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Archiv "Klinik und Therapie des primären Hyperparathyreoidismus" (02.12.1976)

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Hypoparathyreoidismus

oberhalb des systolischen Blut- drucks nachgewiesen werden: Bei latenter Tetanie tritt ein Spasmus der Handmuskeln innerhalb von zwei Minuten auf (Trousseausches Zeichen). Bei Patienten mit Hyste- rie treten gelegentlich Spasmen an beiden Händen auf, wenn die Man- schette aufgeblasen wird. Da eine Tetanie nicht nur vom Serumkal- zium abhängig ist, sondern auch vom Kalium, Magnesium und pH- Wert, sollen im Falle eines norma- len Serumkalziums diese Parame- ter bestimmt werden.

Am häufigsten sind Karpopedal- spasmen bei sympathikotonen Er- regungszuständen. Bei diesen soll- te darauf geachtet werden, den Pa- tienten nicht auf Arzt und Kalzium- spritze zu fixieren. Eine psychische Führung ist angezeigt.

In jedem Fall sollte vor der Injek- tion von Kalzium (10 ml einer 10prozentigen Lösung) Blut ent- nommen werden, um später den Serumkalziumspiegel und even- tuell die anderen Parameter be- stimmen zu können.

Der Serumkalziumspiegel sollte insbesondere bei Grand mal, Petit mal und fokalen epileptischen An- fällen gemessen werden. Patienten mit Hypoparathyreoidismus zeigen unbehandelt nicht selten epilepti- sche Anfälle. Diese Anfälle werden durch Therapie der Hypokalzämie gebessert, durch Antikonvulsiva je- doch kaum.

Wachstum

Den klinischen Symptomen sei hin- zugefügt, daß Kinder sowohl mit idiopathischem als auch erworbe- nem Hypoparathyreoidismus und Pseudohypoparathyreoidismus oh- ne Behandlung im Wachstum zu- rückbleiben. Während durch die Therapie (siehe unten) die Wachs- tumsrate des Hypoparathyreoidis- mus gebessert wird, bleibt der Pa- tient mit Pseudohypoparathyreo- idismus auf Grund eines zu frü- hen Epiphysenschlusses im Wachstum zurück.

Katarakt

Unbehandelt soll eher eine Kata- rakt auftreten als bei therapierten Patienten. Ist jedoch einmal eine Katarakt aufgetreten, wird diese durch Normalisierung des Serum- kalziums nicht wieder rückgängig.

Röntgen

Bei Verdacht auf Hypoparathyreo- idismus und Pseudohypoparathy- reoidismus sollen Röntgenaufnah- men des Schädels (Frage: Verkal- kung der Basalganglien) und Rönt- genaufnahmen der Hände angefer- tigt werden (Verkürzung der Meta- carpalia bei Pseudohypoparathy- reoidismus, hier eventuell auch

„metastatische Verkalkungen").

Selten sind die röntgenologischen Zeichen einer Ostitis fibrosa bei Pseudohypoparathyreoidismus zu finden; bei diesen Patienten spre- chen die Knochen vermutlich auf den erhöhten Parathormonspiegel an.

EKG

Die Hypokalzämie erzeugt eine Verlängerung des QT-Intervalls.

Bei Neugeborenen wurde eine Blockierung der Oberleitung regi- striert. Wir behandelten eine Pa- tientin mit Hypoparathyreoidismus, bei der intraoperativ bei einem gy- näkologischen Eingriff ein Herz- stillstand auftrat. Die Patientin wur- de durch Reanimation mit intrakar- dialer Kalziuminjektion gerettet.

Therapie

Karpopedalspasmen und Krämpfe anderer Lokalisation als Folge ei- ner Hypokalzämie sind durch so- fortige intravenöse Injektion von Kalzium zu behandeln. Beim Er- wachsenen reichen 10 bis 20 ml ei- ner zehnprozentigen Kalziumglu- konatlösung. Die weitere Behand- lung ist durch die Ätiologie der Er- krankung bestimmt.

