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Archiv "Therapie des Diabetes mellitus Typ 2" (31.01.2014)

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(1)

Therapie des

Diabetes mellitus Typ 2

Andreas F. H. Pfeiffer, Harald H. Klein

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Die Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 in der Erwachsenenbevölkerung beträgt 5–8 %. Bei der initial meist symptomlosen Erkrankung ist das Ziel die rechtzeiti- ge Erkennung und die Vermeidung von Komplikationen.

Methode: selektive Literaturrecherche unter Berücksichti- gung nationaler und internationaler Leitlinien.

Ergebnisse: Hohe Energiezufuhr und mangelnde Bewegung tragen zur Manifestation des Typ-2-Diabetes bei, und An- strengungen, dies zu ändern, sind Basis jeder Therapie. Wann bei Versagen dieser Lebensstilmaßnahmen eine medikamen- töse Therapie begonnen oder gesteigert werden sollte, orien- tiert sich prinzipiell am HbA1c. Leitlinien empfehlen einen HbA1c-Zielkorridor zwischen 6,5 und 7,5 %, der individuelle Zielwert soll patientenspezifische Gegebenheiten berücksich- tigen und gemeinsam mit dem Patienten festgelegt werden.

Initial wird Metformin empfohlen. Ist dieses kontraindiziert, wird schlecht vertragen oder reicht in seiner Wirksamkeit nicht mehr aus, gibt es eine Vielzahl von Therapiealternativen oder -ergänzungen. Für Sulfonylharnstoffe und Insulin wurde in Studien ein Nutzen bezüglich patientenrelevanter End- punkte gezeigt, für andere Antidiabetika (außer Metformin) sind entsprechende Studienergebnisse noch nicht verfügbar.

Vorteile anderer Substanzen können im Individualfall ein ge- ringeres Hyopglykämierisiko, geringere Gewichtszunahme, orale Applikation und/oder Verwendbarkeit bei Niereninsuffi- zienz sein. Die individuell ausgerichtete Therapie orientiert sich an Erkrankungsstadium, Alter, Körpergewicht, Komorbi- ditäten, beruflicher Situation, Compliance und Prioritäten des Patienten. Die Kombination von mehr als zwei Antidiabetika wird derzeit nicht empfohlen.

Schlussfolgerungen: Obwohl eine Vielzahl von Therapieoptio- nen verfügbar ist, stellt die individualisierte Langzeittherapie oft eine besondere Herausforderung dar.

►Zitierweise

Pfeiffer AFH, Klein HH: The treatment of type 2 diabetes. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(5): 69–82.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0069

D

iabetes mellitus Typ 2 ist eine Stoffwech - selstörung, die durch chronisch erhöhte Blutzu- ckerspiegel gekennzeichnet ist. Sie ist typi scherweise Folge einer den Energiebedarf über steigenden Ener- giezufuhr in Kombination mit einer unzureichenden Insulinsekretion durch eine Stö rung der Funktion der insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas. Ener- gieexzess ebenso wie Energiemangel durch Kalorien- restriktion lösen eine evolutionär konservierte Adap- tation des Stoffwechsels aus. Der Energieexzess be- dingt eine Hemmung der weiteren Substrataufnahme in Muskel, Fettge webe und Leber, was sich als Insu- linresistenz manifestiert (1). Verbunden hiermit sind zahlreiche weitere Störungen des Energiestoffwech- sels, weil Insulin sowohl den Zucker- als auch den Fett- und Proteinstoffwechsel als übergeordnetes Hor- mon integriert (2).

Die Adipositas, insbesondere bei vorwiegend abdominaler Fettverteilung und in Verbindung mit physischer Inaktivität, bedingt häufig erhöhte Trigly- zerid- und erniedrigte HDL-Cholesterinspiegel, eine gestörte Glukosetoleranz und/oder gestörte Nüch- ternglukose, Hypertonie, erhöhte Fibrinogenspiegel, subklinische Inflammation, Mikroalbuminurie, nichtalkoholische Fettleberhepatitis und eine Hyper- urikämie (3).

Die Insulinresistenz steigert den Insulinbedarf und führt zur Diabetesmanifestation, wenn keine aus - reichen de kompensatorische Betazellfunktion besteht, die weitgehend genetisch und epigenetisch determiniert ist. Die überwiegende Zahl der über 50 identifizierten

„Diabetesgene“ beeinflusst die Betazellfunktion und -regeneration (4).

Die Prävalenz des Diabetes mellitus in Deutsch- land liegt bei 5–8 %, mit steigender Tendenz (5).

Proportional zu den Blutzuckeranstiegen steigt das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen an Augen, Nerven und Nieren (1) und macht den Diabetes zur häufigsten Ursache für Erblindung,

Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke, Nuthetal: Prof. Dr. med. Pfeiffer

Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährung, Charité Universitäts - medizin Berlin, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin: Prof. Dr. med. Pfeiffer Medizinischen Klinik I (Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie und Stoffwechsel sowie Gastroenterologie und Hepatologie), Berufsgenossen- schaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr- Universität Bochum: Prof. Dr. med. Klein

Definition

Diabetes mellitus Typ 2 ist Folge einer gestörten Insulinwirkung in Kombination mit einer unzureichenden Insulinsekretion.

Punkte 3

cme

Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

(2)

Niereninsuffizienz und Amputation der unteren Ex- tremität.

Prospektive Observationsstudien zeigen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre und maligne Erkrankungen bei erhöhtem Blutzucker (3, 6).

Lernziele

Der Leser dieses Beitrags soll nach der Lektüre des Beitrags zu Folgendem befähigt sein:

Therapieziele unter Berücksichtigung Patien- ten-individueller Gegebenheiten festlegen zu können

Eigenschaften sowie Vor- und Nachteile der an- tihyperglykämischen Substanzen zu kennen so- wie individuelle differenzialtherapeutische Ent- scheidungen treffen zu können

Grundlegende Prinzipien des Einsatzes von In- sulin(en) beziehungsweise dessen (deren) Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Substanzen zu kennen.

Redaktionelle Anmerkung

Der Text orientiert sich an den Empfehlungen der Na- tionalen Versorgungsleitlinie,Therapie des Typ-2-Dia- betes (NVL, Version 3; www.versorgungsleitlinien.de/

themen/diabetes2/dm2_therapie/pdf/nvl-t2d-therapie- kurz-3.pdf). Die Leitlinie enthält in der Pharmakothera- pie etwas abweichende Algorithmen basierend auf Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allge- meinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) ei- nerseits und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Deutschen Gesellschaft für Innere Medi- zin (DGIM) andererseits (Grafik). Die Autoren bezie- hen sich bevorzugt auf den Algorithmus der DDG.

Nichtmedikamentöse Therapie

Kalorienrestriktion und körperliche Aktivität akti- vieren auch kurzfristig zelluläre Schutzmechanis- men, die eine Protektion des Organismus erlauben, indem sie die:

mitochondriale Funktion verbessern

Bildung von Radikalen reduzieren

Proliferation hemmen und

Insulinwirksamkeit verbessern (7).

Blutdruck, Blutfette, Leberfettgehalt und Blutzucker sinken im Rahmen der Stoffwechselverbesserung pro- portional zur Gewichtsreduktion (8). Diese Zusam- menhänge sind Grundlage der „Lebensstiltherapie“.

KASTEN 1

Lebensstiländerung und Ernährungstherapie des Typ-2-Diabetes

Die individualisierte Schulung und Beratung des Patienten verbessert die Stoffwechselkontrolle und muss ab der Diagnose durchgeführt werden.

Eine Anleitung zu individuell angepasster körperli- cher Aktivität von mindestens 30 min täglich ist grundlegender Bestandteil der Lebensstiländerung.

Gewichtsziele sind individuell festzulegen und Stra- tegien zur Erreichung der Ziele vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung der Energiebalance zu erörtern.

