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Archiv "Zelltherapeutische Strategien für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1: Von der Inselzelltransplantation zur Stammzelltherapie" (06.06.2003)

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Academic year: 2022

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llein in Deutschland leben derzeit fast fünf Millionen Patienten mit Diabetes mellitus, und ihre Zahl steigt ständig. Viele dieser Patienten entwickeln Spätkomplikationen, wie beispielsweise koronare Herzkrank- heit, Schlaganfall, Retinopathie, Neuro- pathie und Nierenversagen. Hierdurch entstehen enorme Belastungen für das gesetzliche Gesundheitssystem, wobei Patienten mit diabetischen Komplika- tionen deutlich höhere Kosten als Dia- betiker ohne Folgeerkrankungen verur- sachen und damit wesentlich zur Ko- stenexplosion beitragen (26).

Da bisher, trotz moderner Insulin- präparate und intensivierter Insulinthe- rapie, eine kontinuierliche Kontrolle des Blutglucosespiegels, und damit die Vermeidung von diabetischen Kompli- kationen, nur bedingt gelingt, wird welt- weit intensiv nach Alternativen zur Substitution mit exogenem Insulin ge- sucht. Hierbei steht vor allem der zell- therapeutische Ersatz der zerstörten β-Zellen im Mittelpunkt. In der klini-

schen Vision würde im Idealfall die am- bulante Transplantation von Langer- hans-Inseln oder in vitro differenzier- ten Stammzellen, die je nach Lebens- dauer des Transplantats in bestimmten Zeitabständen ersetzt werden müssen, bei Typ-1-Diabetikern die verlorene en- dogene glucosesensitive Insulinsekreti- on wiederherstellen und somit das Risi- ko von Spätkomplikationen bei gerin- gem Aufwand und gesteigerter Lebens- qualität drastisch senken. Der breite Einsatz zelltherapeutischer Strategien für die Behandlung des Diabetes melli- tus Typ 1 erscheint aber nur realistisch, wenn hierdurch auch Kosten gegenüber der bisherigen Insulintherapie einge- spart werden könnten. Schätzungen ge- hen derzeit jedoch davon aus, dass sich die β-Zell-Ersatztherapie dennoch zu einer kostengünstigen Alternative ent- wickeln kann (35).

Pankreas- und Inseltransplantation

Klinisch bereits eingeführt ist die Trans- plantation von ganzen Pankreata oder isolierten Langerhans-Inseln. Aufgrund der zur Vermeidung von Abstoßungen notwendigen Immunsuppression wer- den Pankreas oder Inseln meist gemein- sam mit Nieren transplantiert.Während die Transplantation eines Pankreas ein komplizierter Eingriff mit vielen poten- ziellen Komplikationen für den Patien- ten darstellt, können Injektionen von Pankreasinseln in die Leberportalvene (10) theoretisch auch ambulant durch- geführt werden. Gegen die Inseltrans- plantation sprach bisher die geringe Ef- fizienz. So waren 65 bis 80 Prozent der Empfänger von intakten Pankreata, aber nur weniger als 20 Prozent der Empfänger von Inseln nach einem Jahr insulinunabhängig (7, 44). Als Hauptur- sachen für diese Diskrepanz gelten die β-Zell-schädigenden Auswirkungen der Aufreinigung von Inseln aus Spender-

Zelltherapeutische

Strategien für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1

Von der Inselzelltransplantation zur Stammzelltherapie

Zusammenfassung

Typ-1-Diabetiker sind nach der autoimmunen Zerstörung der Insulin produzierenden ββ-Zellen im endokrinen Pankreas lebenslang auf die Substitution mit Insulin angewiesen. Trotz mo- derner Therapieformen gelingt eine kontinu- ierliche Kontrolle des Blutzuckers nur bedingt.

