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Archiv "Rheuma und Magen-Darm-Trakt" (16.02.1996)

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M

uskuloskelettale Erkran- kungen und entzündliche Darmerkrankungen werden gehäuft bei ein und demsel- ben Patienten angetroffen. Dann liegt meist keine einfache Assoziation oder eine Koexistenz zweier verschiedener Krankheiten, sondern eine „entero- pathische Arthritis“ oder „Spondylar- thropathie“ vor. Bei entzündlichen gastrointestinalen Erkrankungen (Ta- belle 1)spielt der Darm in der Patho- genese eine primäre Rolle. Entzünd- lich rheumatische Krankheiten wie zum Beispiel der Morbus Bechterew, die reaktive Arthritis oder andere Spondylarthropathien werden oft von abdominellen Symptomen und Ma- gen-Darm-Läsionen begleitet (Gra- fik). Das rheumatische Symptomen- muster mit Achsenskelettbefall oder peripherer Arthritis ist bei Spondyl- arthropathien relativ ähnlich, wenn auch individuell unterschiedlich schwer ausgeprägt (Tabelle 2). Eine dritte Verbindung zwischen verschie- denen Erkrankungen des Bewe- gungssystems und dem Gastroin- testinaltrakt knüpfen die Antirheu- matika (NSAR) mit ihren uner- wünschten gastrointestinalen Wir- kungen. In den meisten Fällen wer- den mögliche Zusammenhänge schon durch die sorgfältige Anamneseerhe- bung und Untersuchung offenkundig.

Achsenskelettbefall und periphere Arthritis

Schleichend beginnende und Mo- nate anhaltende tiefe Rückenschmer- zen im lumbosakralen, thorakalen oder zervikalen Wirbelsäulenbereich werden meist vor dem 45. Lebensjahr erstmals manifest. Charakteristisch für die entzündliche Schmerzgenese sind Morgensteifigkeit und morgend- licher Rückenschmerz, der durch Be- wegung gebessert wird. Wechselnde Schmerzen im Bereich der Glutäen und des Brustkorbs, Bewegungsein- schränkung im lumbalen oder zervika- len Wirbelsäulenbereich und aufgeho-

bene Thoraxexpansion kommen spä- ter hinzu. Sakroiliitis und Syndesmo- phyten sind röntgenologisch verifi- zierbare Manifestationen der Ach- senskelettbeteiligung rheumatischer Erkrankungen. Radiomorphologisch ist der Achsenskelettbefall bei ver- schiedenen Spondylarthritiden bis auf die regelmäßig symmetrische Manife- station bei der ankylosierenden Spon- dylitis nicht unterschiedlich. Während die Sakroiliitis isoliert auftreten kann, ist die Spondylitis praktisch immer mit einer Sakroiliitis assoziiert. Spondyl- arthropathien treten familiär gehäuft auf. Die Spondylitis ist besonders beim Morbus Bechterew HLA-B-27- Antigen-assoziiert. Die HLA B 27- Prävalenz ist niedriger, wenn eine Sakroiliitis ohne Spondylitis vor- liegt. Enthesopathien an knöchernen Sehnen-, Band- oder Kapselinsertio- nen, Schuppenflechte, entzündliche Schleimhautveränderungen, vor allem Darmschleimhautentzündungen sind häufig assoziierte Phänomene.

Eine Arthritis peripherer Gelen- ke, vornehmlich der unteren Extre- mitäten, kann zeitlich unabhängig von der Achsenskelettmanifestation auftreten. Die Arthritis ist meist asymmetrisch, oligoartikulär und oh- ne erosive radiologische Veränderun- gen. Bei rheumatischen Erkrankun- gen mit polyartikulärem Befall sind abdominelle Symptome meist ohne

Bedeutung. Sie treten gelegentlich als Komplikation im Rahmen einer Vas- kulitis auf, korrelieren dann aber nicht mit der Gelenksymptomatik.

Enteritis

Zeichen der Enteritis können Di- arrhö, abdomineller Schmerz, peri- anale und intraabdominelle Fistelung und Abszesse, makroskopisch oder auch nur histologisch nachweisbare Dünn- und Dickdarmentzündung wie beim M. Crohn, der Colitis ulcerosa oder unspezifischen chronischen oder akuten Enteritiden sein. Die Inzidenz histologischer entzündlicher Darm- veränderungen bei Patienten mit en- terogener reaktiver Arthritis, undiffe- renzierter Spondylarthritis oder ankylosierender Spondylitis (AS) mit peripherer Gelenkbeteiligung ist et- wa 65 Prozent. Immerhin ein Drittel der AS-Patienten mit ausschließlich axialer Beteiligung hat eine Enteritis.