Eine individualisierte Ernährungsberatung, ausge- hend von Essgewohnheiten und Vorlieben des Pa- tienten, sollte mit praktischen Beispielen erfolgen.

Der Patient muss lernen, wie Kohlenhydrate seinen Blutzucker beeinflussen. Kohlenhydrate sollen vor- wiegend als Gemüse konsumiert werden, bei Reduk- tion stärkehaltiger Gemüse (Kartoffeln, Reis, Mais) und moderaten Mengen an Obst. Der Patient soll die Menge der Kohlenhydrate in etwa abschätzen können.

Zucker ist in moderatem Umfang erlaubt. Fruchtzu- ckerhaltige Diätprodukte sind nachteilhaft und sollten gemieden werden. Süßstoffe sind erlaubt und metabolisch unproblematisch.

Das Ziel, 30 g Ballaststoffe/Tag aufzunehmen, soll praktisch umsetzbar dargestellt werden.

Informationen über Fette, den Gehalt von Lebensmit- teln an gesättigten und gehärteten Fetten und das Ziel, gesättigte Fette auf 7–10 % der Energiezufuhr zu senken, sollen praktisch anwendbar vermittelt werden.

Alkohol ist in moderaten Mengen erlaubt (Frauen bis 15 g/Tag, Männer bis 30 g/Tag)

Die relativen Anteile von Protein (10–25 %), Fetten (25–40 %) und Kohlenhydraten (40–55 %) können individuell angepasst werden.

*1 modifiziert nach (3, 11, e25–e27)

Prävalenz

Die Prävalenz von Diabetes mellitus beträgt in Deutschland 5–8 %, mit steigender Tendenz.

Nichtmedikamentöse Therapie Kalorienrestriktion und körperliche

Bewegung aktivieren auch kurzfristig zelluläre

Schutzmechanismen, die eine Protektion des

Organismus erlauben.

(3)

Dies ist in randomisierten prospektiven großen Stu- dien nach Evidenzkriterien der Klasse A belegt, wie beispielsweise der UKPDS-Studie, in der die initiale dreimonatige Schulung eine Absenkung des HbA1c um 1 % bei 3 867 Patienten bewirkte (9). Die Look- AHEAD-Studie mit 5 000 Diabetes patienten unter- suchte eine intensive gegen eine übliche Schulung über vier Jahre und zeigte eine Gewichtsabnahme um durchschnittlich 4,5 kg (10, 11). Die Absenkung des HbA1c um 0,3–1 %, der Triglyzeride, des systoli- schen und diastolischen Blutdrucks sowie der Anstieg des HDL-Cholesterins waren direkt mit dem Umfang der Gewichtsabnahme korreliert (11). Erhebliche Ver- besserungen des Zuckerstoffwechsels treten bereits nach vier bis sieben Tagen einer (8) Kalorienrestriktion auf 600–800 kcal/Tag auf und entsprechen etwa 50 % des Effektes, der durch eine achtwöchige Gewichtsab- nahme zu erreichen ist (7). Eine Normalisierung des Zuckerstoffwechsels konnte durch achtwöchige Kalo- rienrestriktion auf 600 kcal/Tag erreicht werden (12).

Die Nahrungskomposition und körperliche Aktivität beeinflussen neben dem Gewicht den Stoffwechsel grundlegend und begründen eine individualisierte Be- ratung und Schulung (Kasten 1).

Medikamentöse Therapieziele

Ziele der Langzeittherapie des Typ-2-Diabetes sind vor allem:

die Verhinderung der mikroangiopathischen Folgeschäden wie Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie

die Verhinderung der makroangiopathischen Folgeschäden wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputation

die Wiederherstellung der Lebensqualität

die Reduktion von Begleiterkrankungen

das Erreichen einer Therapiezufriedenheit und -adhärenz.

die Vermeidung von Hypoglykämien und Ge- wichtszunahme.

Es besteht weitgehender Konsens darüber, dass ab einem HbA1c-Wert von 6,5 % (48 mmol/mol) das Risiko für diabetische Schäden kontinuierlich zu- nimmt (13, 16), so dass dieser HbA1c-Wert seit 2010/2011 Dia gnosekriterium in den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (14), der Deutschen Diabetesgesellschaft (15) und der aktuel- len Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „Thera- pie des Typ 2-Diabetes“ ist.

Auch wenn höhere Blutzuckerwerte mit einem hö- heren Risiko für Folgekomplikationen assoziiert sind, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes davon profitieren, wenn durch anti- hyperglykämische Therapie der HbA1c-Wert unter diese Grenze der Diabetes diagnose gesenkt wird.

Bezüglich mikroangiopathischer Komplikationen (Retin opathie und Nephropathie) war eine möglichst normnahe Blutzuckereinstellung vorteilhaft (16–18);

die 2–5-fach erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei Diabetes (19) ließ sich jedoch durch eine intensive medikamentöse Blutzuckereinstellung in den norm-

KASTEN 2

Therapieziele beim Typ-2-Diabetes

Die folgenden Ziele sollten in Abhängigkeit von Komorbiditäten, Lebenserwartung und Lebensalter angepasst werden

Erhalt und Wiederherstellung der Lebensqualität

Reduktion des Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und sonstige makro - angiopathische Folgekomplikationen sowie des diabetischen Fußsyndroms

Vermeidung und Behandlung mikrovaskulärer Folgekomplikationen (Erblin- dung, terminale Niereninsuffizienz, Neuropathie)

Kompetenzsteigerung der Betroffenen im Umgang mit der Erkrankung

Behandlungszufriedenheit

Förderung der Therapieadhärenz durch explizite Therapieziele

Vermeidung und Behandlung von Symptomen durch die Verbesserung der Stoffwechseleinstellung, die als Therapieziele mit dem Patienten individuell angepasst vereinbart werden sollten:

– Blutdruck: RR 130–140/80–85 mmHg*

– Gesamt-Cholesterin: < 180 mg/dL (< 4,7 mmoL/L)

– LDL: < 100 mg/dL (< 2,6 mmol/L), bei KHK: < 70 mg/dL (< 1,8 mmol/L) – HDL: ♂ > 40 mg/ dL (> 1,1 mmol/L); ♀ > 50 mg/dL (> 1,3 mmol/L) – Triglyzeride: < 150 mg/dL (< 1,7 mmol/L)

– Nikotinverzicht

– bei Übergewicht/Adipositas (ohne Herzinsuffizienz): Gewichtsreduktion anstreben

– körperliche Aktivität von ca. 150 min/Woche – Nüchternblutzucker 100–125 mg/dL (5,6–6,9 mmol/L)

*Diese Zielwerte wurden aufgrund aktueller Daten und unter Bezug auf die Leitlinie der European Society of Hypertension (e28) sowie Stellungnahmen der Deutschen Diabetesgesellschaft und der Deutschen Hochdruckliga e.V. gegenüber der ursprünglichen Leitlinieninformation angepasst. Das Ziel der Blutdruckeinstellung sollte im unteren Zielbereich dieser Werte liegen.

Ziele der Langzeittherapie sind

• die Verhinderung der mikro- und makroangiopathischen Folgeschäden

• die Wiederherstellung der Lebensqualität

• die Reduktion von Begleiterkrankungen

• das Erreichen einer Therapiezufriedenheit

HbA1c-Werte

Es wird ein individuell abzustimmender HbA1c-

Zielkorridor von 6,5–7,5 % empfohlen. Ein HbA1c

unter 6,5 % soll nur angestrebt werden, wenn er ohne

Medikation oder mit Medikamenten, aber ohne Gefahr

schwerer Nebenwirkungen erreicht werden kann.

