• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Rückschritt statt Fortschritt" (19.10.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Rückschritt statt Fortschritt" (19.10.2001)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

che Zwangssparkasse angesehen, von der man nach Möglichkeit die Zinsen des angesparten Kapitals abzuheben trachtet, wozu der Leistungsumfang der GKV reichlich Möglichkeiten bietet.

Verständlicherweise hat sich auch das Berufsbild des Arztes gewandelt.

Als Erbringer einer Gesundheitslei- stung wird er weniger wegen Krankhei- ten aufgesucht, als vielmehr wegen Be- findlichkeitsstörungen, zur Gesunder- haltung mittels Leistungen der GKV oder zur Erlangung der zahlreichen Ansprüche, die ein Krankheitsfall aus- löst. Da unter diesen Bedingungen die Arztdichte beliebig erhöht werden kann, müssen Zulassungssperren ver- hängt werden. Vom ursprünglichen (überholten) Berufsbild des Arztes aus gesehen, bedeutet das: je mehr Ärzte, desto mehr Kranke. Was einmal damit begann, acht Prozent der Bevölkerung zu ermöglichen, ihre Arztrechnung zu bezahlen, hat sich zu einem Großkon- zern entwickelt, der sich ständig er- höhende astronomische Summen ver- schlingt, die er von 92 Prozent der Be- völkerung eintreiben muss.

Das finanzielle Debakel ist nur eine Seite des „Gesundheitssystems“. Auch die von den Ärzten als „Gesundheits- vorsorge“ zu erbringende „Präventiv- medizin“ (ein fragwürdiges Wort, das eigentlich Vorsorgeheilkunde bedeu- tet) ist angesichts der anschwellenden Flut von selbstverschuldeten Krankhei- ten erfolglos.

Es kann hier nicht das Motivations- geflecht, das diese Entwicklung ermög- lichte, untersucht werden. Hier soll nur als ein wichtiger Faktor der damit verbundene und mitverursachende Sprachverfall beschrieben werden.

Schon vor 2 500 Jahren sagte ein weiser Chinese: „Wenn eine Sprache nicht richtig gebraucht wird, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.

Dann wird auch das, was getan werden muss, ungetan bleiben. Dann aber ver- fallen Sitten und Kunst, die Gerechtig- keit wird schief, und die Menschen wer- den in einem ratlosen Durcheinander dastehen.“ (Konfuzius).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2702–2705 [Heft 42]

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Claus Ruda Bamberger Straße 8, 10777 Berlin

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 42½½½½19. Oktober 2001 AA2705

V

or 20 bis 30 Jahren war die ärztli- che Besetzung der Krankenhäu- ser wegen Ärztemangels unzu- reichend. Heute ist die ärztliche und pflegerische Unterbesetzung von Poli- tikern und Kostenträgern (Kranken- kassen) herbeigeführt. In kleineren Krankenhäusern kommt dies beson- ders im ärztlichen Bereich zum Aus- druck, da dort nicht nur die Assistenz- arztstellen (zudem meist nur mit An- fängern besetzt) knapp bemessen sind, sondern auch die Zahl der Facharzt- stellen gering ist. Dies führt zu einer erheblichen Überlastung dieser ver-

antwortlich tätigen Ärzte. Eklatant ist dieser Zustand im Fach Chirurgie. Of- mals sind an kleineren Krankenhäu- sern (etwa: Kreiskrankenhäusern) nur zwei Chirurgen tätig. Folge: Diese müssen außer einem routinemäßig meist zwölfstündigen Arbeitseinsatz noch Rufbereitschaft mit Arbeitsein- satz nachts und am Wochenende in zweiwöchentlichem Wechsel durch- führen. Die Belastung dürfte nach den Arbeitszeitbestimmungen gar nicht er- laubt sein (ähnlich wie bei anderen Be- rufsgruppen wie beispielsweise Pilo- ten, Lkw-Fahrern).

Im Pflegebereich gibt es im Gegen- satz zu früheren Jahren eine deutlich verringerte Zahl ausgebildeter exami- nierter Fachkräfte. Es ist in Akutkran- kenhäusern durchaus die Regel, dass je 15 Patienten meist nur eine Fachkraft mit ein bis zwei Hilfskräften ihre Arbeit zu verrichten versuchen. Wer den Ar- beitslauf dieses Personals kennt, wird feststellen, dass die geforderten fachli- chen Aufgaben so nur noch notdürftig

„gemacht“ werden können.