Die Palette der möglichen Muko- sadefekte bei antirheumatischer The- rapie reicht bis zur Blutung und zum perforierenden Ulkus, das typischer- weise im Magen, aber durchaus auch im gesamten übrigen Intestinaltrakt auftreten kann. Dyspeptische Sym- ptome müssen keineswegs mit den anatomischen Defekten korrelieren.

Enteropathische Arthropathien

Den Morbus Crohn kennzeich- nen Diarrhö, abdomineller Schmerz und Gewichtsverlust. Krankheitsge- fühl und Fieber sind Allgemeinsym- ptome. Perianale und intraabdomi- nelle Fistelung und Abszesse kompli- zieren den späteren Verlauf. Extrain- testinalmanifestationen sind unter- schiedlich häufig (Tabelle 3). Die aku- te unilaterale anteriore Uveitis tritt transient, rezidivierend und HLA-B- 27-assoziiert oft zusammen mit rheu- matischen Wirbelsäulensymptomen

auf. !

A-380 (38) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Rheuma und

Magen-Darm-Trakt

Wolfgang W. Bolten

Rheumatische Entzündungen werden außer an den Gelenken an praktisch al- len inneren Organen manifest. Ebenso können auch entzündliche Darmerkran- kungen mit Veränderungen am Bewe- gungssystem bis hin zur Gelenkdestruk- tion einhergehen. Manchmal lassen sich Krankheiten eben nicht einfach in die starren Grenzen einer fachgebietsbe- zogenen Symptomatologie einordnen.

Rheumaklinik II (Chefarzt: Dr. med. Wolf- gang W. Bolten), Wiesbaden

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Eine symptomatische Stammske- lettbeteiligung muß bei 2 bis 7 Prozent der Crohn-Patienten erwartet werden.

Häufiger können radiologisch eine Spondylitis (7 bis 12 Prozent) oder ei- ne meist asymmetrische Sakroiliitis (10 bis 16 Prozent) diagnostiziert wer- den. Während die Spondylitis prak- tisch immer mit ei-

ner Sakroiliitis as- soziiert ist, kann die Sakroiliitis auch isoliert auf- treten. Die Hälfte der Crohn-Patien- ten mit einer Spondylitis trägt das HLA-B-27- Merkmal. Die HLA-B-27-Präva- lenz ist niedri- ger, wenn bei Crohn - Patienten lediglich die Ilio- sakralgelenke be- troffen sind. Da sich die Stamm- skelett - Sympto- matik unabhängig von der Enteritis

entwickelt und meist wesentlich früher beginnt, kann die HLA-B-27- negative Spondylarthritis einzige Ma- nifestation eines Morbus Crohn sein.

Bei männlichen Crohn-Patienten ist die Stammskelettbeteiligung häufiger (3 : 1). Dagegen trifft die periphere Ar- thritis beide Geschlechter gleich häu- fig. An peripheren asymmetrischen Arthritiden leiden bis zu 20 Prozent der Crohn-Patienten. Die Arthritis ist selten länger als sechs Wochen an Gelenken der unteren Extremitäten (Kniegelenke, Sprunggelenke, Ze- hengrundgelenke) aktiv, manchmal befällt sie Fingergrund- oder andere Gelenke. Sie wandert von Gelenk zu Gelenk und rezidiviert sehr häufig und begleitet einen intestinalen ent- zündlichen Schub. Bei schwerem Crohn-Verlauf und bei Kolonbeteili- gung sind Arthritiden häufiger. Die periphere Arthritis kann Jahre vor Manifestation der Darmerkrankung auftreten. Chronische und destru- ierende Verläufe sind trotzdem unge- wöhnlich. Eine HLA-B-27-Assoziati- on besteht nicht.

Der Fersenschmerz als Symptom einer Enthesitis der Achillessehne

oder der plantaren Fasziitis kann ebenfalls einzige Manifestation eines subklinisch verlaufenden Morbus Crohn sein. Die Diagnose kann in sol- chen Fällen nur durch die Beurteilung des Krankheitsverlaufes und manch- mal durch die Ileo-Kolonoskopie und die histologische Untersuchung gesi- chert werden. La- borchemisch fin- den sich patholo- gische Entzün- dungsparameter.