(4)

nahen Bereich (mittlere erreichte HbA1c-Werte 6,4 bis 6,9 %, entsprechend 46 bis 52 mmol/mol vergli- chen mit mittleren HbA1c-Werten zwischen 7,5 bis 8,5 %, entsprechend 58–69 mmol/mol), nicht redu- zieren (18, 20, 21). In Metaanalysen unter Einschluss dieser und anderer Studien gibt es zwar Hinweise auf eine Reduktion nichttödlicher Myokardinfarkte oder mikrovaskulärer Endpunkte, nicht aber der kardio- vaskulären oder Gesamtmortalität oder von Schlagan- fällen (22–24). Langfristigere Studien mit patienten- relevanten Endpunkten werden deshalb weiter gefor- dert (23–26).

Ein möglicher Grund dafür, dass in den bereits ge- nannten Studien die normnahe Blutzuckereinstellung nicht zu einer Senkung der kardiovaskulären Morta- lität führte, könnte darin liegen, dass ein anzuneh- mender positiver Effekt der Blutzuckernormalisie- rung durch andere, negative Effekte der antihyper- glykämischen Therapieansätze zunichte gemacht wurde oder gar ins Gegenteil verkehrt wurde (20).

Als solche negativen Effekte werden die Auslösung von Hypoglykämien, die Begünstigung einer Ge- wichtszunahme oder andere ungünstige Nebenwir- kungen der in den Studien verwendeten Medikamen- te diskutiert. Subanalysen der Daten weisen darauf hin, dass besonders dann zu ehrgeizige HbA1c-Ziele nicht sinnvoll sind wenn

ein langjähriger schlecht eingestellter Diabetes vorausgeht

bereits signifikante kardiovaskuläre Erkrankun- gen vorhanden sind

eine Neigung zu Hypoglykämien besteht oder

das Therapieziel schwer zu erreichen ist.

Andererseits profitieren Patienten langfristig auch hinsichtlich der Vermeidung makrovaskulärer Schä- den dann von einer möglichst normnahen Therapie, wenn dieses Ziel nach der Diagnose zeitnah imple- mentiert wird (26). Dies unterstreicht, dass das HbA1c-Ziel individuell festgelegt werden sollte.

Unter Berücksichtigung dieser komplexen Situati- on enthalten die Empfehlungen der europäischen und amerikanischen Diabetesgesellschaften (1) und eben- so die gerade in Kraft getretene NVL „Therapiepla- nung bei Typ-2-Diabetes“ (27) Empfehlungen zu ei- ner patientenzentrierten Therapiekonzeption, die Le- bensumstände, Erkrankungsdauer, diabetische Kom- plikationen, Komorbiditäten, Alter und vor allem auch persönlichen Präferenzen und Wünsche des Patien - ten in den Vordergrund stellt. Übereinstimmend wird ein HbA1c-Zielkorridor zwischen 6,5 und 7,5 % (48–58 mmol/mol) zur Vermeidung von Komplikatio- nen empfohlen (27). Dies entspricht nährungsweise einer Nüchternglukose zwischen 100–125 mg/dL be- ziehungsweise 5,6–6,9 mmol/L und einer postpran- dialen Glukose zwischen 140–199 mg/dL beziehungs- weise 7,8–11,0 mmol/L. Die Therapieziele sollen mit dem Patienten detailliert vereinbart werden. Ein HbA1c von 6,5 % oder weniger wird für Patienten empfohlen, die dies ohne Medikamente oder mit einer risikoarmen Therapie erreichen können. Umgekehrt steht bei multimorbiden Patienten, die eine komplexe KASTEN 3

Individuelle HBA1c-Ziele

Das HBA1c-Ziel sollte individuell mit dem Patienten ver- einbart werden unter Berücksichtigung von

– Patientenpräferenz nach Aufklärung – Alter und Komorbidität

– Abwägung zwischen Nutzen (Risikoreduktion hin- sichtlich diabetesbedingter Folgeerkrankungen) und Schaden (z. B. Risiko für Hypoglykämien und Ge- wichtszunahme) der Substanzen

– Art der einzusetzenden Therapie

Es sollte eher im unteren Bereich des Korridors von 6,5–7,5 % (48–58 mmol/mol), ggf. sogar etwas darun- ter liegen bei

– kurzer Diabetesdauer, bislang moderat erhöhten HbA1c-Werten, keinen kardiovaskulären Schäden und/oder

– wenn das Ziel ohne wesentliche Probleme oder Ne- benwirkungen (Hypoglykämien, Gewichtszunahme) erreichbar ist.

Es sollte eher im oberen Bereich des Korridors oder ggf. sogar darüber liegen bei

– langjährig schlecht eingestelltem Diabetes und/oder bereits bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankun- gen sowie schwieriger Einstellbarkeit mit erhöhtem Hypoglykämierisiko oder

– Komorbiditäten, Lebenserwartung oder Begleitum- ständen, die Aufwand und Risiko im Vergleich zum Nutzen eines niedrigeren HbA1c-Ziels (Vermeidung von Komplikationen) nicht rechtfertigen.

Beschränkungen des Therapieziels für den HbA1c-Wert

Bei Patienten, die kardiovaskulär vorerkrankt sind und sich nur schwer und unter

Hypoglykämie gefährdung einstellen lassen, ist ein zu ehrgeiziger HBA1c-Wert nicht sinnvoll.

Medikamentöse antihyperglykämische Therapie

Während anfangs oft eine antihyperglykämische

Substanz ausreicht (Monotherapie), wird es im

Verlauf meist nötig, eine weitere Substanz mit

anderem Wirkansatz hinzuzufügen.

(5)

TABELLE

Wesentliche Eigenschaften antihyperglykämischer Medikamente

GFR, glomeruläre Filtrationsrate; DPP-4, Dipeptidyl-Peptidase 4; GLP-1, Glucagon-like-peptide-1; TN, terminale Nierenisuffizienz

*1 Bei unzureichender Stoffwechselführung unter oralen Antidiabetika, Neigung zu Hypoglykämien oder Nachlassen des Allgemeinbefindens sollte der Patient unab- hängig von der Clearance auf eine Form der Insulintherapie eingestellt werden. Dies gilt insbesondere bei Patienten mit stark wechselnder Nierenfunktion (www.diabetes.versorgungsleitlinien.de [27]).

*2 gilt nicht in Kombination mit einem Hypoglykämien-induzierenden Präparat

*3 Pioglitazon ist seit März 2011 von der Verordnungsfähigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen.

*4 betrifft primär das subkutane Fettgewebe und nicht das metabolisch ungünstigere viszerale Fettgewebe

*5 Exenatid: nicht bei verzögertem Präparat

*6 in Deutschland nicht eingeführt

*7 Nateglinid ist nur in Kombination mit Metformin zugelassen, so dass es bei Niereninsuffizienz nicht eingesetzt werden kann.

Metformin

Sulfonyl - harnstoffe

Glinide

DPP-4- Inhibitoren

SGLT2- Inhibitoren

GLP-1- Rezeptor - agonisten Acarbose Pioglitazon*3

Insulin

Hypoglykämierisiko/

Gewichtszunahme nein*2/nein

ja/ja

ja/ja

nein*2/nein

nein*2/nein

nein*2/nein

nein*2/nein nein*2/ja*4

ja/ja

Minimale*1 GFR [mL/min]

laut Fachinformation (Stand 9/2012) 60

dosisreduziert: 30 Gliquidon ohne Dosis - reduktion: 30

Repaglinid*7: Nierenin - suffizienz ist keine Kontra - indikation, Dosisanpassung empfohlen

Sitagliptin, Vildagliptin: 50 dosisangepasst bis TN Saxagliptin: 60, dosisange- passt 15, derzeit nicht empfohlen bei TN Linagliptin*6: ohne Dosis - anpassung auch bei schwerer Niereninsuffizienz 60 (Dapagliflozin)

Liraglutid: 60

Exenatid, Lixisenatid: 50, dosisangepasst beziehungs- weise mit Vorsicht 30*5 25

4

unbeschränkt

Besonderheiten häufig, besonders zu Beginn, gastrointestinale Nebenwirkungen: niedrig dosiert starten!