Ein Hypoparathyreoidismus, zum Beispiel als Folge einer Operation

an Schilddrüse oder Nebenschild- drüsen, muß hochdosiert mit Vit- amin D behandelt werden: 1,25 bis 2,5 mg täglich (= 50 000 bis 100 000 I. E.) oder 5 mg bezie- hungsweise 200 000 Einheiten zwei- bis dreimal pro Woche werden im allgemeinen benötigt. Zusätzlich sollten 1 bis 2 g Kalziumionen (zum Beispiel Kalziumglukonat) täglich oral eingenommen werden. Dem Patienten muß die Notwendigkeit einer relativ konstanten Kalzium- aufnahme (Milchprodukte) in der Nahrung erklärt werden, da durch vermehrte Kalziumzufuhr eventuell eine Hyperkalzämie erzeugt wer- den kann. Es handelt sich um eine Langzeittherapie. Die vorgeschla- gene Medikation ist zur Vermei- dung von Gefahren genau einzu- halten. Der Serumkalziumspiegel sollte in Abständen von 1 bis 3 Mo- naten kontrolliert werden. Neuere Vitamin-D-Metaboliten zur Therapie des Hypoparathyreoidismus befin- den sich noch in der Erprobung.

Ziel der Therapie

Der Serumkalziumspiegel soll auf Werte zwischen 8 und 9 mg/100 ml eingestellt werden, möglichst nicht auf Werte zwischen 9 und 10 rhg/100 ml. Die Einstellung auf ei- nen Serumkalziumspiegel im un- teren Normbereich ist wesentlich, da dem Patienten Parathormon be- ziehungsweise die Parathormon- wirkung auf die Niere fehlt. Parat- hormon fördert beim Gesunden die tubuläre Reabsorption von Kal- zium, so daß Patienten mit einem Hypoparathyreoidismus bei einem Serumkalziumspiegel von 10 mg/

100 ml hyperkalziurisch werden, das heißt die Urin-Kalziumaus- scheidung steigt auf Werte über 300 mg/die beziehungsweise 15 mval oder 7,5 mmol. Als Folge sind Kalziumablagerungen in der Niere und Kalziumphosphatablagerungen in anderen Geweben möglich.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Heinrich Schmidt-Gayk Medizinische Universitäts-Klinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 49 vom 2. Dezember 1976 3175

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Mehr als ein halbes Jahrhundert

lang nach ihrer ersten klinischen Beobachtung galt die Überfunk- tionserkrankung der Nebenschild- drüsen als Rarität. Erst die schritt- weise Entdeckung der Einwirkung einer gesteigerten Parathorrnonse- kretion auf Skelett und Nieren und Erkenntnisse über die Auswirkung der Hyperkalzämie auf Intestinalor- gane, zentrales Nervensystem usw.

trugen dazu bei, das wahre Aus- maß des vielgestaltigen klinischen Erscheinungsbildes zu charakteri- sieren. Verbesserte Untersu- chungsverfahren sowie vor allem erhöhte ärztliche Aufmerksamkeit haben schließlich erst in den zu- rückliegenden zwei Jahrzehnten zu einer eklatanten Häufigkeitszunah- me dieser Diagnose geführt. Von der Mayo-Klinik (USA) stammende Zahlen deuten an, daß mit etwa einem Erkrankungsfall unter tau- send (ein Promille) der Gesamtbe- völkerung zu rechnen ist.

Ein Blick auf die historische Ent- wicklung zeigt am deutlichsten un- sere stetig zunehmende Kenntnis der Krankheitsbilder, unter denen sich der primäre Hyperparathy- reoidismus (pHPT) präsentiert.

Nachdem v. Recklinghausen 1891 in einem Festschriftbeitrag zu Vir-

chows 71. Geburtstag das klassi- sche Bild der „Osteodystrophia fi- brosa cystica" beschrieben und der Königsberger Pathologe Aska- nazy 1903 Arstmals auf den Zusam- menhang der Skeletterkrankung mit einer tumorartigen Vergrößerung der Nebenschilddrüsen aufmerk- sam gemacht hatte, folgte eine Zeit kontroverser Ansichten, ob die Epithelkörperchen-Veränderung Ursache oder Folge der Skeletter- krankung ist.