Rheumafaktoren fehlen ebenso wie subkutane Rheu- maknoten. Rönt- genologisch kön- nen gelenknahe knöcherne Proli- ferationen und pe- riostitisch auf- gelockerte Struk- turen am Calcane- us richtunggeben- de Befunde sein.

Die Colitis ulce- rosa wird endo- skopisch und hi- stologisch durch ihren kontinuierlichen Dickdarmbe- fall und die Aussparung tieferer Ko- lonwandschichten vom M. Crohn ab- gegrenzt. Blutig-schleimige Durchfäl- le sind klinische Kennzeichen der Co-

litis. Dagegen sind krampfartige Un- terbauchschmerzen, Fieber oder an- dere Allgemeinsymptome selten.

Stammskelettmanifestationen sind bei annähernd 25 Prozent der Co- litis-Patienten zu finden. Das HLA-B- 27-Antigen ist bei zwei Drittel der Co-

litis-Patienten mit einer Spondylitis, weniger häufig bei isoliertem Iliosa- kralgelenksbefall nachzuweisen. Eine periphere Arthritis (weniger als 10 Prozent) ist bei der Colitis ebenso wie beim Crohn nicht HLA-B-27-assozi- iert. Ihr zeitgleiches Auftreten mit Co- litisschüben ist eindeutiger als beim Crohn. Ihr Schweregrad korreliert mit der Ausdehnung der Colitis. Dement- sprechend sistieren Gelenksymptome nach therapeutischer Kolonresektion oder erfolgreicher medikamentöser Behandlung der Colitis. Labor- und Röntgenbefunde sind denen beim Morbus Crohn vergleichbar. Eine re- aktive Arthritis kann nach einer In- fektion mit enterogenen Bakterien (zum Beispiel Shigella flexneri, Sal- monella typhimurium, Yersinia ent- erocolitica [Serotyp 3], Yersinia pseu- dotuberculosis, Campylobacter jeju- ni) auftreten. Es kommt sehr schnell zur abdominellen Symptomatik mit profusen Diarrhöen, Fieberschüben, Krankheitsgefühl, abdominellen Krämpfen, Erbrechen und gegebe- nenfalls Dehydratation. Bei der Yersi- nienarthritis kann die Diarrhö voll- ständig fehlen. Histologisch werden im Darm Zellinfiltrationen, Muko- saulzerationen und Kryptenabszesse gefunden. Ulzera der Mundschleim- haut, Erythema nodosum und eine vorübergehende akute anteriore Uveitis (5 bis 30 Prozent) sind auch wei- tere extrainte- stinale Manifes- tationen. Die asymmetrische sterile periphe- re Oligoarthri- tis oder Mon- arthritis der un- teren Extremi- täten, manch- mal aber auch eine Daktylitis mit wurstar- tiger Schwel- lung der Zehen oder Finger, entsteht bei 10 Prozent.

Sie folgt der Gastrointestinalsympto- matik unabhängig von deren Schwere- grad nach ein bis zwei Wochen und spätestens nach drei Monaten. Män- ner sind häufiger betroffen (1,5 : 1). Die Gelenksymptome korrelieren nicht

A-381

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 (41) ZUR FORTBILDUNG

Enteropathische Arthropathie

Spondylarthropathie (SpA)

! bei Colitis ulcerosa,

!bei Morbus Crohn,

!bei Darmbakterien-assoziierter Enteritis (Reaktive Arthritis), (Salmonellen, Shigellen, Yersinien)

!undifferenzierte SpA

!ankylosierende Spondylitis (Varianten)

Non-SpA-enteropathische Arthritis

! nach intestinaler Bypass-Operation

!bei Zöliakie

!bei Morbus Behcet

!bei Morbus Whipple Tabelle 1

Gestörte Darmwand

Entzündliche Darmerkrankungen

NSAR

Spondylarthritis Rheumatoide Arthritis Yersinien-Arthritis u.a.

Bakterienantigene Nahrungsmittelantigene

(molekulares Mimicry) Extraintestinale Prozesse

Grafik

Vorstellungen über Pathogenese der Arthritis bei entzündlichen Darmerkrankungen sind hypothetisch. Ursache und Wirkung sind nicht immer leicht zu identifizieren.