seit vielen Jahren etablierte und wirksame Substanzen

höhere Flexibilität als Sulfonylharnstoffe, da schnellerer Wirkbeginn und kürzere Wirkdauer

im Vergleich zu GLP-1-Rezept oragonisten:

orale Gabe

Gewichtsreduktion, Risiko für genitale Infektionen erhöht subkutane Gabe, gegenüber DPP-4-Inhibitoren stärkere Wirksamkeit und Gewichts- reduktion statt Neutralität häufig gastrointestinale Nebenwirkungen (Flatulenz) Gefahr der Flüssigkeitsre - tention und Herz insuffizienz, vermehrt Knochenbrüche, gegebenenfalls Zunahme von Blasenkrebs

Typische Zielgruppe

„first-line“- Medikament bei Typ-2-Diabetes

preiswerter Kombinations- partner für Metformin, preiswerte Alternative bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von Metformin

Vorteile gegenüber Sulfonylharnstoffen bei unregelmäßiger oder unzuverlässiger Nahrungs- aufnahme sowie bei Niereninsuffizienz mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblem

mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblem mit Metformin nicht ausreichend eingestellter Hypoglykämie-gefährdeter Patient mit Gewichtsproblem früher Typ-2-Diabetes oder als Kombinationspartner Kombinationspartner bei besonders Hypoglykämie- gefährdeten Patienten sowie höhergradiger Niereninsuffi- zienz

im fortgeschritten Stadium der Erkrankung nötig, Kombination mit Metformin sinnvoll

Weniger Insulin bei fallendem Blutzuckerspiegel Bei DPP-4-Inhibitoren und Inkretinmimetika, Metformin, Acarbose, Pioglitazon und

SGLT2-Hemmern geht bei fallenden Blutzucker- spiegeln die Insulinsekretion zurück. Daher ist das Hypoglyk ämierisiko niedrig.

Glukoseunabhängige Steigerung des Insulinspiegels

Bei Medikamenten, die die Insulinspiegel glukose -

unabhängig steigern, besteht die Gefahr, dass durch

zeitweise oder dauerhaft zu hohe Insulinspiegel eine

Gewichtszunahme und Hypoglykämien erfolgen.

(6)

KASTEN 4

Erläuterungen zu Grafik „Therapiealgorithmus des Typ-2-Diabetes“

Grafik und Text sinngemäß mit leichten redaktionellen Veränderungen und Kürzungen übernommen aus der Nationale VersorgungsLeitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes“ – Langfassung (27), mit freundlicher Genehmigung.

Die divergierende Bewertung der Datenlage führte teilweise zu unterschiedlichen Empfehlungen, die sich auch im Therapiealgorithmus widerspiegeln, basierend auf Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) einerseits und der Deut- schen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) andererseits.

AkdÄ/DEGAM

*1 Lebensstilmodifizierende, nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen sind wichtig, oft aber allein nicht ausreichend. Wenn in Einzelfällen von vornherein klar absehbar ist, dass lebensstilmodifizierende Maßnahmen allein nicht ausreichen werden (Ad- härenzprobleme, Schweregrad der Hyperglykämie, Multimorbidität), können diese Maßnahmen sofort mit Metformin kombi- niert werden.

*2 HbA1c-Zielkorridor von 6,5–7,5 %. Ein HbA1c-Zielwert nahe 6,5 % sollte nur mit Hilfe von Veränderungen des Lebensstils und/oder Metformin angestrebt werden.

*3 Zum therapeutischen Stellenwert der einzelnen Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen siehe Hintergrundinformationen, Kapitel H 6 (27).

*4 Wirkstoffe, zu denen klinische Studien mit diabetesrelevanten Endpunkten vorliegen.

*5 Bei der Gruppe der Sulfonylharnstoffe ist davon auszugehen, dass nicht alle Wirksubstanzen gleichermaßen nützen (27).

*6 Bei unzureichendem Therapieerfolg mit Therapiestufe 2 sollte zunächst verstärkt eine Veränderung des Lebensstils mit dem Patienten besprochen werden. Sollte dann dennoch ein zweites antihyperglykämisches Medikament erforderlich sein, wird vorrangig die zusätzliche Gabe von Insulin empfohlen. Die Kombination von zwei oralen Antidiabetika ist nur nach Aufklä- rung des Patienten über deren möglichen Schaden zu akzeptieren, wenn der Patient zwar seinen HbA1c senken will, hierfür aber kein Insulin zum aktuellen Zeitpunkt akzeptiert.

*7 Die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen (Glibenclamid) kann möglicherweise die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen (27).

*8 Warum GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT-2-Inhibitoren hier nicht erwähnt werden, wird in (27) ausgeführt.

Die Kombination von Metformin mit DPP-4-Hemmern wurde als dritte mögliche Option erwähnt. Diese Substanzgruppe führt selbst nicht zu Hypoglykämien, und sie ist gewichtsneutral. Kardiovaskuläre Endpunkte nehmen nicht zu. Sorge bereiten allerdings Studien, nach denen Pankreatitiden unter DPP-4-Hem- mern gehäuft vorkommen und auch Risikosignale für Pankreastumoren gefunden wurden. Bei über 70-Jährigen mit Diabetes können auch über 8 % liegende HbA1c-Werte toleriert werden, solange es nicht zu diabetesassoziierten Symptomen kommt. In dieser Situation ist das Risiko von Hypoglykämien geringer, und ein wesentliches Argument gegen die Kombination von Metformin mit Insulin entfällt. Zu Dreifachkombinationen mit oralen Antidiabetika liegen keine Stu- dien mit diabetesrelevanten Endpunkten vor, und das Sicherheitsprofil wird durch steigende unerwünschte Arzneimittelinteraktionen eingeschränkt. Dreifach- kombinationen werden daher nicht empfohlen.

DDG/DGIM

*1 Lebensstilmodifizierende, nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen stellen in jeder Phase der Erkrankung die Basisthera- pie dar, sind häufig jedoch allein nicht zielführend. Bei Patienten, bei denen mit lebensstilmodifizierenden Maßnahmen keine ausreichenden Erfolge abzusehen sind (aufgrund von Adhärenzproblemen, Schweregrad, Multimorbidität) können diese Maßnahmen sofort mit Metformin kombiniert werden.

*2 HbA1c-Zielkorridor von 6,5–7,5 %. Ein HbA1c-Zielwert nahe 6,5 % soll nur dann angestrebt werden, wenn:

– Hypoglykämien (insbesondere schwere) weitestgehend vermieden werden – der therapeutische Effekt nicht mit einer wesentlichen Gewichtszunahme einhergeht – hypoglykämisierende Mehrfachkombinationen von oralen Antidiabetika vermieden werden – eine kürzere Diabetesdauer und keine klinisch relevanten Komorbiditäten vorliegen.

*3 Zum therapeutischen Stellenwert der einzelnen Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen siehe Kapitel Pharmakotherapie (27).

*4 Die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen (Glibenclamid) kann möglicherweise die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen. Viele retrospektive Analysen zu Sulfonylharnstoffen mit und ohne Metformin zeigen signifikante Steigerungen kar- diovaskulärer Komplikationen und der Mortalität.

*5 Bei der Gruppe der Sulfonylharnstoffe ist davon auszugehen, dass nicht alle Wirksubstanzen gleichermaßen nützen.

Zusätzlich weisen Sulfonylharnstoffe ein Nebenwirkungsprofil auf, das häufig den individuellen Therapiezielen widerspricht.

*6 Diese beiden Substanzen spielen eine geringe Rolle in den Verordnungszahlen. Pioglitazon wird über die GKV nicht mehr erstattet.

