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Archiv "Gewichtszunahme unter Psychopharmakotherapie" (08.08.2005)

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Academic year: 2022

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B

ereits in der Anfangszeit der Psy- chopharmakologie in den 1950er- Jahren war eine Zunahme des Kör- pergewichts als häufige Begleiterschei- nung der medikamentösen Therapie psychiatrischer Erkrankungen weithin bekannt (53, 59). Bis vor wenigen Jah- ren wurde dieses Phänomen jedoch we- der als klinisch relevante Nebenwir- kung beachtet noch umfassend wissen- schaftlich untersucht. Erst in jüngster Zeit setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine durch Psychopharmaka indu- zierte Gewichtszunahme erhebliche metabolische und kardiovaskuläre Ge- sundheitsrisiken birgt und die Thera- pie-Compliance zudem stark beein- trächtigen kann (5, 11).

Psychopharmaka zählen zu den meist verordneten Medikamenten über- haupt und müssen oft über viele Mona- te, oft auch Jahre und Jahrzehnte, einge- nommen werden. Gewichtssteigernde Wirkungen sind dabei keineswegs auf wenige Substanzen beschränkt; wenn- gleich die Effekte quantitativ erheblich variieren, sind sie eher die Regel als die Ausnahme (58). Psychopharmaka wer- den in großem Umfang auch von Ärz- ten außerhalb des nervenärztlichen Fachgebietes verordnet. Dies unter- streicht zusätzlich die breite klinische Relevanz der durch Psychopharmaka induzierten Gewichtszunahme.

Im Folgenden werden die Wirkungen von Psychopharmaka der verschiede- nen Substanzklassen auf das Körperge- wicht beschrieben und die zugrundelie- genden Ursachen, Prädiktoren und mögliche Präventivmaßnahmen erör- tert. Darüber hinaus werden die mög- lichen metabolischen Konsequenzen Psychopharmaka-induzierter Gewichts- veränderungen und die sich daraus er- gebenden Gesundheitsrisiken darge- stellt. Schließlich wird die Frage disku-

tiert, ob und in welcher Weise eine präventive Kontrolle metabolischer Pa- rameter bei einer Therapie mit Psycho- pharmaka sinnvoll ist.

Gewichtsverändernde

Qualitäten der verschiedenen Substanzklassen

Obwohl in jüngster Zeit vor allem Ge- wichtszunahmen unter Antipsychotika intensiv untersucht und diskutiert wur- den, treten Veränderungen des Körper- gewichts sehr häufig auch bei anderen Substanzklassen auf, insbesondere bei Antidepressiva und Phasenprophylak- tika (31, 74). Zur vierten großen Grup- pe der Hypnotika liegen nahezu keine klinischen Daten vor. In der Literatur findet man jedoch vereinzelte Hinweise darauf, dass eine langfristige Behand- lung zu einer deutlichen Gewichtszu- nahme führen kann (30).

Die derzeitigen empirischen Er- kenntnisse beschränken sich überwie- gend auf die Veränderungen des Ge- wichts unter Psychopharmaka inner- halb der ersten drei Behandlungsmo- nate. Das Wissen über längerfristige Effekte ist sehr begrenzt. Dies ist an- gesichts der Therapiedauer von meist vielen Monaten oder Jahren proble- matisch. In Tabelle 1 sind Substanzen der verschiedenen Wirkungsklassen auf der Basis der vorhandenen Literatur ihren gewichtssteigernden Effekten ent- sprechend gruppiert.

Ein erheblicher Teil der Substanzen führt zu deutlichen Gewichtszunah- men. Eine „deutliche Gewichtszunah- me“ entspricht hier einem Anstieg von mindestens sieben Prozent des Aus- gangsgewichts bei mehr als zehn Pro- zent der Patienten. Zu den betroffenen Substanzen zählen einige der klassi- schen trizyklischen Antidepressiva (11, 31) – vor allem solche mit sedierenden Effekten –, das tetrazyklische Antide- pressivum Mirtazapin (20, 47), die Pha-

Gewichtszunahme unter Psychopharmakotherapie

Zusammenfassung

Die Zunahme des Körpergewichts unter psy- chopharmakologischer Therapie ist ein häufi- ges Phänomen von hoher klinischer Relevanz und tritt vor allem auf unter der Behandlung mit Antipsychotika, Antidepressiva und Phasen- prophylaktika. Während das Wissen um die neurochemischen und neuroendokrinen Ursachen zunehmend differenzierter und de- taillierter wird, ist noch sehr wenig über Prä- diktoren und effektive primär- und sekundär- präventive Maßnahmen bekannt. Metaboli- sche Komplikationen unter Behandlung mit Psychopharmaka, wie die Entwicklung eines Typ-II-Diabetes, lassen sich nur teilweise ur- sächlich durch eine Gewichtszunahme er- klären, weil einige Substanzen auch direkte pharmakodynamische Wirkungen auf ver- schiedene Stoffwechselprozesse haben. Des- halb empfiehlt sich zum gegenwärtigen Zeit- punkt bei allen Patienten unter längerfristiger Psychopharmakotherapie eine Überwachung der Gewichtsentwicklung sowie bestimmter metabolischer Parameter.