Schwere diabetische Komplikationen wie koro- nare Herzkrankheit, Schlaganfall, Retinopa- thie, Neuropathie, Amputationen und Nieren- versagen sind häufig die Folge. Eine klinisch eingeführte Alternative ist die Transplantation von humanen Langerhans-Inseln, die aber durch die geringe Verfügbarkeit von humanem Spendermaterial limitiert ist. Bei der intensiven Suche nach neuen Quellen für ββ-Zellen sind Langerhans-Inseln von Schweinen und huma- ne Stammzellen in den Fokus des wissenschaft- lichen Interesses gerückt. Vor diesem Hinter- grund erläutern die Autoren den aktuellen

Stand der Forschung und präsentieren eine neue Strategie, die es ermöglichen soll, aus adulten Stammzellen des endokrinen Pankreas unbegrenzte Mengen von Insulin produzieren- den Zellen für die ββ-Zell-Ersatztherapie zu ge- nerieren.

Schlüsselwörter: Diabetes mellitus, Inselzell- transplantation, Stammzelltherapie, Typ-1- Diabetes, Organtransplantation

Summary

Novel Cell Therapy for the Treatment of Diabetes Mellitus Type 1 – From Islet Transplantation to Stem Cell Therapy Due to autoimmune destruction of the insulin producing pancreatic ββ-cells type 1 diabetic patients rely on lifelong substitution with insulin. Despite modern therapeutic strategies

continuous control of blood sugar levels fre- quently fails. Severe diabetic complications, such as coronary heart disease, stroke, retino- pathy, neuropathy, amputation and renal failure frequently occur. A clinically established alternative therapy, the transplantation of human islets of Langerhans, is limited by the lack of donor organs. The intensive search for new sources of pancreatic ββ-cells now focuses on pancreatic islets from pigs and human stem cells. In the light of this new research the authors elucidate the current scientific status quo and present a new strategy to support pancreatic ββ-cell replacement therapy by generating unlimited amounts of insulin pro- ducing cells from adult stem cells of the endo- crine pancreas.

Key words: diabetes mellitus, transplantation of islet cells, stem cell therapy, type 1 diabetes, transplantation of organs

Schwerpunkt Stoffwechsel, Endokrinologie und Moleku- lare Medizin (Direktor: Prof. Dr. med. Klaus Wilms), Medi- zinische Poliklinik der Universität Würzburg

Günter Päth

Jochen Seufert

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organen und die diabetogenen Neben- wirkungen der herkömmlicherweise eingesetzten Immunsuppressiva. Hin- sichtlich der Vision, Typ-1-Diabetiker durch die ambulante Injektion von Spenderinseln für ein bestimmtes Zeit- intervall insulinunabhängig zu machen, ist die wesentlich geringere Zellmasse von Langerhans-Inseln sehr vorteilhaft.

Werden Inseln allein transplantiert, ent- fällt der gesamte exokrine Anteil des Pankreas beziehungsweise die simul- tan transplantierte Niere.Als Folge wird eine bei weitem schwächere Immun- antwort provoziert und die Immunsup- pression kann deutlich moderater aus- fallen.

Vor diesem Hintergrund wurde in einer als Edmonton-Protokoll bekannt gewordenen Studie ein neuer Ansatz getestet, bei dem Typ-1-Diabetiker mehrfach große Mengen AB0-kom- patible Inseln ohne Beach-

tung des HLA-Typs erhielten (40, 41). Abweichend von den üblichen Protokollen wurden die Inseln in Kulturmedien ohne Fremdproteine aufbe- reitet, und die Patienten be- kamen zur Minimierung dia- betogener Effekte eine ste- roidfreie Immunsuppression mit nur geringen Mengen an Calcineurininhibitoren. Von den bisher 17 langfristig be- obachteten Patienten der Stu- die waren nach einem Jahr 85

Prozent (statt bisher 14 bis 15 Prozent) und nach zwei Jahren 80 Prozent (vier von fünf) insulinunabhängig. Diese Strategie wird derzeit in einer weltwei- ten klinischen Studie in allen Insel- transplantationszentren weiter evalu- iert. Trotz aller Erfolge ist die Anwen- dung der Pankreas- und Pankreas- inseltransplantation durch den Man- gel an geeigneten Spenderorganen li- mitiert.