*7 Zur Dreifachkombination mit oralen Antidiabetika liegen keine Studien mit diabetesrelevanten Endpunkten vor, und das Si- cherheitsprofil und die Therapieadhärenz werden durch mögliche steigende unerwünschte Arzneimittelinteraktionen einge- schränkt. Dennoch können Dreifachkombinationen wünschenswert und sinnvoll sein, insbesondere wenn sie keine hypogly- kämisierenden Substanzen enthalten.

*8 siehe kritische Wertung der Evidenz für die Therapie mit Sulfonylharnstoffen in Langfassung (27).

OAD, orale Antidiabetika; ICT, intensivierte konventionelle Therapie; CT, konventionelle Insulintherapie.

(7)

Menschen mit Typ-2-Diabetes

Hyperglykämie Fettstoffwechselstörung arterielle Hypertonie Rauchen Adipositas

Maßnahmen auf Grundlage der vereinbarten individuellen Therapieziele

Erste Stufe: Basistherapie (gilt zusätzlich auch für alle weiteren Therapiestufen):

Schulung, Ernährungstherapie, Steigerung der körperlichen Aktivität, Raucher-Entwöhnung*1 HbA1c-Zielkorridor: 6,5% bis 7,5%

Individuelles HbA1c-Ziel*2 nach 3 bis 6 Monaten nicht erreicht Zweite Stufe: Basistherapie plus Pharmaka-Monotherapie

Monotherapie nach DEGAM/AkdÄ: bei Metformin-Unverträglichkeit:

Mit Nutzennachweis in klinischen Endpunktstudien*3

tHumaninsulin:*4 Konventionelle Insulin-Therapie (CT) oder präprandial kurzwirksames Insulin (SIT)

tGlibenclamid (Sulfonylharnstoff)*4, 5

Ohne Nutzennachweis in klin. Endpunktstudien (in alphabetischer Reihenfolge)*3 t%11MOIJCJUPS

t(MVLPTJEBTFIFNNFS

tXFJUFSF4VMGPOZMIBSOTUPGGF(MJOJE

DEGAM/AkdÄ DDG/DGIM

1. Wahl Metformin

Monotherapie nach DDG/DGIM bei Metformin-Unverträglichkeit/

-Kontraindikationen*3: t%11MOIJCJUPS

t*OTVMJO IÊVGJH7FS[ÚHFSVOHTJOTVMJO t4(-5MOIJCJUPS

t4VMGPOZMIBSOTUPGG(MJOJE4, 5

t(MVLPTJEBTFIFNNFS6 t1JPHMJUB[PO6

Individuelles HbA1c-Ziel*2 nach 3 bis 6 Monaten nicht erreicht Dritte Stufe: Insulin allein oder Pharmaka-Zweifachkomblnation

Insulin allein oder Zweifachkombination nach DEGAM/AkdÄ:*6 Auf dieser Stufe der Therapie wird keine Empfehlung ausgesprochen,

TPOEFSO0QUJPOFOXFSEFONJUJISFO7PSVOE/BDIUFJMFOOFCFOFJOBOEFSHFTUFMMU t.FUGPSNJOQMVT*OTVMJOPEFS

7PSUFJMNFUIPE[VWFSMÊTTJHF&OEQVOLUTUVEJFO/BDIUFJM)ZQPHMZLÊNJF(FXJDIUT[VOBINF t.FUGPSNJOQMVT(MJCFODMBNJE*7 oder

7PSUFJMPSBMF(BCF/BDIUFJMIÚIFSF$7%.PSUBMJUÊUJONFUIPEJTDIOJDIUTFISHVUFO 4UVEJFO)ZQPHMZLÊNJF(FXJDIUT[VOBINF

t.FUGPSNJOQMVT%11MOIJCJUPS

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Zweifachkombination nach DDG/DGIM:

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Individuelles HbA1c-Ziel*2 nach 3 bis 6 Monaten nicht erreicht 7JFSUF4UVGF*OUFOTJWJFSUF SF*OTVMJOVOE,PNCJOBUJPOTUIFSBQJFGPSNFO

Intensive Insulin-und Kombinations- therapie nach DEGAM/AkdÄ:

t*OTVMJO

– präprandial kurzwirkend (SIT) oder – konventionell (CT) oder

– intensiviert (ICT)

tCFJ"EJQÚTFOQMVT.FUGPSNJO

Intensive Insulin- und Kombinationstherapie nach DDG/DGIM:

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GRAFIK

Therapiealgorithmus zur Behandlung des Typ-2-Diabetes (nach 27). Weitere Erläuterungen siehe Kasten 4

(8)

Therapie benötigen und durch diese gefährdet sein könnten, die Vermeidung von Nebenwirkungen im Vordergrund, so dass dann auch ein HbA1c über 7,5 % sinnvoll sein kann (1, 27).

Antihyperglykämische Substanzgruppen

Die Ansatzpunkte der antihyperglykämischen Medi- kamente sind vielfältig (Tabelle).

Alle, bis auf Insulin, setzen eine verbliebene (Rest-)Insulinsekretion voraus und sind in ihrer Wirksamkeit beschränkt. Während anfangs oft eine antihyperglykämische Substanz ausreicht (Monothe- rapie), wird es im Verlauf meist nötig, eine weitere Substanz mit anderem Wirkansatz hinzuzufügen (Kombinationstherapie). Die derzeitigen Empfehlun- gen beschränken diese Kombinationstherapie wegen fehlender Studien auf zwei Substanzen (27), im fort- geschrittenen Stadium der Erkrankung wird Insulin als Kombinationspartner oder Monotherapie benö- tigt. Bei der Auswahl geeigneter Medikamente für den individuellen Patienten spielen neben dem Stadi- um der Erkrankung, Alter, Körpergewicht und Ko- morbiditäten auch Faktoren wie Hypoglykämierisiko im Beruf, Compliance sowie persönliche Präferen- zen eine große Rolle.

Sulfonylharnstoffe, Glinide, DPP-4-Inhibitoren, Inkretinmimetika und natürlich Insulin führen durch eine Erhöhung des Insulinspiegels zu einer Senkung des Blutzuckers. Erfolgt diese Erhöhung des Insulin- spiegels glukoseunabhängig, das heißt auch bei nied- rigen Blutglukosespiegeln (Sulfonylharnstoffe, Gli- nide, Insulin), besteht ein Hypoglykämierisiko. Bei DPP-4-Inhibitoren und Inkretinmimetika, die die In- sulinsekretion glukoseabhängig steigern und bei Me- dikamenten, die andere Ansatzpunkte haben (Metfor- min, Acarbose, Pioglitazon oder die Ende 2012 zuge- lassenen SGLT2-Inhibitoren), geht bei fallenden Blutzuckerspiegeln die Insulinsekretion zurück. Bei diesen Substanzen besteht daher, wenn sie nicht mit den oben genannten potenziell hypoglykämieauslö- senden Substanzen kombiniert werden oder Sonder- situationen vorliegen (M. Addison, Kachexie), kein Hypoglyk ämierisiko.

Bei Medikamenten, die die Insulinspiegel gluko- seunabhängig steigern, besteht zudem die Gefahr, dass durch zeitweise oder dauerhaft zu hohe Insulinspiegel (Überinsulinierung) eine Gewichtszunahme erfolgt (Tabelle), die zumindest langfristig den Verlauf der Er- krankung negativ beeinflussen kann (28–31).

Metformin als medikamentöse

„firstline“-Therapie

Nahezu alle Leitlinien sehen Lebensstil-Interventio- nen und Metformin als initiale Therapie (Grafik) (1, 19, 30). Eine dreimonatige Phase ohne medikamen- töse Therapie ist bei motivierten Patienten mit mode- rater oder geringer HbA1c-Erhöhung sinnvoll, es kann aber auch direkt Metformin verabreicht wer- den.