Eine moderne und leistungsfähige Medizin, die wir uns alle wünschen, be- sonders als Patient, kann es nicht zu ei- nem Preis von „damals“ geben. Die Konsequenz kann daher nur lauten:

Mit zunehmender Leistung müssen die finanziellen Kosten und somit die Krankenkassenbeiträge steigen. Wenn die Politiker Beitragsstabilität verspre-

chen und postulieren, lehnen sie damit eine verantwortungsvolle Medizin ab.

Sie ignorieren eine Überlastung des medizinischen Personals, sie missach- ten Gesetze der Arbeitsphysiologie und Arbeitssicherheit. Verantwortungsbe- wusstsein scheint bei Politikern selte- ner zu werden.

Ein erster Schritt zur Kostenreduzie- rung könnte mit einer Verringerung der großen Zahl der Stellen des Medizini- schen Dienstes der Krankenkassen (MDK) geschehen. Der MDK verur- sacht Kosten, erbringt keine medizini- sche Leistung, sondern schafft Proble-

me. Kein Patient wird von sich aus unnötig lange im Krankenhaus verwei- len wollen. Falls an Patienten kostenin- dizierte und unwirtschaftliche Untersu- chungen oder Behandlungen gesche- hen sollten, werden diese vom MDK kaum erfasst.

Darüber hinaus ist die adäquate An- hebung der stationären Behandlungs- kosten notwendig, um ärztliches und pflegerisches Fachpersonal im sta- tionären Klinikbereich in ausreichen- der Zahl entsprechend den Arbeitsbe- lastungen einsetzen zu können. Es kann nicht länger akzeptiert werden, dass die Patientenversorgung im pflegerischen Bereich überwiegend von Hilfskräften und Zivildienstleistenden, im ärztli- chen Bereich von übermüdeten Ärzten geleistet wird.

Die Politiker sind gefordert, offen zu erklären, dass eine verantwortungsvolle, sichere und fortschrittliche medizini- sche Versorgung nicht ohne Erhöhung des Ressourceneinsatzes möglich ist. Sie müssen die Kostenträger unterstützen, für die Einhaltung adäquater Arbeits- belastungen des Personals zu sorgen, in- dem weitere Stellen für Fachkräfte ge- schaffen werden. Ein hoher medizini- scher Standard zur Erhaltung der Ge- sundheit ist teuer, er sollte aber wertvol- ler sein als verzichtbare Luxusartikel.

Diese Aussagen sollten die Politiker treffen, auch wenn diese nicht immer bequem sind. Dr. med. Christian Eltze

KOMMENTAR

Rückschritt statt Fortschritt

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach Aussage der KV werden die bisherigen Ent- scheidungen der Vertreter- versammlung durch die Kor- rekturen nicht berührt.. Die Wahlen zum Vorstand, zu sonstigen Gremien der KV

~ Solange keine ausreichenden Mittel für eine adäquate Versorgung im Bereich der "sprechenden Medi- zin" und der psychosomatischen Grundversorgung verfügbar

Auch der Psychologe Bernd Gasch von der Universität Dortmund glaubt, daß Schäuble als Kanzler mit seiner ständigen Me- dienpräsenz eine positive Wirkung für Behinderte haben könnte,

September unter Poli- tikern eine Welle der Solida- rität ausgelöst haben und zur Folge hat- ten, dass für Sicherheitsmaßnahmen unverzüglich Milliarden Dollar bereit- gestellt

Aus den empirischen Untersuchungen gedolmetschter Diskurse und den Überle- gungen zur besonderen Handlungsqualität des Dolmetschens ergibt sich nach meiner Auffassung, dass

Können eine gute, wohnortnahe medizini- sche Versorgung, die Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt, freie Arztwahl, eine sichere Einnahmen- basis der Krankenversicherung,

Holger Schulz, Zentrum für Psychosoziale Medizin am UKE, in einer Studie zusammen mit Uwe Koch auch für die ambulante psychothera- peutische Versorgung.. Ein deutliches Gefälle

Aus einer Zwischenbilanz des Bundes- verbandes der Arzneimittelhersteller vom Januar 2003 ging hervor, dass die Aut-idem-Regelung mit 300 Millionen Euro mehr Einsparungen als