Alternative Spenderquellen

Wegen der geringen Verfügbarkeit von humanem Spendermaterial für die β-Zell-Ersatztherapie wird inten- siv nach alternativen Quellen für Insu- lin produzierende Zellen gesucht.

Derzeit werden folgende Möglichkei- ten erforscht: die Verwendung von

Langerhans-Inseln, die aus Pankreata von Schweinen isoliert werden sowie die Vermehrung und Differenzierung von humanen Stammzellen unter- schiedlicher Herkunft (Tabelle).

Xenotransplantation

Die große immunologische Barriere zwischen artfremden Organismen ver- stärkt die Abstoßungsreaktion gegen- über Xenotransplantaten. Um dies zu verhindern, werden zurzeit transgene Schweine entwickelt, die keine immu- nologisch relevanten Xenoantigene auf der Zelloberfläche exprimieren (8). Ein anderer Ansatz zur Verhinde- rung der immunologischen Ab- stoßungsreaktion von Xenotransplan- taten besteht in der Mikroverkapse- lung des transplantierten Materials (Pankreasinseln, endokrine Vorläufer- zellen des Pankreas). Hierfür wird derzeit das aus Algen gewonnene Po- lysaccharid Alginat getestet, das aus den polymer verknüpften Bausteinen β-D-Mannuronsäure und α-L-Gulu- ronsäure besteht und durch Abschir- mung vor der T-Zell-vermittelten Im- munreaktion die Überlebenszeit des Transplantats auch bei Xenotrans- plantation verlängern kann (31). Völ- lig unklar bleibt aber das Risiko der Übertragung von artfremden Patho- genen, besonders des mit Leukämie assoziierten porcinen endogenen Re- trovirus (PERV), auf den Menschen.

PERV, dessen Erbinformation perma- nent im porcinen Genom integriert ist, kann Zellen anderer Organismen infi- zieren und bei Befall von Keimzellen vererbt werden (43). Obwohl eine Übertragung auf den Menschen bisher nicht nachgewiesen werden konnte (11, 33), wurde die Übertragbarkeit von PERV aus porcinen Zellen auf menschliche Zellen in vitro (34, 43, 46, 48) und auf xenotransplantierte diabe- tische Mäuse in vivo (9, 46) bereits ge- zeigt. Bei der Abwägung des potenzi- ellen Risikos kommt Colin Michie (29) zu dem Fazit: „The histories of lentiviruses and prions have taught us about the untameabel distances bet- ween laboratory, the spread of infec- tious disease and public health. These same errors cannot be made again“.

A

A1606 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 236. Juni 2003

´ Tabelle ´

Zelltherapeutische Alternativen zur Inselzelltransplantation

Organismus Schwein Mensch

Zellen Inselzellen Embryonale SZ Adulte SZ

Herkunft Pankreas Blastozyste Pankreas Knochenmark andere

Ducti/Inseln Gewebe

(mesen- chymal)

Differenzierung ja ja bisher nein bisher nein

in ββ-Zellen

Zelltherapie des β-Zell-Ersatz β-Zell-Ersatz β-Zell-Ersatz verhindern bisher nein

Typ-1-Diabetes aber aber Autoimmu-

Xenotrans- ethisch um- nität und

plantation stritten induzieren

birgt Risiko Immun-

von Konta- toleranz

minationen (PERV) SZ, Stammzellen; PERV, porciner endogener Retrovirus

Grafik 1

Schematische Darstellung der Lokalisation adulter Stammzellen im Pankreas

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In vitro differenzierte humane Stammzellen

Grundsätzlich unterscheiden sich pluri- potente embryonale Stammzellen, die in beliebige Zelltypen differenzieren können, von adulten Stammzellen die nicht mehr pluripotent sind und eine ge- ringere Selbsterneuerungsrate aufwei- sen. Die Annahme, dass adulte Stamm- zellen nur in Zellen des Herkunftsge- webes differenzieren können, ist heute widerlegt. Beispielsweise wurden be- reits in vitro Zellen mit hepatischem Phänotyp aus adulten Stammzellen des endokrinen Pankreas (51) und neuro- ektodermale und entodermale Phäno- typen aus mesenchymalen Knochen- markstammzellen generiert (16).Welche Stammzellen eignen sich aber nach dem momentanen Stand der Wissenschaft für die β-Zell-Ersatztherapie?