Wesentliche Vorteile von Metformin sind neben der reduzierten Mortalität in der UKPDS (32) das fehlende Hypoglykämierisiko, ein anorektischer Ef- fekt, der eine Gewichtsabnahme begünstigt, sowie positive Effekte auf Lipidparameter. Es eignet sich besonders bei Patienten mit Adipositas und Insulin- resistenz, ist aber auch bei schlanken Patienten wirk- sam. Neuere Beobachtungsstudien geben Hinweise, dass es die Krebsmortalität bei Patienten mit Diabe- tes zu senken scheint (33, 34). Wichtigste Kontrain- dikation für Metformin ist eine GFR < 60 mL/min (35), die aufgrund der unzureichenden Datenlage des Laktatazidoserisikos diskutiert wird (36–38). Weite- re Kontraindikationen sind ausgeprägte hypoxische Komorbiditäten, schwere Lebererkrankungen und Zustände, die metabolische Azidosen begünstigen, wie zum Beispiel Fasten. Häufig finden sich gas- trointestinale Nebenwirkungen, vor allem zu Beginn der Therapie (31). Es sollte daher mit einer niedrigen Dosierung (2 × 500 mg) begonnen werden.

Alternativen bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von Metformin

Sulfonylharnstoffe/Glinide

Die Sulfonylharnstoff-Therapie ist seit Jahrzehnten etabliert. Es besteht jedoch insbesondere bei älteren und multimorbiden Patienten ein Hypoglykämierisiko.

Holstein et al. (39) beschrieben in einer deutschen po- pulationsbasierten Studie, abhängig vom verwendeten Präparat, 0,9–5,6 schwere Hypoglykämien pro 1 000 Patientenjahre.Darüber hinaus wird eine Gewichtszu- nahme begünstigt (31). Auch gibt es Hinweise aus Be- obachtungsstudien, aber keine sichere Evidenz, für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko verglichen mit Met- formin (40, e1–e4). Sulfonylharnstoffe scheinen zudem schneller als Metformin ihre Wirksamkeit zu verlieren (e5). Repaglinid, das ein ähnliches Nebenwirkungs- spektrum wie Sulfonylharnstoffe bei kürzerer Wirkdau- er hat, kann auch bei fortgeschrittener Niereninsuffi- zienz eingesetzt werden.

Metformin als firstline-Therapie

Wesentliche Vorteile von Metformin sind neben der reduzierten Mortalität in einer Studie das fehlende Hypoglykämierisiko, ein anorektischer Effekt, der eine Gewichtsabnahme begünstigt, sowie positive Effekte auf Lipidparameter.

Sulfonylharnstoff-Therapie

Die Sulfonylharnstoff-Therapie ist eine seit Jahrzehnten etablierte Therapie. Es besteht jedoch insbesondere bei älteren und

multimorbiden Patienten ein Hypoglykämierisiko.

(9)

Dipeptidylpeptidase-(DPP-)4-Inhibitoren/GLP1-Rezeptoragonisten DPP-4-Inhibitoren („Gliptine“, zum Beispiel Vilda- gliptin, Sitagliptin, Saxagliptin, Linagliptin und Alo- gliptin) hemmen den Abbau des Inkretinhormons Glucagon- like Peptide 1 (GLP-1) und steigern so dessen Konzentration.

Für Saxagliptin und Alogliptin wurden kürzlich kardiovaskuläre Studien mit jeweils über 17 000 und 5000 Patienten mit kardiovaskulären Ereignissen in der Vorgeschichte publiziert (e6, e7). Beide Studien zeigten kein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlag- anfall oder andere Ereignisse einschließlich Pankrea- titis oder Malignome. Unerwarteterweise fand sich ein erhöhtes Risiko für Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz mit Saxagliptin, nicht aber mit Alo- gliptin, was noch weiterer Analysen bedarf.

GLP-1 führt zu einer gesteigerten Insulinfreisetzung und Glukagonhemmung, die von der Glukosekonzen- tration abhängt und bedarfsgerechte Hormonspiegel erzeugt. Hierdurch ergibt sich eine größere therapeuti- sche Breite der DPP-4-Inhibitoren und ein geringes Hypoglykämierisiko bei Monotherapie oder Kombina- tion mit Medikamenten, die ebenfalls nicht zu Hypo- glykämien führen (1, e9). DPP-4-Hemmer führten in Studien nicht zu einer Gewichtszunahme. Nebenwir- kungen betreffen den Gastrointestinaltrakt und even - tuell Urtikaria (e9). Von den derzeit zur Verfügung stehenden DPP-4-Hemmern besitzen Sita gliptin, Vilda- gliptin, Saxagliptin und Linagliptin die Zulassung zur Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit oder Vorliegen von Kontraindikationen für Metformin. Li- nagliptin wird nicht renal eliminiert und kann bei Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung eingesetzt werden, während Sitagliptin, Vildagliptin und Saxa- gliptin Dosisanpassungen erfordern. Die GLP-1-Re- zeptoragonisten Exenatid, Liraglutid und Lixisenatid sind derzeit nicht zur Monotherapie zugelassen.

Acarbose

Acarbose hemmt intestinale alpha-Glucosidasen, re- duziert den Insulinbedarf ohne Hypoglykämien aus- zulösen und ist gewichtsneutral (e8, e9). Gastroin- testinale Nebenwirkungen sind häufig (e8).

Pioglitazon

Pioglitazon ist das einzige zugelassene Glitazon. Vor- teile sind ein sehr geringes Hypoglykämierisiko bei Monotherapie und Einsetzbarkeit bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Nachteile sind Gewichtszunahme,

Flüssigkeitsretention mit Verschlechterung einer Herz- insuffizienz (Kontraindikation bei Herzinsuffizienz NYHA I–IV), ein erhöhtes Knochenfrakturrisiko sowie eventuell eine erhöhte Blasenkarzinominzidenz (e5, e11). Im Juli 2011 entschied die European Medicines Agency, dass Pioglitazon dennoch eine valide Thera- pieoption für bestimmte Patienten darstellt. In der ver- tragsärztlichen Versorgung ist der Einsatz von Pioglita- zon in Deutschland auf besonders zu begründende Spe- zialsituationen beschränkt, beispielsweise spezielle Fälle von Niereninsuffizienz oder anders nicht zu errei- chende berufliche Anforderungen an eine Diabetesthe- rapie ohne Hypoglykämierisiko, zum Beispiel bei der Personenbeförderung.

SGLT-2-Inhibitoren

SGLT-2-Hemmer reduzieren die Rückresorption von Glukose in der Niere und bedingen eine Glukosurie die zu einer Insulin-unabhängigen Blutzuckersen- kung bei einem Gewichtsverlust von 2–4 kg führt. In Kombination mit Metformin besteht kein Hypoglyk - ämierisiko. Genitale Infektionen treten vermehrt auf.

Die osmotische Diurese bedingt eine leichte Blut- drucksenkung und kann additiv zu bereits verab- reichten Diuretika wirken. Die Wirksamkeit nimmt ab einer GFR < 60 mL/min ab. Endpunktstudien sind noch nicht verfügbar.

Zusammenfassung der Therapiealternativen

Zusammenfassend gibt es eine Vielzahl von thera- peutischen Ansätzen zur Blutzuckersenkung. In allen wesentlichen Leitlinienempfehlungen wie auch der konsentierten Nationalen Versorgungsleitlinie „The- rapie des Typ-2-Diabetes“, bei der auf sehr breiter Basis ein Konsens unter Berücksichtigung der der- zeitigen Evidenz hergestellt wurde, ist Metformin die initiale medikamentöse Therapieintervention (Grafik). Im Falle bestehender Kontraindikationen für Metformin oder dessen Unverträglichkeit ist es schwieriger, eine auf guten Endpunktdaten basieren- de Empfehlung auszusprechen, und zwischen AkdÄ und DEGAM einerseits und DDG und DGIM konnte diesbezüglich auch kein kompletter Konsens erzielt werden. Die Erstgenannten weisen darauf hin, dass nur Humaninsulin und Glibenclamid einen Nutzen- nachweis in Endpunktstudien hätten. DPP-4-Hem- mer, Glukosidasehemmer und andere Sulfonylharn- stoffe als Glibenclamid werden ebenfalls als Alterna- tive zum Metformin aufgeführt, allerdings mit dem

Glomeruläre Filtrationsrate

Metformin ist bei einer GFR < 60 mL/min kontraindiziert, Sulfonylharnstoffe bei einer GFR < 30 mL/min.