Schlüsselwörter: Gewichtszunahme, Psycho- pharmakotherapie, unerwünschte Arzneimit- telwirkung, Insulin, Leptin, Zytokin

Summary

Weight Gain under Psychotropic Medication Weight gain in patients on psychotropic medication is a frequent side effect of promi- nent clinical relevance, particularly occurring under antipsychotics, antidepressants and mood stabilizers. While detailed knowledge about the underlying neurochemical and neuroendocrine pathways is rapidly growing, very little is known yet about reliable predic- tors and effective primary and secondary prevention. Metabolic complications, such as the development of a type II diabetes, can only in part be explained by weight gain since a variety of drugs also have direct effects on metabolism. Hence, regular individual monitoring of the development of weight and certain metabolic parameters in all pa- tients on long-term psychopharmacotherapy is advisable.

Key words: weight gain, psychotropic medi- cation, adverse drug effect, insulin, leptin, cytokine

1Zentrum für psychische Gesundheit (Leitung: Prof. Dr.

med. Thomas Pollmächer) am Klinikum Ingolstadt

2Max-Planck-Institut für Psychiatrie (Direktor: Prof. Dr.

Dr. Florian Holsboer), München

Hubertus Himmerich2 Andreas Schuld1, 2 Thomas Pollmächer1, 2

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senprophylaktika Lithium und Valproat (7, 31) sowie die Antipsychotika Cloza- pin und Olanzapin (3, 46). Einige ande- re Substanzen führen zwar ebenfalls häufig zu einer Gewichtszunahme, je- doch typischerweise in geringerem Aus- maß. Zu dieser Gruppe zählen einige trizyklische Antidepressiva, unter den Phasenprophylaktika das Carbama- zepin, bei den Antipsychotika ein Groß- teil der in den 1950er- und 1960er-Jah- ren zugelassenen Phenothiazine und schließlich die erst seit kurzem verfüg- baren Substanzen Risperidon und Que- tiapin (3). Es muss betont werden, dass die Gewichtsveränderungen individuell stark variieren: Während ein erhebli- cher Teil der Patienten nicht oder nur unwesentlich zunimmt, kann das Kör- pergewicht bei anderen innerhalb weni- ger Monate um mehr als 20 Prozent des Ausgangsgewichts ansteigen (1).

Die Behandlung mit einer Reihe an- derer Psychopharmaka geht dagegen fast nie mit einer Gewichtszunahme in- nerhalb der ersten drei Monate einher.

Dies betrifft Substanzen, die selektiv die Verfügbarkeit biogener Amine er- höhen: unter den Antidepressiva die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) (24, 25), Monamin-Oxidase- Hemmer (13), Reboxetin und Venlafa- xin (51), unter den Phasenprophylakti- ka Lamotrigin, Gabapentin und Topira- mat. In der Gruppe der Antipsychotika sind dies die Butyrophenone wie Ha- loperidol und die neuen Substanzen Zi- prasidon und Aripiprazol (74).

Einige der Substanzen ohne ge- wichtssteigernde Effekte können aber auch zu einer – zumindest kurz- bis mit- telfristigen – Abnahme des Gewichts führen, zum Beispiel Fluoxetin (8, 28, 32, 55), Venlafaxin (47, 51, 67) oder To- piramat (18, 35, 45, 49). Sibutramin, ein kombinierter Serotonin/Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer ohne über- zeugende antidepressive Wirkung, wur- de sogar zur Behandlung der Adiposi- tas zugelassen (6). Allerdings sind signi- fikante Gewichtsreduktionen unter Si- butramin und ähnlichen Substanzen nur in Studien von bis zu etwa drei Mo- naten Dauer beschrieben. Obwohl dar- über hinaus wenig bekannt ist, lassen ei- nige Berichte vermuten, dass SSRI und Venlafaxin längerfristig jedoch zu einer erheblichen Zunahme des Körperge- wichts führen können (25, 55, 70). Um- gekehrt gibt es auch Hinweise darauf, dass Gewichtszunahmen unter Thera- pie mit Antipsychotika im längeren Verlauf teilweise reversibel sind (72).

Es wäre jedoch verfehlt, die Psycho- pharmaka-induzierte Gewichtsverän- derung generell als transientes Phäno- men anzusehen.