Dem Wiener Chirurgen Felix Mandl gelang schließlich 1925 mit der er- sten erfolgreichen Operation eines Epithelkörperchen-Adenoms der Nachweis der endokrinen Genese des ossären Morbus Recklinghau- sen.

In richtiger Erkenntnis der pa- thophysiologischen Zusammenhän- ge prägte zwei Jahre später (1927) nach einer neuerlich erfolgreichen Operation einer 54jährigen Frau der gleichfalls in Wien tätige Chir- urg Ernst Gold den Begriff des

„Hyperparathyreoidismus".

Während im europäischen Raum in der Folgezeit die Klinik des Hyper- parathyreoidismus näher untersucht wurde, entdeckten Dubois und Mit- arbeiter in den Vereinigten Staaten

Zahlenmäßig am häufigsten tritt der primäre Hyperpara- thyreoidismus unter dem kli- nischen Bild der rezidivieren- den Urolithiasis auf. Weitere Manifestationsformen sind Beteiligung des Skeletts nach Art der Osteodystrophia fibro- sa cystica, chronische Pan- kreatitis, Ulcera ventriculi oder duodeni, schließlich ein unspezifisches Hyperkalz- ämiesyndrom. Hyperkalzämie und Hypophosphatämie sind unverändert maßgebliche diagnostische Kriterien. Be- weiskraft besitzt die direkte radioimmunologische Be- stimmung erhöhter Serumpa- rathormonspiegel. Die einzig erfolgreiche Therapie besteht in der operativen Entfernung des inkretorisch überaktiven Parathyreoideagewebes.

1926 die biochemischen Verände- rungen des Kalzium- und Phosphat- haushaltes beim pHPT. Erst 1932 wurden Albright und Mitarbeiter in Boston auf einen Kausalzusam- menhang zwischen Parathormon- überproduktion und Nierensteinbil- dung aufmerksam. Noch 1946 wur- de von Norris eine Übersicht von 322 Patienten veröffentlicht, unter denen bei 292 = 90,7 Prozent die Osteodystrophia fibrosa cystica im Vordergrund stand. Dagegen fan- den sich in einer von Pyrah und Mitarbeitern 1966 mitgeteilten Stati- stik über 697 Patienten renale Er- krankungsfälle in 58 Prozent. — Auch nach unseren eigenen Erfah- rungen der jüngeren Vergangen- heit mit über 70 behandelten Pa- tienten steht die renale Manifesta- tionsform mit 60 bis 70 Prozent der Fälle im Vordergrund. Neuerdings werden allerdings durch das routi- nemäßige Screening der Serumkal- ziumwerte zunehmend asymptoma- tische Patienten — sowohl ohne subjektive Beschwerden als auch ohne Organmanifestationen — ent- deckt.

Klinik und Therapie des primären

Hyperparathyreoidismus

Hans D. Röher und Heinrich Schmidt-Gayk

Aus der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg (Direktor: Professor Dr. Dr. med. Fritz Linder) und der Medizinischen Universitätklinik Heidelberg

(Direktor: Professor Dr. Dr. med. Gotthard Schettler)