Antidiabetika bei Niereninsuffizienz

Bei unzureichender Stoffwechselführung

unter oralen Antidiabetika oder Neigung zu

Hypo glykämien sollte unabhängig von der

Clearance eine Insulintherapie erfolgen.

(10)

Hinweis, dass diese ohne Nutzennachweis in End- punktstudien seien. DDG und DGIM führen an die- ser Stelle alle derzeit verfügbaren Therapiealternati- ven ohne Wertung an, da nach deren Verständnis ers- tens alle Medikamente Vor- und Nachteile besäßen und diese in Abhängigkeit von der Multimorbität und Patientenpräferenzen mit jedem Patienten einzeln besprochen werden sollten.

Darüber hinaus halten DDG und DGIM die Evidenz für Glibenclamid bezüglich positiver Effekte auf klini- sche Endpunkte nicht in jedem Fall für überzeugend, sondern sehen bei einigen retrospektiven Analysen im Gegenteil sogar signifikante Steigerungen kardiovas- kulärer Komplikationen und der Mortalität. Sie weisen darauf hin, dass eine Glibenclamidtherapie mit einem Hypoglykämierisiko und einer Gewichtszunahme ver- bunden ist, und die anderen als Alternative zu Metfor- min aufgeführten Antidiabetika zwar bislang keine Er- gebnisse bezüglich klinischer Endpunkte nachweisen konnten, diese jedoch Risikoprofile zeigten, die deut- lich geringer seien als die von Sulfonylharnstoffen.

Aus Sicht der Autoren ist hier eine sehr individuelle, auf den Patienten abgestimmte und mit dem Patienten abzustimmende Entscheidungsfindung gefragt. Muss ein Hypoglykämierisiko vermieden werden (beispiels- weise bei gewerblicher Personenbeförderung), besteht eine besondere Hypoglykämiegefährdung oder eine deutliche Adipositas, ist der Einsatz von Sulfonylharn- stoffen oder Insulin eher ungünstig (19). Insulin, DPP- 4-Hemmer, Repaglinid und Pioglitazon bieten den Vor- teil einer Einsetzbarkeit bei fortgeschrittener Nierenin- suffizienz (Tabelle).

Therapieeskalation bei Versagen der Monotherapie

Kommt es bei Metformin-Monotherapie zu einem Anstieg des HbA1c über den vereinbarten Zielbe- reich, im Allgemeinen mit einem HbA1c zwischen 6,5 und 7,5 %, kann die Therapie dadurch eskaliert werden, dass ein zweites Antidiabetikum zusätzlich eingesetzt wird (Kombinationstherapie) oder es er- folgt eine Umstellung auf Insulin allein (Grafik). Bei der Empfehlung zu diesem Therapieschritt unter- scheiden sich erneut die Empfehlungen der AkdÄ und DEGAM einerseits und DDG und DGIM ande- rerseits. Die Erstgenannten legen sich auf drei mög- liche Alternativen fest und betonen dabei, dass für jede Empfehlung Vor- und Nachteile bestehen, die abzuwägen sind. Nach den Empfehlungen der Letzt-

genannten kommen nach Abwägung der Vorteile und Risiken unter Beteiligung des Patienten prinzipiell alle in der Tabelle genannten anderen Präparate für eine Kombination in Betracht (Grafik) (1, 19, 31).

Die Kombinationstherapie von Sulfonylharnstoffen oder Repaglinid mit Metformin hat einen überzeugen- den antihyperglykämischen Effekt. Nachteilig sind das Hypoglykämierisiko sowie die Gefahr der Gewichtszu- nahme sowie eventuell kardiovaskuläre Nebenwirkun- gen (19, e4). Hierdurch ergibt sich eine größere thera- peutische Breite der DPP-4-Inhibitoren und ein gerin- ges Hypoglykämierisiko bei Monotherapie oder Kom- bination mit Medikamenten, die ebenfalls nur selten zu Hypoglykämien führen (1, e9).

In Kombination mit Metformin sind auch injizier- bare GLP-1-Rezeptoragonisten (Tabelle) zugelassen.

Verglichen mit DPP-4-Hemmern wird eine stärkere und länger dauernde GLP-1-Wirkung erreicht (e12).

Hieraus resultiert neben einer stärkeren Blutzucker- senkung und HBA1c-Reduktion eine Verlangsamung der Magenentleerung sowie Stimulation des Sätti- gungsgefühls im Hypothalamus. GLP-1-Rezeptor- agonisten begünstigen neben der HbA1c-Senkung daher eine Gewichtsabnahme vor allem im Vergleich zu Insulin oder Sulfonylharnstoffen (e13, e14). Häu- figste Nebenwirkung dieser Substanzgruppe sind Übelkeit und Völlegefühl (e12). Diese treten vor al- lem in den ersten Wochen nach Behandlungsbeginn auf und können durch langsame Dosistitration ge- mindert werden. Derzeit zugelassen sind die GLP- 1-Rezeptoragonisten Exenatid, Lixisenatid und Lira- glutid, die zweimal täglich beziehungsweise einmal täglich subkutan injiziert werden. Exenatid ist seit Juni des Jahres 2011 auch als Präparat mit verzöger- ter Freisetzung zugelassen, das einmal wöchentlich injiziert wird (e15, e16). Ob GLP-1-Rezeptoragonis- ten das Pankreatitisrisiko erhöhen, ist nicht abschlie- ßend geklärt (e16, e17). Aufgrund einzelner Fälle von Pankreatitis unter GLP-1-Analoga schreiben die Fachinformationen eine Aufklärung über Pankreati- tissymptome, ein Absetzen bei Verdacht auf Pan- kreatitis sowie keine Anwendung nach gesicherter Diagnose vor. Aufgrund des geringen Hypoglyk - ämierisikos, der guten Wirksamkeit und des positiven Effekts auf den Gewichtsverlauf ist die Kombination von Metformin mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten insbesondere bei adipösen Patienten und Patien - ten, die hypoglykämiegefährdet sind oder beruflich kein Hypoglykämierisiko haben dürfen, vorteilhaft

Therapieeskalation bei Monotherapie Übersteigt der HBA1c-Wert bei Monotherapie den Zielkorridor, wird eine Zweifachkombination mit einem weiteren Antidiabetikum empfohlen.

Kombination individuell bestimmen

Welcher Kombinationspartner bei der

Zweifachkombination gewählt wird, muss

für jeden Patienten individuell entschieden

werden.

(11)

(e14–e17). Endpunktstudien stehen aus. Bei Kon - traindikation für Metformin können sie mit einem Sulfonylharnstoff kombiniert werden (e18). Hypo- glykämien können dann auftreten.

Therapieeskalation bei Versagen einer dualen Therapie

Es ist derzeit unklar, ob eine Dreifachkombination oder der Beginn einer Insulintherapie mit maximal einem weiteren Antidiabetikum bei Versagen einer dualen oralen Therapie hinsichtlich relevanter End- punkte über- oder unterlegen ist (31, e19–e22). Die neue NVL enthält eine Empfehlung für den Über- gang zu einer Kombinationstherapie mit Insulin, (Grafik) weil unzureichende Daten für Dreifachthe- rapien vorliegen (19). Abgesehen von Sondersitua- tionen wie dem Busfahrer oder Piloten, der unter ei- ner Therapie mit beispielsweise Metformin, DPP- 4-Hemmern und Pioglitazon den Beruf ohne Hypo- glykämiegefährdung weiter ausüben kann, ist häufig der Wunsch des Patienten, die Insulintherapie noch hinauszuzögern, Grund für eine Dreifachtherapie.