Einige – darunter auch größere – Querschnittstudien an Patienten mit af- fektiven oder schizophrenen Störungen ergaben eine gegenüber Kontrollpopu- lationen deutlich höhere Prävalenz von Übergewicht (Bodymass-Index [BMI]

= 25 bis 30) und Adipositas (BMI > 30) (2, 34, 68). Auch in solchen Querschnitt- studien zeigen sich typischerweise Asso-

ziationen zwischen Gewicht und medi- kamentöser Therapie. Daneben lassen sich aber meist noch eine Reihe weite- rer Faktoren statistisch identifizieren, die bei psychiatrischen Patienten eine erhöhte Adipositasprävalenz bedingen, wie die Dauer und Häufigkeit aktueller oder vorangegangener Krankheitsepi- soden, Ernährungspräferenzen oder Art und Umfang der körperlichen Akti- vität (15). Aus dem Zusammenwirken von medikamentösen und anderen, zum Teil direkt krankheitsassoziierten Faktoren ergibt sich ein komplexes Ge- samtbild der Ursachen von Gewichts- zunahmen unter psychopharmakologi- scher Behandlung.

Ursachen

Veränderungen des Körpergewichts er- geben sich, wenn sich die Energieauf- nahme über die Nahrung und/oder wenn sich der Energieverbrauch und damit die Energiebilanz ändert. Grafik 1 veranschaulicht, dass diese beiden Aspekte des Energiestoffwechsels bei psychiatrischen Patienten sowohl durch die Erkrankung selbst als auch durch deren Behandlung beeinflusst werden Bei psychiatrischen Erkrankungen können so- wohl krankheitsassoziierte Faktoren als auch die Medikation Energieaufnahme und Ver- brauch und damit das Körpergewicht beein- flussen.

Grafik 1

´ Tabelle 1 ´

Wahrscheinlichkeit einer klinisch bedeutsamen Gewichtszunahme innerhalb der ersten 3 Monate einer psychopharmakologischen Behandlung

hoch mäßig gering

Antidepressiva Amitriptylin Clomipramin Citalopram

Doxepin Imipramin Fluoxetin

Maprotilin Nortriptylin Fluvoxamin

Mirtazapin Moclobemid

Trimipramin Sertralin

Tranylcypromin

Phasenprophylaktika Lithium Carbamazepin Gabapentin

Valproat Lamotrigin

Topiramat

Antipsychotika Clozapin Zuclopenthixol Amisulprid

Olanzapin Quetiapin Aripiprazol

Risperidon Haloperidol

Ziprasidon

(nach 3, 24, 31, 40, 57, 71, 73)

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können. Eine Appetitminderung mit konsekutiver Reduktion der Energie- aufnahme und des Körpergewichts ist zum Beispiel ein typisches Symptom bei einer depressiven Erkrankung (69). Bei einem kleinen Teil depressiver Patien- ten nehmen Appetit und Gewicht im Verlauf einer akuten Erkrankungsepi- sode hingegen zu. Solche Veränderun- gen der Energiebalance lassen sich am ehesten durch die mit depressiven Er- krankungen assoziierten neuroendokri- nen Veränderungen erklären (zum Bei- spiel Störungen des Hypothalamus-Hy- pophysen-Nebennierenrinden-Systems [HNN]) (12, 52). Psychopathologische Symptome können aber auch ohne eine primäre Veränderung des Appetits auf indirektem Weg zu einer erheblichen Reduktion oder Steigerung der Ener- gieaufnahme führen, wie etwa bei der wahnhaften Überzeugung, vergiftet zu werden oder sich bestimmte Nahrungs- mittel in großen Mengen einverleiben zu müssen.

Die medikamentöse Behandlung ei- ner psychischen Erkrankung kann auf zwei verschiedenen Wegen zu einer po- sitiven Energiebilanz und in der Folge zu einer Gewichtszunahme führen: ent- weder direkt über pharmakodynami- sche Eigenschaften des Medikaments oder indirekt über den Behandlungser- folg, indem sich Symptome wie ein ver- minderter Appetit oder die Befürch- tung, vergiftet zu werden, bessern. Die- ser indirekte Weg, also eine Gewichts- zunahme durch eine Verbesserung der psychopathologischen Symptomatik ist bei solchen Patienten bedeutsam, die vor der Behandlung erkrankungsbe- dingt deutlich an Gewicht verloren ha- ben. Pharmakodynamische Wirkungen der verordneten Substanzen sind quan- titativ allerdings weit wichtiger. Die meisten Psychopharmaka, die zu Ge- wichtssteigerungen führen, induzieren eine deutliche Appetitzunahme (57) und damit auch eine Zunahme der En- ergiezufuhr. Ein weiterer wichtiger Fak- tor, der direkte Effekt von Psychophar- maka auf den Grundumsatz (26) wird nicht weiter beleuchtet, weil es hierzu nur sehr wenige, in Bezug auf die Er- gebnisse inkonsistente wissenschaftli- chen Untersuchungen gibt.

