Die Information:
Bericht und Meinung
73. Jahrgang / Heft 12 18. März 1976
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Dieselstraße 2 Postfach 40 04 30 5000 Köln 40 (Lövenich) Ruf: (0 22 34) 70 11 -1 Fernschreiber 8 89 168 Verlag und
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Ärztliche Mitteilungen
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
Konzept aus der CDU
Ein „vertrauliches" gesundheitspolitisches Programm
Überprüfung des Leistungskatalogs der Krankenversicherung, Orientierung am Machbaren und Finanzierbaren, Betonung der Ei- genverantwortung des Versicherten, unzweideutige Bekenntnisse zur freien Praxis, Ablehnung von Ambulatorien und der ambulan- ten Vor- und Nachbehandlung durch das Krankenhaus, Verkür- zung der Verweildauer bei gleichzeitigem Bettenabbau, Förderung der Allgemeinmedizin — das sind einige Kernstücke aus dem Ent- wurf eines gesundheitspolitischen Programms der CDU.
Denn das umfangreiche Werk, das die Parteioffiziellen nach wie vor mit Geheimnistuerei umgeben, liegt auf dem Tisch. Ein Unbekannter hatte ein Einsehen und schickte der Redaktion ein Exemplar zu. In- soweit wenigstens kann der Kommentar im vorigen Heft des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES ergänzt werden um die Antwort: „Gefun- den". Ungeklärt ist freilich nach wie vor, ob die Partei willens ist, der Vorlage ihren Segen zu geben. Das ist nicht nur eine Frage der Programminhalte, sondern auch der Personen, durch die wiederum unterschiedliche Parteirichtungen gekennzeichnet sind.
Eine Durchsicht des 125-Seiten-Papiers läßt vermuten, weshalb zu- mindest die CDU-Bundesgeschäftsstelle um Professor Biedenkopf auch vom Inhaltlichen her ihre Schwierigkeiten hat, mit dem Pro- gramm herauszurücken. Der Entwurf erschöpft sich nämlich nicht in Allgemeinplätzen, wie sie vor Wahlen sonst gern verbreitet wer- den, sondern äußert sich präzise und mit ungewohnter Detailkennt- nis zu wohl allen Bereichen des Gesundheitswesens. Auch umstrit- tene Fragen werden nicht ausgespart. Solche Genauigkeit liegt zwar im Interesse des Wählers, der gerne wissen möchte, was die CDU in Sachen Gesundheit zu tun gedenkt. Doch steht sie den Intentio- nen der Wahlkampfstrategen entgegen, die derzeit an einem gut klingenden, aber möglichst nichts sagenden Gesundheitspapier ba- steln, wie aus der Bonner Parteizentrale zu hören ist.
Die politischen Überzeugungen, die den Entwurf kennzeichnen, las- sen auf die Urheberschaft von Professor Dr. med. Fritz Beske, dem Vorsitzenden des gesundheitspolitischen Fachausschusses der Par- tei und Staatssekretär in Kiel, schließen. Doch im Grunde liegen dessen Auffassungen auf der bisherigen Linie der Partei.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 18. März 1976 777
Die Information:
Bericht und Meinung
Entwurf eines CDU-Gesundheitsprogramms
Sollte die CDU demnach auf eine Alternative zu den gesundheitspo- litischen Vorstellungen der Sozial- demokraten aus sein, eine Alter- native zudem, die ihre bisherigen Überzeugungen in die Gegenwart
"übersetzt", sie hätte mit dem vor-
liegenden Entwurf eine anzubieten.
Denn er zeichnet sich durch eine eindeutige ideologische Grundhal-
tung aus, die nicht nur bekenntnis- haft formuliert ist, sondern diese - was weitaus wichtiger ist - in praktische Gesundheitspolitik um- setzt. Die Grundhaltung läßt sich zusammenfassen in: Anerkennung einer pluralistischen Ordnung, För- derung der Selbstverantwortung, Ablehnung auch von Vorstufen ei- ner Sozialisierung. NJ
Bekenntnisse zum Pluralismus
Auszüge aus dem unveröffentlichten Programmentwurf der CDU
I. Grundsätze
Selbstbestimmung des Bürgers
"Individuelle Wahl- und Entschei-
dungsmöglichkeiten sind Grund- voraussetzungen einer freiheitli- chen und pluralistischen Gesell- schaft. Für die Selbstbestimmung des Patienten entscheidend ist das Recht auf freie Arztwahl."