3176 Heft 49 vom 2. Dezember 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Ein möglicher Zusammenhang zwi- schen pHPT beziehungsweise Hy- perkalzämie und Geschwürser- krankung des Magens und Zwölf- fingerdarms wurde 1947 von Ro- gers und Keating erwogen. Oliver Cope, einem in Diagnostik und Therapie des pHPT über zwei Jahr- zehnte besonders verdienten Chir- urgen, gebührt schließlich das Ver- dienst, 1957 die Aufmerksamkeit auf die Entstehung einer akuten oder auch chronisch rezidivieren- den Pankreatitis, möglicherweise als Folge der Hyperkalzämie, ge- lenkt zu haben. Darüber hinaus wis- sen wir heute, daß in zahlreichen Fällen von pHPT nur unspazifische Symptome auftreten wie Polyurie, Polydipsie, Hypertonie, rheumatoi- de Schmerzzustände, allgemeine Abgeschlagenheit, Muskelschwäche und Leistungsschwund, schließlich häufig psychische Wesensverän- derung. Bei Verwirrtheit, Somno- lenz, Koma und gleichzeitig unge- klärtem akutem Abdomen muß in die Differentialdiagnose stets die hyperka/zämische Krise mitein- bezogen werden.

Diagnostik

Maßgebliche Eckpfeiler des Krank- heitsnachweises sind unverändert Hyperkalzämie und Hypophosphat- ämie. Weniger zuverlässig findet man eine Hyperkalziurie. Bei klini- schem Verdacht auf pHPT emp- fiehlt sich unbedingt die wiederhol- te Bestimmung (bis zu fünfmal) des Serumkalzium, -phosphat und Urin- kalzium. Wir fanden nur bei 3 von '>0 Patienten mit pHPT normale Se- ' umkalziumwerte, so daß eine so- genannte normokalzämische Form des pHPT als selten anzusehen ist.

Geringfügig hyperkalzämische For- men beziehungsweise die diffe- rentialdiagnostische Abgrenzung andersartiger Hyperkalzämieursa- chen erfordern subtilere Untersu- chungen. Die vermehrte Parathor- monsekretion wird indirekt ange- zeigt durch eine Erniedrigung der renal-tubulären Phosphatreabsorp- tion (TRP unter 82 Prozent, normal 82-90 Prozent). Die Berechnung der TRP ist schwieriger als die der

Aktuelle Medizin Hyperparathyreoidismus

Tests bei primärem Hyperparathyreoidismus

..,_ Berechnung der Phosphatclearance (Dimension ml/min): Sam- meln des 24-Stunden-Urins, bei Beginn und Beendigung Blutent- nahme zur Bestimmung von Phosphat im Serum (nüchtern)

und Messung von Phosphat im 24-Stunden-Urin.

..,_ Berechnung des Urinflusses in ml/min:

ml/24 Std. 1440

Phosphatclearance

= ml/min.

Urinphosphat (mg/100 ml) x Urinfluß (ml/min) Serumphosphat (mg/100 ml) ..,_ Berechnung der tubulären Reabsorption von Phosphat (TRP, Di- mension %):

Zuerst Berechnung der Kreatininclearance, siehe Beispiel der Phosphatclearance.

Danach Berechnung der Phosphatclearance.

Tubuläre Reabsorption von Phosphat in %

=

(1-

Phosphatclearance) Kreatininclearance · 100

..,_ Durchführung des Kalziuminfusionstestes nach Kyle:

Morgens nüchtern Blutentnahme zur Bestimmung von Phosphat, danach Entleeren der Blase um 8.00 Uhr. 500 ml trinken, Entleeren der Blase um 10.00 Uhr. Bestimmung der Phosphatclearance die- ser Sam.melperiode.

Am gleichen Tag von 21.00-24.00 Uhr Infusion von Ca++ (10 mg/kg, entspricht 11 ml Kalzium-Sandoz 10%/10 kg Körpergewicht).

Die erforderliche Menge an Kalzium soll mit 250 ml 5%iger Lävu- lose infundiert werden. Am nächsten Morgen Bestimmung der Phos- phatclearance (Urinsammlung von 8.00-10.00 Uhr) wie am ersten Morgen. Beim Gesunden erfolgt ein Abfall der Phosphatclearance um über 30%.

..,_ Bestimmung von Parathormon im Serum:

Morgens beim nüchternen Patienten 5 ml Blut entnehmen und in ein Glasröhrchen geben, nach erfolgter Gerinnung zentrifugieren und das Serum einfrieren bis zum Versand. Der Versand muß in eingefrorenem Zustand erfolgen.