Psychopharmaka entfalten ihre Wir- kung zu einem erheblichen Teil über die

Bindung an Neurotransmitterrezepto- ren und -transporter sowie über konse- kutive Veränderungen der Neurotrans- mitterverfügbarkeit und Rezeptoren- dichte. Diese Wirkungen betreffen vor- wiegend monaminerge Transmittersy- steme, die an der integrativen Regulati- on von Stimmung, Denken, Schlaf und anderen komplexen Hirnfunktionen, aber auch an der Appetitregulation ent- scheidend beteiligt sind. Histamin und Serotonin wirken stark appetithem- mend (21, 50). Die Blockade der ent- sprechenden Rezeptoren, zum Beispiel durch trizyklische Antidepressiva oder viele Antipsychotika, dürfte daher sehr wichtig für deren appetitsteigernde Ef- fekte sein. Umgekehrt erklärt die er- höhte Verfügbarkeit von Serotonin und/oder Noradrenalin bei der Behand- lung mit Antidepressiva, die die Wie- deraufnahme dieser Transmitter aus dem synaptischen Spalt blockieren, dass diese Substanzen keine Gewichts- zunahme, oft sogar eine Abnahme des Körpergewichts bewirken.

Die Rolle von Dopamin, des vierten monaminergen Transmitters, bei der Regulation des Appetits, ist weniger eindeutig als die der anderen Monami- ne. Deshalb ist die Bedeutung der ant- idopaminergen Effekte von Psycho- pharmaka, vor allem von Antipsychoti- ka, für deren Wirkung auf Appetit und Gewicht gegenwärtig nicht verlässlich abschätzbar.

Periphere und zentralnervöse appe- titregulierende Signale werden in ver- schiedenen Regionen des Hypothalamus integriert. Diese beieinflussen ihrerseits über eine Reihe von Effektorsystemen die Nahrungsaufnahme. In diese Regel- kreise ist neben den monaminergen Neurotransmittern auch eine große Zahl von Neuropeptiden und Zytokinen ein- gebunden, deren Expression und Ver- fügbarkeit prinzipiell von Psychophar- maka beeinflusst werden können.

Tabelle 2 führt einige Neurotransmit- ter, Neuropeptide und Zytokine auf, für die Veränderungen unter Psychophar- makatherapie bereits untersucht wur- den. Leptin, zum Beispiel, ist ein Fettge- webshormon, das von Adipozyten ge- bildet wird und dem ZNS die Größe der peripheren Fettspeicher signalisiert (66). Es wirkt auf hypothalamischer Ebene appetithemmend und aktivitäts-

steigernd, und somit anorexigen. Die meisten gewichtssteigernden Psycho- pharmaka haben keine oder nur sehr geringe Effekte auf die Produktion von Leptin. Einige Antipsychotika, ins- besondere Clozapin und Olanzapin, führen allerdings schon sehr kurz nach Behandlungsbeginn zu erheblichen Anstiegen der Serumkonzentrationen dieses Hormons (46). Dies geschieht zu einem Zeitpunkt deutlicher Appetitzu- nahme, aber bevor das Körpergewicht merklich ansteigt. Die vermehrte Frei- setzung eines anorexigenen Hormons bei gleichzeitiger Zunahme des Appe- tits lässt vermuten, dass es sich um ein gegenregulatorisches Phänomen han- delt. Möglicherweise spielt dabei die blockierende Wirkung dieser Anti- psychotika auf Histaminrezeptoren eine ursächliche Rolle (37, 50, 74).

Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) zählt zu den inflammatorischen Zytoki- nen und bildet zusammen mit seinen löslichen Rezeptoren (TNF-Typ-I- und -II-Rezeptoren) ein pleiotropes Zyto- kinsystem, das wesentlich an den meta- bolischen Anpassungsprozessen bei akuten und chronischen Entzündungen beteiligt ist. Es moduliert die Wirkung von Insulin und TNF-αselbst; seine Re- zeptoren werden in Adipozyten expri- miert (14). In Querschnittsuntersu- chungen an großen Kollektiven adipö- ser Patienten korreliert die Aktivität des TNF-Systems quantitativ eng mit dem Körpergewicht (36, 44). Longitudi- nale Untersuchungen an psychiatri- schen Patienten zeigten, dass gewichts- steigernde Psychopharmaka das TNF- System sehr rasch aktivieren, bevor es zu einer Veränderung des Körperge- wichts kommt. Dieser Effekt konnte bei allen bisher untersuchten Pharmaka, die eine Gewichtszunahme induzieren, nachgewiesen werden und ist für diese spezifisch (42, 46, 47, 60, 61, 65). Zu an- deren Peptiden und Zyokinen, wie bei- spielsweise den hypothalamischen Or- exinen und dem gastralen Peptid Ghre- lin, liegen bisher keine konsistenten Er- gebnisse vor. Es ist aber zu erwarten, dass in den nächsten Jahren eine Viel- zahl von Studien zur detaillierteren Klärung der Rolle von Peptiden und Zytokinen für die gewichtsverändern- den Effekte von Psychopharmaka durchgeführt wird.

