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Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in ihren „Eckpunkten" für die nächste Stufe zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Motto: „Selbstverwaltungsmodell mit Beitragssatzstabilität") vorgeschlagen, die sektorale Budgetierung, wie ur- sprünglich geplant, Ende 1995 zu been- den. Statt dessen sollen rigidere Vorschrif- ten zur Sicherung der Versorgungsquali- tät und der Beitragssatzstabilität im ge- änderten SGB V zum 1. Juli 1996 greifen.
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as Eckpunktepapier, das der nächsten Gesprächsrunde mit dem Koalitionspartner FDP (31. Oktober bis 2. November in Bad Neuenahr) zugrunde gelegt werden- soll, verspricht (verbal), die Regulierungs- und Eingriffsfreude des Gesetzes- und Verordnungsge- bers rigoros abzubauen. Statt dessen soll der Gesetzgeber Rahmenbedin- gungen vorgeben, um den Beteiligten und Betroffenen vermehrt Möglich- keiten zur Selbstverantwortung, Sy- stemsteuerung und flexiblen Ver- tragsgestaltung zu eröffnen. Dazu zählt das Eckpunktepapier Möglich- keiten, den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzulockern, den Wettbewerb für eine rationale, lei- stungsorientierte Vertragsgestaltung zu aktivieren, gleichzeitig die Aus- gangsbedingungen für die Vertrags- partner gleichgewichtig zu gestalten und effektivere Konfliktlösungsin- strumente zu implementieren.Zentraler Punkt des CDU/CSU- Reformoptionenpapiers ist die For- derung, den Leistungskatalog der Krankenversicherung künftig aufzu- splitten. Dabei soll es einen für alle Krankenkassen und Kassenarten ein- heitlichen Leistungskatalog geben, der auf gesetzlicher Grundlage vorge- geben wird und der die Leistungen für die ärztliche und zahnärztliche Be- handlung (einschließlich der Versor- gung mit Zahnersatz), die Kranken- hausbehandlung (einschließlich An-
AKTUELL
schlußheilbehandlung), die Versor- gung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie die Krankengeldregelung fest- legt. Daneben soll es noch einen da- von abzugrenzenden Leistungskata- log mit Satzungsleistungen der einzel- nen Krankenkassen geben. Die Sat- zungsleistungen sollen nicht individu- ell ab- oder zugewählt werden dürfen.
Sie müßten für alle Versicherten in gleicher Weise erbracht werden. Die Satzungsleistungen werden solida- risch finanziert, sie sollen nicht Ge- genstand des Risikostrukturaus- gleichs sein. Die Krankenkassen wer- den ermächtigt, vermehrt Erpro- bungsregelungen zur Struktur, zum Verfahren und zur Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu starten.
Die Modellprojekte für die Ein- führung medizinischer Leistungen und Verfahren vereinbaren die Kran- kenkassen mit der zuständigen Kas- senärztlichen Vereinigung oder der Krankenhausgesellschaft. Eine Er- probung von medizinischen Verfah- ren, die die Bundesausschüsse abge- lehnt haben, soll nicht möglich sein.
Die Erprobungsregelungen sollen ausgewertet werden; sie bleiben außerhalb des Strukturausgleichs.
Die gesetzlichen Krankenkassen sollen künftig mit privaten Kranken- versicherungen Verträge über ein An- gebot risikoäquivalenter Leistungen durch die Privatassekuranz schließen.
Die Verträge zum Pflichtleistungska- talog werden von den Krankenkas- senverbänden einheitlich und ge- meinsam geschlossen. Die Verbände der Krankenkassen können die Punktwerte für abrechnungsfähige Leistungen unterschiedlich vereinba- ren, heißt es im Eckpunkte-Papier der CDU/CSU. Die „Rationalisierungs- erfolge" bei besonderer Vertragsge- staltung sollen den Versicherten (Kas- sen) und den beteiligten Leistungser- bringern gemeinsam zufließen.
Ein detailliertes Instrumentari- um zur Konfliktlösung (Schiedsäm- ter/Schiedsstellen mit paritätischer Besetzung) soll eingesetzt werden.
Die Entscheidungen im Konfliktfall sollen sich strikt am Grundsatz der Beitragssatzstabilität orientieren.
Angekündigt wird, daß die Be- darfsplanungsregelungen für die ärzt- liche und zahnärztliche Niederlassung ab 1999 im Zuge der 8. Novelle zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte neu ausgestaltet werden.
Krankenhäuser an der Kandare
Für den stationären Sektor wer- den neue Selbstverwaltungsstruktu- ren auf Landes- und Bundesebene per Gesetz postuliert. In jedem Falle müßten die Verbände der Kranken- häuser (auf öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage) ei- ne rigide Vertretungsbefugnis für ihre Mitglieder erhalten. Die Krankenkas- sen und die Landeskrankenhausge- sellschaften sollen bei der Durchset- zung des Grundsatzes der Beitrags- satzstabilität einbezogen werden. Die Krankenhausleistungen sollen an ein landesweites Vergütungsvolumen als Obergrenze für den Fortschritt der Krankenkassenausgaben in diesem Bereich gebunden werden.
Die Krankenhäuser sollen er- mächtigt werden, spezielle hochspe- zialisierte Leistungen durch einen Facharzt ambulant zu erbringen. In
„dreiseitigen Verträgen" soll der Ka- talog dieser Leistungen bestimmt werden. Die monistische Kranken- hausfinanzierung soll schrittweise eingeführt werden. Die Kündigung von Versorgungsverträgen mit Nicht- Planungskrankenhäusern wird den Landesverbänden der Kassen einge- räumt. Die Großgeräteplanung soll ersatzlos aufgehoben werden.
Umgestaltet werden sollen auch das Organisationsrecht und die Re- krutierung der Selbstverwaltungsor- gane. Der Grundsatz der Beitrags- satzstabilität soll durch einen vom Bundestag zu bestimmenden „Bei- tragsleitsatz für die GKV" gesichert werden. Dieser kann nur in Ausnah- mefällen mit Beschluß von mehr als drei Viertel der Mitglieder des Ver- waltungsrates überschritten werden.
Auch die Beitragsanpassung soll alle drei Jahre vom Bundestag überprüft werden. Dr. Harald Clade
Gesundheitsstrukturreform/CDU-CSU-Fraktion
GKIALeistungen splitten
A-2874 (20) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 43, 27. Oktober 1995