..,_ Bestimmung von cAMP im Urin:

Für die Messung von cAMP im 24-Std.-Urin muß die Sammlung im Kühlschrank aufbewahrt werden. Nach Abschluß der Sammlung Messen und Notieren der Gesamtmenge, 10 ml Urin einfrieren bis zum Versand. Der Versand muß in eingefrorenem Zustand erfol- gen.

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 49 vom 2. Dezember 1976 3177

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Tabelle 1: Diagnostik des primären Hyperparathyreoidismus

Basisdiagnostik

Labor: Dimension normal pathologisch

Serumkalzium Serumphosphat Urinkalzium (Normalkost)

mval/1 mmo1/1 mg/100 ml mval/die mmol/die

4,4— 5,2 2,2— 2,6 2,5— 4,5 5 —15 2,5— 7,5

über 5,2 über 2,6 unter 2,5 über 15 über 7,5 Weiterführende Diagnostik

Kalziuminfusion nach Kyle, Abfall der Phos-

phatclearance /0 über 30 unter 30

Parathormon im Serum pmo1/1 2 —30 über 30 cAMP im Urin pro

Kreatininclearance nmo1/1 GF 27 —45 über 45 Parathormonbestimmung nach selektivem Venenkatheterismus zur Lokalisationsdiagnostik.

Röntgen

Niere: Urogramm, eventuell Zono- oder Tomographie (Steinlo- kalisation, Nachweis einer Nephrokalzinose)

Skelett: Hände a. p. (subperiostale Resorptionen an den Mittel- phalangen)

Schädel (Aufhebung der Dreischichtung der Kalotte, Granularatrophie)

Lendenwirbelsäule und Becken (Osteoporose) Extremitäten (Zysten)

Beckenkammbiopsie (Fibroosteoklasie) Phosphatclearance ml/min Tubuläre Reabsorption

von Phosphat 0/0

6 —16 82 —90

über 16 unter 82 Phosphatclearance (Cp über 16 ml

pro Minute, normal 6-16 ml pro Minute.) Die Aussagekraft der TRP ist jedoch zuverlässiger als die der Cp. Da normalerweise die Parat- hormonsekretion durch Erhöhung des Kalziumangebotes unterdrückt werden kann, dies aber bei pHPT nicht erreichbar ist, liefert der KaI- ziuminfusionstest nach Kyle mit Ausbleiben einer suppressiven Wir-

kung auf die Phosphatclearance ein zusätzliches diagnostisches Hilfsmittel (siehe Tests bei pHPT).

Die routinemäßig bei Hyperkalz- ämie zu fordernden Röntgenuntersu- chungen (siehe Tabelle) geben we- sentliche Hinweise auf däs Vorlie- gen einer allein ossären Verlaufs- form oder Mitbeteiligung des Ske- letts, beziehungsweise auf andere

Ursachen der Hyperkalzämie, wie zum Beispiel multiples Myelom oder Tumormetastasen.

Unabhängig von der individuellen Organmanifestation eines pHPT kann in einem hohen Prozentsatz aller Fälle die Diagnose allein auf- grund des histologischen Befundes einer typischen Fibroosteoklasie (Beckenkammbiopsie) gestellt wer- den. Umgekehrt bedeutet allerdings das negative Resultat keineswegs den Ausschluß des pHPT.

Neue diagnostische Methoden

Zur Sicherung der Diagnose emp- fiehlt sich die radioirnmunologi- sche Bestimmung von Parathor- mon im Serum und die Bestim- mung von zyklischem AMP im 24- Std.-Urin (siehe Kasten). Die Treff- sicherheit der Parathormonbestim- mung liegt etwa bei 95 Prozent.