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Prädiktoren, Prävention und Gegenmaßnahmen

Einflüsse von Psychopharmaka auf die monoaminerge Neurotransmission, auf Peptide und Zytokine erlauben in gewissem Umfang eine qualitative Voraussage darüber, ob eine bestimm- te Substanz Appetit und Gewicht stei- gern wird oder nicht. Quantitative Mess- größen (zum Beispiel die Serumkon- zentrationen von Leptin oder TNF-α) ermöglichen bisher jedoch keine indi- viduelle Prädiktion des Gewichtsver- laufs beim einzelnen Patienten. Auch das Gewicht vor Behandlungsbeginn oder der Gewichtsverlauf zuvor sind in dieser Hinsicht nicht aussagekräftig.

Der Gewichtsverlauf in der ersten Be- handlungswoche erklärt hingegen ei- nen erheblichen Teil der Varianz der Gewichtsveränderung innerhalb der folgenden vier bis fünf Wochen (39).

Prädiktoren für den längerfristigen Verlauf über Monate und Jahre sind bisher nicht bekannt. Obwohl eine Reihe von Untersuchungen zu mögli- chen genetischen Prädiktoren durch- geführt wurden, haben diese bisher keine klinisch relevanten Ergebnisse erbracht (9, 73).

Patienten, die mit einem Psycho- pharmakon behandelt werden, sollten grundsätzlich über dessen mögliche Wirkungen auf das Körpergewicht in- formiert werden. Wenn eine längerfri- stige Behandlung mit Pharmaka ge- plant ist, die mit hoher Wahrscheinlich- keit zu einer Gewichtszunahme führen, empfiehlt es sich, schon vor Beginn der Therapie eine Diätberatung vorzuneh- men, die neben den Grundsätzen ge- sunder Lebensführung auch die ge- sundheitlichen Risiken der Adipositas umfasst. Spätestens sollte die Beratung aber dann erfolgen, wenn sich innerhalb der ersten Behandlungswoche eine Ge- wichtszunahme abzeichnet. In den er- sten vier Wochen der Behandlung emp- fehlen sich wöchentliche, danach vier- wöchentliche Gewichtskontrollen. Vor- bestehendes Übergewicht ist zwar ein Grund zu besonderer Wachsamkeit, aber keine spezifische Kontraindikati- on für den Einsatz gewichtssteigernder Psychopharmaka, weil das Ausgangsge- wicht für den weiteren Verlauf eben keinen prädiktiven Wert hat.

Wenn relevantes Übergewicht un- ter psychopharmakologischer Behand- lung bereits aufgetreten ist, sind unter Abwägung von Nutzen und Risiken diätetische Maßnahmen einzuleiten, ein zusätzliches gewichtsreduzieren- des Pharmakon wie Orlistat (4), Amantadin (29) oder Reboxetin (63) zu verabreichen oder die Umstellung auf ein anderes Psychopharmakon zu erwägen (40). Diätetische Maßnahmen sind analog der Behandlung von Über- gewicht anderer Genese zu planen und durchzuführen. Dabei ist zu beachten, dass manche psychiatrischen Patien- ten krankheitsbedingt eine geringere Compliance für solche Maßnahmen zeigen. Die zusätzliche Medikation mit einem gewichtsreduzierenden Medika- ment kann unter Beachtung pharma- kokinetischer und -dynamischer Inter- aktionen erwogen werden; es sei jedoch betont, dass hierzu keinerlei verläss- liche empirische Erkenntnisse vorlie- gen. Es können sogar unerwartete pa- radoxe Effekte auftreten. Dies zeigt eine Studie, bei der unter der Kombi- nationstherapie von Clozapin mit einem SSRI (Fluvoxamin) die Gewichtszunah- me stärker ausgeprägt war als unter Clozapin-Monotherapie (41). Die Dosis der Substanz, die vermutlich die Ge- wichtszunahme verursacht hat, zu ver- ringern, führt in aller Regel nicht zu einer Gewichtsabnahme, weil die ent- sprechenden Effekte nicht linear do- sisabhängig sind.