Das Positionspapier der EASD/ADA diskutiert die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten und emp- fiehlt eine engmaschige Überwachung (1).

Antihyperglykämische Therapien in Kombination mit Insulin

Die Kombination von basalem Insulin mit einem oralen Antidiabetikum ist ein gebräuchliches Schema, das die DDG für ihren NVL-Entwurf benutzt hat (19). Falls keine Metformin-Unverträglichkeit oder Kontraindika- tion besteht, kann Metformin bei Aufnahme einer Insu- lintherapie und im weiteren Verlauf beibehalten werden (Grafik). Hierdurch kommt es zur Einsparung von In- sulin und einer geringeren Gewichtszunahme. Ob es sinnvoll ist, zusätzlich zu einer basalen Insulintherapie mit oder ohne Metformin eine Steigerung der postpran- dialen Insulinsekretion durch Sulfonylharnstoffe, DPP- 4-Inhibition oder GLP-1 Rezeptoragonisten zu bewir- ken, ist noch nicht klar (31).

Strategien der Insulintherapie

Ziele der Insulintherapie sind beim Typ-2-Diabetes die Blutzucker- und Stoffwechselkontrolle zur mi- kro- und makrovaskulären Risikoreduktion bei Ver- meidung von Hypoglykämien sowie einer ausge- prägten Gewichtszunahme durch zu hohe oder falsch verteilte Dosen. Prinzipiell gibt es die konventionel-

le Therapie (CT), zumeist in Form einer zweimal täglichen Injektion eines Mischinsulins, die intensi- vierte konventionelle Insulintherapie mit Basalinsu- lingabe und Bolusinsulin zu den Mahlzeiten (ICT) und die kontinuierliche subkutane Insulininfusion, das heißt Insulinpumpentherapie (CSII), die für Typ- 2-Diabetiker nicht empfohlen wird. Evidenzbasierte Untersuchungen zu Vor- und Nachteilen der ver- schiedenen Therapieschemata hinsichtlich harter Endpunkten liegen nicht vor. Es gibt Hinweise, dass die ICT gegenüber der CT vorteilhaft sein kann (16), und diese wird daher – soweit durchführbar – emp- fohlen (Grafik). Der Einsatz der verschiedenen The- rapieregime sollte sich an den individuellen Bedürf- nissen des Patienten, der Lebensqualität und an der Stoffwechseleinstellung orientieren und sollte mit dem Patienten explizit vereinbart werden (1, 19, 27).

Beim Typ-2-Diabetes besteht bei Beginn der Insu- lintherapie in der Regel noch eine Restsekretion, so dass zunächst kein ICT-Schema nötig ist, sondern al- ternativ mit einer Basalinsulin- oder Mahlzeiten-be- zogenen Insulintherapie begonnen werden kann. Für beide Vorgehensweisen gibt es Argumente. Ein typi- scher Anlass für den Beginn mit der Basalinsulin-be- zogenen Insulintherapie sind morgendlich erhöhte BZ-Werte (Ziel 80–120 mg/dL), die mit einer abend- lichen Gabe eines Verzögerungsinsulins durch die Unterdrückung der hepatischen Glukoseproduktion gesenkt werden können (1). Man beginnt mit einer Verzögerungsinsulindosis von 10–20 IE je nach Gewicht und steigert diese um jeweils 2 IE alle drei Tage, bis die morgendlichen Werte im Zielbereich liegen. Problematisch können nächtliche Hypoglykä- mien sein, die zwischen 2–5 Uhr oft unbemerkt ver- laufen, so dass der nächtliche Blutzucker in der Ein- stellungsphase gezielt kontrolliert werden sollte.

Nächtliche Hypoglykämien treten seltener mit den langwirkenden Analoginsulinen auf (e23).

Stehen Blutzuckeranstiege nach Mahlzeiten im Vordergrund, kommt eher ein mahlzeitenbezogener Beginn der Insulintherapie in Betracht. Dies können fixe Dosen zu den Mahlzeiten sein, beispielsweise wenn diese regelmäßig in gleicher Menge eingenom- men werden oder ein mahlzeiten- und blutzucker- adaptiertes Schema (1, e24). Sowohl die DDG-Leit- linie (28) als auch die EASD/ADA-Empfehlungen betonen, dass für diese Vorgehensweisen nur schwa- che Evidenz vorliegt und zahlreiche individuelle As- pekte zu berücksichtigen sind (1, e24).

Therapieeskalation bei Versagen einer dualen Therapie

Es ist derzeit unklar, ob eine Dreifachkombination oder der Beginn einer Insulintherapie mit maximal einem weiteren Antidiabetikum bei Versagen der dualen oralen Therapie über- oder unterlegen ist.

Strategien der Insulintherapie

Der Einsatz der verschiedenen Therapieregime

sollte sich an den individuellen Bedürfnissen

des Patienten, der Lebensqualität und an der

Stoffwechseleinstellung orientieren und sollte

mit dem Patienten explizit vereinbart werden.

(12)

Es sind zahlreiche Titrationsschemata publiziert worden, und es wird eine mögliche Vorgehensweise dargestellt, die für hoch motivierte Patienten, die nicht einfacher zu therapieren sind, möglich ist. Die erfor- derliche Dosis ist von der Insulinempfindlichkeit ab- hängig. Bei normaler Insulinsensitivität liegt der Insu- linbedarf bei etwa 1–2 IE pro 40 kcal Kohlenhydrate, entsprechend einer Kohlenhydrateinheit oder 10–12 g Kohlenhydraten. Insulinresistente Typ-2-Diabetiker können ein Mehrfaches dieser Insulindosis benötigen.

Der Bedarf wird empirisch bestimmt und danach ein Schema erstellt, in dem der Patient eine berechenbare Menge Insulin entsprechend der Kohlenhydratmenge injiziert. Der Patient sollte Blutzuckermessungen durchführen und eine Korrekturdosis nach seinem ak- tuellen Blutzuckerwert injizieren. Man geht von einem Insulinbedarf von 1 I.E. pro 30–40 mg/dL (1,7–2,2 mmol/L) Blutzucker für Insulinsensitive aus, mit er- heblich höheren Korrekturdosen für Insulinresistente.

Die Regeln der Insulintherapie müssen auf jeden Fall in einer Schulung vermittelt werden, weil der Patient auch den Umgang mit Hypoglykämien und Auswir- kungen körperlicher Aktivität sowie weitere Einflüsse auf die Insulinwirksamkeit erlernen muss (28).

Interessenkonflikt

Prof. Pfeiffer erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit von Novo, Berlin Chemie, Novartis, Astra Zeneca/BMS, Sanofi, Lilly und Boehringer-Ingelheim. Ihm wurden Teilnahmgebühren für Kongresse erstattet von A & A und Boehringer Ingelheim. Er erhielt Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von Lilly, Thieme, PriMed, Novo, Berlin Chemie MSD und Sanofi. Honorare für die Durchführung klinischer Auftragsstudien auf eine Drittmittelkonto erhielt er von Roche, Takeda, Astra Zeneca und Novo. Für ein von ihm initiiertes Forschungsvorhaben erhielt er Gelder von Novartis, Bayer und Rettenmayer & Söhne.

Prof. Klein erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von GlaxoSmithKline, Sanofi-Aventis, Janssen-Cilag und AstraZeneca. Ihm wurden Teilnahmegebühren für Kongresse erstattet von Lilly, Novartis und AstraZeneca. Für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungs - veranstaltungen erhielt er Gelder von Novo Nordisk. Für ein von ihm ßinitiiertes Forschungsvorhaben erhielt er Gelder von GlaxoSmithKline und Sanofi Aventis.

Manuskriptdaten

eingereicht: 29. 9. 2011, revidierte Fassung angenommen: 3. 11. 2013

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