Nach erfolgloser Voroperation be- ziehungsweise bei einem Rezidiv eines pHPT empfiehlt sich sogar die selektive Entnahme des Blutes aus den verschiedenen, die Neben- schilddrüse drainierenden Halsve- nen mit Hilfe eines Katheters und die Messung von Parathormon in den einzelnen Proben. Für diese Messung wird ein Antikörper ge- gen Parathormon eingesetzt, der bevorzugt das intakte, frisch se- zernierte Hormon erkennt, während für die Bestimmung von Parathor- mon im peripheren Blut ein Anti- körper verwendet wird, der auch die aus dem Stoffwechsel entste- henden Parathormonfragmente er- kennt.

Um die Venen der Nebenschilddrü- sen/Schilddrüsen-Region selektiv katheterisieren zu können und die Probeentnahme korrekt zuzuord- nen, ist die Anfertigung eines Ve- nogramms erforderlich. In Überein- stimmung mit amerikanischen Au- toren sind wir der Ansicht, daß die Parathormonbestimmung im Hals- venenblut als routinemäßige Me- thode vor der Erstoperation wegen zu hoher Belastung des Patienten und nicht immer absoluter Aussa- 3178 Heft 49 vom 2. Dezember 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Hyperparathyreoidismus

Abbildung 1 (links): Typische Knochenveränderungen am Handskelett bei pHPT: Akroosteolysert und ausgeprägte subperiostale Resorptionszonen an den Radialseiten der Mittelphalangen — Abbildung 2 (rechts): Typische multiple Knochenzysten im Femurschaft als Ausdruck der Osteodystrophia fibrosa cystica bei pHPT — Links: Primärbefund — Rechts: 3 Monate postop. im reparativen Stadium

gekraft durch die variablen Venen- verhältnisse nicht indiziert ist.

Parathormon fördert durch die Sti- mulation der Adenylat-Zyklase in der Niere die Bildung und Aus- scheidung von zyklischem AMP (cAMP). Die Meinungen über die Wertigkeit der Messung von cAMP im 24-Stunden-Urin sind geteilt. Wir führen diese Untersuchung jedoch aus, da sie auf der einen Seite preiswert und rasch und auf der anderen Seite in etwa 90 Prozent bei pHPT zuverlässig ist. (Zusam- menfassung diagnostischer Maß- nahmen siehe Tabelle 1).

In der Basisdiagnostik des pHPT können Fehlerquellen auftreten:

Längerdauerndes Stauen der Arm-

venen zur Blutentnahme führt zu einem fälschlich erhöhten Serum- kalziumwert, ebenso wird bei Hy- perproteinämie (Gesamt-Eiweiß über 8 g/100 ml) ein erhöhter Kal- ziumwert beobachtet, da etwa die Hälfte des Kalziums im Serum an Protein gebunden vorliegt. Der Se- rumphosphatspiegel ist abhängig von der Nahrungszufuhr und weist eine Tagesrhythmik auf. Es soll da- her nur morgens beim nüchternen Patienten Blut zur Phosphatbestim- mung 'abgenommen werden.

Ursprünglich erhöhte Kalziumaus- scheidung im Urin kann durch kal- ziumarme Kost sowie durch eine Einschränkung der Nierenfunktion in den Normalbereich sinken (Ta- belle 1, Abbildungen 1 und 2*)).

Operation

Durch die zunehmende Entdek- kung von asymptornatischen Pa- tienten mit pHPT (routinemäßige Kalziumbestimmung!) stellt sich die Frage des therapeutischen Vor- gehens. Asymptomatische Patien- ten mit einer Hyperkalzämie unter 5,5 mval/I (11 mg/100 ml, bezie- hungsweise 2,75 mmol/l) sollten vierteljährlich kontrolliert werden.