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mit dem Schweregrad der Darmsym- ptome. Sie überdauern die Darmsym- ptomatik und halten bei drei Viertel der Patienten bis zu einem halben Jahr an. Rezidive sind häufig. Je nach Art des Erregers verlaufen bis zu 30 Pro- zent der Arthritiden chronisch. Radio- logische Gelenkerosionen können nur

selten nachgewiesen werden. Gegebe- nenfalls treten sie zusammen mit pro- liferativen gelenknahen Knochenpro- zessen auf. Die sterile Uveitis ist oft mit Schüben einer Arthritis assoziiert.

Klinisch manifeste Sakroiliitiden oder

Spondylitiden sind eher selten. Sie werden röntgenologisch aber doch in 6 bis 9 Prozent insbesondere bei Pati- enten mit chronischen oder rezidivie-

renden peripheren Arthritiden gefun- den. In 60 bis 80 Prozent ist bei Pati- enten mit einer enterogenen reakti- ven Arthritis das HLA-B-27-Antigen nachzuweisen. Bei diesen Patienten sind die symptomatische Stammske- lettbeteiligung häufiger, der Schwere- grad der Arthritis größer und die Ar- thritisdauer länger. Neben den bakte- riellen gibt es andere gastrointestinale Erkrankungen mit rheumatologi- scher Symptomatik. Den Morbus Whipple (Tabelle 4) kennzeichnen Gewichtsverlust, Fieber, Lymphkno- tenschwellung, abdominelle Schmer- zen, Diarrhö und Steatorrhö. Bis zu fünf Jahre vor Beginn der intestinalen Beschwerden tritt bei 80 Prozent der Patienten transient oder chronisch ei- ne polyartikuläre symmetrische peri- phere Arthritis der größeren Gelenke auf. Über eine axiale Beteiligung wird in 8 bis 20 Prozent berichtet. Die ra- diologischen Gelenkbefunde sind un- auffällig. Die Erkrankung tritt meist bei Männern auf (9 : 1). Im Dünndarm und den mesenterialen Lymphknoten wurden bazilliforme Partikel, die durch Tetrazykline eradiziert werden, als ätiologische Faktoren identifiziert.

Wenige Monate bis zweieinhalb Jahre nach intestinaler Bypass-Opera- tion kann durch bakterielle Überwu- cherung und Alteration der Mukosa in der blinden Schlinge ein immunver-

mitteltes Syndrom mit arthritischer und dermatitischer Symptomatik ent- stehen. Mit der Sanierung der Mukosa der blinden Schlinge, die medika-

mentös oder mittels chirurgischer Re- konstruktion des Darmes erreicht wird, verschwinden alle Symptome.

Auch bei der glutensensitiven Entero- pathie (Zöliakie) stehen die veränder- te intestinale Permeabilität und die immunologische Störung im Vorder- grund der Pathogenese einer symme- trischen Arthritis. Sie verläuft uncha- rakteristisch und betrifft meist große Gelenke ohne radiologische Verände- rungen. Unter glutenfreier Kost si- stiert die Gelenkerkrankung. Die Re- exposition mit Gluten führt nicht zwangsläufig erneut zur Arthritis.

Rheuma mit GI-Symptomatik

Morbus Bechterew ist eine chro- nisch-systemisch-entzündlich-rheuma- tische Erkrankung vornehmlich des Achsenskeletts mit Enthesitis und fi- bröser oder knöcherner Ankylose.

Die periphere Gelenkbeteiligung ist uncharakteristisch und mild. Sie tritt manchmal erst auf, nachdem die Ach- senskelettentzündung inaktiv wurde.

Entzündliche gastrointestinale Pro- zesse und Mukosaläsionen werden ileokolonoskopisch bei 30 bis 60 Pro- zent der Patienten, vor allem bei HLA-B-27-negativen Spondylarthri- tis-Patienten gefunden. Die Bedeu- tung der oft klinisch asymptomati- schen entzündlichen Prozesse im ter- minalen Ileum und Kolon für die Pa- thogenese des Morbus Bechterew wird immer wieder diskutiert. Iritis oder Iridozyklitis, kardiovaskuläre Beteiligung, neurologische Probleme und Amyloidose sind andere beach- tenswerte extraskelettale Manifesta- tionen des Morbus Bechterew. Er- krankungen mit unspezifischen spon- dylarthritischen Symptomenkomple- xen können mit peripherer Arthritis, Enthesiopathie und Daktylitis einher- gehen. Vor allem bei chronischem Verlauf sind die Serum-Entzündungs- parameter positiv. Röntgenologisch werden im Bereich der kleinen Ge- lenke der Hände und Füße ähnliche erosive knöcherne Prozesse nachge- wiesen, wie sie – anders verteilt – auch bei der chronischen Polyarthritis auf- treten. In den Hüftgelenken sind ent- zündliche Läsionen und exzentrische Gelenkspaltverschmälerungen eben- falls nicht von denen der chronischen