Klinische Relevanz

Psychopharmaka-induzierte Gewichts- zunahmen sind in erster Linie deshalb von klinischer Relevanz, weil sie die Pa- tienten zusätzlichen gesundheitlichen Risiken aussetzen. Allerdings ist die qualitative und quantitative Bewertung dieser Risiken bisher nur sehr ein- geschränkt möglich. Ausgangspunkt dieser Bewertung ist die gut etablierte Assoziation zwischen Übergewicht und einer Reihe von metabolischen, vas- kulären und neoplastischen Erkran- kungen (Mamma-, Uterus- Prostata-, Nierenzell-, Colon-, Gallengangs- und Pankreaskarzinom) (71). Hinzu kom- men aber mehrere Faktoren, die mit den psychiatrischen Grunderkrankun- gen selbst und möglicherweise spezifi- schen Wirkungen der Psychopharmaka zusammenhängen. Übergewicht – ins- besondere die viszerale Form – ist ne- ben Störungen des Glucosestoffwech- sels, Hyperurikämie, Hyperlipidämie und Hypertonie ein zentrales Symptom des metabolischen Syndroms (17). Alle diese Symptome und insbesondere ihre Kombination erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre und bestimmte malig- ne Erkrankungen. Dabei ist die Adipo- sitas als primäres Symptom von kausa- ler Bedeutung (5). So nimmt das Risiko eines Typ-II-Diabetes linear mit dem Gewicht zu und eine deutliche Ge- wichtsreduktion verbessert die Gluco- setoleranz erheblich (64). Diese Zu- sammenhänge lassen sich aber nicht di- rekt auf den Bereich der Psychophar- maka-induzierten Gewichtszunahme übertragen. Am deutlichsten lässt sich dies für den Glucosestoffwechsel dar- stellen (Grafik 2). Inzidenz und Präva- lenz des Typ-II-Diabetes sind bei Pati- enten mit affektiven (56) oder schizo- phrenen Störungen unabhängig von ei- ner medikamentösen Therapie generell erhöht. Bei der Schizophrenie lässt sich diese Assoziation schon vor Einführung der Antipsychotika belegen. Die Ursa- chen sind allerdings unbekannt (22).

Das häufige Zusammentreffen von af- fektiven, insbesondere depressiven, Er- krankungen und Diabetes lässt sich am ehesten durch eine pathophysiologi- sche Interaktion endokrin-immunolo- gischer Faktoren (16) erklären. Hierbei können einerseits pathophysiologische

´ Tabelle 2 ´

Neurotransmitter, Neuropeptide und Zytokine, die wahrscheinlich eine ursächliche Rolle bei psychopharmaka- induzierten Gewichtsveränderungen spielen

Neurotransmitter Wirkung auf den Appetit Noradrenalin anorexigen

Serotonin anorexigen

Histamin anorexigen

Neuropeptide Wirkung auf den und Zytokine Appetit

CRH anorexigen

TNF-alpha anorexigen

Leptin anorexigen

Orexin A und B orexigen

Ghrelin orexigen

CRH, „corticotropin-releasing hormone“;

TNF, Tumornekrosefaktor

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Aspekte der Depression, wie zum Bei- spiel die vermehrte Freisetzung von Kortisol bei einer Dysregulation der Stress-Hormon-Achse, diabetogen wir- ken. Andererseits wirken auch Folgen einer diabetischen Stoffwechsellage, wie etwa die vermehrte Produktion in- flammatorischer Zytokine, begünsti- gend für das Auftreten einer Depressi- on. Diese endokrin-immunologische Interaktion ist dynamisch. Sie verän- dert sich zum Beispiel im Verlauf der Rückbildung einer depressiven Episo- de. Dadurch wird die Abschätzung der Bedeutung zusätzlicher Einfluss- größen, wie zum Beispiel einer Ge- wichtszunahme, deutlich erschwert.

Darüber hinaus haben eine Reihe von Psychopharmaka eigene pharmakody- namische Wirkungen auf den Glucose- stoffwechsel. So verbessern zum Bei- spiel Serotonin-Wiederaufnahmehem- mer wie Fluoxetin die Insulinsensiti- vität (33), wohingegen Antipsychotika wie Olanzapin und Clozapin diese negativ beeinflussen (23, 54).

Aufgrund dieser komplexen Interak- tion zwischen krankheitsassoziierten metabolischen Faktoren und pharma- kodynamischen Effekten verwundert es nicht, dass metabolische Veränderun- gen unter psychopharmakologischer Therapie nicht eng mit Veränderungen des Körpergewichts korrelieren. So ist zum Beispiel weder eine Beeinträchti- gung der Glucosetoleranz innerhalb der ersten drei Monate einer Behandlung mit Clozapin (43) noch die Wahrschein- lichkeit der Entwicklung eines Typ-II- Diabetes innerhalb von fünf Jahren (38) abhängig davon, ob die Patienten an Gewicht zunehmen oder nicht.

Empfehlungen für die klinische Praxis

Während in den letzten Jahren gerade zum Glucosestoffwechsel unter Thera- pie mit Psychopharmaka weltweit eine Vielzahl von Untersuchungen durchge- führt wurde, ist zur Hyperlipidämie, Hy- perurikämie und Hypertonie sehr we- nig bekannt. Prospektive Untersuchun- gen wären allerdings dringend erforder- lich zur Erlangung von Daten, die eine Abschätzung der tatsächlichen gesund- heitlichen Risiken durch eine Ge- wichtszunahme unter psychopharma- kologischer Therapie ermöglichen.

