftler ständig bei ihm darüber be- klagten, die Abiturienten von heute hätten „keinen Arsch mehr in der Hose". Claus Hulverscheidt

Training in Vereinen — Noten nur noch auf Wunsch?

NRW-CDU gegen Schulsport:

Rückschritt in die Steinzeit?

„Im Verein ist Sport am schönsten." Der schicke Slogan, mit dem die Sportverbände seit Jahren auf Mitgliederfang gehen, könnte sich als Eigentor erweisen. Teile der nordrhein-westfälischen CDU nämlich wollen den Schulsport den Vereinen übertragen.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 44, 30. Oktober 1992 (35) A1-3647

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Fazit: Rohstoffbasierte Entwicklung ist möglich, bleibt aber auch in der heutigen Zeit eine beson- dere Herausforderung für Entwicklungsländer. Hieraus ergibt sich auch eine Agenda

Simone Schönell: „Wir haben seinerzeit über das ‚Leader‘-Mit- mach-Programm informiert, das zugeschnitten ist auf Menschen im ländlichen Raum, die ihre Ideen und Projekte

öffentliche Grünfläche / Themenpflanzung öffentliche Grünfläche / Bedarfsparken private Freifläche. private Freifläche

Molotow in einer Note an den polnischen Botschafter in Moskau, daß ,die Leichen von Katyn Polen seien, die einmal Gefangene der Russen gewesen waren, die aber später von

~ Solange keine ausreichenden Mittel für eine adäquate Versorgung im Bereich der "sprechenden Medi- zin" und der psychosomatischen Grundversorgung verfügbar

„Nichtspielen“ einer Klangfarbe und Zählein- heit anzubahnen, wird die Arbeit mit dem Lei- sezeichen (Finger vor dem Mund) angeboten, da es für viele Schüler eine Schwierigkeit

Die Kinder sollen 1x1-Aufgaben lösen und ihre Ergebnisse mit Hilfe einer einfachen Selbstkontrollmöglichkeit

Die Kreispolizeibe- hörde Wesel teilt mit, dass die Bürozeiten für die Wache in Xanten (auch in Neukirchen- Vluyn) eingeschränkt wurden. Dezember können Bürger an der Wache am