A-382

M E D I Z I N

(42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996

ZUR FORTBILDUNG

Gemeinsame Kriterien der Spondylarthro- pathien (SpA)

! Entzündlicher Wirbelsäulen- schmerz

! Periphere Arthritis

paukiartikulär, asymmetrisch, be- gleitende Tendinitis, Sakroiliitis, Spondylitis

! HLA-B-27-Assoziation

! Kein Rheumafaktor oder Rheumaknoten

! Klinisch ähnliche

Krankheitsbilder (overlap)

! Familiäre Häufung verschiedenartiger SpA-Erkrankungen Tabelle 2

Häufigkeit von Extraintestinalmanifestationen*)

Extraintestinale Morbus Colitis

Manifestationen Crohn ulcerosa

Periphere Arthritis 20% 9 bis 11%

Septische Arthritis + ?

Sakroiliitis/ankylos. Spondylitis 16% und 5% 14% und 6%

Erythema nodosum 0,5 bis 9% 0,5 bis 9%

Erythema multiforme 0,5 bis 9% 0,5 bis 9%

Pyoderma gangraenosum 0,5% 0,3 bis 4%

Aphtoese Ulzeration + 8%

Nierensteine 15% ?

Amyloidose + selten

Lebererkrankung 3–5% 7%

Uveitis 13% 4%

Trommelschlegelfinger 4 bis 13% 1 bis 5%

Vaskulitis Takayasu 1 bis 5%

*) nach Wollheim F 1993 Tabelle 3

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Polyarthritis zu unterscheiden. 20 bis 30 Prozent der Patienten berichten über Episoden mit Diarrhöen und er- höhter Stuhlfrequenz. Als extraarti- kuläre Manifestationen treten außer- dem urogenitale Symptome, Erythe- ma nodosum und anteriore Uveitis auf. Die Darmentzündung verläuft meist subklinisch. Sie ist aber durch die Ileokolonoskopie zu erkennen.

Bioptisch kann bei zwei Drittel der Patienten eine akute oder chronische Darmentzündung nachgewiesen wer- den. Darmentzündung und periphere Gelenkentzündung korrelieren eng sowohl im Spontanverlauf als auch bezüglich des Erfolges therapeuti- scher Interventionen. Die Darmver- änderungen triggern möglicherweise die Gelenkerkrankung. Die geneti- sche Disposition zur Entwicklung der subklinischen Darmentzündung bei SPA-Patienten wird durch den häufig positiven Nachweis des HLA-BW 62 deutlich. Rheumatische Autoimmun- erkrankungen können mit mesente- rialen Vaskulitiden einhergehen und die Funktion des Darms beeinträchti- gen. Bei der chronischen Polyarthritis führen Infarzierungen der intestina- len Arterien zu Schmerzen, Blutung und Perforation. Hohe Rheumafak- tortiter und Rheumaknoten sind pro- gnostisch ungünstig. Auch beim syste- mischen Lupus erythematodes (SLE) ist die mesenteriale Ileitis Ursache für die Darmsymptomatik. Die Vaskuli- tis ist meist nicht auf die Darmgefäße beschränkt, so daß pathologische Ver- änderungen gleichzeitig an mehreren Organsystemen symptomatisch wer- den. Bei der Sklerodermie sind ver- minderte Mundöffnung, Ösophagus- dysfunktion mit muskulärer Hypoto- nie und Speiseröhrendilatation Mani- festationen des sklerosierenden Pro- zesses. Ähnliche Veränderungen kön- nen auch im Dünn- und im Dickdarm zu krampfartigen Schmerzen, Malab- sorption, Obstipation oder Diarrhö und Ileussymptomatik führen.

Beim Morbus Paget ähneln Haut- und Schleimhautulzerationen im oralen Bereich und im Kolon den Veränderungen beim Morbus Crohn mit Dickdarmmanifestation. Eine Amyloidose kann die Funktion des Darms beeinträchtigen. Die Sympto- me reichen von der Malabsorption bis zur gastrointestinalen Blutung.