Embryonale Stammzellen

Alle Zelltypen des adulten Säugetier- organismus entstammen letztlich ei- ner einzigen Zelle, der befruchteten Oozyte, aus der sich durch Zellteilung zunächst das mehrzellige Präimplan- tationsstadium des Embryos, die Bla- stozyste, bildet. Diese frühe Differen- zierung ist eng mit der Expression des Transkriptionsfaktors Oct4 in der in- neren Zellmasse der Blastozyste asso- ziiert. Oct4 gilt als wichtiger Regulator der Pluripotenz früher embryonaler Zellen (2). Dementsprechend ist die innere Zellmasse der Blastozyste die wichtigste Quelle für pluripotente em- bryonale Stammzellen (45). In späte- ren Stadien der Embryonalentwick- lung wird Oct4 nur noch in primordia- len Keimbahnzellen exprimiert, die daher ebenfalls für die Gewinnung von Stammzellen mit pluripotentem Charakter genutzt werden können (39). Wegen ihrer Herkunft ist die Ver- wendung menschlicher embryonaler Stammzellen in Forschung und Thera- pie ethisch stark umstritten.

Ungeachtet ethischer Bedenken ist es verschiedenen internationalen For- schergruppen inzwischen gelungen, murine und humane embryonale Stammzellen in vitro in Insulin produ- zierende Zellen zu differenzieren (1,

27, 42). Die Transplantation solcher β- Zell-Phänotypen in die Milz von dia- betischen Mäusen normalisierte deren Blutglucosespiegel innerhalb weniger Tage, und nur 6 von 15 der transplan- tierten Tiere (40 Prozent) wurden er- neut hyperglykämisch (42). Transplan- tatabstoßungen wurden innerhalb des Untersuchungszeitraums von 16 Wo- chen nicht beobachtet, was auf eine geringe Immunogenität dieser Zellen hindeutet. Allerdings induzierten die

transplantierten Zellen in ersten Ex- perimenten maligne Teratome. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Transplantation nativer embryonaler Stammzellen ein etabliertes Modell zur Induktion dieser Tumoren ist (20).

Diese Eigenschaft kann, zumindest teilweise, durch die reduzierte mitoti- sche Rekombination und die erhöhte Rate uniparentaler Disomie in diesen Zellen erklärt werden (6). Differen- zierung und Selektion sind demnach kritische Faktoren. Eine Verwendung von embryonalen Stammzellen für die β-Zell-Ersatztherapie ist daher erst gefahrlos möglich, wenn der Entwick- lungsprozess zur β-Zelle vollständig verstanden und eine exakte Nachah- mung in vitro möglich ist.

Adulte hämatopoetische Stammzellen

Typ-1-Diabetes ist durch Transplanta- tion von Knochenmark aus diabeti- schen Mäusen (13) und Menschen (18, 19, 47) auf nicht diabetische Individuen übertragbar. Dies weist darauf hin, dass Defekte in hämatopoetischen Stamm- zellen für die autoimmune Zerstörung von β-Zellen verantwortlich sind. Um- gekehrt unterbindet der Transfer von

normalem Knochenmark dauerhaft In- sulitis und autoimmune Zerstörung von β-Zellen in bestrahlten diabeti- schen Mäusen (14, 15, 17, 23, 28, 38). Ob dieser Ansatz auch beim Menschen praktikabel ist, bleibt ungewiss. Es wur- den aber bereits drei Fälle von Typ-1- Diabetikern mit malignen Erkrankun- gen beschrieben, die nach Knochen- marktransplantation keine Anzeichen von Autoimmunität mehr aufwiesen (30).