Selbstbestimmung der Heilberufe ln einem freiheitlichen Gesund- heitswesen findet die Selbstbestim- mung des Bürgers ihre notwendige Entsprechung in der Selbstbestim- mung von Arzt, Zahnarzt, Apothe- ker sowie anderer Berufe des Ge- sundheitswesens. Deshalb sind un- verzichtbare Elemente unseres Ge- sundheitswesens:
~ der Grundsatz der freien und unabhängigen Berufsausübung auf der Grundlage der Prinzipien der Zulassungs- und Niederlassungs- freiheit
~ die Wahrung freiberuflicher Ele- mente auch im Krankenhaus.
~ der Grundsatz der verantwortli- chen autonomen Selbstgestaltung und Selbstverwaltung in den Kam- mern der Heilberufe, in den Kas- senärztlichen und Kassenzahnärzt- lichen Vereinigungen, in den Selbstverwaltungsgremien der ge- setzlichen Krankenversicherung.
Die freie Berufsausübung und die verantwortliche autonome Selbst- verwaltung der Leistungsträger un- seres Gesundheitswesens dürfen nicht eingeengt, sondern müssen gefördert und gestärkt werden. Sie sind wie unser gegliedertes Kran- kenversicherungssystem, die privat- wirtschaftliche Struktur der priva- ten Krankenversicherung und die marktwirtschaftlich orientierte Arz- neimittelversorgung tragende Kom- ponenten unseres Gesundheitssy- stems. Jede zu weit gehende lnsti- tutionalisierung desGesundheitswe- sens führt zu Einschränkungen in der Handlungsfreiheit der in diesem Gesundheitswesen tätigen Perso- nen und damit auch zu Einschrän- kungen der Wahlfreiheit des Pa- tienten. Die Freiheit des Arztes ist immer auch zugleich die Freiheit des Patienten."
Staatliche Verantwortung
"Die Gesamtverantwortung für die Gestaltung unseres Systems der gesundheitlichen Sicherung liegt beim Staat. ln einer föderalisti- schen Staatsordnung und plurali- stischen Gesellschaftsordnung er- füllt der Staat seine Funktionen, in- dem er durch koordinierende Rah- menplanung Orientierungsdaten, Leitlinien und Rahmenbedingungen vorgibt."
"Ein verstaatlichtes Gesundheits- wesen kann niemals die Leistungs- fähigkeit und Anpassungsfähigkeit
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erreichen, die durch unsere plurali- stische Struktur gewährleistet wird.
Der Staat soll eigene Leistungen deshalb nur solange und insoweit erbringen, wie sie nicht von Dritten in freier Selbstgestaltung und Ver- antwortung erbracht werden kön- nen. Das Subsidiaritätsprinzip ist somit ein unverzichtbarer Bestand- teil auch im Gesundheitswesen."
II. Kostenentwicklung
Oberprüfung
des Leistungsangebots
"Die CDU hält .. . eine Überprü-
fung des Leistungsangebotes der gesetzlichen Krankenkassen für unabweisbar.. . Die Bevölkerung muß wissen, welche Leistungen fi- nanzierbar und welche Beiträge höchstens vertretbar sind. Dabei müssen der Abbau von nicht vor- rangigen Leistungen und Ausgaben mit einer sinnvollen ärztlich be- gründeten Weiterentwicklung des Leistungsangebotes der gesetzli- chen Krankenversicherung Hand in Hand gehen. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sich also mehr an dem je- weils Notwendigen und Angemes- senen als an dem Maximalen orientieren. Es muß weiterhin die Forderung der Reichsversiche- rungsordnung gelten, wonach sich die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf das zu beschränken haben, was nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausrei- chend und zweckmäßig ist und das Maß des Notwendigen nicht über- schreitet. Dies beinhaltet eine Be- wußtseinsänderung sowohl bei al- len, die Leistungen erbringen (Ärz- te, Zahnärzte, Apotheker, Kranken- häuser usw.) als auch bei den Pa- tienten."
"Der gesetzlichen Krankenversi-
cherung ist eine Reihe von dem Grunde nach versicherungsfrem- den Leistungen aufgebürdet wor- den. Leistungen, die aus gesell-