Antirheumatika (NSAR) und Gastrointestinaltrakt

Die heterogene Gruppe der An- tirheumatika hat verschiedene Wirk- mechanismen, von denen die Hem- mung der Prostaglandinsynthese am besten untersucht ist. Prostaglandine

wirken als Schmerz- und Entzün- dungsmediatoren. Ihre Syntheseinhi- bition ist deshalb ein erwünschter Ef- fekt der NSAR. Prostaglandine wer- den aber ubiquitär im Organismus ge- bildet, und sie haben an den verschie- denen Orten unterschiedliche Aufga- ben. An der Magen-Darm-Schleim- haut wirken sie protektiv. Wenn der prostaglandinvermittelte Schleim- hautschutz wegen der NSAR-Thera-

pie wegfällt, entwickeln 70 Prozent der Patienten Mukosaläsionen mit oder ohne dyspeptische Beschwer- den. In 20 bis 25 Prozent entstehen vor allem im Bereich des Magens Ul- zera, weniger häufig im duodenalen und übrigen Dünndarmbereich, wahrscheinlich auch im Kolon. Nicht- steroidale Antirheumatika (NSAR) können die ulzerative Kolitis wieder aufleben lassen. Über dyspeptische Beschwerden berichten 30 Prozent der NSAR-Behandelten. Selbst Ulze- ra sind aber häufig symptomlos. Dann kann die Blutung oder Perforation das erste Symptom eines NSAR-Ul- kus sein. Das Risiko der Ulkusent- wicklung steigt mit zunehmendem Pa- tientenalter, mit der Schwere der rheumatischen oder jeder anderen allgemeinen Erkrankung, mit gastro- intestinalen Vorerkrankungen und mit einer höher dosierten Kortiko- steroid-Komedikation (größer als 10 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag).

Mit adäquaten Prophylaxemaßnah- men mittels oraler Substitution syn- thetischer Prostaglandine kann das Risiko des komplizierten NSAR-Ul- kus um 50 Prozent reduziert werden.

Die Therapie dyspeptischer NSAR- Symptome oder eines manifesten NSAR-Ulkus ist mit den üblichen Ul- kustherapeutika bei fortgesetzter NSAR-Therapie möglich.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-380–384 [Heft 7]

Literatur

1. Bolten W: Die klinische Bedeutung der un- erwünschten gastrointestinalen Wirkungen nichtsteroidaler Antirheumatika. Akt Rheumatol 1991; 16: 26–31.

2. Bolten, W, Häntzschel H, Hengels KJ, Stockbrügger R: Management der NSAR- assoziierten Gastropathie. Akt Rheumatol 1991; 16: 171–174

3. Mielants H, Veys EM: Arthritis and Abdo- minal Symptoms. In: Klippel JH, Dieppe PA ed: Rheumatology. St. Louis, Baltimore, Boston, Chicago, London, Philadelphia, Sydney, Toronto: Mosby, 1994; 6.6.1–8 4. Veys EM, Mielants H: Enteropathic Ar-

thropathies. In: Klippel JH, Dieppe PA ed:

Rheumatology. St Louis, Baltimore, Bo- ston, Chicago, London, Philadelphia, Syd- ney, Toronto: Mosby, 1994; 3.35.1–8

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wolfgang W. Bolten Rheumaklinik II

Leibnizstraße 23 65191 Wiesbaden

A-384

M E D I Z I N

(44) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996

ZUR FORTBILDUNG

Morbus Whipple

Prävalenz

! Männer im mittleren Lebensalter, seltene Erkrankung

!HLA-B-27-Assoziation

~ 30 Prozent

Systemische Manifestation

! Diarrhö, Gewichtsverlust, Fettstuhl

!Herzbeteiligung (sudden death, 20 Prozent der Fälle)

!Endokarditis, Aorteninsuffizienz

!Pleuritis, Thyreoiditis, Lympha- denopathie, interstitielle Nephri- tis, Leberbeteiligung, Uveitis, Hy- perpigmentation, Subkutankno- ten, Trommelschlegelfinger, Fie- ber, PAS-positive Makropha- geneinschlüsse

!ZNS-Beteiligung

Arthritis (Frühsymptom)

! Periphere Arthritis (60 bis 90 Pro- zent) akut, episodisch, migrato- risch, polyartikulär, seronegativ, unabhängig von GI-Aktivität, Stunden bis Tage, auch Jahre vor Darmmanifestation, selten erosiv

!Sakroiliitis (7 Prozent), Spondyli- tis (4 Prozent) wie bei M. Bechte- rew

!Muskuloskelettale Veränderun- gen

subkutane Knoten bei Gelenk- symptomen, Myalgie, Reflex- dystrophie

Tabelle 4

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