Weiterhin verhindert die immunolo- gische Konditionierung des Empfän- gers durch sequenzielle Transplantation von spenderidentischem Knochenmark (zuerst) und Inselzellen (später) Trans- plantatabstoßungen dauerhaft (32), wo- bei eine zeitliche Differenz von 24 bis Abbildung: Immunhistochemischer Nachweis des Stammzellmarkers Nestin. a) Nestin-positive Stammzellen in Langerhans-Inseln des humanen Pankreas (60 x). b) Negativkontrolle ohne Nestin-spezifische Antikörper in einem sequenziellen Schnitt (60 x). c) Kulturen expandierter singulärer Nestin-positiver Einzelklone aus Langerhans-Inseln des humanen Pankreas (30 x).

d) Negativkontrolle ohne Nestin-spezifische Antikörper (60 x).

a b

c d

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48 h ausreicht (24). Sogar in diabetische Mäuse xenotransplantierte Inselzellen von Ratten überleben bei gleichzeitiger Knochenmarktransplantation langfristig (25, 49). Auch beim Menschen konnte die zusätzliche Gabe von spenderidenti- schem Knochenmark die Anzahl der Abstoßungen bei immunsupprimierten Patienten nach simultaner Transplantati- on von Niere und Pankreas im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Knochen- markspende von 71 Prozent (10 von 14) auf 45 Prozent (5 von 11) senken (4, 5).

Obwohl nicht alle Patienten von der Knochenmarkspende profitierten, zei- gen diese ersten Daten das große Poten- zial dieses Therapieansatzes.

Adulte Stammzellen im Pankreas

Im Pankreas konnten adulte Stamm- zellen im Epithel der Pankreasgänge und in Langerhans-Inseln selbst nach- gewiesen werden (Grafik 1). Duktale Stammzellen prädiabetischer NOD- Mäuse bilden in vitro unter dem Ein- fluss spezifischer Wachstumsfaktoren inselähnliche Strukturen, die funkti- onsfähige α-,β- und δ-Zellen enthal- ten (36). Unter die Nierenkapsel im- plantiert, senkten diese Inselstruktu- ren die Blutglucosespiegel von diabe- tischen NOD-Mäusen auf annähernd normale Werte. Abstoßungsreaktio- nen wurden nicht beobachtet. Auch adulte Stammzellen des humanen Pankreas, sowohl duktale (3) als auch intrainsuläre (51), können in vitro funktionsfähige Inselstrukturen bil- den, deren Effizienz aber in vivo beim Menschen bisher nicht getestet wurde.

Adulte Stammzellen des Pankreas sind durch die Expression des Fila- mentproteins Nestin charakterisiert (12, 51), das ursprünglich als Marker für neuronale Stammzellen im zentra- len Nervensystem beschrieben wurde (22). Auch in isolierten Pankreasinseln des Menschen können Nestin-positive Stammzellen immunhistochemisch nachgewiesen werden (Abbildung a und b). Innerhalb der Langerhans-In- sel umfasst diese Population adulter Stammzellen allerdings beim Men- schen nur circa 5 bis 10 Prozent der Gesamtzahl an Zellen der Pankreasin-

sel. Dennoch können diese adulten Stammzellen aus dem endokrinen Pankreas des Menschen isoliert wer- den und in Zellkultur zu einer Rein- kultur von Nestin-positiven Stamm- zellen herangezüchtet werden (Abbil- dung c und d). Darüber hinaus ist ge- zeigt worden, dass gerade diese Nestin-positiven intrainsulären adul- ten Stammzellen des endokrinen Pan- kreas das Potenzial besitzen, in vitro in Insulin produzierende Zellen zu diffe- renzieren, welche glucoseabhängig ei- ne regulierte Insulinsekretion zeigten (51). Nestin-positive Zellen scheinen, zumindest bei der Maus, auch mesen- chymaler Herkunft zu sein (37). Dies ist insofern von Bedeutung, als mesen- chymale Knochenmarkzellen sich in unterschiedlichste Gewebetypen dif- ferenzieren können (16).