Unabhängig vom Fehlen dieser grundlegenden wissenschaftlichen Da- ten empfiehlt sich in der klinischen Pra- xis bei Patienten unter längerfristiger Psychopharmakotherapie ein regel- mäßiges Monitoring in Bezug auf die Entwicklung von Symptomen eines me- tabolischen Syndroms. Kürzlich hat die American Diabetes Association (ADA;

www.diabetes.org) Empfeh- lungen für Patienten unter Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation veröf- fentlicht (Tabelle 3). Neben dem Gewicht und dem daraus errechenbaren BMI empfiehlt sich die Messung des Bauch- und Hüftumfangs als Indika- tor für die viszerale Adiposi- tas, die Messung des Blut- drucks, des Nüchternglucose- Spiegels und des Lipidprofils.

Nach Ansicht der Autoren ist eine Beschränkung dieser Empfehlung auf bestimmte moderne Antipsychotika nicht sinnvoll, weil sowohl ältere Antipsychoti- ka als auch viele Psychopharmaka an- derer Substanzklassen ähnliche Effekte haben. Die Autoren schlagen daher vor, diese Empfehlung auf alle Patienten auszudehnen, bei denen prospektiv eine Medikation mit Psychopharmaka für einen Zeitraum von drei Monaten oder länger zu erwarten ist.

Metabolische Veränderungen sind langfristig die schwersten negativen Fol- gen einer durch Psychopharmaka indu- zierten Gewichtszunahme. Klinisch rele- vant ist aber auch die Tatsache, dass sich sowohl eine tatsächliche als auch eine durch den Patienten antizipierte Ge- wichtszunahme negativ auf die Thera- piecompliance auswirken kann (11, 58).

Leider gibt es hierzu bisher kaum empi- risch fundierte Untersuchungen. In der Praxis nehmen offenbar vor allem Pati- enten mit affektiven Störungen die psy- chosozial-ästhetischen Folgen einer Ge- wichtszunahme sehr besorgt wahr. Pati- enten mit schizophrenen Störungen, be-

´ Tabelle 3 ´

Empfehlungen zur Überwachung des Gewichts und bestimmter metabolischer Parameter unter längerfristiger Pharmakotherapie*

vor nach nach nach vierteljährlich jährlich

Therapie 4 Wochen 8 Wochen 12 Wochen

Anamnese + +

Gewicht (BMI) + + + + +

Hüftumfang + +

Blutdruck + + +

Nüchternglucose + + +

Lipide + + +

*adaptiert nach Empfehlungen der American Diabetes Association für die Überwachung der Therapie mit Antipsychotika der zweiten Generation (www.diabets.org; Diabetes Care 2004, 27: 596–601);

BMI, Bodymass-Index

Die Interaktion zwischen Glucosestoffwechsel und Ge- wicht wird bei psychiatrischen Erkankungen in komple- xer Weise durch die Erkrankung selbst und die Medikati- on beeinflusst.

Grafik 2

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sonders solche, bei denen die Krankheit chronisch mit deutlicher Residualsym- ptomatik verläuft, neigen dagegen häu- fig dazu, sich in Bezug auf ihre Gewichts- entwicklung wenig zu sorgen. Sie müssen deshalb aktiv über die entsprechende Problematik aufgeklärt werden.

Auf einen möglichen positiven Aspekt einer psychopharmakologisch bedingten Gewichtszunahme deuten Hinweise für einige Substanzen, dass die Gewichtszunahme während der Therapie positiv mit der therapeuti- schen Response korreliert. Dies zeigen Studien für Clozapin und Olanzapin (10, 19, 48). Möglicherweise spielen hierbei spezifisch neuroendokrine Ef- fekte, wie beispielsweise auf das Leptin- system, eine Rolle (62), denn bei eini- gen Antidepressiva, die keine ver- mehrte Leptinproduktion induzieren,

scheint ein solcher Zusammenhang nicht zu bestehen (27, 42, 47).

Gewichtszunahmen unter psycho- pharmakologischer Therapie sind ein häufiges Phänomen von hoher klini- scher Relevanz. Während das Wissen um die Ursachen rasch zunehmend dif- ferenzierter und detaillierter wird, ist noch viel zu wenig über Prädiktoren und effektive primär- und sekundär- präventive Maßnahmen bekannt. Auch über die langfristigen Folgen für die sekundäre metabolische Morbidität wissen wir sehr wenig, vor allem weil es an entsprechenden Langzeitstudien fehlt. Deshalb scheint zum gegenwärti- gen Zeitpunkt eine individuelle Über- wachung von Gewichtsentwicklung und metabolischen Parametern bei allen Patienten unter längerfristiger Psycho- pharmakotherapie indiziert zu sein.