Symptomatische Formen des pHPT sind der allein erfolgreichen chirur- gischen Behandlung zuzuführen. >

*) Die Röntgenaufnahmen verdanken wir der Abteilung für Röntgendiagnostik der Chirurgischen Universitätsklinik Heidel- berg, Leiter: Professor Dr. med. P. Ger- hardt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 49 vom 2. Dezember 1976 3179

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Abbildung 3 (Ergänzung):

Typisches Nebenschild- drüsenadenom auf der Rückseite des angehobenen Schilddrüsen- lappens Wegen der in früherer Zeit bis zu

25 Prozent angegebenen erfolglo- sen Adenomsuche bei der Erstope- ration sollte der verantwortungs- volle Eingriff aufgrund besonderer

lokalisatorischer Probleme und zur Vermeidung risikobelasteter Zweit-

interventionen erfahrenen Chirur- gen vorbehalten bleiben. Grund- sätzlich ist auch bei einfachem Auffinden eines typischen Epithel- körperchenadenoms die Darstel- lung der weiteren Nebenschilddrü- sen zu fordern, da Adenome in der Mehrzahl vorhanden sein können oder eine Hyperplasie auszuschlie- ßen ist. Die pathohistologische Schnellschnittdiagnostik muß zur intraoperativen Sicherung der Dia- gnose gefordert werden. In Ein- oder Mehrzahl vorhandene Adeno- me werden exstirpiert. Im Fall der Hyperplasie wird zunächst das größte Epithelkörperchen partiell

unter Belassung eines gut vaskula- risierten, zuverlässig funktionstüch- tigen Restes von etwa 25-30 mg reseziert, die drei anderen werden total entfernt. Kann bei zweifelsfrei biochemisch gesicherter Diagnose durch alleinige zervikale Explora- tion kein Adenom aufgefunden werden, ist in gleicher Sitzung der Eingriff nach oberer partieller Ster- notomie durch Exploration des Me- diastinalraumes zu erweitern. In Ausnahmefällen kann nach vergeb- licher Suche ein Adenom auch erst innerhalb der dann ergänzend sub- total resezierten Schilddrüse auf- gefunden werden. War der Erstein- griff dennoch erfolglos, ist vor ei- nem Zweiteingriff mittels steuerba- ren Katheters Blut aus den Halsve- nen und aus verschiedenen Etagen der Vena cava superior und infe- rior zu Parathormonmessung (Ade- nomlokalisation) zu entnehmen.

Postoperative Betreuung

Das Auftreten tetanischer Sympto- me in der postoperativen Phase ist nicht nur von der absoluten Höhe des Serumkalziumspiegels, son- dern auch von der Geschwindigkeit des Abfalls abhängig. Patienten mit der ossären Form des pHPT sind stärker gefährdet als Patienten mit renaler Manifestation (Kalzium-Avi- dität des Skeletts!). Daher sind häufige postoperative Kontrollen (3- bis 6stündlich) des Serumkal- ziumspiegels zur Erkennung der Tetaniegefährdung erforderlich.

Die postoperative Substitution mit Kalzium muß differenziert erfolgen:

Patienten ohne wesentlichen KaI- ziummangel benötigen keine oder nur kurzfristige Substitution, wäh- rend solche mit röntgenologisch sichtbarer Minderung des Kalksalz- gehalts hochdosiert (bis zu 4 g Ca++/die) substituiert werden sollen. Die Remineralisation des Skeletts kann über einen Zeitraum von 6 bis 9 Monaten erfolgen. Wur- de präoperativ ein Vitamin-D-Man- gel (erniedrigter Serumspiegel) festgestellt, kann dieser durch die Gabe von 10 000 Einheiten Vitamin D/die über sieben Tage therapiert werden. Da ein Rezidiv der Erkran- kung auftreten kann, ist eine jährli- che Kontrolluntersuchung wün- schenswert.

(Nach einem Vortrag auf dem 24.

Deutschen Kongreß für ärztliche Fortbildung im Mai 1975 in Berlin.

Die angegebenen Bestimmungen von Parathormon und AMP wurden im Klin.-Chem. Labor, Med. Univ.- Klinik, Heidelberg, durchgeführt.)

Anschriften der Verfasser:

Professor Dr. med. H.-D. Röher Chirurgische Universitäts-Klinik Im Neuenheimer Feld 110 6900 Heidelberg

Dr. med. H. Schmidt-Gayk Medizinische

Universitäts-Klinik Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg

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