Anreicherung von Pankreas- Stammzellen

Nach wie vor ist das Problem der ge- ringen Verfügbarkeit von geeignetem Material für die β-Zell-Ersatztherapie ungelöst. Hinsichtlich ethischer Fra- gen und aufgrund ihrer geringen Mali- gnität erscheinen die adulten Stamm-

zellen im endokrinen Pankreas des Menschen zurzeit als das geeignetste Werkzeug um den Engpass, der durch die begrenzte Verfügbarkeit von Spen- derorganen hervorgerufen wird, zu er- weitern.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung wird in einem vom Bundes- ministerium für Bildung und For- schung (BMBF) geförderten Verbund- projekt zwischen der Medizinischen Poliklinik der Universität Würzburg (Priv.-Doz. Dr. med. J. Seufert) und dem Inseltransplantationszentrum in Gießen (Prof. Dr. med. R. Bretzel) ei- ne β-Zell-Ersatztherapie für Typ-1- Diabetiker unter Verwendung von adulten Stammzellen aus dem Pan- kreas des Menschen entwickelt. Die wichtigsten frühen Phasen dieses Pro- jekts sind die Isolation, Expansion und Differenzierung dieser Zellen. Die ge- nerelle Strategie dieses Projekts ist in Grafik 2 dargestellt.

Die bisherige Methode, Stammzel- len des endokrinen Pankreas in vitro durch Einzelzellklonierung singulärer Zellen zu isolieren, ist langwierig und quantitativ unbefriedigend (51). Da- her soll die Aufreinigung dieser Zellen durch zwei neue Ansätze wesentlich effektiver werden. Zum einen kann A

A1610 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 236. Juni 2003

Grafik 2

Generelle Strategie des vom BMBF geförderten Verbundprojekts zwischen der Medizinischen Poliklinik der Universität Würzburg und dem Inseltransplantationszentrum in Gießen zur Eta- blierung einer ββ-Zell-Ersatztherapie für Typ-1-Diabetiker unter Verwendung Nestin-positiver adulter Stammzellen aus dem humanen Pankreas.

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man das Filamentprotein Nestin als spezifischen Marker nutzen. Ferner können dispergierte humane Inselzel- len mit Vektorkonstrukten transfiziert werden, die aufgrund spezifischer Se- quenzen für den Nestin-Promotor und das für die Gewebespezifität im ZNS verantwortliche zweite Intron des Nestin-Gens (50) ausschließlich in Nestin-positiven Zellen aktiv sind.

Über Resistenzgene in diesen Kon- strukten können die Nestin-positiven Zellen spezifisch aus Inselzellkulturen selektioniert werden. Alternativ wird versucht, diese Zellen mit Antikör- pern gegen die spezifischen Ober- flächenproteine ABCG2 („ATP-bin- ding cassette transporter 2“) und MDR1 („P-glycoprotein pump“) auf- zureinigen (21).

Nach der Selektion müssen die Stammzellen in vitro vermehrt wer- den. Da adulte Stammzellen sich bis- lang nur schlecht in vitro expandieren ließen, sollen regulierbare Vektorsy- steme mit kodierenden Sequenzen für proliferationsassoziierte Faktoren, die

bereits im Rahmen des Projekts iden- tifiziert wurden, das Wachstum der Zellen verstärken. Ist eine stabile Zellkultur etabliert, können diese Zel- len in Insulin produzierende β-Zellen differenziert und anschließend im Tiermodell immunologisch und funk- tionell charakterisiert werden. Weiter- hin soll die Bildung inselartiger Struk- turen mit ihren komplexen räumli- chen Wechselwirkungen in der dreidi- mensionalen Zellkultur, dem „tissue engineering“, optimiert werden, um die biologischen Funktionen dieser künstlichen Pankreasinseln zu verbes- sern (bioartifizielles Pankreas).