Manuskript eingereicht: 29. 6. 2004, angenommen:

4. 11. 2004

Prof. Pollmächer hat Vortragshonorare erhalten von den Firmen Astra Zeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Novartis und Otzuka.

Priv.-Doz. Dr. Schuld erhielt Zuschüsse zu Fortbildungsver- anstaltungen von den Firmen Lundbeck und Astra Zeneca.

Dr. Himmerich erklärt, dass kein Interessemkonflikt im Sinne des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2172–2177 [Heft 31–32]

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer Zentrum für psychische Gesundheit Klinikum Ingolstadt

Krumenauerstraße 25, 85049 Ingolstadt

E-Mail: Thomas.Pollmaecher@klinikum-ingolstadt.de Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3105 abrufbar ist.

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N))

Hexenverfolgung Aufklärung durch Ärzte

Zitat:„Von allem Unglück, das die Mannigfaltigkeit fanatischer und verderbter Meinungen durch des Satans Hilfe in unserer Zeit über die Christenheit ge- bracht hat, ist nicht das kleinste das unter dem Namen der Hexerei wie ein bösartiger Samen ausgestreute.

Mögen die Menschen durch die vielfachen Streitigkei- ten über die Stellen der Schrift [1] oder über Kirchen- gebräuche auseinander gerissen werden, während die alte Schlange [2] den Brand schürt, so folgt daraus doch kein so grosses Unheil als aus der von ihr einge- flössten Meinung, dass kindisch gewordene alte Wei- ber, welche man Hexen oder Zauberinnen nennt, Menschen und Tieren Böses anthun könnten. Die täg- liche Erfahrung lehrt es, welch’ verfluchten Abfall von Gott, welche Freundschaft mit dem Bösen, welchen Hass und Streit unter den Nächsten, welchen Hader in Stadt und Land, wie zahlreiche Morde Unschuldiger durch des Teufels traurige Hilfe jene Meinung von der Macht der Hexen hervorbringt. Niemand kann dar- über richtiger urteilen als wir Ärzte, deren Ohren und Herzen durch diesen Aberglauben unaufhörlich ge- peinigt werden. [. . .]

Dir, o Fürst, weihe ich diese Frucht meines Denkens [3]. Seit dreizehn Jahren dein Arzt, habe ich an deinem Hofe die verschiedensten Meinungen über Hexen aus- sprechen gehört; aber keine stimmte mit der meinigen so sehr, als die deinige, dass die Hexen auch durch den bösesten Willen, durch die grässlichste Beschwörung

niemandem schaden können, dass sie vielmehr in ihrer durch die Dämonen in uns unverständlicher Weise er- hitzten Phantasie [4] und wie von Melancholie [5] ge- plagt sich nur einbilden, allerlei Übel erregt zu haben.

[. . .] Nicht wie andere ziehst du verwirrte, arme, alte Weiber zu schweren Straftaten heran. Du forderst den Beweis, und nur wenn sie wirklich Gift gegeben haben zum Morde der Menschen und der Tiere, lässt du den Vorschriften der Gesetze ihren Lauf.“

Johann Weyer: Die praestigiis daemonum [Über das Blendwerk der Dämonen]

(1563). Zitiert nach Carl Binz: Doctor Johann Weyer, ein rheinischer Arzt. Der erste Bekämpfer des Hexenwahns. Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung und der Heilkunde. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage Berlin 1896, Seite 26 ff. – Weyer (= Wierus) (1515–1588) war Leibarzt des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg. Seine hier zitierte Aufklärungsschrift wendet sich mit einer medizinischen beziehungsweise medizinpsychologischen Argumentati- on entschieden gegen den zeitgenössisch grassierenden Hexenwahn. Dieser war maßgeblich vom „Hexenhammer“, einer Art Handbuch zum Hexenwe- sen, geprägt worden, der von zwei Inquisitoren im Auftrag der katholischen Kirche, den Dominikanern Jakob Sprenger und Heinrich Institoris, verfasst worden und 1487 in lateinischer Sprache unter dem Titel „Malleus malefi- carum“ in Straßburg erschienen war. Der Höhepunkt der Hexenverfolgung lag nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit (Reformation, Gegenrefor- mation). Weyers Argumentation gewann Ende des 16. und im 17. Jahrhun- derts Anhänger unter Ärzten und Geistlichen, insbesondere ist hier der Kölner Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld (1591–1635) mit seiner Schrift „Cautio criminalis“ (1631) zu nennen. – [1] Heilige Schrift. [2] Biblisches Symbol der Hinterlist. [3] Die Schrift ist dem Herzog Wilhelm V. von Jülich-Cleve-Berg (1539–1592) gewidmet. [4] Dämonen als quasi psychodynamische Kräfte verstanden. [5] Melancholie (Schwarzgalligkeit), eine traditionelle Ursache für „Geisteszerrüttung“.

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