Ausblick

In der Zukunft wird es vielleicht mög- lich sein, adulte Stammzellen des Pan- kreas unbegrenzt in vitro zu vermeh- ren und in glucosesensitive β-Zellen beziehungsweise Pankreasinseln zu differenzieren, welche dann ähnliche Eigenschaften wie die endogenen β-

Zellen besitzen. Transplantatbedingte und autoimmunologische Probleme könnten durch Generierung von Stammzelllinien mit jeweils empfän- gerspezifischem AB0- und HLA-Ty- pus gelöst werden. Möglicherweise be- deutet dann in einigen Jahren die Dia- gnose Typ-1-Diabetes für den Patien- ten nicht mehr lebenslang mit einer unheilbaren Krankheit behaftet zu sein.

Manuskript eingereicht: 14. 1. 2003, revidierte Fassung angenommen: 31. 3. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1604–1611 [Heft 23]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit2303 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Jochen Seufert Schwerpunkt Stoffwechsel, Endokrinologie und Molekulare Medizin

Medizinische Poliklinik der Universität Würzburg Klinikstraße 6–8

97070 Würzburg

E-Mail: j.seufert@mail.uni-wuerzburg.de

Mehr als die Hälfte der US-amerikani- schen Bevölkerung ist übergewichtig oder leidet an Adipositas. Besonders hoch ist die Prävalenz bei Frauen.Adipo- sitas erhöht das Risiko für chronische Er- krankungen wie beispielsweise koronare Herzkrankheit, Diabetes Typ 2, und eini- ge Krebsarten, insbesondere Darmkrebs und postmenopausalen Brustkrebs. Die zunehmende Verbreitung dieser Erkran- kung wird in den USA vom öffentlichen Gesundheitswesen daher mit großer Be- sorgnis betrachtet.

In einer randomisierten kontrollierten Studie untersuchten die Autoren die Wir- kung von regelmäßigem Körpertraining verschiedener Intensität auf das Gesamt- körperfett, intraabdominale Fett und Körpergewicht. 173 postmenopausale

Frauen, im Alter zwischen 50 und 75 Jah- ren, mit einem Bodymass-Index über 24 und einem Körperfettanteil von mehr als 33 Prozent, nahmen zwischen 1997 und 2001 an der Untersuchung teil.

87 der Studienteilnehmerinnen ab- solvierten unter professioneller Anlei- tung ein externes 3-monatiges Trai- ningsprogramm und führten das Trai- ning anschließend neun Monate über- wiegend zu Hause weiter durch. Die übrigen 86 Frauen fungierten als Kon- trollen. Nach drei und zwölf Monaten wurden Körpergewicht, Taillen- sowie Hüftumfang gemessen und nach zwölf Monaten zudem der Gesamtkörperfett- anteil, der Anteil an intraabdominalem und an subkutanem abdominalen Fett bestimmt. Die Gesamtdaten über einen

Interventionszeitraum von zwölf Mona- ten konnten von 168 Frauen ermittelt werden.

Bei den Frauen, die sich dem Trai- ningsprogramm unterzogen hatten, zeig- te sich im Vergleich zu der Kontrollgrup- pe eine signifikante Reduktion von Kör- pergewicht, intraabdominalem und sub- kutanem abdominalen Fett. Der Erfolg der Körperfettreduktion nahm mit der Dauer der körperlichen Aktivität deut-

lich zu. Se

Irwin ML, Yasui Y, Ulrich CM, Bowen D, Rudolph RE, Schwartz RS, Yukawa M, Aiello E, Potter JD, McTiernan A:

Effect of exercise on total an intra-abdominal body fat in postmenopausal woman. A randomized controlled trial.

JAMA 2003; 289: 323–330.

MD PhD Anne McTiernan, Fred Hutchinson Cancer Research Center, 1100 Fairview Ave N, MP-900 Seattle, WA 98109- 1024. E-Mail: amctiern@fhcrc.org

Postmenopausale Adipositas:

Bewegungstraining reduziert Körperfett

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